L 8 SO 6/13

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 SO 22/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 6/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 13/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten für die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft nach § 65 Abs. 1 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) für den Zeitraum von Februar 2010 bis Januar 2011 umstritten.

Der 1979 geborene Kläger war seit 2004 als selbstständiger Messebauer - auch im Ausland - tätig. Am 11. März 2009 erlitt er in M. eine Ponsblutung mit Ventrikeleinbruch. Nach seiner Verlegung in die Universitätsklinik für Neurologie H. am 20. März 2009 wurde er dort zunächst stationär weiterbehandelt und durchlief dann vom 14. April 2009 bis zum 20. Januar 2010 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Neurologischen Rehabilitationszentrum L.

Seit dem 1. März 2009 sind beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G", "B", "aG", "H" und "RF" festgestellt. Ferner ist seit Januar 2010 bei ihm die Pflegestufe III nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) anerkannt. Er erhält aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung bei der A. Lebensversicherung seit dem 1. Januar 2010 monatlich 505,20 EUR bzw. ab dem 1. Dezember 2010 512,00 EUR. Vom 25. bis zum 28. Februar 2010 erhielt er monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) in Höhe von 45,88 EUR und vom 1. März bis zum 31. August 2010 in Höhe von 419,15 EUR. Seit dem 1. September 2010 bezieht er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 373,75 EUR monatlich. Die Stadt H. bewilligte dem Kläger ab dem 1. Dezember 2010 Hilfe zum Lebensunterhalt in Form eines ergänzenden zinslosen Darlehns nach § 37 SGB XII bis zur Gewährung des Wohngeldes in Höhe von 83,40 EUR monatlich. Der Kläger erhielt schließlich im hier maßgebenden Zeitraum von der R. Krankenversicherung AG aus seiner privaten Pflegeversicherung im Sinne des SGB XI für häusliche Pflege durch die Beigeladene, eine gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XI zugelassene Pflegeeinrichtung, bis maximal 1.510,00 EUR monatlich erstattet. Im Übrigen gewährt dieses Unternehmen dem Kläger Leistungen der häuslichen Krankenpflege (Medikamentengabe und Blutdruckmessungen).

Der Kläger bewohnt seit dem 15. Januar 2010 mit einer gleichfalls behinderten Person gemeinsam eine behinderten- und rollstuhlgerechte Wohnung im Rahmen einer Wohngemeinschaft.

Am 14. Januar 2010 beantragte der Kläger bei der Stadt H. die Bewilligung von Hilfe zur Pflege im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe ab dem 1. Februar 2010.

Unter dem 21. Januar 2010 schloss der Kläger mit der Beigeladenen einen Vertrag über seine ambulante pflegerische Versorgung. Danach erbringt die Beigeladene für den Kläger Leistungen der Pflegeversicherung nach dem SGB XI und Pflegeleistungen nach dem SGB XII. Punkt 2 des Vertrages enthält zu "Leistungsumfang und Vergütungsregelung" insbesondere folgende Regelungen:

2.5. Bewilligte Leistungen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung oder anderer Sozialleistungsträger werden vom Pflegedienst unmittelbar mit diesen abgerechnet.

2.6. Leistungen, die nicht oder nicht vollständig von einem Sozialleistungsträger übernommen werden, sind vom Pflegebedürftigen selbst auf der Grundlage der unter 2.7. genannten Leistungs- und Entgeltverzeichnisse zu bezahlen. Bewilligt der Sozialleistungsträger nur einen Teil der beantragten Leistungen, hat der Pflegebedürftige den nicht bewilligten, aber erbrachten Teil selbst zu zahlen. Dieser Eigenanteil errechnet sich aus den unter 2.7. genannten Leistungs- und Entgeltverzeichnissen bzw. für Pflegesachleistungen nach SGB XI aus dem Preisberechnungsblatt und wird dem Pflegebedürftigen gesondert in Rechnung gestellt.

2.7. Die Leistungs- und Entgeltverzeichnisse in der jeweils gültigen Fassung der Vereinbarung mit den Pflegekassen und den Sozialhilfeträgern sind in der Anlage beigefügt und ebenfalls Bestandteil dieses Vertrages. [ ]

2.9. Für Pflegeleistungen, die nach Leistungskomplexen abgerechnet werden, wird das Entgelt geschuldet, sobald der wesentliche Inhalt eines Leistungskomplexes erbracht worden ist.

Punkt 7 des Vertrages enthält zu "Schriftform/Sonstiges" folgende Regelung:

Mündlich geschlossene Vertragsänderungen oder Vertragsergänzungen werden schriftlich bestätigt. [ ]

Als Anlage 3 zum Vertrag ist die "Leistungsvereinbarung SGB V und SGB XI" beigefügt, in der die Leistungskomplexe 1 bis 20 im Einzelnen aufgelistet und mit Punktwerten versehen sind. Als voraussichtliche monatliche Kosten sind 7.408,70 EUR abzüglich des maximalen Sachleistungsbetrages der Pflegekasse in Höhe von 1.510,00 EUR und ein zu zahlender Betrag in Höhe von 5.898,70 EUR errechnet.

Die Stadt H. zog das im Auftrag der privaten Pflegeversicherung erstellte Gutachten des Dipl.-Med. M. vom 21. Januar 2010 zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit bei. Danach betrage der Hilfebedarf bei den Verrichtungen des täglichen Lebens für die Grundpflege 313 Minuten und für die Hauswirtschaft 60 Minuten. Es liege eine Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe III vor. Ein außergewöhnlicher hoher Pflegeaufwand bestehe nicht. Die Alltagskompetenz sei nicht erheblich eingeschränkt. Auf dieser Grundlage gewährte die Stadt H. dem Kläger im Namen des beklagten überörtlichen Sozialhilfeträgers zunächst mit Bescheid vom 4. Mai 2010 ab dem 14. Januar 2010 Leistungen für die Kosten einer besonderen Pflegekraft gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, die die Leistungen der Pflegekasse übersteigen, sowie ergänzendes Pflegegeld gemäß § 64 Abs. 3 SGB XII in Höhe von monatlich 228,33 EUR. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, es sei eine "Rund-um-die-Uhr"-Betreuung erforderlich.

Mit Bescheid vom 5. Juli 2010 hob die Stadt H. im Namen des Beklagten den Bescheid vom 4. Mai 2010 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) mit der Begründung auf, Grundlage für den Erstbescheid sei das Pflegegutachten vom 21. Januar 2010 gewesen. Inzwischen liege das aktuelle Pflegegutachten vom 26. April 2010 vor. Danach sei von veränderten Verhältnissen der Pflegebedürftigkeit auszugehen. Das Zweitgutachten zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit von Dr. G. vom 26. April 2010 enthält als pflegebegründende Diagnosen multimodale Sensibilitätsstörungen, eine Extremitätenataxie, eine Tetraparese, eine komplexe Augenmotilitätsstörung und eine Facialisparese nach spontaner intracerebraler Blutung mit Ventrikel- und Ponsbeteiligung im März 2009. Pflegeerschwernisse seien ein Körpergewicht über 80 kg, einschießende unkontrollierte Bewegungen, eine stark eingeschränkte Sinneswahrnehmung sowie Schluckstörungen. Die Alltagskompetenz wird als nicht erheblich eingeschränkt angegeben. Ein außergewöhnlich hoher Pflegeaufwand bestehe nicht. Die Voraussetzungen der Pflegestufe III lägen weiterhin vor. Für die Grundpflege seien täglich 293 Minuten und für die Hauswirtschaft täglich 60 Minuten als Hilfebedarf zu veranschlagen. Die Pflege werde von der Beigeladenen angemessen übernommen. Diese erbringe neben der Hauswirtschaft und der gesamten Grundpflege auch die alltägliche Behandlungspflege (Medikamente, Uhrglasverband, Augentropfen). Mit Bescheid vom 6. Juli 2010 gewährte die Stadt H. dem Kläger im Namen des Beklagten für den Zeitraum vom 14. Januar 2010 bis zum 31. Januar 2011 die Kosten einer besonderen Pflegekraft gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, die die Leistungen der Pflegekasse übersteigen, sowie ergänzendes Pflegegeld gemäß § 64 Abs. 3 SGB XII in Höhe von monatlich 228,33 EUR nunmehr auf der Grundlage des Gutachtens vom 26. April 2010. Danach bestehe ein täglicher Pflegebedarf von 293 Minuten Grundpflege und 60 Minuten hauswirtschaftlicher Verrichtungen. Die Bedarfe bezüglich Grundpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftlicher Versorgung sind wie folgt im Einzelnen aufgeführt und erläutert:

Grundpflege

Verrichtung

Bedarf

Ganzkörperwäsche

2 x täglich

Zahnpflege

2 x täglich

Kämmen

2 x täglich

Rasieren

1 x täglich

Hilfe beim Wasserlassen

14 x täglich

Hilfe beim Stuhlgang

1 x täglich

Richten der Bekleidung

14 x täglich

Wechseln von Inkontinenzprodukten

14 x täglich

Wechseln/Entleeren von Auffanggefäßen

16 x täglich (davon 2 x nachts)

Der LK (Leistungskomplex) 9 ist in LK 1 - 4 enthalten (nur die gesonderten Einsätze können separat abgerechnet werden).

Ernährung

Verrichtung

Bedarf

Mundgerechte Zubereitung

5 x täglich

Aufnahme der Nahrung

5 x täglich

Mobilität

Verrichtung

Bedarf

Aufstehen/Zubettgehen

4 x täglich

Umlagern

3 x täglich (davon 3 x nachts)

An- und Auskleiden

2 x täglich

Stehen (Transfer)

2 x täglich (1 x nachts)

Hauswirtschaftliche Versorgung

Verrichtung

wöchentlicher Bedarf

Einkaufen

2 x wöchentlich

Reinigen der Wohnung

2 x wöchentlich oder Wochenpauschale

Spülen

1 x täglich bereits in LK 7 enthalten

Wechseln/Waschen der Kleidung und Wäsche

1 x wöchentlich

Auch hiergegen erhob der Kläger am 16. Juli 2010 Widerspruch.

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht (SG) H. (Az.: S 25 SO 83/10 ER) hat der Kläger vorgetragen, er werde seit dem 20. Januar 2010 durch Pflegekräfte eines professionellen Pflegedienstes rund um die Uhr betreut. Weder er selbst noch seine Angehörigen seien in der Lage, die Kosten dieser Pflegeleistungen zu erbringen. Eine Eilbedürftigkeit sei gegeben, weil er als Schwerstpflegebedürftiger dieser Rund-um-die-Uhr-Pflege bedürfe und diese derzeit nicht sichergestellt sei. Die Beigeladene habe mitgeteilt, dass sie die Erbringung der Leistungen einstellen müsse, sofern die beantragte Hilfe zur Pflege nicht kurzfristig erfolge; die Beigeladene sei nicht in der Lage, die Leistungen länger vorzufinanzieren. Der Beklagte sei verpflichtet, über die bereits übernommenen Kosten hinaus für den in dem weiteren Pflegegutachten vom 14. Juli 2010 ermittelten Pflegebedarf von nunmehr 313 Minuten Grundpflege und 60 Minuten hauswirtschaftlicher Verrichtungen täglich für weitere 11 Stunden 47 Minuten die Kosten für Aufwendungen für besondere Pflegekräfte (Hilfe zur Pflege) - Kosten der ambulanten Betreuung durch einen professionellen Pflegedienst - zu übernehmen. Er legte nunmehr einen Kostenvoranschlag der Beigeladenen vor, wonach die Kosten der Pflegeleistungen in der Summe wöchentlich 2.245,87 EUR und für 30 Tage 9.625,16 EUR betrügen; abzüglich des Anteils der Pflegekasse in Höhe von 1.510,00 EUR ergäben sich 8.115,16 EUR monatlich.

In dem vorgenannten amtsärztlichen Gutachten vom 14. Juli 2010 von der Nervenärztin G. werden neben den bekannten pflegebegründenden Hauptdiagnosen als weitere Diagnosen ein Hypertonus mit hypertensiven Krisen, ein Übergewicht, eine Pollakisurie und Nykturie sowie eine Schwindelsymptomatik und Tinnitus genannt. Unter Berücksichtigung der Pflegeerschwernisse erfordere die tägliche Grundpflege 313 Minuten und die hauswirtschaftliche Versorgung 60 Minuten. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 21. Juli 2010 hat die Nervenärztin G. dargelegt, dass die Anwesenheit einer Pflegeperson in der Nacht bei dem Kläger unabdingbar notwendig sei. Der nächtliche Pflegeeinsatz sei für die Lagerung, Flüssigkeitsgabe und -beaufsichtigung sowie "Überwachung der freien Atmung" notwendig. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin D. hat die Nachfrage des SG, ob der Kläger der ständigen Betreuung bedürfe, unter dem 12. August 2010 bejaht und hierzu ausgeführt, der Kläger sei aufgrund der - von ihr im Einzelnen dargelegten - Behinderungen hilflos und bedürfe auch nachts beim Lagerungswechsel, dem Reichen von Getränken und beim Wasserlassen fremder Hilfe.

Im Juli 2010 hatte die Beigeladene dann bei dem Sozialamt der Stadt H. unter dem 6. Juli 2010 erstellte Rechnungen für die von Januar bis Juni 2010 beim Kläger erbrachten Pflegeleistungen eingereicht. Die zu zahlenden Beträge wurden wie folgt angegeben:

- Februar 2010 2.976,61 EUR,

- März 2010 4.775,36 EUR,

- April 2010 4.523,86 EUR,

- Mai 2010 5.204,80 EUR,

- Juni 2010 4.969,93 EUR

Für jeden Monat war bereits der Betrag für die häusliche Pflege in Höhe von 1.510,00 EUR abgezogen worden.

Das Sozialamt der Stadt H. kürzte mit der Begründung, dass in einigen Leistungskomplexen bereits Verrichtungen anderer Leistungskomplexe enthalten seien, im Namen des Beklagten die Positionen

-"Darm- und Blasenentleerung" - LK 9 -, (der LK 9 sei bereits jeweils 2 x täglich im LK 3

enthalten)

-"Lagern/Betten" - LK 6 - (der LK 6 sei nur 3 x täglich abrechenbar und auch bereits 2x

im LK 3 enthalten)

-"kleine Morgen-/ Abendtoilette" - LK 1 - (entfalle wegen Berücksichtigung LK 3)

-"Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" - LK 10 - (entfalle voll-

ständig)

-"Wechseln der Bettwäsche" - LK 15 - (sei nur 2 x wöchentlich zu berücksichtigen)

-"Großer Einkauf" - LK 17 - (sei nur 1 x wöchentlich ebenso wie ein kleiner Einkauf zu

berücksichtigen)

und beglich die Rechnungen nur in folgender Höhe:

- Februar 2010 1.510,74 EUR,

- März 2010 2.605,49 EUR,

- April 2010 2.376,53 EUR,

- Mai 2010 2.835,07 EUR ,

- Juni 2010 2.699,23 EUR.

Das SG H. verpflichtete den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung, vorläufig ab dem 1. Juli 2010 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens über die bereits bewilligen und anerkannten Kosten für die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft hinaus die Kosten für die Erbringung von Begleitdiensten durch die Beigeladene für acht Stunden à 9,34 EUR täglich (insgesamt 74,72 EUR täglich) zu übernehmen.

Die nachfolgend von der Beigeladenen eingereichten Rechnungen für Juli 2010 bis Januar 2011 kürzte das Sozialamt der Stadt H. im Namen des Beklagten auf folgende Beträge:

- Juli 2010 von 5.327,54 EUR auf 3.024,18 EUR,

- August 2010 von 5.598,87 EUR auf 3.345,62 EUR,

- September 2010 von 5.445,75 EUR auf 2.628,81 EUR,

- Oktober 2010 von 5.667,25 EUR auf 2.732,68 EUR,

- November 2010 von 5.385,61 EUR auf 2.571,74 EUR,

- Dezember 2010 von 5.823,55 EUR auf 3.097,30 EUR,

- Januar 2011 von 5.896,22 EUR auf 3.166,40 EUR.

Für die Monate Juli 2010 bis Januar 2011 zahlte der Beklagte aufgrund der Verurteilung durch das SG zudem jeweils monatlich 2.316,32 EUR für den in Rechnung gestellten Begleitdienst an die Beigeladene. Nachdem auch Nachweise über die tatsächliche Erbringung der Begleitung des Klägers für die Zeit von Februar bis Juni 2010 vorgelegt worden sind, sind auch insoweit die Begleitdienste vom Beklagten bezahlt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2011 hob der Beklagte den Bescheid der Stadt H. vom 6. Juli 2010 insoweit auf, als darin Leistungen für einen Begleitdienst von acht Stunden/Tag nicht gewährt wurden. Der Kläger habe für den Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis zum 31. Januar 2011 Anspruch auf Leistungen gemäß § 65 SGB XII in Form eines Begleitdienstes im Umfang von acht Stunden/Tag mit einem Vergütungssatz von 9,34 EUR/Stunde. Unter Beachtung der Bundesempfehlungen der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Auslegung der in Anlage 1 zur Vergütungsvereinbarung gemäß § 89 SGB XI aufgeführten Leistungskomplexe sei über die bereits anerkannten Leistungskomplexe hinaus keine Vergütung zu übernehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 1070 der Verwaltungsakten Bezug genommen.

Am 28. Februar 2011 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 6. Juli 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2011 Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Beklagte sei verpflichtet, die ihm durch die Inanspruchnahme der Beigeladenen entstanden Kosten zu übernehmen. Es sei ihm unzumutbar, in einer stationären Einrichtung, in einem Heim, zu leben. Er habe sich in seiner Wohnung mittlerweile gut eingelebt und seinen Lebensmittelpunkt in H. Seine Familie und alle Freunde lebten in H. und der Umgebung und kämen ihn regelmäßig besuchen. Sie würden auch gemeinsam etwas mit ihm unternehmen. Eine besondere Stütze sei ihm seine Schwester, Frau S. Sie sei examinierte Altenpflegerin und habe ihre Tätigkeit in einem Pflegeheim gekündigt, um vom betreuenden Pflegedienst, der Beigeladenen, eingestellt werden zu können, um sich um ihn kümmern zu können. Trotz seiner großen Beeinträchtigungen könne er mit Hilfe des Pflegedienstes sein Leben selbstständig und eigenverantwortlich gestalten. Er benötige allerdings eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Dies sei durch die eingeholten Gutachten, zuletzt vom 14. Juli 2010, durch das Schreiben der Amtsärztin G. vom 21. Juli 2010 sowie durch das Schreiben der Hausärztin D. vom 12. August 2010 nachgewiesen. Soweit der Umfang der vom Beklagten zu übernehmenden Kosten für die Heranziehung der Beigeladenen streitig sei, sei zu berücksichtigen, dass die Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen leistungsgerecht sein müsse. Die Vergütung müsse einen Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung in die Lage versetzen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen. Bis einschließlich Juli 2010 habe die Beigeladene die Pflege durch einen vollbeschäftigten Arbeitnehmer und acht bis neun geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer und ab September 2010 mit zwei vollbeschäftigten Arbeitnehmern und achteinviertel geringfügig Beschäftigten erbracht. Die Studenten, die als geringfügig beschäftigte Pflegehilfskräfte angestellt worden seien, seien jeweils eingewiesen und eingearbeitet worden und hätten dadurch die fachliche Befähigung erlangt und nachgewiesen, um die bei ihm vorzunehmenden pflegerischen Tätigkeiten durchzuführen. Insoweit ist u.a. auf die "Bestätigung der Delegation und Anleitung" zweier Pflegekräfte verwiesen worden. Zur Darstellung der 24-Stunden-Betreuung sind die Dienstpläne für die Monate Februar 2010 bis Mai 2011 vorgelegt und es ist auf die Aufstellung der Personalkosten im Zeitraum von Juli bis Dezember 2010 Bezug genommen worden. Der Kläger hat sodann die ungedeckten Kosten der Beigeladenen im Einzelnen errechnet; insoweit wird auf Blatt 96 bis 101 der Gerichtsakten Band I Bezug genommen. Er hat ferner eine Aufstellung der konkreten Kosten seiner Behindertenwohngemeinschaft für den Zeitraum von Februar 2010 bis Januar 2011 vorgenommen und nach Abzug des Pflegegeldes an ihn selbst sowie der Pflegeleistungen seiner Mitbewohnerin die offenen Beträge errechnet, wobei für den Monat April 2010 keine Differenz mehr offen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 303 bis 308 der Gerichtsakte Bd. II Bezug genommen.

Darüber hinaus seien Rechnungen unberechtigt gekürzt worden. In Sachsen-Anhalt seien die Leistungen der ambulanten Pflege auf der Grundlage der zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen und den ambulanten Pflegeeinrichtungen sowie deren Verbänden für Sachsen-Anhalt vereinbarten Leistungskomplexe abzurechnen. Diese Leistungskomplexe seien in Sachsen-Anhalt nebeneinander abrechenbar, soweit keine Einschränkungen vereinbart seien. Unzutreffend sei die Auffassung des Beklagten, die Empfehlungen der Spitzenverbände der Pflegekassen für ein System zur Vergütung der Leistungen der häuslichen Pflege nach dem SGB XI seien entsprechend anwendbar. Diese Verwaltungspraxis des Beklagten sei zu überprüfen. Zur befürworteten Abrechenbarkeit der Leistungskomplexe 9, 5, 6 - auch nebeneinander - hat er auf ein Schreiben der Landesarbeitsgemeinschaft der privaten Verbände in Sachsen-Anhalt vom 13. Juli 2011 an die Stadt H. verwiesen.

Der Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung verfolgt, dass die Frage der Zumutbarkeit/Unzumutbarkeit einer stationären Betreuung nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides sei. Denn vorliegend sei der Umfang der dem Kläger gewährten ambulanten Leistungen der Hilfe zur Pflege von Februar 2010 bis Januar 2011 streitgegenständlich. In Bezug auf die gewährten ambulanten Leistungen würden dem Kläger keine Leistungen im Sinne eines sogenannten Arbeitgeberassistenzmodells bewilligt. Aufwendungen für kalkulierte Zuschläge für Verwaltungs-/ Personalkosten, Rückstellung etc. seien nicht Gegenstand von Leistungen, die zur Deckung der Aufwendungen für eine herangezogene besondere Pflegekraft gewährt würden. In Bezug auf die Begleitdienste seien die durch den Pflegedienst nachgewiesenen geleisteten acht Stunden in angemessenem Umfang in Höhe von 9,34 EUR/Stunde bezahlt worden. Zudem erhalte der Kläger Pflegegeld in Höhe von monatlich 228,33 EUR. Mit der Beigeladenen sei eine Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI ohne Differenzierung nach Pflegestufen und die Anwendbarkeit der Leistungskomplexe vereinbart worden. Unter Beachtung der Regelungen in § 61 Abs. 6 SGB XII würden vom Beklagten zur Auslegung der Inhalte des LK 3 die Empfehlungen der Spitzenverbände der Pflegekassen für ein System zur Vergütung zur Leistung der häuslichen Pflege nach dem SGB XI (Bundesempfehlungen) herangezogen. Inhaltlich entsprächen die sechs Verrichtungen aus Sachsen-Anhalt den fünf Verrichtungen der Bundesempfehlungen. Letztere führten darüber hinaus inhaltlich weitere Erläuterungen an. So sei bei der Hilfe zum Waschen "ggf. die Unterstützung bei der physiologischen Blasen- und Darmentleerung" vorgesehen. Da die Leistungen der Pflegeeinrichtung wirksam und wirtschaftlich zu sein hätten und das Maß des Notwendigen nicht übersteigen dürften, sei die zusätzliche Abrechnung des LK 9 bei zeitgleicher Erbringung der Verrichtungen des LK 3 sozialhilferechtlich nicht zulässig. Der LK 9 werde deshalb zweimal täglich nicht anerkannt, da bereits der LK 3 - große Morgen- oder Abendtoilette - zweimal täglich berücksichtigt werde und darin die Verrichtungen nach dem LK 9 bereits enthalten seien. Der LK 6 sei nur einmal täglich zu berücksichtigen. Durch das bei dem zweimalige Berücksichtigen des LK 3, der die Hilfe beim Aufsuchen oder Verlassen des Bettes auch Maßnahmen zum körper- und situationsgerechten Liegen und Sitzen umfasse, sei gleichzeitig der LK 6 abgedeckt. Zur Nichtberücksichtigung der LK 1 und 10 hat der Beklagte ausgeführt, dass ein sozialhilferechtlich relevanter Bedarf auf Grund der vorliegenden Gutachten nicht festgestellt worden sei. Insbesondere sei der Kläger auf Grund des vorhandenen Elektrorollstuhls und der Begleitung durch seine Familienangehörigen in der Lage, die Wohnung nach eigenem Wunsch zu verlassen und wieder aufzusuchen. Eine sozialhilferechtlich relevante Notlage sei nicht ersichtlich. Der LK 15 sei nur zweimal wöchentlich zu berücksichtigen, da er im Zusammenhang mit dem LK 14 grundsätzlich nicht abrechenbar sei. Ab März 2010 werde der LK 14 auch nicht mehr in den Abrechnungen des Pflegedienstes aufgeführt. Es würden ausschließlich Verrichtungen für den LK 15 abgerechnet. Die Verrichtungen des LK 15 deckten den gutachterlich festgestellten Hilfebedarf für Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung (LK 14) keineswegs vollständig ab. Insoweit sei man dem Kläger entgegengekommen, als der LK 15 zweimal wöchentlich anerkannt worden sei. Der LK 17 und der LK 16 seien jeweils einmal wöchentlich berücksichtigt worden. Das Erstellen eines Einkaufs- und Speiseplans sowie der Einkauf von Lebensmitteln jeweils einmal wöchentlich seien ausreichend. Der LK 5 (Waschen und Trocknen der Haare sowie Kämmen im Bett) könnten neben der zweimal täglichen Berücksichtigung des LK 3 (große Morgen-/Abendtoilette) nicht zusätzlich erbracht werden. Die vorgenommenen Streichungen in den Abrechnungen der Beigeladenen seien zutreffend, da ein sozialhilferechtlich relevanter Bedarf darüber hinausgehend nicht habe festgestellt werden können.

Nach Bewirken der Beiladung hat das SG die Klage mit Urteil vom 5. Dezember 2012 abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe im Rahmen der in Rechnung gestellten Leistungskomplexe keinen weitergehenden Anspruch auf Übernahme der Kosten durch die Inanspruchnahme der Beigeladenen als besondere Pflegekraft im grundpflegerischen und hauswirtschaftlichen Bereich. Der Beklagte habe Rechnungskürzungen zu Recht vorgenommen. Auf der Grundlage der Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB IX erfolge die Vergütung unter Heranziehung der Empfehlungen der Spitzenverbände der Pflegekassen für ein System zur Vergütung der Leistungen der häuslichen Pflege nach dem SGB XI. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Übernahme des LK 6 (Lagern/Betten) mehr als einmal täglich, und zwar weder für das nächtliche Umlagern, das offensichtlich im Zusammenhang mit der Erbringung des LK 9 (Darm- und Blasenentleerung) durchgeführt werde, noch für die von der Beigeladenen geschilderte mehrfach tägliche Hilfeleistung beim Aufrichten bzw. bei der Haltungskorrektur im Rollstuhl. Soweit der Kläger im Rahmen des LK 9 bei der Hilfestellung bei der Miktion im Anschluss gebettet und gelagert werde, sei dies mit der Abrechnung des LK 9 abgegolten. Der LK 9 beinhalte insbesondere das An-/und Auskleiden, die Hilfe/Unterstützung bei der Blasen- und/oder Darmentleerung sowie das Teilwaschen bei Notwendigkeit. Eine schwerste Bettlägerigkeit, also eine vollständige Immobilität, liege auch nach Angaben der Beigeladenen beim Kläger nicht vor. Nach dem Inhalt des Gutachtens vom 26. April 2010 werde durchschnittlich zweimal nachts zur Miktion die Ente benutzt und einmal nachts die Toilette im Sanitärraum aufgesucht, sodass das Umlagern nachts dreimal erfolge. Ferner bekomme er nachts etwa drei- bis viermal die Urinflasche angehalten und werde zwei- bis dreimal umgelagert. Maßnahmen zum körper- und situationsgerechten Sitzen, die der aktivierenden Pflege zuzuordnen seien, seien im Rahmen der einzelnen Verrichtungen (LK 9, LK 3, LK 7 etc.) zu erbringen und könnten nicht gesondert abgerechnet werden. Zu Recht sei auch der LK 9 zweimal täglich nicht berücksichtigt worden, da Hilfestellungen beim Wasserlassen/Stuhlgang zumindest jeweils einmal am Morgen und einmal am Abend im Zusammenhang mit der großen Morgen-/Abendtoilette (LK 3) erbracht würden. Es bestehe auch kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für den LK 1 (Kleine Morgen/Abendtoilette) zusätzlich einmal täglich. Weder im Zweitgutachten vom 26. April 2010 noch im amtsärztlichen Gutachten vom 14. Juli 2010 werde die Notwendigkeit einer weiteren täglichen Teilwäsche bestätigt. Ebenso sei von der Notwendigkeit der Hilfestellung des Pflegedienstes beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung (LK 10) in der von der Beigeladenen geltend gemachten Häufigkeit/Regelmäßigkeit nicht auszugehen. Regelmäßige Arztbesuche außerhalb der Wohnung fänden nach den vorgenannten Gutachten nicht statt, da vielmehr eine regelmäßige hausärztliche Versorgung im Hausbesuch erfolge. Die Mutter des Klägers habe im vom SG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durchgeführten Erörterungstermin mitgeteilt, dass sie den Kläger zu Arztbesuchen begleite und dabei Hilfe benötige, um den Kläger die am Haus befindliche Rampe herunter zu schieben, da diese Rampe teilweise mit Fahrrädern zugestellt sei. Insoweit müssten - gegebenenfalls unter Zuhilfenahme des Vermieters - Maßnahmen ergriffen werden, um das Zustellen der Rampe, die ja gerade zum Ausgleich der Behinderung als pflegeerleichternde Maßnahme angebracht worden sei, durch Fahrräder zu unterbinden. In Bezug auf die Geltendmachung des LK 17 (Großer Einkauf) und des LK 16 (Kleiner Einkauf) sei es für einen Ein-Personen-Haushalt ausreichend, einen kleinen und einen großen Einkauf pro Woche durchzuführen, um die Versorgung - auch mit frischen Lebensmitteln - sicherzustellen. Soweit der Beklagte den LK 15 (Wechseln der Bettwäsche) zweimal wöchentlich berücksichtigt habe, entspreche dies den nachvollziehbaren Angaben im amtsärztlichen Gutachten vom 14. Juli 2010.

Gegen das ihm am 9. Januar 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. Februar 2013 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Mit der am 12. Juni 2014 vorgelegten Begründung hat er geltend gemacht, das SG habe nicht berücksichtigt, dass die Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen leistungsgerecht sein müsse. Die Vergütung müsse einem Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen. Es sei hier die Besonderheit der notwendigen Rund-um-die-Uhr-Betreuung besonders zu berücksichtigen. Dem erstinstanzlichen Beweisangebot, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, welche Vergütung für die 24-Stunden-Pflege des Klägers erforderlich sei und mit welcher Vergütung einem Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung die Erfüllung seines Versorgungsauftrages gegenüber dem Kläger möglich sei, sei das Gericht nicht nachgekommen. Auch habe das SG ohne nähere Begründung zu Unrecht zur Auslegung der Inhalte der vereinbarten Leistungskomplexe die Empfehlungen der Spitzenverbände der Pflegekassen für ein System zur Vergütung der Leistung der häuslichen Pflege nach dem SGB XI herangezogen. Er hat erneut auf das bereits im Klageverfahren vorgelegte Schreiben der Landesarbeitsgemeinschaft der privaten Verbände in Sachsen-Anhalt vom 13. Juli 2011 verwiesen. Ferner hat er folgende Aufstellung der offenen Rechnungsbeträge für den Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis zum 31. Januar 2011 vorgelegt:

Abrechnungsmonat

Betrag

erhalten

Differenz

Februar 2010

2.976,61 EUR

1.510,74 EUR

1.465,87 EUR

März 2010

4.775,36 EUR

2.605,49 EUR

2.169,87 EUR

April 2010

4.523,86 EUR

2.376,53 EUR

2.147,33 EUR

Mai 2010

5.204,80 EUR

2.835,07 EUR

2.369,73 EUR

Juni 2010

4.969,93 EUR

2.699,23 EUR

2.270,70 EUR

Juli 2010

5.327,54 EUR

3.024,18 EUR

2.303,36 EUR

August 2010

5.598,87 EUR

3.345,62 EUR

2.253,25 EUR

September 2010

5.445,75 EUR

2.628,81 EUR

2.816,94 EUR

Oktober 2010

5.667,25 EUR

2.732,68 EUR

2.934,57 EUR

November 2010

5.385,61 EUR

2.571,74 EUR

2.813,87 EUR

Dezember 2010

5.823,55 EUR

3.097,30 EUR

2.726,25 EUR

Januar 2011

5.896,22 EUR

3.166,40 EUR

2.729,82 EUR

Gesamt:

29.001,56 EUR

Außerdem hat der Kläger eine unter dem 22. September 2010 von ihm und der Beigeladenen unterzeichnete Stundungsvereinbarung eingereicht, wonach er anerkenne, der Beigeladenen den Rechnungsbetrag der ihm monatlich erstellten Rechnungen nach Abzug der Zahlungen öffentlicher Träger zu schulden. Nach Ablauf einer zweiwöchigen Einwendungsfrist gegen die jeweiligen Rechnungsbeträge verzichte er auf Einwendungen jeglicher Art hinsichtlich des Grundes und der Höhe nach. Die Beigeladene stunde ihm - dem Kläger - den Anspruch aus den jeweiligen monatlichen Rechnungen bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils über die von öffentlichen Trägern zu erbringenden Zahlungen. Im Verhandlungstermin vor dem Senat hat er schließlich vorgetragen, es gebe zwischen ihm und der Beigeladenen noch einen mündlichen Vertrag, wonach er zur Bezahlung der 24-Stunden-Pflege verpflichtet sei. Ein schriftlicher Vertrag existiere nicht. Er habe zudem mündlich auf die Einrede der Verjährung verzichtet.

Der Kläger beantragt ausdrücklich,

das am 5. Dezember 2012 verkündete und am 9. Januar 2013 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Halle, Az. S 13 SO 22/11, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Kläger von den Kosten für Aufwendungen für die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft - Kosten der ambulanten Betreuung durch einen professionellen Pflegedienst - freizustellen und die Kosten zu übernehmen, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, den Kläger von den Kosten für Aufwendungen für die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft - Kosten der ambulanten Betreuung durch einen professionellen Pflegedienst - freizustellen und die Kosten zu übernehmen, die sich für den Monat Februar 2010 auf 3.885,95 EUR, für den Monat März 2010 auf 100,45 EUR, für den Monat Mai 2010 auf 500,86 EUR, für den Monat Juni 2010 auf 109,76 EUR, für den Monat Juli 2010 auf 133,05 EUR, für den Monat August 2010 auf 997,04 EUR, für den Monat September 2010 auf 3.993,90 EUR, für den Monat Oktober 2010 auf 4.239,34 EUR, für den Monat November 2010 auf 3.573,37 EUR, für den Monat Dezember 2010 auf 2.418,00 EUR und für den Monat Januar 2011 auf 1.769,06 EUR belaufen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und wiederholt sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Im Berufungsverfahren ist die bei der Beigeladenen geführte Personalakte der Frau S. beigezogen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Streitakten des erledigten Verfahrens L 8 SO 27/10 B ER, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage sowohl in Bezug auf den Hauptantrag als auch den Hilfsantrag abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Freistellung von weiteren ihm durch die Beigeladene in Rechnung gestellten Kosten für Leistungen zur Pflege nicht zu. Er ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert im Sinne von §§ 153 Abs. 1, 157, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klage ist in Bezug auf den Hauptantrag als Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig. Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid vom 6. Juli 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2011, mit dem der Beklagte es abgelehnt hat, weitere Kosten, die dem Kläger für die Pflege durch die Beigeladene in Rechnung gestellt worden sind, zu übernehmen. Der Kläger ist aufgrund des zwischen ihm und der Beigeladenen geschlossenen Vertrags vom 21. Januar 2010 ausweislich der Aufstellung der offenen Rechnungsbeträge und der Stundungsvereinbarung vom 22. September 2010 durchsetzbaren Forderungen der Beigeladenen für erbrachte Pflegeleistungen ausgesetzt, von denen er vom Beklagten freigestellt werden möchte. Soweit er in der mündlichen Verhandlung beim Senat erstmals vorgetragen hat, es sei zwischen ihm und der Beigeladenen auch noch ein mündlicher Vertrag abgeschlossen worden, nach welchem er zur Bezahlung der 24 Stunden-Pflege verpflichtet sei, und er habe insoweit auch mündlich auf die Einrede der Verjährung verzichtet, geht der Senat nicht von einer durchsetzbaren Forderung der Beigeladenen gegenüber dem Kläger aus. Es fehlen in Bezug auf den behaupteten mündlichen Vertragsabschluss Angaben zum Datum und zur konkreten Höhe der Forderung. Der angeblich geschlossene Vertrag wird weder im schriftlichen Vertrag vom 21. Januar 2010 noch in der Stundungsvereinbarung vom 22. September 2010 erwähnt. Insoweit verstößt die angeblich getroffene Vereinbarung auch gegen das in § 7 des Vertrages vom 21. Januar 2010 festgelegte Schriftformerfordernis.

Der Kläger macht eine Leistung der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII geltend. Für diese Hilfe ist sachlich und örtlich der Beklagte zuständig (§ 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - AG SGB XII - vom 11. Januar 2005, GVBl. LSA 2005, S. 8; § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die in § 4 AG SGB XII geregelte Möglichkeit der Heranziehung des örtlichen Trägers führt nicht zu einer Zuständigkeitsverlagerung im Sinne einer daran anknüpfenden Passivlegitimation. Das ergibt sich bereits daraus, dass der örtliche Träger bei der Heranziehung nach § 6 Satz 2 AG SGB XII zwingend im Namen des zuständigen (hier überörtlichen) Trägers der Sozialhilfe entscheidet.

Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Diese gesundheitlichen Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit sind bei dem Kläger nach den hier bindenden Feststellungen der Pflegekasse (§ 62 SGB XII) im Umfang eines Pflegebedarfs nach der Pflegestufe III erfüllt. Das ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig.

Grundsätzlich sind von der Hilfe zur Pflege im Sinne des § 61 ff. SGB XII auch Leistungen der häuslichen Pflege umfasst. Nach § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII kann Hilfe zur Pflege in Form der häuslichen Pflege, durch Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege gewährt werden. Reicht im Falle des § 61 Abs. 1 SGB XII häusliche Pflege aus, soll der Träger der Sozialhilfe darauf hinwirken, dass die Pflege einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen werden (§ 63 Satz 1 SGB XII). Das Nähere regeln die §§ 64 bis 66 SGB XII (§ 63 Satz 2 SGB XII). Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind Pflegebedürftigen im Sinne des § 61 Abs. 1 SGB XII die angemessenen Aufwendungen der Pflegeperson zu erstatten; auch können angemessene Beihilfen geleistet sowie Beiträge der Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung übernommen werden, wenn diese nicht anderweitig sichergestellt ist. Ist neben oder anstelle der Pflege nach § 63 Satz 1 SGB XII die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich oder eine Beratung oder zeitweilige Entlastung der Pflegeperson geboten, sind die angemessenen Kosten zu übernehmen (§ 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII).

Erstattungsfähig nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sind lediglich die angemessenen Kosten einer besonderen Pflegekraft. Pflegekräfte im Sinne des § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII können z.B. Gesundheits- und Krankenpflegerinnen/Gesundheits- und Krankenpfleger, Altenpflegerinnen/Altenpfleger, Familienpflegerinnen/Familienpfleger und Hauswirtschafterinnen/Hauswirtschafter sein; es können auch geeignete Personen sein, was im Einzelfall zu prüfen ist, sofern sie nicht zum Kreis der nahe stehenden Personen und Nachbarn gehören. In den §§ 63, 65 SGB XII werden die nahe stehenden Personen und Nachbarn als Pflegepersonen, die sonstigen (erwerbsmäßig) pflegenden Personen als besondere Pflegekräfte bezeichnet. Familienangehörige oder dem Pflegebedürftigen sonst nahestehende Personen können in der Regel nicht als besondere Pflegekräfte i.S. des § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII angesehen werden, die für ihre Pflegeleistungen eine Vergütung erhalten. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Pflege durch Angehörige und nahe stehende Personen unentgeltlich geleistet wird, selbst wenn der oder die Pflegende eine ausgebildete Pflegekraft ist (vgl. Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Kommentar zum SGB XII, 19. Auflage 2015, § 65 Rdnr. 13; Hessisches LSG, Beschluss vom 30. April 2007 - L 7 SO 14/07 ER -, juris Rdnr. 22; Oberverwaltungsgericht (OVG) der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 28. November 2008 - S 3 a 233/08 -, juris Rdnr. 28). Insoweit ist auch auf die Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB XI zu verweisen, wonach den Pflegekassen verwehrt ist, zur Sicherstellung der häuslichen Pflege Verträge mit Verwandten, Verschwägerten oder Haushaltsangehörigen des Pflegebedürftigen abzuschließen (Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. März 1999 - B 3 P 9/98 R -, juris Rdnr. 23).

Die erforderlichen Pflegeleistungen für den Kläger werden in der Hauptsache von der Beigeladenen erbracht, die wiederum zumindest in dem hier maßgebenden Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis zum 31. Januar 2011 diese Leistungen vorrangig durch die zum 1. Februar 2010 bei ihr eingestellte Schwester des Klägers hat durchführen lassen. Dies ergibt sich aus der Kostenkalkulation der Beigeladenen sowie dem Arbeitsvertrag mit Frau S., den aktenkundigen Dienstplänen und Leistungsnachweisen. Nach der Personalakte hat Frau S. im März 2008 erfolgreich eine Ausbildung zur Altenpflegerin absolviert und war als solche von März 2008 an im "L.-Pflegeheim E. H." beschäftigt. Zum 1. Februar 2010 wurde sie bei der Beigeladenen als examinierte Altenpflegerin eingestellt. Es wurde eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich und eine Vergütung von 1.600,00 EUR brutto monatlich vereinbart (Vertrag vom 28. Januar 2010). Unter dem 31. August 2012 wurde zudem ein Kfz-Überlassungsvertrag abgeschlossen. Unter dem 19. Dezember 2013 wurde der Arbeitsvertrag in Bezug auf eine gewährte Weihnachtsgratifikation und unter dem 16. Februar 2015 in Bezug auf die monatliche Vergütung insoweit geändert, als ein monatliches Bruttogehalt von 1.800,00 EUR vereinbart sowie geregelt wurde, dass ab dem 1. Juni 2015 die monatliche Vergütung auf Stundenlohnbasis erfolge und Frau S. einen Bruttostundenlohn in Höhe von 10,34 EUR sowie einen Sonn- und Feiertagszuschlag in Höhe von 4,60 EUR brutto pro Stunde bei einer weiterhin regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich erhalte. Mit Schreiben vom 14. September 2015 kündigte Frau S. das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2015 aus persönlichen Gründen. Die Vertragsausgestaltung lässt erkennen, dass es sich um ein reguläres Beschäftigungsverhältnis zwischen der Beigeladenen und Frau S. als Pflegekraft handelte. Soweit Letztere im hier maßgebenden Zeitraum tatsächlich hauptsächlich in der Pflege des Klägers eingesetzt worden ist, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Insoweit ist der Sachverhalt nicht vergleichbar mit den dem Urteil des BSG vom 18. März 1999 in dem Verfahren B 3 P 9/98 R zugrunde liegenden tatsächlichen Umständen, wonach es Pflegekassen verwehrt ist, zur Sicherstellung der häuslichen Pflege Verträge mit u.a. Verwandten des Pflegebedürftigen abzuschließen. Denn hier hat der Kläger mit der in der Rechtsform einer juristischen Person betriebenen Beigeladenen als zugelassener Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 SGB XI einen Pflegevertrag abgeschlossen. Die tatsächliche Vertragsgestaltung zwischen Frau S. und der Beigeladenen lässt auch nicht erkennen, dass es sich lediglich um einen Scheinarbeitsvertrag zur Umgehung der fehlenden rechtlichen Möglichkeit, unmittelbar Ansprüche der Frau S. für den Kläger an den Beklagten durchsetzen zu können, gehandelt hat.

Die von der Beigeladenen daneben mit der Pflege des Klägers betrauten Personen sind als Pflegekräfte im Sinne des § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII anzusehen. Eine besondere Pflegekraft in diesem Sinne muss eine fachliche Befähigung nachweisen können, worunter z.B. nach entsprechender Einweisung auch Zivildienstleistende fallen können (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2013 - B 8 SO 1/12 R -, juris Rdnr. 17; Meßling in jurisPK - SGB XII, 2. Auflage 2014, Stand 23. Mai 2016, § 65 Rdnr. 36, 37). Bei den von der Beigeladenen eingestellten und mit der Pflege des Klägers betrauten geringfügig Beschäftigten handelte es sich zwar ausschließlich um Studenten, die keine besondere Qualifikation für Pflegeleistungen aufgewiesen haben. Sie sind jedoch nach dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren jeweils von Frau N. S. und Frau S., die beide jeweils über einschlägige Fachausbildungen verfügen, eingewiesen, angeleitet und überwacht worden. Nach dem von der Beigeladenen vorgelegten Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung zwischen den Landesverbänden verschiedener Pflegekassen und den Vereinigungen der Träger der Pflegedienste auf Landesebene ist unter § 17 Abs. 2 Satz 3 aufgeführt, dass der Anteil der Pflegeleistungen, der durch geringfügig Beschäftigte erbracht wird, möglichst 20 Prozent nicht übersteigen solle. Hier handelt es sich jedoch lediglich um eine Sollvorschrift, deren Nichteinhaltung nach Auffassung des Senats nicht dazu führt, dass die von der Beigeladenen in Rechnung gestellten Pflegeleistungen nicht abrechnungsfähig sind. Ferner ist unter § 17 Abs. 3 Satz 3 des Vertrages geregelt, dass beim Einsatz von Pflegehilfskräften sicherzustellen sei, dass Pflegefachkräfte die fachliche Überprüfung des Pflegebedarfs, die Anleitung der Hilfskräfte und die Kontrolle der geleisteten Arbeit gewährleisten. Diese Vorgabe ist nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen erfüllt gewesen.

Gemäß § 75 Abs. 5 SGB XII richten sich bei zugelassenen Pflegeinrichtungen im Sinne des § 72 SGB XI Art, Inhalt, Umfang und Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen nach den Vorschriften des Achten Kapitels des Elften Buches, soweit Vereinbarungen im Einvernehmen mit dem Träger der Sozialhilfe getroffen worden sind (§ 75 Abs. 5 Satz 2 SGB XII). Insoweit sind die §§ 82 ff. SGB XI maßgeblich. Damit soll die Einheitlichkeit der Vergütung gesichert werden. Der Sozialhilfeträger ist somit grundsätzlich an die nach dem SGB XI getroffenen Vergütungsvereinbarungen gebunden (Meßling in jurisPK, a.a.O., § 65 Rdnr. 44, Kramer/Sommer in LPK-SGB XII, 10. Auflage 2015, § 65 Rn. 10, Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Schneider, a.a.O., § 65 Rdnr. 11; vgl. zum Bundessozialhilfegesetz: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 26. April 2001 - 12 L 3008/00 -, juris Rdnr. 49). Gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB XII wird die Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen und der hauswirtschaftlichen Versorgung zwischen dem Träger des Pflegedienstes und den Leistungsträgern nach Abs. 2, d.h. dem Träger der Sozialhilfe, der für die durch den Pflegedienst versorgten Pflegebedürftigen zuständig ist (§ 89 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 SGB XI), für alle Pflegebedürftigen nach einheitlichen Grundsätzen vereinbart. Die Vergütungen können, je nach Art und Umfang der Pflegeleistung, nach dem dafür erforderlichen Zeitaufwand oder unabhängig vom Zeitaufwand nach dem Leistungsinhalt des jeweiligen Pflegeeinsatzes, nach Komplexleistungen oder in Ausnahmefällen auch nach Einzelleistungen bemessen werden (§ 89 Abs. 3 1. Halbsatz SGB XI).

Hier hat die Beigeladene eine Vergütungsvereinbarung gemäß § 89 SGB XI im Einvernehmen mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe abgeschlossen und die beim Kläger erbrachten Leistungen auf der Grundlage von § 1 - Vergütungsstruktur - und § 3 - Punktwert - erbracht. § 1 nimmt Bezug auf die in der Anlage 1 zur Vergütungsvereinbarung vereinbarten Leistungskomplexe. Diese Leistungskomplexe sind in 20 Komplexe aufgegliedert. Der Punktwert ist mit 0,0375 EUR pro Punkt vereinbart. Die Punktzahlen ergeben sich aus den Leistungskomplexen gemäß § 1. Die Vereinbarung ist am 1. Mai 2009 in Kraft getreten. Als Laufzeitende wurde der 30. April 2010 vereinbart. Über den 1. Mai 2010 hinaus ist jedoch keine neue Vereinbarung abgeschlossen worden, sodass nach § 77 Abs. 2 Satz 4 SGB XII die vereinbarten Vergütungen bis zum Wirksamwerden neuer Vergütungen weiter gelten.

Zur näheren Bestimmung des Inhalts der Pflegeleistung finden nach § 61 Abs. 6 SGB XII die Rahmenverträge und die Bundesempfehlungen über die pflegerische Versorgung nach § 75 SGB XI entsprechende Anwendung. Da im Land Sachsen-Anhalt - anders als in anderen Bundesländern - keine von den Bundesempfehlungen abweichenden Regelungen zum Inhalt und zur Anwendung der Leistungskomplexe getroffen worden sind, finden die Bundesempfehlungen, von November 1996 bzw. Oktober 2010 - die inhaltlich identisch sind - Anwendung. Zwar sind die Empfehlungen der Spitzenverbände nicht rechtsverbindlich. Auch Vereinheitlichungsvorschlägen ist der Gesetzgeber nicht gefolgt (vgl. hierzu Reimer in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XI, Stand März 2015, § 89 Rdnr. 12). Insoweit hätte es den Vertragspartnern der Vergütungsvereinbarung gemäß § 89 SGB XI freigestanden, die Leistungskomplexe abweichend von den Bundesempfehlungen zu kommentieren. Hiervon haben sie indes keinen Gebrauch gemacht. Deshalb ist grundsätzlich von einer Anwendbarkeit der Bundesempfehlungen auszugehen, solange keine Gesichtspunkte - insbesondere eine unterschiedliche Bewertung mit Punktzahlen - erkennbar sind, die eine Berücksichtigung der Bundesempfehlungen unbillig erscheinen lassen.

Nach den Vorbemerkungen in den Bundesempfehlungen sind die Leistungskomplexe so gestaltet, dass bei Kombination mehrerer Leistungskomplexe keine Leistungsüberschneidungen und damit keine Doppelabrechnungen entstehen (Seite 87 2. Absatz der Bundesempfehlungen). Die zu einem Leistungskomplex zusammengefassten Verrichtungen stellen keine abschließende Aufzählung dar. Vielmehr sind im Rahmen eines Leistungskomplexes alle Tätigkeiten, die unter Berücksichtigung der individuellen Pflegesituation erforderlich sind, durchzuführen (letzter Absatz Seite 87 der Bundesempfehlungen).

Dementsprechend sind die Rechnungen der Beigeladenen vom Beklagten zutreffend gekürzt worden.

Zu den Kürzungen im Einzelnen: Der LK 9 (Punktzahl 110) entspricht dem LK 12 der Bundesempfehlungen (Punktzahl 100). Hier ist in den Erläuterungen ausgeführt, der LK 12 könne bei einem Einsatz nicht in Verbindung mit den LK 2 bis 7, die dem hier anzuwendenden LK 1 bis 4 entsprechen, abgerechnet werden. Der LK 9 hat ebenso wie der LK 3 das An-/Auskleiden zum Inhalt. Dem steht auch nicht entgegen, dass im Bescheid vom 6. Juli 2010 in Bezug auf die Grundpflege Hilfe beim Wasserlassen, Richten der Bekleidung, Wechseln von Inkontinenzprodukten und Wechseln/Entleeren von Auffanggefäßen 14mal bzw. 16mal täglich als Bedarf anerkannt worden ist, wenn tatsächlich nach den vorliegenden Leistungsnachweisen der LK 9 weniger als 14- bis 16mal täglich durchgeführt worden ist. Auf dieser Grundlage hat der Beklagte zutreffend jeweils den in den Abrechnungen täglich angegebenen LK 9 zweimal an den Tagen, für die der LK 3 jeweils 2x abgerechnet wurde, gekürzt. Auch spricht der Umstand, dass der LK 12 der Bundesempfehlungen mit einer geringeren Punktzahl bewertet ist als der LK 9 in Sachsen-Anhalt, nicht gegen eine Anwendbarkeit der Anwendungshinweise in den Bundesempfehlungen.

Im Einzelnen sind dem Beklagten zwar gelegentlich Rechenfehler unterlaufen, so ersichtlich für den 26. Februar, 19. und 30. März sowie den 17. und 23. Mai 2010. Allerdings ist im August 2010 gar keine Kürzung beim LK 9 vorgenommen worden, sodass jedenfalls ein Nachzahlungsanspruch in Bezug auf den LK 9 in dem hier streitigen Zeitraum nicht besteht.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der LK 6 (Punktzahl 100) lediglich einmal täglich vergütet worden ist. Der LK 6 betrifft das Lagern/Betten und entspricht dem LK 8 (Punktzahl 100) der Bundesempfehlungen, der mit "Spezielle Lagerung bei Bettlägerigkeit" beschrieben ist. Der LK 6 beinhaltet insbesondere spezielle Lagerungsmaßnahmen zur körper- und situationsgerechten Lagerung in und außerhalb des Bettes zur Vorbeugung von Sekundärerkrankungen und Linderung von Beschwerden unter Verwendung von Lagerungshilfsmitteln. Der LK 6 wäre nur abrechenbar bei schwerster Bettlägerigkeit (Immobilität). Diese liegt beim Kläger unter Zugrundelegung der vorliegenden Pflegegutachten, insbesondere des Gutachtens vom 14. Juni 2010, nicht vor. Auch hier ist die Punktzahl nicht nur vergleichbar, sondern identisch.

Im Übrigen, d.h. in Bezug auf die Anrechenbarkeit des LK 1, des LK 10, des LK 15 und des LK 17, verweist der Senat auf die zutreffenden Gründen in der angefochtenen Entscheidung, die er sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Eine Rechtsgrundlage dafür, dass der Kläger die der Beigeladenen monatlich angeblich entstandenen Kosten anteilig zu erstatten und demzufolge der Beklagte diese Kosten zu übernehmen hat, ist bereits nicht erkennbar. Vielmehr schuldete der Kläger nach dem Pflegevertrag vom 21. Januar 2010 - wie oben dargelegt - und der Stundungsvereinbarung vom 22. September 2010 nur die Vergütung für die erbrachten Pflegeleistungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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