L 4 AS 25/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 55 AS 282/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 25/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für den Zeitraum von August 2014 bis Juli 2016 einen Anspruch gegen den Beklagten auf Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) hat.

Die 1989 geborene, erwerbsfähige Klägerin begann im August 2014 eine Berufsfachschulausbildung "Biologisch Technische Assistenz (BTA) mit Schwerpunkt Biochemie" an der Gewerbeschule C. in H ... Zuvor hatte die Klägerin in L. M. studiert, war jedoch im 11. Fachsemester exmatrikuliert worden, nachdem sie eine Prüfung wiederholt nicht bestanden hatte.

Einen Antrag der Klägerin auf Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) lehnte Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 8. August 2014 ab mit der Begründung, es handele sich um eine schulische Ausbildung. Ihr Antrag auf Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) vom 14. August 2014 wurde abgelehnt (Bescheid der Hansestadt Lübeck vom 5.9.2014) mit der Begründung, sie habe ihre vorherige Ausbildung, das Studium, erst im 11. Semester abgebrochen. Da kein unabweisbarer Grund für den Abbruch nachgewiesen sei, könne die jetzt begonnene weitere Ausbildung nicht mehr gefördert werden.

Am 29. August 2014 beantragte die Klägerin beim Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 29. September 2014 ab. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin sei von Leistungen ausgeschlossen, da sie in der Ausbildung sei und diese Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III dem Grunde nach förderungsfähig sei. Auszubildende hätten gem. § 7 Abs. 5 und 6 SGB II (in der bis 31.7.2016 geltenden Fassung vom 20.12.2011, im Folgenden: a.F.) über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Die Klägerin erhob am 21. Oktober 2014 Widerspruch und trug zur Begründung vor, sie erhalte weder Berufsausbildungsbeihilfe noch BAföG, die entsprechenden Anträge seien beide abgelehnt worden. Sie sei daher hilfebedürftig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Ausbildung zur Biologisch-Technischen Assistentin dem Grunde nach förderungsfähig nach dem BAföG sei. Damit sei die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 5 SGB II a.F. grundsätzlich ausgeschlossen. Die Voraussetzungen der Öffnungsklausel des § 7 Abs. 6 SGB II a.F. seien nicht erfüllt. Auch ein Anspruch auf Leistungen als Darlehen gem. § 27 Abs. 4 SGB II (in der bis 31.7.2016 geltenden Fassung vom 20.12.2011, im Folgenden: a.F.) bestehe nicht. Es liege im Falle der Klägerin kein atypischer Sachverhalt vor, der einen besonderen Härtefall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) begründe. Die von der Klägerin am 21. August 2014 aufgenommene Zweitausbildung stehe weder vor dem Abschluss noch stelle die Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt dar. Schließlich seien auch Leistungen nach § 27 Abs. 3 SGB II a.F. ausgeschlossen, da die Klägerin weder Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III noch Leistungen nach dem BAföG beziehe und diese Leistungen auch nicht aufgrund von Einkommen und Vermögen versagt worden seien.

Am 26. Januar 2015 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht erhoben. Sie hat vorgetragen, dass die Ausbildung zur Biologisch-Technischen Assistentin nicht förderungsfähig sei und insoweit auf die Ablehnung ihres BAföG-Antrags durch Bescheid vom 5. September 2014 verwiesen. Auch Berufsausbildungsbeihilfe sei abgelehnt worden. Die Klägerin hat ferner mitgeteilt, sie wohne mietfrei bei einem Bekannten. Ihr Vater bezahle ihre Krankenkassenbeiträge und Handyrechnungen. Von ihren Eltern, Geschwistern sowie einer Bekannten erhalte sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts monatlich Geld als Darlehen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 9. Januar 2017 abgewiesen. Der Bescheid vom 29. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 2015 sei rechtmäßig. Die Klägerin sei gemäß § 7 Abs. 5 SGB II a.F. von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Danach hätten Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 SGB II a.F. hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die von der Klägerin absolvierte Berufsfachschulausbildung sei dem Grunde nach förderungsfähig gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG, da es sich um eine Berufsfachschulklasse handele, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetze und die in einem mindestens zweijährigen Bildungsgang einen berufsqualifizierenden Abschluss vermittele. Die Förderung nach dem BAföG sei der Klägerin nur deshalb versagt worden, weil es sich um eine Zweitausbildung handele und sie ihre vorherige Ausbildung im elften Semester abgebrochen habe, ohne dass ein unabweisbarer Grund hierfür nachgewiesen worden sei. Für die Frage des Ausschlusses von Leistungen nach dem SGB II komme es aber nicht darauf an, ob tatsächlich BAföG-Leistungen gewährt würden, entscheidend sei allein, ob die Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig sei, was hier der Fall sei. Die in § 7 Abs. 6 SGB II a.F. geregelten Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Leistungsausschluss lägen ebenfalls nicht vor. Ein Anspruch auf Leistungen nach § 27 Abs. 3 SGB II a.F. (Zuschuss zu den Kosten der Unterkunft) bestehe nicht, da dieser nur solchen Auszubildenden zustehe, die tatsächlich Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe oder nach dem BAföG beziehen, was bei der Klägerin gerade nicht der Fall sei. Schließlich sei auch kein besonderer Härtefall gegeben, der gem. § 27 Abs. 4 SGB II a.F. einen Anspruch auf darlehensweise Leistungen begründen könnte. Auch nach den zum 1. August 2016 in Kraft getretenen Neufassungen der genannten Vorschriften bestehe kein Anspruch der Klägerin.

Die Klägerin hat am 23. Januar 2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Sozialgericht habe die Änderungen der maßgeblichen Vorschriften durch das Neunte SGB II-Änderungsgesetz nicht ausreichend beachtet. Nach der Neufassung seien Auszubildende und Studenten mit wenigen Ausnahmen – von denen die Klägerin nicht erfasst sei – nicht mehr von Leistungen ausgeschlossen. Außerdem habe sie auch aus Härtegründen einen Leistungsanspruch. Mangels Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG könne sie ihren Lebensunterhalt nur durch Leistungen nach dem SGB II sichern. Ein Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II habe den Abbruch der Ausbildung zur Folge. Die Aufnahme einer Nebentätigkeit sei ohne Gefährdung des Abschlusses nicht möglich. Die Klägerin hat ferner mitgeteilt, sie habe ihre Ausbildung im Juli 2016 abgeschlossen und sei seitdem erwerbstätig.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid vom 9. Januar 2017 sowie den Bescheid vom 29. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr für den Zeitraum August 2014 bis Juli 2016 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt Bezug auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.

Mit Beschluss vom 27. März 2017 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Nach § 153 Abs. 5 SGG kann der Senat durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter entscheiden.

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG vollen Umfangs Bezug auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Soweit die Klägerin ausführt, das Sozialgericht habe die Änderungen des SGB II durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (Gesetz vom 26.7.2016, BGBl. S. 1824) nicht hinreichend beachtet, kann sie damit schon deshalb nicht durchdringen, weil dieses Gesetz nach seinem Art. 4 Abs. 1 erst zum 1. August 2016 in Kraft getreten und damit für den hier streitgegenständlichen Zeitraum ohne Bedeutung ist. Dennoch hat das Sozialgericht sich durchaus mit der Neufassung beschäftigt und zutreffend dargelegt, dass die Klägerin auch nach den geänderten Vorschriften von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen wäre. Auch der Vortrag der Klägerin, es sei ein Härtefall gegeben, vermag nicht zu überzeugen. Die von ihr geschilderten Folgen des Leistungsausschlusses gehen über die damit typischerweise verbundenen Folgen nicht hinaus und begründen daher gerade keine besondere Härte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved