L 1 U 150/17

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 6 U 3031/13
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 150/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 8 Abs. 1 SGB 7

Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - Sportplatzaufsicht - Zeckenbiss - sachlicher Zusammenhang - Unaufklärbarkeit des Unfallereignisses - Beweislast - Gesundheitserstschaden

1. Die Anerkennung eines Zeckenbisses als Arbeitsunfall setzt voraus, dass das Ereignis Zeckenbiss/Erstkontakt mit der Zecke örtlich und zeitlich derart bestimmbar ist, dass die konkret ausgeübte berufliche Verrichtung bzw. Handlungstendenz im Zeitpunkt des Zeckenbisses festgestellt werden kann. Selbst eine möglicherweise hohe Wahrscheinlichkeit reicht zur Annahme des erforderlichen Vollbeweises nicht aus.
2. Allein der Nachweis festgestellter positiver IgM-Antikörper reicht für die Annahme eines Gesundheits(erst)schadens nicht aus.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 30. November 2016 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 1. Juni 2012 als Arbeitsunfall.

Die Klägerin war an diesem Tag im Rahmen des Sportfestes der Staatlichen Grundschule K. als aufsichtsführende Lehrerin eingesetzt. Bei einem routinemäßigen Hausarztcheck am 6. Juni 2012 erfolgte eine Kontrolle des Borreliose-Titers, welcher im Hinblick auf Borrelien auffällige Werte ergab. Daraufhin erstattete die Schule der Klägerin am 2. Juli 2012 eine Unfallanzeige. Die Klägerin sei auf dem Sportplatz von einer Zecke gebissen worden. In einem Telefongespräch am 24. September 2012 teilte die Klägerin mit, dass sie die Zecke selber entfernt habe und eine leichte Rötung entstanden sei. Anschließend sei sie nicht zum Arzt gegangen. Am 6. Juni 2012 sei sie wegen eines Routine Checks beim Arzt gewesen. Sie habe dort sofort Antibiotika bekommen. Seit Ende August 2012 habe sich ihre Sehkraft erheblich verschlechtert. Zugleich wies sie auf eine durchgemachte Erkrankung an Borreliose vor 13 Jahren hin. Nach Beiziehung von Behandlungsunterlagen holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme von Frau Dr. W-F. ein. Diese äußerte erhebliche Zweifel, ob der Zeckenbiss vom 1. Juni 2012 bereits wenige Tage später zu einem positiven Ergebnis im Hinblick auf eine Borrelien-Infektion führen könne. Antikörper würden sich nur langsam im Verlauf von vier bis sechs Wochen entwickeln, sodass der positive Titer-Befund nicht als Folge des kurz zurückliegenden Zeckenbisses im Rahmen des Sportfestes angesehen werden könne. Auch in der Folgezeit habe sich eine typische Symptomatik nicht entwickelt.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 2013 die Anerkennung des Er-eignisses vom 1. Juni 2012 als Arbeitsunfall ab. Ein Gesundheitsschaden in Form einer Borre-lieninfektion als Folge des Ereignisses könne nicht nachgewiesen werden. Ein Unfall sei nicht bewiesen. Die labortechnischen Befunde würden für eine länger zurückliegende Infektion sprechen. Ein Widerspruch der Klägerin hiergegen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2013 zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 29. August 2013 beim Sozialgericht Altenburg Klage erhoben. Schriftsätzlich hat sich die Klägerin am 25. Februar 2014 dahingehend eingelassen, dass die Zecke am Abend beim Duschen entfernt worden sei und nicht während des Sportfestes. Nach dem Sportfest sei sie ins Auto gestiegen, nach Hause gefahren und nicht mit Grünflächen oder Pflanzen in Berührung gekommen. Auf Antrag der Klägerin hat das Sozialgericht nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Gutachten der Neurologin Frau Dr. S. eingeholt. Diese führt in ihrem Gutachten vom 4. Februar 2015 aus, dass es hinsichtlich des zeitlichen Verlaufs bezüglich der Infektion fraglich sei, ob tatsächlich eine Übertragung der im Zeckendarm lebenden Borrelien in der relativ kurzen Zeit stattgefunden haben kann. Die Klägerin habe angegeben, die Zecke am gleichen Tag entfernt zu haben. Nach der Literatur benötige eine Zecke in der Regel 16 - 24 Stunden, um die Erkrankung zu übertragen. In 80% der Fälle komme es nach dem Zeckenstich zur Ausbildung eines Erythema migrans. Eine derartige kreisrunde Rötung sei nicht beobachtet und auch vom Hausarzt am 6. Juni 2012 nicht beschrieben worden. Bereits am 6. Juni 2012 hätten sich erhöhte Borrelien-IgM-Antikörper gezeigt. Bei den IgM-Antikörpern handele es sich um die Sofortreaktion des Körpers auf eine Infektion. Die Frage, wann die ersten Antikörper messbar seien, werde unterschiedlich beantwortet. Die Zeiträume variierten zwischen zwei bis sechs Wochen. Teilweise werde auch das Auftreten im Zeitraum von Tagen angenommen. Die Vielzahl der von der Klägerin geklagten allgemeinen Beschwerden sei zu unspezifisch, um von einer Borrelieninfektion auszugehen. Die Liquordiagnostik im Hinblick auf eine Neuroborreliose in der Fachklinik St. sei negativ gewesen. Daraufhin legte die Klägerin ein Gutachten der Fachärztin für klinische Pharmakologie Dr. D.-W., die nach eigenen Angaben eine Borreliose Praxis in E. betreibt, vor. Dieses Gutachten ist ausschließlich im Auftrag der Klägerin erstellt worden. Darin führt diese aus, dass ein Zeckenstich als solcher selten bemerkt werde und die Saugzeit daher nur zu schätzen sei. Erfolge der Stich am Vormittag und die Entfernung vor dem Schlafengehen, ergebe sich eine mehrstündige Saugzeit, die durchaus ausreichen könne. Der Zeitraum der Antikörperbildung hänge auch von individuellen Faktoren ab. Andere mögliche Ursachen für die Erkrankung der Klägerin seien nicht dokumentiert. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 30. Dezember 2015 wies die Sachverständige Dr. S. darauf hin, dass die Saugzeit nach wie vor als sehr kurz anzusehen sei und die Infektionswahrscheinlichkeit mit Länge der Saugdauer zunehme. Ein lokales Erythema migrans sei bei der Klägerin nicht zur Ausbildung gekommen. Nach den Leitlinien sei für die Diagnose einer Neuroborreliose das Vorliegen entzündlicher Liquorver-änderungen erforderlich.

Das Sozialgericht Altenburg hat die Klage mit Urteil vom 30. November 2016 abgewiesen. Es stehe nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass sich die Klägerin am 1. Juni 2012 während ihrer beruflichen Tätigkeit als Lehrerin eine Borrelieninfektion durch einen Zeckenstich zugezogen habe. Es sei völlig offen, ob während des Aufenthalts der Klägerin auf dem Sportplatz tatsächlich Borrelien übertragen worden seien. Der Zeitpunkt des tatsächlichen Einstichs sei ungeklärt. Nach dem Sachverständigengutachten von Frau Dr. S. benötige eine Zecke in der Regel 16 bis 24 Stunden, um die Erkrankung zu übertragen. Daher sei zumindest fraglich, ob tatsächlich eine Übertragung in der relativ kurzen Zeit stattgefunden haben könne. Die fehlende Ausbildung eines Erythema migrans sei ein Argument gegen einen Ursachenzusammenhang. Dasselbe gelte für die Feststellung erhöhter Borrelien-IgM-Antikörper bereits fünf Tage nach dem Sportfest. Das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten von Frau Dr. W. sei nicht geeignet, die Überzeugung der Kammer zu erschüttern. Sie argumentiere ausschließlich damit, dass Durchschnittswerte in Einzelfällen unter- oder überschritten werden könnten. Damit lasse sich aber die erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht begründen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin sei am 1. Juni 2012 von ca. 8:00 bis 13:30 Uhr mit den Schülern auf dem Sportplatz gewesen. Es habe somit ein erhebliches Zeitfenster dafür bestanden, von einer Zecke gestochen zu werden und auch die Möglichkeit der Borrelienübertragung sei gegeben gewesen. Sie habe die Zecke erst am 1. Juni 2012 gegen 23:00 Uhr beim Duschen entdeckt. Der Vollbeweis einer Krankheitsübertragung am Tag des Schulfestes unterlaufe wegen der im Regelfall unbemerkten Ansteckung den Unfallschutz nach § 8 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) und sei deshalb nicht grundrechtskonform. Die Bezugnahme auf Erkenntnisse des R.-K.-I. durch das Sozialgericht sei nicht zulässig.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 30. November 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2013 aufzuheben und das Vorliegen eines Arbeitsunfalles am 1. Juni 2012 festzustellen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 30. November 2016 aufzuheben und das Verfahren an das Sozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch den Berichterstatter (§§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3,4 SGG) erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit aufgrund des im Erörterungstermin vom 12. Juni 2017 er-klärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter durch Urteil entscheiden (§§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3, 4 SGG).

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg (§§ 143, 151 SGG).

Das Sozialgericht Altenburg hat die Klage zu Recht abgewiesen und einen Anspruch der Klägerin auf Anerkennung des Ereignisses vom 1. Juni 2012 als Arbeitsunfall abgelehnt. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 SGG).

Nach § 8 Abs. 1 S 1SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 S 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeits-unfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Un-fallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versi-cherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (BSG, Urteil vom 26. Juni 2014, Az.: B 2 U 4/13 R, zitiert nach Juris).

Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und feststellbaren Voraussetzungen "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses", "Unfallereignis" und "Gesundheitsschaden" wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünftiger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesund-heitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet (BSG, Urteil vom 20. März 2007, Az.: B 2 U 27/06 R). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 31. Januar 2012, Az.: B 2 U 2/11 R; BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az.: B 2 U 1/05 R). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch entfällt.

Das Begehren der Klägerin scheitert bereits an der fehlenden Feststellung der Ausübung einer versicherten Verrichtung zum Zeitpunkt des Zeckenbisses. Fest steht nur, dass die Klägerin am 1. Juni 2012 im Rahmen des Sportfestes in der Staatlichen Grundschule K. in der Zeit von 8:00 bis 13:30 Uhr bzw. 14:00 Uhr als aufsichtsführende Lehrerin auf dem Sportplatz eingesetzt und in dieser Zeit grundsätzlich versichert war. Diese Feststellung allein reicht jedoch nicht aus, anzunehmen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Zeckenbisses bzw. des Erstkontakts mit der Zecke einer versicherten Verrichtung nachging. Der Zeitpunkt eines möglichen Zeckenbisses bzw. des erstmaligen Kontakts mit der Zecke ist völlig offen. Die Klägerin hat selbst sowohl im Rahmen des Klageverfahrens als auch in der Berufungsbegründung angegeben, die Zecke am 1. Juni 2012 abends gegen 23:00 Uhr beim Duschen entdeckt und entfernt zu haben. Dass ein Zeitfenster von 8:00 bis ca. 14:00 Uhr an dem 1. Juni 2012 verblieb, in welchem die Klägerin von der Zecke gestochen und Borrelien übertragen worden sein können, begründet nicht den Vollbeweis für den Zeitpunkt des Zeckenbisses bzw. des erstmaligen Kontakts mit der Zecke selbst. Der Vollbeweis beinhaltet, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch am Vorliegen einer Tatsache noch zweifelt. Selbst eine möglicherweise hohe Wahrscheinlichkeit reicht für die Annahme des Vollbeweises nicht aus. In diesem Zusammenhang hilft die Diskussion zwischen den Beteiligten über die Dauer der Saugzeit nicht weiter. Die Sachverständige Frau Dr. S. hat in ihrem Gutachten vom 4. Februar 2015 und vertiefend in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 30. Dezember 2015 die Dauer der Blutmahlzeit der Zecke in der Regel mit 16 bis 24 Stunden angegeben, wobei die Infektionswahrscheinlichkeit mit der Länge der Saugdauer zunimmt. Soweit hingegen nach den Ausführungen der von der Klägerin vorgelegten Einschätzung der Ärztin Dr. W. in ihrem Privatgutachten vom 6. Juli 2015 auch kürzere Infektionszeiten möglich seien und von vielen Einzelfällen berichtet werde, bei denen sich nach sehr kurzer bis dreistündiger Saugzeit ein Erythema migrans ausgebildet hat, hilft dies nicht weiter. Ein Erythema migrans ist von der Klägerin weder beobachtet noch ärztlicherseits festgestellt worden. Wenn man eine dreistündige Saugzeit bereits für ausreichend halten würde, wäre im Übrigen auch ein Zusammenhang mit dem Sportfest, welches unstreitig um 14:00 Uhr beendet war, ausge-schlossen, da die Zecke nach den eigenen Angaben der Klägerin um 23:00 Uhr entfernt wurde. Daher lässt sich nicht aufklären, zu welchem Zeitpunkt der Zeckenbiss, bzw. zu welchem Zeitpunkt der Kontakt mit der Zecke erstmalig erfolgt ist. Daher sind keine Feststellungen dazu möglich, ob die Klägerin zu den genannten Zeitpunkten eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat.

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin in der Berufungsbegründung wird damit auch der Unfallschutz nach § 8 SGB VII nicht unterlaufen. Der Gesetzgeber hat durchaus erkannt, dass es Fälle einer unbemerkbaren Ansteckung mit Krankheitserregern beruflich bedingt geben kann. Dafür wurde das Institut der Berufskrankheiten nach § 9 SGB VII geschaffen. In diesen Fällen ist der Nachweis einer konkreten einzelfallbezogenen Einwirkung nicht erforderlich, sondern es reicht vielmehr je nach Ausgestaltung des konkreten Tatbestandes der Nachweis einer beruflich bedingten Einwirkung aus. Im Hinblick auf Borreliose ist insoweit auf die BK 3102 (von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten) hinzuweisen. Eine solche ist aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Klägerin hat ausschließlich im Verwaltungsverfahren die Anerkennung eines Arbeitsunfalles beantragt.

Ferner lässt sich der für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles erforderliche Gesundheitserst-schaden entweder nicht feststellen oder der erforderliche hinreichende Zusammenhang zwischen den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin und dem in diesem Zusammenhang unterstellten Zeckenbiss lässt sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht führen. Nach ihren eigenen Angaben hat die Klägerin am 1. Juni 2012 um gegen 23:00 Uhr die Zecke entfernt und dabei das für einen Zeckenbiss typische Erythema migrans an sich nicht bemerkt. Auch ihr Hausarzt hat später keine Feststellungen in dieser Hinsicht getroffen. Soweit aufgrund der bei der hausärztlichen Kontrolle am 6. Juni 2012 erhöhten Laborwerte und der anschließenden Erkrankung der Klägerin ein Zusammenhang mit dem Zeckenbiss gesehen wird, fehlt es insoweit an der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Es sprechen wesentliche Umstände dagegen, dass die Erkrankungen der Klägerin auf einen in diesem Zusammenhang unterstellten Zeckenbiss am 1. Juni 2012 zurückgeführt werden können. Aus den Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. in ihrem Gutachten vom 4. Februar 2015 ergibt sich, dass die fehlende Ausbildung eines Erythema migrans ein gewichtiges Argument gegen einen Ursachenzusammenhang darstellt. Auch Dr. W. geht in ihrem Privatgutachten vom 6. Juli 2015 davon aus, dass ein Erythema migrans beweisend für eine Borrelieninfektion ist. Soweit sie anschließend ausführt, dass das Fehlen eines Erythema migrans wie im Fall der Klägerin kein Beweis dafür sei, dass keine Infektion stattgefunden habe, ändert dies nichts daran, dass ein positives Zeichen für eine stattgehabte Borrelieninfektion nicht vorhanden ist. Des Weiteren reicht eine bloße Infektion mit Borrelien für die Annahme eines erforderlichen Gesundheitsschadens nicht aus, sondern es ist eine Krankheit mit klinischer Symptomatik zu fordern. Die Bildung von Antikörpern gegen einen Erreger allein stellt keinen regelwidrigen Gesundheitszustand dar (vgl. dazu Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. April 2015, Az.: L 2 U 40/14, zitiert nach Juris). Ein zum Krankheitsbild einer Borreliose passender klinischer Befund kann vorliegend aber nicht gesichert werden. Die Neurologin Dr. S. hat insoweit in ihrem Gutachten vom 4. Februar 2015 ausgeführt, dass ein Zusammenhang der gesundheitlichen Einschränkungen bei der Klägerin mit einem unterstellten Zeckenbiss am 1. Juni 2012 nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dargelegt werden kann. Sie begründet dies nachvollziehbar damit, dass bereits am 6. Juni 2012 erhöhte Borrelien-IgM-Antikörper nachgewiesen werden konnten. Nach ihrer Einschätzung ist unter Auswertung der zur Verfü-gung stehenden Literatur der Zeitraum vom Zeckenstich bis zum Auftreten der Antikörper sehr kurz und es bestehen daher erhebliche Zweifel, ob die festgestellten positiven IgM-Antikörper tatsächlich von einem unterstellten Zeckenbiss am 1. Juni 2012 herrühren können. Allein der Nachweis festgestellter positiver IgM-Antikörper reicht zudem für die Annahme eines Gesundheitserstschadens nicht aus. Hinsichtlich der bei der Klägerin vorliegenden ge-sundheitlichen Einschränkungen geht die Sachverständige lediglich von einer zeitlichen Koinzidenz und nicht von einer Kausalität zwischen den borrelienspezifischen Antikörpern und den unspezifischen klinischen Beschwerden aus. Das Privatgutachten von Dr. W. vermag dies nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Ihre Hauptbegründung ist, dass andere mögliche Ursachen, die in einem sinnvollen zeitlichen Zusammenhang stehen, nicht gefunden worden seien. Das genügt aber nicht den Beweismaßstäben in der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn nur aus der Tatsache, dass für eine bestimmte Erkrankung andere Ursachen nicht nachgewiesen sind, ergibt sich nicht, dass ein angeschuldigtes Unfallereignis hierfür verantwortlich zu machen ist. Allein ein zeitlicher Zusammenhang reicht nicht aus, weil dies bei komplexen Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Bestätigend tritt hinzu, dass das Vorliegen einer Neuroborreliose mangels negativen Liquorbefunds in der Fachklinik in Stadtroda auszuschließen ist. Soweit Dr. W. auch insoweit ausführt, dass ein negativer Liquorbefund eine Neuroborreliose nicht ausschließt, ist dem entgegenzuhalten, dass nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Neuroborreliose der Nachweis einer Neuroborreliose einen positiven Liquorbefund voraussetzt (AWMF-Registernummer: 030/071)

Daher lässt sich auch, unterstellt man geht von einem erlittenen Zeckenbiss am 1. Juni 2012 im Rahmen der versicherten Tätigkeit aus, nicht hinreichend wahrscheinlich machen, dass die gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin darauf zurückzuführen sind. Es sprechen hier gewichtige Gesichtspunkte dagegen.

Der Hilfsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landes-sozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts aufheben und die Sache an das Gericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts auf ihm beruhen kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage 2017, § 159 Rn. 3a). Dabei ist (nur) auf die Rechtsauffassung des Sozialgerichts abzustellen. Dafür ist hier nichts ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen nach § 160 Abs. 2 SGG, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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