L 4 KR 4155/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 13 KR 4057/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4155/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
DRG M.96.6 8 (in der im Jahr 2010 geltenden Fassung) ist nicht als Nebendiagnose zu kodieren, wenn bei Einbringen eines intraventrikulären Femurnagels es zu einer Absprengung am Oberschenkelknochen kommt.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. September 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 6.050,79 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Vergütung für eine stationäre Krankenhaus (KH)-Behandlung in Höhe von EUR 6.050,79 wegen der Kodierung der Nebendiagnose M96.6, der Verschlüsselung einer intraoperativen Komplikation.

Die Klägerin ist Trägerin des Klinikums H ... Bei diesem handelt es sich um ein nach § 107, 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung der Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zugelassenes KH.

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patient A. L. (im Folgenden: Versicherter) wurde wegen einer petrochantären Femurfraktur links (schenkelhalsnahe Oberschenkelfraktur im Bereich der Rollhügel) und einer Kopfplatzwunde am 13. November 2010 stationär im KH der Klägerin aufgenommen. Noch am gleichen Tag wurde die Femurfraktur geschlossen reponiert und mit einem intramedullären Femurnagel versorgt. Beim Einbringen des Nagels kam es zu einer Absprengung der vorderen Schaftkortikalis (Absprengung eines Knochenstücks aus dem Oberschenkelknochen im Schaftbereich). Der zunächst eingebrachte Femurnagel mit Standardlänge (240 mm) wurde daraufhin wieder entfernt, ein längerer Femurnagel (380 mm) eingebracht und statisch verriegelt. Die Mobilisation unter Teilbelastung gestaltete sich angesichts der ausgeprägten Demenz des Versicherten schwierig; die Entlassung erfolgte am 23. November 2010 in gutem Allgemeinzustand bei reizlosen Wundverhältnissen (Operationsbericht des Dr. B. vom 13. November 2016; Entlassungsbericht des Privatdozent Dr. S. vom 23. November 2013).

Die Klägerin stellte der Beklagten am 6. Dezember 2010 für die Behandlung des Versicherten (abzüglich der Zuzahlungen des Versicherten von EUR 110,00) EUR 11.647,81 in Rechnung (Schlussrechnung vom 6. Dezember 2010), wobei sie DRG I08C (Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur mit Mehrfacheingriff, komplexe Prozedur oder Diagnose, äußerst schwere Komplikationen oder Komorbiditäten [CC] oder bei Zerebralparese oder Ersatz des Hüftgelenkes mit Eingriff an oberer Extremität oder Wirbelsäule Alter ) 15 Jahre oder bei Para-/Tetraplegie) wählte und neben der Hauptdiagnose S72.10 (Femurfraktur: Trochantär, nicht näher bezeichnet) u.a. die Nebendiagnose M96.6 (Knochenfraktur nach Einsetzen eines orthopädischen Implantates, einer Gelenkprothese oder einer Knochenplatte) ansetzte. Die Beklagte beglich den Rechnungsbetrag zunächst in voller Höhe und schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg zur Frage der ordnungsgemäßen Abrechnung ein. Dr. W.-O. führte im Gutachten vom 16. Februar 2011 aus, die Nebendiagnose M96.6 sei in die Nebendiagnose S72.3 (Fraktur des Femurschaftes) zu ändern, da M96.6 zwar den Zusammenhang der medizinischen Maßnahme, aber ohne Organbezug beschreibe. Mit S72.3 hingegen seien das betroffene Organ und die Art der Erkrankung spezifisch beschrieben. Hinzu käme deshalb noch die (vom KH nicht kodierte) Nebendiagnose Y69! (Zwischenfälle bei chirurgischem Eingriff und medizinischer Behandlung). Insgesamt ergebe sich DRG I08F (Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur, ohne Mehrfacheingriff, ohne komplexe Prozedur, ohne komplexe Diagnose, ohne äußerst schwere CC, ohne Osteotomie, ohne Muskel-/Gelenksplastik), somit ein Betrag von EUR 5.276,76. Die Beklagte unterrichtete hierüber die Klägerin und bat um Korrektur der Rechnung. Die Klägerin stimmte dem Gutachten nicht zu und teilte mit, die Nebendiagnose M96.6 sei für die Beschreibung einer intraoperativen Fraktur gedacht. Dies habe das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) schon 2008 auf Anfrage bestätigt, und legte den entsprechenden Mailverkehr vor. Die Beklagte hörte erneut den MDK. Dr. A. stimmte im Zweitgutachten vom 23. Januar 2014 dem Erstgutachten zu. Gestützt auf die Feststellungen des MDK ging die Beklagte von einem Rechnungsbetrag für die stationäre Behandlung (abzüglich der Zuzahlungen des Versicherten von EUR 110,00) von EUR 5.597,02 aus und verrechnete am 26. August 2014 einen Betrag in Höhe von EUR 6.050,79 mit einer unstreitigen Forderung der Klägerin gegen die Beklagte aus einem anderen Behandlungsfall.

Die Klägerin erhob am 16. Dezember 2014 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) SG auf Zahlung von EUR 6.050,79 nebst Zinsen ab dem 26. August 2014. Unter Vorlage einer Kopie der Patientenakte des Versicherten machte die Klägerin geltend, das DRG-System sei für die Abrechnung aller stationären Fälle konzipiert und nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) streng nach ihrem Wortlaut anzuwenden. Die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) in der Fassung 2010 regelten in D002f ausschließlich die Frage der Kodierung der Hauptdiagnose, sei also auf die Kodierung der Nebendiagnose nicht anzuwenden. Unabhängig davon sei die Kodierung, die der MDK vornehme, nicht spezifischer. Die Nebendiagnose S72.3 kennzeichne zwar den Ort der Fraktur, M96.6 sei jedoch hinsichtlich der Erkrankung spezifischer, da er die Fraktur und gleichzeitig den Zusammenhang mit dem Einsetzen eines orthopädischen Implantates beschreibe. Zudem habe Dr. A. in einem vergleichbaren Fall bei einer Coxarthrose mit intraoperativer Trochanterfraktur die Kodierung mit M96.6 anerkannt. Die Sachverständige, Ärztin für Chirurgie Dr. V., gehe in ihrem vom SG eingeholten Gutachten von abrechnungsrechtlich falschen Grundlagen und Annahmen aus.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Bewertung des MDK sei zutreffend. Mit den DKR D002 (gemeint wohl D002f) könnten die genannten Diagnosen nur dann als Hauptdiagnose geschlüsselt werden, wenn kein spezifischerer Kode in Bezug auf die Erkrankung bzw. Störung existiere. Darin komme der allgemein die DKR prägende Grundsatz des Vorrangs der medizinischen und damit meist organspezifischen Kodierung vor der komplikationsspezifischen Kodierung zum Ausdruck. Es komme daher nicht darauf an, dass hier nicht die Kodierung der Haupt- sondern der Nebendiagnose streitig sei. Die Mehrfachkodierung von S72.3 und M96.6 sei im Übrigen nicht möglich.

Das SG beauftragte Dr. V. mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage. In ihrem Gutachten vom 4. Mai 2015 führte sie aus, die Erläuterungen in den DKR zur Hauptdiagnose seien auch auf die Bestimmung der Nebendiagnose anzuwenden, da diese nur aus Gründen der Redundanz nicht noch einmal aufgeführt würden. Deshalb sei der spezifischere Kode, hier S72.3, anzuwenden. Dies bestätige die Kodierempfehlung Nr. 254 des MDK. Zwar trete der Fachausschuss für ordnungsgemäße Kodierung und Abrechnung (FoKA) dafür ein, dass S72.3 und M96.6 zusätzlich zu verschlüsseln seien; demgegenüber vertrete das DIMDI die Auffassung, dass M96.6 für die direkt mit der medizinischen Maßnahme im Zusammenhang stehende Fraktur, also auch die intraoperative Fraktur, gedacht sei. Es liege jedoch keine Situation vor, in der eine Mehrfachkodierung nach den DKR 2010 D012i vorgenommen werden dürfe. M96.6 könne den Zustand eines Knochenbruchs anlässlich des Einschlagens des Femurnagels klassifikatorisch darstellen. S72.3 sei allerdings als die spezifischere Kodierung zu wählen. Denn mit den DKR 2010 D002f "Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen" seien Kodes aus Tabelle 1, u.a. M96.-, nur dann als Hauptdiagnose zu kodieren, wenn kein spezifischerer Kode in Bezug auf die Erkrankung bzw. Störung existiere. In den DKR sei der organspezifischen Kodierung prinzipiell der Vorrang vor der komplikationsspezifischen Kodierung eingeräumt worden. S72.3 sei spezifischer bezüglich des Knochenbruchs als auch der genauen Lokalisation. Zusätzlich zu S72.3 dürfe der Sekundärkode Y96! kodiert werden, da er nach Tabelle 1 der DRK 2010 D012f optional dem Primärkode für den Knochenbruch zugeordnet werden dürfe und den Zusammenhang des Knochenbruchs mit dem erfolgten operativen Eingriff darstelle. Im Übrigen sei die Nebendiagnose N18.2 (chronische Nierenkrankheit, Stadium 2) in N19 (nicht näher bezeichnete Niereninsuffizienz) zu ändern. Insgesamt ergebe sich DRG I08F. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 2. Juli 2015 führte Dr. V. aus, der Kode M96.6 stelle zwar klassifikatorisch den Zustand nach Knochenbruch anlässlich des Einschlagens des Femurnagels dar; allerdings sei er unspezifisch, da er keine Beschreibung auf Organebene zulasse. Es gehe gerade nicht hervor, welcher Knochen frakturiert sei, was aber für die weitere Versorgung elementar sei. Zudem dürfe eine Mehrfachkodierung nicht vorgenommen werden. Dass auch Nebendiagnosen so spezifisch wie möglich zu kodieren seien, entspreche auch der Auffassung des DIMDI. In Kodierfragen seien ausschließlich die DKR bindend, nicht jedoch die Auffassungen von Beratungsunternehmen wie des AQUA-Instituts.

Mit Urteil vom 17. September 2015 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen weiteren Vergütungsanspruch für die Behandlung des Versicherten. Die Höhe der Vergütung bemesse sich nach DRG I08F und nicht nach DRG I08C. Die DRG I08C nach der Fallpauschalenverordnung (FPV) 2010 werde nur dann im Groupierungsvorgang angesteuert, wenn als Nebendiagnose (auch) M96.6 zu kodieren sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Schon nach dem ICD-10-GM Version 2010 könne M96.6 nicht kodiert werden. Denn die Überschrift zur Untergruppe der sonstigen Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes (M95-M99) laute "M96.- Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert". Die intraoperative Absprengung der vorderen Schaftkortikalis sei nicht "nach der", sondern "bei der" oder "während der" bzw. "durch die" medizinische(n) Maßnahme, nämlich dem Einbringen des Femurnagels nach Femurfraktur aufgetreten. Nach dem Wortlaut der ICD-10 Version 2010 sei deshalb der Kode M96.- nicht einschlägig. Des Weiteren definierten die DKR 2010 im Teil "Allgemeine Kodierrichtlinien" in Abschnitt D002f die Hauptdiagnose und unter D003i die Nebendiagnose und gäben im Übrigen weitere Hinweise. Nach den DKR 2010 D002f unter "Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen" seien Kodes aus M96.- nur dann zu verschlüsseln, wenn kein spezifischerer Kode in Bezug auf die Erkrankung bzw. Störung existiere oder die Verschlüsselung dieses spezifischeren Kodes durch ein Exklusivum der ICD-10-GM ausgeschlossen sei. Obwohl sich diese Ausführungen ausdrücklich nur auf die Kodierung der Hauptdiagnose bezögen, seien die Grundsätze auch für die Bestimmung der Nebendiagnosen anzuwenden. Denn die Wiederholung der Ausführungen bei den Nebenbestimmungen wäre insofern überflüssig, worauf die Sachverständige Dr. V. hinweise. Zwar verweise die Klägerin zu Recht auf die strenge Anwendung der DKR nach der Rechtsprechung des BSG, jedoch wende auch das BSG im Urteil vom 23. Juni 2015 (B 1 KR 13/14 R, juris) Bestimmungen im Abschnitt der Hauptdiagnosen auf die Kodierung der Nebendiagnosen an. Denn es führe aus, dass auch die Nebendiagnosen "nach Analyse" zu kodieren seien, obwohl dies in den DKR zur Definition der Nebendiagnosen nicht enthalten sei. Deshalb seien nach seiner (des SG) Auffassung die Grundsätze der Kodierung von Hauptdiagnosen auch bei der Bestimmung von Nebendiagnosen heranzuziehen. Danach sei S72.3 spezifischer als M96.6. In den DKR sei der organspezifischen Kodierung prinzipiell (und zwar sowohl bezüglich der Haupt- als auch der Nebendiagnose) der Vorrang vor der komplikationsspezifischen Kodierung eingeräumt. Dies ergebe sich schon aus dem Fallpauschalenkatalog, der die Zuordnung der Hauptdiagnosen in eine "Major Diagnostic Category" im Wesentlichen organbezogen vornehme. So sei z.B. der Buchstabe B für das Nervensystem, C für die Augen, D für Ohren, Nase, Mundhöhle, Hals und hier einschlägig – I für den Bewegungsapparat und das Bindegewebe vergeben. S72.3, die Fraktur des Femurschaftes, sei in Bezug auf die Erkrankung bzw. Störung die spezifischere Kodierung, da aus ihr sowohl der Knochenbruch als auch dessen genaue Lokalisation hervorgehe. Demgegenüber ergebe sich aus M96.6, der Knochenfraktur nach Einsetzen eines orthopädischen Implantates, einer Gelenkprothese oder einer Knochenplatte, nicht, welcher Knochen genau von dem Bruch betroffen sei. Die intraoperative Absprengung der vorderen Schaftkortikalis sei mit S72.3 (ICD-10-GM Version 2010: Kapitel XIX Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen) und Y69! (ICD-10-GM Version 2010: Kapitel XX Äußere Ursachen von Morbidität und Mortalität) zu verschlüsseln. Dies ergebe sich aus dem Sachverständigengutachten der Dr. V., die damit der Auffassung des MDK folge. Bezüglich der Mehrfachkodierung fänden sich Hinweise in den DKR 2010 zur Doppelklassifizierung. Dabei könne zu einer Schlüsselnummer aus Kapitel XIX, die die Art der Verletzung beschreibe, auch eine Schlüsselnummer aus Kapitel XX für die Ursache zusätzlich angegeben werden. Zur Beschreibung einer Verletzung sei demnach zunächst ein Kode aus dem Kapitel XIX – somit S72.3 – zu nennen und optional dann die Ursache aus Kapitel XX – somit Y69!. Unstreitig habe eine Verletzung im Sinne DKR 2010 D0012i Mehrfachkodierung, Doppelklassifizierung, Punkt 5, vorgelegen. Diese sei damit zunächst mit einem Kode aus Kapitel XIX zu beschreiben und daneben zusätzlich über die Ursache nach Kapitel XX. Zwar könne auch der ICD-10-Kode M96.6 (Kapitel XIII Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes) klassifikatorisch den Zustand eines Knochenbruchs anlässlich des Einschlagens des Femurnagels darstellen, jedoch liege hier keine Situation vor, in der eine Mehrfachkodierung vorgenommen werden dürfe. Da der Klägerin somit kein über DRG I08F hinausgehender Zahlungsanspruch zustehe, ergebe sich auch kein Zinsanspruch.

Gegen das ihr am 24. September 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1. Oktober 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Unter Vertiefung ihres bisherigen Vortrags führt sie aus, bei konkurrierenden Nebendiagnosen, die jeweils für sich betrachtet nicht in Anspruch nehmen könnten, alleine den konkrete Erkrankung und das Geschehen abzubilden, sei die Diagnose im Sinne der allgemeinen Bestimmungen der DKR 2010 spezifischer, die den spezifischeren Komplikations- oder Maßnahmen Bezug aufweise. M96.6 sei im Vergleich zu S72.3 spezifischer. Denn S72.3 habe keinen Maßnahmen- oder Komplikationsbezug und könne für jede Femurfraktur verschlüsselt werden, gleich aus welchem Grund der Oberschenkel gebrochen sei. Die vom SG vertretene Auffassung führe dazu, dass der Anwendungsbereich des M96.6 leerliefe. Die Klarstellung im ICD 2016 sowie die Kommentierung des DIMDI zum ICD 2016 zeigten, dass nach Sicht der Fachgesellschaften und der Selbstverwaltung der Kode M96.6 nur, aber auch gerade dann bei einer beim Einsetzen des orthopädischen Implantats, einer Gelenkprothese oder einer Knochenplatte aufgetretenen Fraktur anzugeben sei. Nach der Anleitung zur Verschlüsselung des DIMDI zum ICD-10-GM sei so spezifisch wie möglich zu verschlüsseln. Die Aussage des SG, im Zweifel sei dem organspezifischen Bezug Vorrang gegenüber einem komplikationsspezifischem Bezug einzuräumen, finde sich dort nicht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. September 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 6.050,79 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 26. August 2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des SG begegne keinen rechtlichen und sachlichen Bedenken. Der Hinweis der Klägerin auf die ab 2016 geltende Neufassung des ICD-10 gehe fehl, denn zum Verhältnis zu S72.3 würden keinerlei Aussagen getroffen. Die im Änderungsvorschlag vorgesehene Neueinführung zur Angabe der Lokalisation bei M96.6 sei gerade nicht in die ab 2016 geltende Fassung übernommen worden. Im Übrigen entfalte der Hinweis erst für 2016 Bindungswirkung und nicht für vergangene Zeiträume. Bewertungen und Bewertungsrelationen hätten außer Betracht zu bleiben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Akten der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene und gemäß § 143 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) entschieden hat, ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung, da der maßgebliche Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 durch die von der Klägerin begehrte Zahlung von EUR 6.050,79 überschritten ist. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, der die Zulässigkeit der Berufung bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden von deren Zulassung abhängig macht, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 10.000,00 nicht übersteigt, gilt nicht bei der Geltendmachung von Vergütungsansprüchen eines Krankenhausträgers gegen einen Sozialleistungsträger (BSG, Urteil vom 25. Mai 2006 – B 3 KR 15/05 R – juris, Rn. 12 ff. m.w.N. auch zur Gegenansicht; Sommer, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 144 Rn. 16).

2. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von EUR 6.050,79 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. August 2014 aufgrund der Behandlung des Versicherten.

a) Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klageart gewählt; denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteil vom 13. November 2013 – B 3 KR 33/12 R – juris, Rn. 9). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert. Dies gilt auch für den geltend gemachten Zinsanspruch. Insofern reicht die Bezugnahme auf den Basiszinssatz aus (vgl. Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, § 253 Rn. 132).

b) Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von EUR 6.050,79 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. August 2014 aufgrund der Krankenhausbehandlung des Versicherten. Der anderweitige Vergütungsanspruch der Klägerin für Krankenhausbehandlung erlosch dadurch, dass die Beklagte wirksam mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Aufrechnung erklärte (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R –, juris, Rn. 33 m.w.N.). Der Vergütungsanspruch der Klägerin und der von der Beklagten aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch waren gegenseitig und gleichartig, der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch war fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar. Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung in Höhe von EUR 6.050,79 waren erfüllt. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt u.a. voraus, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat. So liegt es hier. Die Beklagte zahlte der Klägerin für die Krankenhausbehandlung des Versicherten EUR 6.050,79 ohne Rechtsgrund.

aa) Die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung sind erfüllt. Die Beklagte ist – wie sie auch nicht bestreitet – verpflichtet, die stationäre Krankenhausbehandlung ihres Versicherten in der Klinik der Klägerin für den Zeitraum vom 13. bis zum 23. November 2010 zu vergüten. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – wie hier – in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 14/12 R – juris, Rn. 10 m.w.N.; BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 25/13 R – juris, Rn. 8).

Diese Voraussetzungen sind hier – was zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist – gegeben. Bei dem Versicherten lagen bei der Aufnahme in das nach § 108 Nr. 2 SGB V zugelassene Krankenhaus der Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung vor. In der Zeit vom 13. bis zum 23. November 2010 war er auch krankenhausbehandlungsbedürftig.

bb) Rechtsgrundlage des geltend gemachten restlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin sind § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), hier anzuwenden in der Fassung des Art. 2 Nr. 7 Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (AMRuaÄndG) vom 17. Juli 2009 (BGBl I, S. 1990), die FPV 2010 und der am 1. Januar 2006 in Kraft getretene Krankenhausbehandlungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Baden-Württemberg.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nummern 1 bis 7 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen (DRG) nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragspartner (§ 11 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze – Krankenhausfinanzierungsgesetz [KHG]: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren. Die Grundlage dieser Regelungen des KHEntgG findet sich in § 17b KHG, auf den § 9 KHEntgG auch mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach § 17b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Comorbitäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden nach § 17b Abs. 1 Satz 3 KHG die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet.

Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die Diagnose nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten – dem ICD-10 – in der jeweiligen vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der DRG-Zuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde; in diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem ICD-10 eine bestimmte DRG angesteuert (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 7/12 R – juris, Rn. 12). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 - B 1 KR 25/13 - juris, Rn. 12 m.w.N.).

Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen sind streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben; dabei gibt es grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 - B 1 KR 25/13 - juris, Rn. 13 m.w.N.). Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, haben es die zuständigen Stellen durch Änderung des Fallpauschalenkatalogs in der Hand, für die Zukunft Abhilfe zu schaffen. Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 7/12 R – juris, Rn. 13 m.w.N.; Urteil des Senats vom 14. Oktober 2016 – L 4 KR 4876/15 – juris, Rn. 25).

cc) Gemäß diesen Grundsätzen ist vorliegend die DRG-Fallpauschale I08F zugrundezulegen. Denn die von der Klägerin berechnete DRG-Fallpauschale I08C wird im FPV 2010 nur dann im Groupierungsvorgang angesteuert, wenn als Nebendiagnose (auch) M96.6 zu kodieren ist. Dies ist hier nicht der Fall.

Die DKR bestimmen, ob und welche Nebendiagnosen für die Abrechnung zusätzlich zur Hauptdiagnose zu kodieren sind. Das ist nach den vorliegend anzuwendenden DKR 2010 dann der Fall, wenn die fragliche Diagnose überhaupt als Nebendiagnose zu kodieren ist und sich zudem auf das Versorgungsgeschehen tatsächlich im Sinne eines zusätzlichen Aufwands ausgewirkt hat (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 13/14 R – juris Rn. 17 m.w.N.).

Dass die Voraussetzungen für die Anwendung des M96.6 nicht gegeben sind, ergibt sich bereits aus dessen Wortlaut. Denn die Überschrift zur Untergruppe der sonstigen Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes (M95-M99) lautet wie folgt: "M96.- Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems nach (Hervorhebung durch den Senat) medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert". Die intraoperative Absprengung der vorderen Schaftkortikalis ist nicht "nach" sondern "bei", "während" oder "durch" eine medizinische Maßnahme, nämlich dem Einbringen des Femurnagels nach Femurfraktur aufgetreten. Ferner kommt M96.6 nur zur Anwendung, wenn ein anderer Kode des ICD-10 nicht zur Verfügung steht. Dies folgt aus der Überschrift des Abschnitts M96.-. Anderenorts nicht klassifiziert kann nur bedeuten, dass zunächst ein speziellerer Kode zu verwenden ist. Bei einer Femurfraktur steht ein solcher mit S72.3 zur Verfügung. Soweit die Klägerin hiergegen einwendet, in der ab 2016 geltenden Neufassung des ICD-10 sei der Hinweis enthalten, "nach Einsetzen des Implantates" sei nicht zeitlich zu verstehen, entfaltet dieser Hinweis nur für zukünftige, nicht hingegen für vergangene Zeiträume bindende Wirkung. Letztlich kommt hier die Aufgabe der Vertragspartner zum Ausdruck, aufgetretene Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen für die Zukunft zu beseitigen oder klarzustellen, wenn sie hierfür einen Handlungsbedarf sehen (ständige Rechtsprechung z.B. BSG, Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 13/15 R – juris, Rn. 13, mit weiteren Nachweisen).

Zudem bestimmen die DKR 2010 in Abschnitt D002f die Hauptdiagnose und unter D003i die Nebendiagnose. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen wird die Hauptdiagnose definiert als: Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist. Unter dem Unterabschnitt "Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen" sind Kodes aus M96.- nur dann zu verschlüsseln, wenn kein spezifischerer Kode in Bezug auf die Erkrankung bzw. Störung existiert oder die Verschlüsselung dieses spezifischeren Kodes durch ein Exklusivum der ICD-10-GM ausgeschlossen ist. Zwar beziehen sich diese Ausführungen ausdrücklich auf die Kodierung der Hauptdiagnose; allerdings sind die dort genannten Grundsätze entgegen der Auffassung der Klägerin auch bei der Bestimmung der Nebendiagnosen anzuwenden (so auch BSG, Urteil vom 17. November 2015 – B 1 KR 41/14 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 13/14 R – juris Rn. 19, wonach Nebendiagnosen "nach Analyse" zu kodieren seien, obwohl dies in den DKR zur Definition der Nebendiagnosen nicht enthalten ist). Danach ist der vom MDK und der Beklagten angenommene Kode S72.3 spezifischer als M96.6. Dies ergibt sich, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, aus dem Fallpauschalenkatalog, der die Zuordnung der Hauptdiagnosen in eine "Major Diagnostic Category" im Wesentlichen organbezogen vornimmt, so ist z.B. der Buchstabe B für das Nervensystem, C für die Augen, D für Ohren, Nase, Mundhöhle, Hals und – hier einschlägig – I für den Bewegungsapparat und das Bindegewebe vergeben. S72.3, die Fraktur des Femurschaftes, ist in Bezug auf die Erkrankung bzw. Störung die spezifischere Kodierung, da aus ihr sowohl der Knochenbruch als auch dessen genaue Lokalisation hervorgeht. Demgegenüber ergibt sich aus M96.6, der Knochenfraktur nach Einsetzen eines orthopädischen Implantates, einer Gelenkprothese oder einer Knochenplatte, nicht, welcher Knochen genau von dem Bruch betroffen ist.

Auch erscheint fraglich, ob ein und dieselbe Krankheit allein mit der Begründung, dies diene der genaueren (und erlösgerechteren) Beschreibung bzw. der Verdeutlichung der Komplexität, mit zwei unterschiedlichen Schlüsselnummern kodiert werden kann. Bei gleichzeitiger Kodierung zweier Hauptdiagnosen stünde dem die Kodierregel D012f entgegen. Bei der hier streitigen Kodierung einer Nebendiagnose spricht bereits die Definition der Nebendiagnose in der Kodierregel D003i als "Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt" dagegen. Sie wird dort ferner als "Begleitkrankheit" bezeichnet. Im Fall des Versicherten ist jedoch M96.6 keine Begleiterkrankung zu S72.3, sondern vielmehr die Beschreibung derselben Krankheit mit anderem Schwerpunkt (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 8. September 2015 – L 1 KR 45/12 – juris Rn. 19).

Soweit die Klägerin argumentiert, der Anwendungsbereich des Kodes M96.6 sei mit der vom SG vorgenommenen Auslegung begrenzt, trifft dies lediglich auf den Bereich der stationären Versorgung aufgrund der speziellen Regelungen der DKR zu.

Auch die Sachverständige Dr. V. gelangte zu der Auffassung, die Klägerin habe M96.6 nicht als Nebendiagnose kodieren können. Es ist allerdings fraglich, ob die Beauftragung eines/einer Sachverständigen erforderlich ist, wenn es – wie vorliegend – ausschließlich um die Abrechnung einer hinsichtlich Dauer und Notwendigkeit unstreitigen stationären Krankenhausbehandlung geht und deshalb ausschließlich eine Rechtsfrage zur Auslegung der Vergütungsregelungen zu entscheiden ist (vgl. BSG, Beschluss vom 10. März 2016 – B 1 KR 97/15 B – juris, Rn. 8; zur Beauftragung des MDK: vgl. Urteil des Senats vom 12. August 2011 – L 4 KR 5345/09 – juris, Rn. 32).

dd) Da der Hauptanspruch nicht besteht, kann die Klägerin auch mit ihrem Zinsantrag keinen Erfolg haben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei war der Verzinsungsantrag nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern um eine Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG handelt.
Rechtskraft
Aus
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