L 2 AL 75/17 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 5 AL 195/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 75/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 5. Oktober 2017 wird abgeändert und auch der Antrag der Antragstellerin insgesamt abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Versagung der Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft, die Arbeitnehmerüberlassung zum Hauptgegenstand ihres Unternehmens hat und im Jahr 2009 gegründet wurde. Geschäftsführer sind Herr H. und Frau N. Die Antragsgegnerin erteilte der Antragstellerin jeweils für ein Jahr die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung ab dem 16. November 2009 bis einschließlich 15. November 2010 und in der Folgezeit jeweils auf ein Jahr befristete Verlängerungen dieser Erlaubnis. Die Antragstellerin legte jeweils einen exemplarischen Arbeitsvertrag eines beschäftigten Mitarbeiters, einen exemplarischen Überlassungsvertrag, eine Aufstellung über die Entleiherfirmen und Erlaubniszeiträume, Auskünfte aus dem Gewerbezentralregister usw. vor. Beanstandungen in Bezug auf den fehlenden Hinweis auf Nichtverleihzeiten im Arbeitsvertrag, entkräftete die Antragstellerin im Verlauf des Genehmigungsverfahrens, in dem sie den Arbeitsvertrag überarbeitete. Während anfangs der Tarifvertrag der christlichen Gewerkschaften Zeitarbeit (PSA) in Bezug genommen wurde, war dies ab 2011 der Manteltarifvertrag zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. (IGZ) und der Tarifgemeinschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) – künftig MTV IGZ.

Zuletzt verlängerte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2015 die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bis zum 16. November 2016.

Am 16. August 2016 stellte die Antragstellerin bei der Beklagten den Antrag zur Verlängerung der befristeten Erlaubnis der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung um ein weiteres Jahr. Die Antragstellerin legte Führungszeugnisse von Herrn H. und Frau N., Gewerberegisterauszüge, Bestätigungen von dem Unfallversicherungsträger und der Krankenkassen sowie einen Bonitätsnachweis der Sparkasse B. vor. Die Finanzverwaltung bestätigte der Antragstellerin, die Steuern pünktlich abgeführt zu haben.

Die Antragsgegnerin führte am 6. Oktober 2016 eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin durch. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2016 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin dazu an, dass nach den Beanstandungen bei der Betriebsprüfung voraussichtlich der Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis abgelehnt würde. Als Beanstandungen führte die Antragsgegnerin auf:

1. Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz. Vereinzelt sei eine Arbeitszeit entgegen § 3 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) von über 10 Stunden täglicher Arbeit festgestellt worden (AN R. 5. KW in 2016).

2. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Es würden entgegen dem anzuwendenden Tarifvertrag die im Arbeitsvertrag vereinbarten Entgelte und nicht der durchschnittliche Arbeitsverdienst der letzten drei Monate berücksichtigt.

3. Entgeltfortzahlung an Feiertagen

Zu zahlen wäre das Arbeitsentgelt, welches ohne den Arbeitsausfall zu zahlen wäre (ggf. Zuschläge), nicht nur das, welches arbeitsvertraglich vereinbart war.

4. Entgeltfortzahlung bei Nichtbeschäftigung

Es sei zu Garantielohnunterschreitungen gekommen (P., N. in 02/16 bis 07/16 und N., M. in 11/15, 12/15, 03/16 und 05/16). Nur im Rahmen der tarifvertraglichen Grenzen § 3.2 MTV könne das Arbeitszeitkonto genutzt werden

5. Gewährung von Urlaub/Urlaubsentgelt

s. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (fehlende Berücksichtigung des Referenzzeitraumes). Außerdem werde nicht jedem Arbeitnehmer der tariflich vorgesehene Urlaubsanspruch gewährt (Z. B., H. und S., F.).

6. Zahlung aller vereinbarten Vergütungsbestandteile

Entgegen § 8 MTV zahle die Antragstellerin weder mit der Abrechnung für Juni noch mit der für November die Jahressonderzahlungen an die Arbeitnehmer aus.

7. Aushändigung der Arbeitsverträge

Es seien die Beschreibungen der Tätigkeit teilweise unzureichend und Grundgehalt und Zuschläge müssten getrennt ausgewiesen werden

8. Regelung zum Arbeitszeitkonto

Alle Zuschläge müssen in dem Monat ausgezahlt werden, in dem sie anfallen, sie dürfen nicht in das Arbeitszeitkonto gebucht werden (§ 3.2.6 MTV IGZ). Sowohl freiwillig pro Stunde gezahlte Zuschläge zum Stundenlohn als auch Mehrarbeitszuschläge müssten ausgezahlt werden (R., F. und P., N.).

9. Fehlende oder fehlerhafte Eingruppierung nach dem Entgeltrahmen und Entgelttarifvertrag.

Entgegen § 2 Entgelttarifvertrag (ERTV) sei nicht jeder Arbeitnehmer zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses in eine Entgeltgruppe (EG) eingruppiert worden (B., H. und P., N.). Der Arbeitnehmer L., S. hätte für seinen Einsatz in D. West- und nicht Ostgehalt bekommen müssen. Auch Höhergruppierungen seien entgegen dem Entgelttarifvertrag nicht vorgenommen worden.

Die Antragstellerin hat in ihrer Stellungnahme vom 27. Oktober 2016 darauf verwiesen, dass sie nicht in der IGZ organisiert sei, also nur der in Bezug genommene Tarifvertrag gelte. Bei der Einsatztätigkeit des Arbeitnehmers R ... (Arbeitszeitüberschreitung) in der Zeit vom 1. bis 7. Februar 2016 handele es sich um eine Reparatur nach Havarie, bei der Sonntagsarbeit und Mehrarbeit erforderlich gewesen seien, um den Betriebsablauf aufrecht zu erhalten. Eine Genehmigung sei bei der Entleiherfirma angefordert worden. Für weitere Einzelheiten des umfangreichen Vortrags hierzu wird auf die Antragsbegründung im Schriftsatz vom 29. August 2017 Bezug genommen. Die auf dem Arbeitszeitkonto geführten Mehrstunden seien mit Zuschlägen erfasst und würden für einsatzfreie Zeiten genutzt. Mehrstunden würden ab der 41. Stunde erfasst. Die Arbeitsverträge seien bisher nicht beanstandet worden. Die Arbeitsverträge würden aber selbstverständlich überarbeitet und die neuen Gegebenheiten würden eingearbeitet. Die Überlassungsverträge würden inhaltlich noch einmal geprüft und wenn erforderlich geändert. Eine Sonderzahlung sei nicht vorgesehen.

Mit Bescheid vom 8. November 2016 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung ab. In der Stellungnahme habe die Antragstellerin nur in wenigen Punkten die zukünftige korrekte Umsetzung der gesetzlichen bzw. tarifvertraglichen Bestimmungen zugesichert (Arbeitszeitgesetz, die Arbeits- und Überlassungsverträge, die Eingruppierungen, die Stundennachweise und die Aushändigung des Merkblattes), wohingegen zu der Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen, die Weigerung entgegen dem MTV IGZ Sonderzahlungen zu erbringen, die Buchung von Zuschlägen in das Arbeitszeitkonto und zur Nichtanwendung des Entgelttarifvertrages keine entkräftenden Ausführungen erfolgt seien. Mit dem verhältnismäßig milderen Mittel einer Auflage könne dem nicht entgegengewirkt werden, da die Antragstellerin in maßgeblichen Punkten ausdrücklich nicht gewillt sei, hier Abhilfe in Richtung einer gesetzes- bzw. tarifkonformen Anwendung der einschlägigen Vorschriften zu schaffen. Die Antragsgegnerin müsse daher davon ausgehen, dass die Antragstellerin nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Die bisherige Erlaubnis sei noch bis zum 16. November 2016 gültig. Die Erlaubnis gelte noch für die Abwicklung erlaubt abgeschlossener Verträge als fortbestehend, jedoch längstens für die Dauer von 12 Monaten. Dies habe zur Folge, dass nach Ablauf der Erlaubnis neue Leiharbeits- und Überlassungsverträge nicht mehr abgeschlossen werden dürften.

Gegen diesen ihr am 11. November 2016 zugestellten Bescheid legte die Antragstellerin am Montag dem 12. Dezember 2016 Widerspruch ein und begründete diesen wie folgt: Die Entleiherbetriebe seien ausschließlich Handwerksbetriebe, weshalb eine Reihe der getroffenen Feststellungen nicht zutreffend seien (Zuschläge). In Bezug auf die Entgeltfortzahlung bei Krankheit müsse berücksichtigt werden, dass die betreffenden Arbeitnehmer in dem Referenzzeitraum keine Mehrarbeit geleistet hatten, weshalb die gewählte Abrechnung sie nicht benachteilige. Zuschläge würden künftig ausgezahlt und nicht mehr in das Arbeitszeitkonto eingestellt. Die Grenze des Arbeitszeitkontos werde auf 150 herabgesetzt. Der Urlaubsanspruch werde nach Betriebszugehörigkeit angeglichen. Die Zahlung der übervertraglichen Leistungen stellten widerrufbare Leistungen dar. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Firma ließen Sonderzahlungen nicht zu. Das genutzte Arbeitsvertragsformular sei bisher durch die Antragsgegnerin nicht beanstandet worden. Es sei ein Vordruck der IGZ verwendet worden. Eine genaue Beschreibung der Tätigkeit sei in den Arbeitsvertrag eingearbeitet. Versehentlich sei im Einzelfall von Herrn P. die Eingruppierung nicht vorgenommen worden, dies werde nachgeholt. Herr L. hätte für den Einsatz bei der Firma E. T. mit dem West Tarifvertrag entlohnt werden müssen. Die Überlassungsverträge würden mit den Tätigkeitsanforderungen ergänzt. Zwischenzeitlich hätte die Antragstellerin von den Entleihfirmen eine Handwerkskarte erhalten, womit der erforderliche Nachweis erbracht werden könne. Es bräuchten keine Zuschläge bei Handwerksbetrieben gezahlt werden. Die Antragstellerin sei gewillt, in den maßgeblichen Punkten Abhilfe in Richtung einer gesetzes- bzw. tarifkonformen Anwendung zu schaffen. Es werde versichert, dass nicht wissentlich gegen die Vorschriften verstoßen worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2017 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin zurück. Die von ihr festgestellten Beanstandungen hinsichtlich der Verstöße gegen arbeitsrechtliche Pflichten und des Arbeitsschutzrechtes seien von der Antragstellerin nicht entkräftet worden.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 5. April 2017 Klage vor dem SG erhoben: Sie besitze die erforderliche Zuverlässigkeit. Es bestünden weder Schulden bzw. Offenstände bei den Sozialversicherungsträgern, bei den Steuerbehörden oder bei der Erlaubnisbehörde selbst. Es gebe keine Eintragungen in das Gewebezentralregister, keine Eintragungen in die Führungszeugnisse des Geschäftsführers oder der Gesellschafterin, noch gab oder gebe es Buß- oder Verwarngelder des Finanzamtes. Die Arbeitnehmer erhielten selbstverständlich auch Lohn für die Zeiten der Nichtbeschäftigung, auch wenn hierfür Stunden des Arbeitszeitkontos auf jeweiligen Antrag für Freizeitausgleich genommen würden. Bei den Jahressonderzahlungen handele es sich um von den Arbeitnehmern einzufordernde Ansprüche. Ansprüche seien gegen die Antragstellerin von den Arbeitnehmern nicht geltend gemacht worden. Die Antragstellerin sei seit 2009 im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig. Eine Verweigerung der Erlaubnis sei nicht verhältnismäßig.

Am 1. September 2017 hat die Antragstellerin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim SG gestellt. Sie hat beantragt, ihr vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu gestatten, den Betrieb nach dem 16. November 2017 aufrecht zu erhalten und insbesondere die Genehmigung der Verlängerung der Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache zu erteilen.

Mit Beschluss vom 5. Oktober 2017 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage S 5 AL 79/17 gegen den Bescheid vom 8. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2017 angeordnet und im Übrigen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache könnten noch nicht abgeschätzt werden. Es lägen zwar nicht unerhebliche Verstöße in der Vergangenheit vor, die Antragstellerin habe sich aber für die Zukunft kooperativ gezeigt. Insofern halte es die Kammer für möglich, dass die Antragstellerin künftig die aufgezeigten Mängel abstellen werde. Die Wirkung dieser Entscheidung reiche nur bis zum 16. November 2017. Das weitergehende Begehren der Antragstellerin, über den 16. November 2017 eine Erlaubnis zu erhalten, sei unzulässig. Gegenstand der behördlichen Entscheidungen sei nur eine um ein Jahr zu verlängernde Erlaubnis der Arbeitnehmerüberlassung.

Gegen den ihr am 11. Oktober 2017 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am selben Tag Beschwerde eingelegt und diese wie folgt begründet:

Die Antragstellerin sei zu zahlreichen Verstößen angehört worden. Einige Verstöße habe die Antragstellerin eingeräumt, andere habe sie nicht eingesehen. So habe sie teilweise darauf verwiesen, dass ein Arbeitgeber nicht per se unzuverlässig sei, wenn er mögliche Ansprüche der Arbeitnehmer nicht berücksichtige. Die Arbeitnehmer müssten ihre individuellen Entgeltansprüche selbst geltend machen. Insofern sei ein Umdenken bei der Antragstellerin nicht erkennbar.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts vom 5. Oktober 2017 abzuändern und den Antrag der Antragstellerin (insgesamt) abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hält den erstinstanzlichen Beschluss für zutreffend. Er sei unter Beachtung der widerstreitenden Interessen getroffen worden. Es dürfe im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht zu irreparablen Entscheidungen kommen, die eine Hauptsache ins Leere laufen lassen würden. Die Antragsgegnerin habe keine Interessenabwägung vorgenommen. Selbstverständlich sei ein Arbeitgeber nicht per se unzuverlässig, wenn er mögliche Ansprüche der Arbeitnehmer nicht berücksichtige.

Der Berichterstatter hat mit Schreiben vom 3. November 2017 darauf hingewiesen, dass die Verlängerungsfiktion nach § 2 Abs. 4 Satz 3 AÜG nur bis zum 16. November 2017 reicht und ansonsten ein Neuantrag gestellt werden müsste. Er hat weiter unter anderem darauf hingewiesen, dass die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach § 8 MTV IZG verpflichtend sei und nicht von der betrieblichen Situation des Arbeitgebers abhänge und sich die Antragstellerin zur Zahlung wohl verpflichten müsse, wenn sie nicht Gefahr laufen wolle, die arbeitsrechtlichen Bestimmungen fortgesetzt zu verletzen.

Die Antragstellerin hat mitgeteilt, es bestehe auch über den 16. November 2017 hinaus ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Sie habe am 6. November 2017 einen Antrag auf unbefristete Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung ab dem 17. November 2017 gestellt. Die Antragstellerin hat diesbezüglich ein neues einstweiliges Rechtsschutzverfahren beim SG anhängig gemacht.

Für weitere Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin, die beigezogene Gerichtsakte S 5 AL 79/17 sowie die Gerichtsakte in diesem Verfahren verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet.

Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage S 5 AL 79/17 gegen den Bescheid vom 8. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2017 ist abzulehnen. Ein neu bei dem SG gestellter Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz für ihren Neuantrag auf Erlaubniserteilung vom 6. November 2017 ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Die Klage gegen die Ablehnung der befristeten Erteilung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat gem. § 86a Abs. 4 Satz 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. In der entsprechenden Vorschrift ist ausdrücklich auch die Nichtverlängerung der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 AÜG genannt.

Das Rechtsschutzziel der Antragstellerin würde bereits mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Erlaubnis erreicht, weil § 2 Abs. 4 Satz 3 AÜG eine Verlängerung der Erlaubnis um ein weiteres Jahr vorsieht, wenn die Erlaubnisbehörde die Verlängerung nicht vor Ablauf des Jahres abgelehnt hat. Da dieses Jahr noch nicht abgelaufen ist, besteht das Rechtsschutzziel fort.

Hat der Gesetzgeber angeordnet, dass ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, muss es eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben, dass das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnet. Im Rahmen der nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gebotenen Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides und dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs sind zuvörderst die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Allgemein gilt, je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Nur wenn die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar sind, ist eine allgemeine Folgenabwägung vorzunehmen. (vgl. hierzu: Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage, § 86b, Rn. 12e ff, m.w.N.). Ist die Klage voraussichtlich aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet.

Vorliegend sind die Erfolgsaussichten der Klage gegen die Entscheidung der Nichtverlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nur sehr gering. Die Verwaltungsentscheidung ist in hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig.

Die Voraussetzungen für eine Versagung der Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG liegen vor. Nach dieser Vorschrift ist eine Erlaubnis oder Verlängerung der Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 AÜG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, weil sie u. a. die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält. Maßgebend ist hierbei eine Prognose für die Zukunft, d. h. ein aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen der Vergangenheit und der Gegenwart gezogener Schluss auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten der Antragstellerin (vgl. Pelzner/Kock in Thüsing, AÜG, 3. Aufl., § 3 Rn. 15). Bewusste Pflichtverstöße können als Indiz für die Wiederholungsgefahr berücksichtigt werden, wohingegen einmaligen fahrlässigen Verstößen eine solche Indizwirkung nicht zukommt. Zudem muss es sich um arbeitsrechtliche Verstöße im Kernbereich handeln. Zum Kernbereich zählen die Vergütung, Ansprüche auf Erholungsurlaub und sonstige Ansprüche auf geldwerte Leistungen (vgl. Hurst in Urban-Crell, Germakowski, Bissels und Hurst, AÜG, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 59).

Die Antragstellerin hat in der Vergangenheit die Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem von ihr in Bezug genommenen MTV IZG nicht beachtet. Es kann dahinstehen, ob die Antragstellerin nach der permanenten Verletzung der tarifvertraglichen Regelungen in der Vergangenheit für die Zukunft in Bezug auf Entgeltfortzahlung, Urlaub, Arbeitszeitkonto usw. die Indizwirkung genügend entkräftet hat. Jedenfalls weigert sich die Antragstellerin auch für die Zukunft beharrlich, den Arbeitnehmern ihren Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld zu gewähren. Dies begründet eine Unzuverlässigkeit. Nach § 8 des betreffenden MTV IZG haben die Arbeitnehmer nach dem sechsten Monat des ununterbrochenen Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses Anspruch auf Jahressonderzahlungen in Form von zusätzlichem Urlaubs- und Weihnachtsgeld, welches gestaffelt nach der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses im Juni und November zu leisten ist. Ausnahmen sieht der Tarifvertrag hierzu nicht vor. D. h. es ist unerheblich, ob die Antragstellerin zu dieser Zahlung wirtschaftlich in der Lage ist. Die Antragstellerin hat durchgehend in ihren gesamten Stellungnahmen darauf verwiesen, dass sie diese Zahlung nicht leisten müsse. Zudem hat sie darauf verwiesen, dass die Arbeitnehmer diese Zahlungen nicht geltend gemacht hätten und aus der Nichtleistung von Ansprüchen der Arbeitnehmer nicht auf die Unzuverlässigkeit der Arbeitgeberin geschlossen werden dürfe. Dies verkennt die Schutzwirkungen des AÜG. Die Zuverlässigkeitsprüfung im AÜG soll u. a. bewirken, dass die Arbeitnehmer das ihnen zustehende Entgelt erhalten. D. h., es ist gerade der Schutzzweck des Gesetzes, die Einhaltung der Arbeitgeberpflichten gegenüber den Arbeitnehmern sicherzustellen, unabhängig davon, ob diese ihre Ansprüche individuell geltend machen. Selbst den gerichtlichen Hinweis vom 3. November 2017 hat die Antragstellerin nicht zum Anlass genommen, zu erklären, irrtümlich in der Vergangenheit und für November 2017 keine Jahressonderzahlungen geleistet zu haben und diese nunmehr und künftig leisten zu wollen.

Weil es sich um eine beharrliche Weigerung handelt, das den Arbeitnehmern zustehende Entgelt zu bezahlen, kommt auch eine Erlaubnis unter Bedingungen und Auflagen nicht in Betracht. Solche Nebenbestimmungen sollen dazu führen, zu verhindern, dass Tatsachen eintreten, die eine Versagung rechtfertigen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 AÜG). Ist eine solche Verletzung auch für die Zukunft aufgrund der beharrlichen Weigerung jedoch prognostisch zu erwarten, gehen Auflagen ins Leere.

Rechtsfolge ist, dass die Antragstellerin unverändert bis zum 16. November 2017 die fortbestehenden Verträge abwickeln darf, § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG. Will sie eine neue Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung erreichen, sind die Voraussetzungen für einen Neuantrag zu prüfen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 197a SGG i. V. m. § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung. Danach trägt der Unterliegende die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert richtet sich nach § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Anhaltspunkte dafür, dass ein vom Auffangstreitwert von 5.000 EUR abweichendes wirtschaftliches Interesse besteht, liegen nicht vor. Es ist insbesondere zu beachten, dass die Wirkung des einstweiligen Rechtsschutzantrages vom 1. September 2017 nur bis zum 16. November 2017 reicht.
Rechtskraft
Aus
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