L 19 AS 1674/17 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 40 AS 2584/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 1674/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04.08.2017 zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger bezieht vom Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Er ist selbständig tätig. Mit Bescheid vom 22.12.2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.01.2017 bis zum 30.06.2017 für Januar 2017 in Höhe von 757,66 Euro und für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 30.06.2017 in Höhe von 837,00 Euro monatlich. Auf den Bedarf rechnete er Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit an. In dem Bescheid wurde u.a. ausgeführt, dass bei folgenden Punkten der Beklagte von der Einschätzung des Klägers abgewichen sei: Die Fahrzeugmiete, betriebliche Versicherungen sowie die Tilgung privater Darlehen seien nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt. Die Kontogebühren seien nur zu 50 % als Betriebsausgaben berücksichtigt worden.

Gegen die Höhe der bewilligten Leistungen legte der Kläger, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, Widerspruch ein. Er begehrte die Berücksichtigung der Fahrzeugmiete sowie der betrieblichen Versicherungen als Betriebsausgaben und damit die Anrechnung eines geringeren Einkommens. Mit Schreiben vom 19.01.2017 erläuterte der Beklagte, dass er die Kosten für Fahrzeugmiete und betrieblichen Versicherungen beim Gewinn nicht mindert anerkannt habe, weil die geltend gemachten Beträge nicht nachvollziehbar seien. Zudem seien die Kosten nicht einmal ansatzweise hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und Angemessenheit nachgewiesen. Nach einer Vorsprache des Klägers Anfang Februar 2017 beim Beklagten und der Vorlage von Unterlagen mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten am 08.02.2017 erhöhte der Beklagte die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit Änderungsbescheid vom 17.02.2017. Hierin wurde u.a. ausgeführt, aufgrund der im Widerspruchsverfahren eingereichten Unterlagen habe der Kläger höhere Betriebsausgaben nachgewiesen. Hierdurch mindere sich der monatlich anzurechnende Gewinn aus seiner selbständigen Tätigkeit von 151,68 Euro auf 126,81 Euro monatlich. Es werde darauf hingewiesen, dass die Ausgaben für die Anmietung eines Pkws in Höhe von 150,00 Euro monatlich nicht berücksichtigt seien, da er diese nicht nachgewiesen seien.

Am 19.04.2017 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Daraufhin erließ der Beklagte einen Bescheid vom 10.05.2017 mit der Überschrift "Abhilfebescheid im Widerspruchsverfahren". In dem Bescheid heißt es, nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des Widerspruches des Klägers vom 17.01.2017 hebe der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 22.12.2016 auf. Dem Widerspruch des Klägers sei damit auf dem Verwaltungswege im vollen Umfang entsprochen worden. Der Beklagte weise daraufhin, dass die materielle Abhilfe bereits mit dem Kläger zugestellten Änderungsbescheid vom 17.02.2017 erfolgt sei. Die dem Kläger im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten könnten nicht erstattet werden, da die Abhilfeentscheidung aufgrund eines neuen Sachverhaltes erfolgt sei. Der Bescheid war an den Kläger adressiert. Nach Erlass des Bescheides vom 10.05.2017 erklärte der Kläger, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, die Untätigkeitsklage für erledigt.

Gegen die Kostenentscheidung im Bescheid vom 10.05.2017 legte der Kläger, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 26.06.2017 hat der Kläger, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, Klage erhoben.

Die Prozessbevollmächtigte beantragt schriftsätzlich,

1) den Bescheid vom 10.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 22.12.2016 zu tragen.
2) den Bescheid vom 10.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für den Pkw des Klägers als Betriebsausgaben anzuerkennen,
3) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, den Widerspruchsbescheid an die Bevollmächtigte zu übersenden.

Durch Beschluss vom 04.08.2017 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Hiergegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 114 ZPO. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist. Prozesskostenhilfe darf verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347). Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz in § 114 ZPO, indem es die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussicht für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss. Die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dürfen dabei nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.12.2012 - 1 BvR 1263/11).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, die den Beteiligten, die die Kosten hierfür nicht selbst aufbringen können, eine Rechtsverfolgung so wie bemittelten Personen zugänglich machen sollen, liegt eine hinreichende Erfolgsaussicht vorliegend nicht vor.

Die vom Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage i.S.v. § 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG ist unzulässig, soweit der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts begehrt. Der Klageantrag " die Kosten für den PKW des Klägers als Betriebsausgaben anzuerkennen" ist im Wege des Meistbegünstigungsgrundsatzes dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Anrechnung eines geringeren Erwerbseinkommens wegen des Abzugs weiterer Betriebsausgaben auf seinen Bedarf und damit die Gewährung von höheren Leistungen für die Zeit vom 01.01.2017 bis zum 30.06.2017 begehrt. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 09/10.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2017, soweit in diesem Bescheid der Beklagte die Übernahme der notwendigen Aufwendungen des Klägers für das Widerspruchsverfahren nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X abgelehnt hat. Bei dieser Kostengrundentscheidung nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X handelt es sich um eine rechtlich selbständige Entscheidung neben der Sachentscheidung - vorliegend betreffend die Höhe der Leistungsansprüche des Klägers - im Widerspruchsverfahren. Mithin entfaltet der angefochtene Bescheid - wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat - keine Regelungswirkung i.S.v. § 31 SGB X betreffend die Leistungsansprüche des Klägers. Mithin sind die Voraussetzungen einer Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG - Vorliegen eines Verwaltungsaktes, der den Klagegegenstand regelt, und Durchführung eines Widerspruchsverfahrens - betreffend den Klageantrag zu 2) nicht gegeben.

Die erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGG ist unbegründet, soweit der Kläger die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme seiner notwendigen Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X begehrt. Nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Die Vorschrift bezieht sich ihrem Wortlaut nach zwar nur auf Anfechtungswidersprüche, erfasst jedoch auch Verpflichtungswidersprüche - wie im vorliegenden Fall (BSG, Urteil vom 12.06. 2013 - B 14 AS 68/12 R - SozR 4-1300 § 63 Nr. 20). Voraussetzung für den Erlass einer Kostengrundentscheidung nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X ist, dass eine das Widerspruchsverfahren abschließende Sachentscheidung in der Form eines Widerspruchsbescheides oder eines Abhilfebescheides ergangen ist. Ein Abhilfebescheid beendet ein Widerspruchsverfahren nur dann, wenn er dem Widerspruch voll abhilft; es sich also um einen sog. Vollabhilfebescheid handelt (vgl. LSG Sachsen, Beschlüsse vom 04.08.2015 - L 3 AS 1030/11 B PKH und vom 27.06.2013 - L 3 AS 1170/12 B PKH; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12 Aufl. 2017, § 85 Rn. 2b; Luik in Henning, SGG, Stand Oktober 2014, § 85 Rn. 10). Maßgeblich für die Frage, ob eine volle Abhilfe oder eine Teilabhilfe (vgl. zur Zulässigkeit einer Teilabhilfeentscheidung LSG Sachsen, Beschlüsse vom 04.08.2015 - L 3 AS 1030/11 B PKH und vom 27.06.2013 - L 3 AS 1170/12 B PKH; Schmidt, a.a.O.; Luik, a.a.O.) vorliegt, ist das Begehren des Widerspruchsführers. Vorliegend ist durch den Bescheid vom 09/10.05.2017 das mit Widerspruchsschreiben vom 17.01.2017 gegen den Bewillligungsbescheid vom 22.12.2016 eingeleitete Widerspruchsverfahren nicht beendet worden. Denn entgegen seiner Überschrift handelt es sich bei diesem Bescheid nicht um einen Vollabhilfebescheid, da mit Änderungsbescheid vom 17.02.2017 dem Widerspruch des Klägers nur teilweise abgeholfen worden ist. Zwar hat der Beklagte bei der Berechnung des anrechenbaren Erwerbseinkommens eine weitere Betriebsausgabe - Versicherungsbeitrag - als Absetzbetrag berücksichtigt, jedoch nicht Kosten für die Anmietung eines Kraftfahrzeugs i.H.v. 150,00 EUR monatlich - wie vom Kläger mit Widerspruchsschreiben vom 17.01.2017 begehrt - berücksichtigt. Dies hat der Beklagte auch ausdrücklich in der Begründung des Änderungsbescheides vom 17.02.2017 ausgeführt. Mithin handelt es sich sowohl bei dem Änderungsbescheid vom 17.02.2017 wie auch bei dem Bescheid vom 09./10.05.2017, der auf den Änderungsbescheid vom 17.02.2017 Bezug nimmt, nur um einen Teilabhilfebescheid. Damit ist das Widerspruchsverfahren mit Erlass des Bescheides vom 09./10.05.2017 nicht beendet gewesen. Eine Beendigung des Widerspruchsverfahrens ist auch nicht dadurch eingetreten, dass der Kläger nach Erlass der Bescheide vom 17.02.2017 und vom 09./10.05.2017 den weitergehenden Widerspruch zurückgenommen hat. Eine solche Erklärung ist gegenüber dem Beklagten nicht erfolgt. Auch kann die Erledigungserklärung in dem Verfahren S 43 AS 1514/17 nicht dahingehend ausgelegt werden.

Nach Beendigung des Widerspruchsverfahrens wird der Beklagte eine Entscheidung nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGG zu treffen haben (vgl. zur Kostenquotelung BSG, Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 68/12 R - SozR 4-1300 § 63 Nr. 20). Eine Stattgabe i.S.v. § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X liegt vor, wenn die Behörde eine für den Widerspruchsführer begünstigende Entscheidung trifft und zwischen dem Widerspruch und der begünstigenden Entscheidung ein Ursachenzusammenhang besteht. Für die Annahme eines Ursachenzusammenhangs genügt, dass der Widerspruchsführer durch die Erhebung des Rechtsbehelfs eine Ursache für die Abänderung der ablehnenden Entscheidung - der Verhinderung des Eintritts der Bestandskraft des Verwaltungsaktes (§ 77 SGG) - gesetzt hat (BSG, Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 35/10 R - SozR 4-1300 § 63 Nr. 13). Dies gilt nicht, wenn die Stattgabe ausschließlich auf der Nachholung einer Handlung beruht, die der Widerspruchsführer pflichtwidrig bis zum Erlass des angefochtenen Bescheides unterlassen hat (BSG, Urteil vom 21.07.1992 - 4 RA 20/91 - SozR 4-1300 § 63 Nr. 1).

Die mit Klageantrag zu 3) erhobene Feststellungsklage ist unzulässig. Insoweit ist bislang kein Feststellunginteresse i.S.v. § 55 Abs. 1 SGG nur ansatzweise dargelegt worden. Auch ist die Feststellungsklage unbegründet. Nach § 37 Abs. 1 S. 2 SGB X steht im Ermessen der Behörde, ob sie einen Verwaltungsakt dem Bevollmächtigten, dem Vollmachtgeber oder beiden bekanntgibt (vgl. Pattar in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 37 SGB X, Rn. 87 m.w.N.; Engelmann in von Wulfen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 37 Rn. 10f; Mutschler in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2014, § 37 SGB X Rn. 13). Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null sind nicht erkennbar (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26.07.2016 - B 4 AS 47/15 R - SozR 4-1500 § 114 Nr. 2).

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundesozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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