S 25 AS 108/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 25 AS 108/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Das Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft des Landkreises Gießen für den Zeitraum Dezember 2014 bis November 2016 entspricht den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
2. Das Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft des Landkreises Gießen für den Zeitraum ab Dezember 2016 entspricht ebenfalls den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
3. Die Ergebnisse eines Konzeptes zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft sind bereits für die Zeiträume heranzuziehen, für die die zu Grunde liegenden Daten erhoben wurden.
4. Es bedarf weder einer Veröffentlichung des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft noch der verwaltungsinternen Handlungsanweisung zur Umsetzung dieses Konzeptes.
5. Ein Bescheid, mit dem nach Beendigung des Kostensenkungsverfahrens isoliert über die Absenkung der Kosten für Unterkunft entschieden wird, ist bereits mangels einer gesetzlichen Befugnis zur Entscheidung durch Verwaltungsakt rechtswidrig.
6. Ein gerichtliches Verfahren auf höhere Leistungen gegen einen vorläufigen Bewilligungsbescheid schließt einen fiktiven endgültigen Bescheid nach § 41 a Abs. 5 S. 1 SGB II aus.
1. Der Bescheid vom 12. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2015 wird aufgehoben. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 20. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2016 verurteilt, dem Kläger zu 1. für den Zeitraum Januar bis April 2016 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von weiteren 9,20 EUR monatlich, also insgesamt monatlich 268,40 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2. zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Kürzung der ihnen gewährten Kosten der Unterkunft durch den Beklagten.

Die Kläger leben zusammen in einer 106 m2 großen Mietwohnung, für die eine Grundmiete von 488 EUR, Betriebskostenvorauszahlungen von 126 EUR und Heizkostenvorauszahlungen von 118 EUR, insgesamt also 732 EUR, monatlich zu zahlen sind. Sie erhalten laufend Leistungen von dem Beklagten. Die Tochter der Klägerin zu 2. ist in einer Einrichtung zum betreuten Wohnen untergebracht und besucht ihre Mutter nach ihrer Auskunft seit Juli oder August 2016 an den Wochenenden. Der Kläger zu 1. übt sein Umgangsrecht mit seiner Tochter außerhalb der Wohnung aus. Die Kläger beziehen Einkommen in schwankender Höhe. Das Einkommen hat die Höhe der Regelbedarfe der Kläger nicht überschritten.

Mit Schreiben vom 30. März 2015 informierte der Beklagte die Kläger darüber, dass ihre Kosten für Unterkunft und Heizung unangemessen seien und forderte die Kläger zur Kostensenkung auf.

Mit Bescheid vom 12. August 2015 senkte der Beklagte die gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung ab dem 1. November 2015 von 732 EUR auf 518,40 EUR (400,40 EUR Bruttokaltmiete, 118 EUR Heizkosten) ab.

Der Widerspruch der Kläger blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. November 2015).

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2015 bewilligte der Beklagte den Klägern jeweils 259,20 EUR als Bedarf für Unterkunft und Heizung für November 2015 bis April 2016. Die Bewilligung war insgesamt wegen des schwankenden Einkommens der Kläger vorläufig.

Der Widerspruch gegen diesen Bescheid blieb ebenfalls erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2016).

Die Kläger behaupten, dass die Klägerin zu 2. den Umgang mit ihrer Tochter ausbauen wolle und das Ziel habe, diese wieder dauerhaft bei ihr aufzunehmen. Dazu werde ein entsprechendes Zimmer benötigt. Günstigerer Wohnraum sei in Gießen nicht zu bekommen. Ein Umzug sei mit weiteren Kosten verbunden, die ebenfalls unzumutbar wären.

Der Kläger zu 1. beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 20. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2016 zu verurteilen, ihm ab dem 1. November 2015 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 732 EUR zu gewähren.

Die Klägerin zu 2. beantragt nach Rücknahme des zusätzlich gestellten Antrags, ihr Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 732 EUR zu gewähren, in der mündlichen Verhandlung nunmehr nur noch,
den Bescheid vom 12. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.

Im Erörterungstermin vom 8. März 2017 hat die Klägerin zu 2. erklärt, dass sie nach Drei-Zimmer-Wohnungen im Stadtgebiet Gießen gesucht hätten.

Mit Beschluss vom 8. März 2017 hat das Gericht die nur von der Klägerin zu 2. erhobene Klage gegen den Bescheid vom 12. August 2015 mit dem Aktenzeichen S 25 AS 919/15 und die nur von dem Kläger zu 1. erhobene Klage gegen den Bescheid vom 20. Oktober 2015 mit dem Aktenzeichen S 25 AS 108/16 verbunden.

Das Gericht hat eine schriftliche Zeugenaussage der geschiedenen Ehefrau des Klägers zu 1. eingeholt. Diesbezüglich wird auf das Schreiben vom 17. Mai 2017 verwiesen.

Das Gericht hat den Bericht des Landkreises Gießen zum Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom August 2016 beigezogen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten über die Kläger verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.

Streitgegenständlich sind die dem Kläger zu 1. mit Bescheid vom 20. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2016 bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung für November 2015 bis April 2016. Die weiteren Änderungsbescheide vom 29. November 2015, 10. Dezember 2015 und 2. Mai 2016 und der Bescheid zur Aufhebung, Erstattung und Aufrechnung vom 2. Mai 2016 betreffen nicht die Kosten für Unterkunft und Heizung und sind deshalb nicht streitgegenständlich. Der Kläger zu 1. hat den Streitgegenstand mit hinreichender Deutlichkeit durch seinen Klageantrag auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt.

Weiterhin ist der Bescheid vom 12. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2015 streitgegenständlich.

1. Der Bescheid vom 20. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2016 ist hinsichtlich der Monate November und Dezember 2015 rechtmäßig und hinsichtlich der Monate Januar bis April 2016 rechtswidrig. Für die Monate November bis Dezember 2015 hat der Kläger zu 1. keinen höheren Anspruch auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Für die Monate Januar bis April 2016 besteht hingegen ein um 9,20 EUR höherer monatlicher Anspruch.

Die Klage gegen den Bescheid vom 20. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2016 ist nur für den Kläger zu 1. erhoben worden. Die Klage war auch nicht nach dem Meistbegünstigungsprinzip so auszulegen, als hätte die Klägerin zu 2. diese Klage ebenfalls erhoben. Grundsätzlich bezieht sich das Meistbegünstigungsprinzip nur auf die Auslegung des Antrags selbst, aber nicht darauf, wer Kläger ist. Eine Ausweitung hatte das Bundessozialgericht (BSG vom 07.09.2006 B 7b AS 8/06 R – juris) für eine Übergangszeit bis zum 30. Juni 2007 wegen der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem seinerzeit neu eingeführten Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft vorgenommen. Nach Ablauf dieser Übergangszeit ist eine solche Auslegung nicht mehr möglich (vgl. Hessisches LSG vom 13.11.2015 – L 9 AS 44/15 – Rn. 32, juris).

a. Der Kläger zu 1. hat für die Monate November und Dezember 2015 keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Der Gesamtbedarf der zweiköpfigen Bedarfsgemeinschaft ist mit einer Bruttokaltmiete von 614 EUR unangemessen. Die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze durch den Beklagten in Höhe von 400,40 EUR ist nicht zu beanstanden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss den Feststellungen des Grundsicherungsträgers ein schlüssiges Konzept zugrunde liegen, um die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit des Ergebnisses zu ermöglichen.

Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt: Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten Vergleichsraum und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung), eine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung (z.B. welche Art von Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete, Differenzierung nach Wohnungsgröße) muss gegeben sein, es müssen Angaben über den Beobachtungszeitraum vorliegen, die Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z. B. Mietspiegel) muss festgelegt sein, der Umfang der erhobenen Daten muss repräsentativ sein, die Validität der Datenerhebung muss gewährleistet sein, die anerkannten mathematisch-statistischen Grundsätze der Datenauswertung müssen eingehalten werden und es müssen Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze) vorliegen (vgl. z. B. BSG vom 22.09.2009 B 4 AS 18/09 R –Rn. 19, juris = BSGE 104, 192).

Das Konzept des Beklagten entspricht diesen Vorgaben (SG Gießen vom 4.11.2015 S 25 AS 496/15 ER – juris; vom 27.01.2016 – S 25 AS 225/14 – unveröffentlicht; vom 28.11.2014 – S 25 AS 859/14 ER – juris; Hessisches LSG vom 06.11.2013 – L 4 SO 166/13 B ER – juris).

Das Konzept des Beklagten teilt den Landkreis Gießen in vier als Wohnungsmarkttypen (Wohnungsmarkttyp I: Allendorf (Lumda), Biebertal, Buseck, Langgöns, Lollar, Rabenau, Reiskirchen, Staufenberg, Wohnungsmarkttyp II: Fernwald, Heuchelheim, Lich, Linden, Pohlheim, Wettenberg, Wohnungsmarkttyp III: Gießen, Wohnungsmarkttyp IV: Grünberg, Hungen, Laubach) bezeichnete räumliche Einheiten im Wege einer Clusteranalyse. Die Wohnungsmarkttypen bilden nach der schlüssigen Darstellung der Mietwerterhebung Vergleichsräume mit einem weitgehend homogenen Mietpreisniveau. Als Indikatoren wurden die Bevölkerungsentwicklung, die Bevölkerungsdichte, die Siedlungsstruktur, die Neubautätigkeit in einer Kommune, das Pro-Kopf-Einkommen, der Bodenpreis und die Zentralität sowie die jeweilige Mietstufe nach dem Wohngeldgesetz berücksichtigt. Die Stadt Gießen bildet allein den Wohnungsmarkttyp III, als charakteristisch beschrieben werden insoweit deutlich überdurchschnittliche Bodenpreise, die klar überdurchschnittliche Bevölkerungsentwicklung, die Siedlungsstruktur mit dem höchsten Anteil an Mehrfamilienhäusern sowie – bedingt durch einen hohen Bevölkerungsanteil an Studenten – das unterdurchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen. Diese Einteilung begegnet – jedenfalls für das hier relevante Gebiet der Stadt Gießen (Wohnungsmarkttyp III) – keinen durchgreifenden Bedenken (so auch Hessisches Landessozialgericht vom 06.11.2013 – L 4 SO 166/13 B ER – Rn. 40 ff, juris). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss ein Vergleichsraum einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung umfassen, um ein entsprechendes Wohnungsangebot aufzuweisen und die notwendigen abstrakten Ermittlungen zu ermöglichen. Des Weiteren muss er aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur, insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit, einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Die Bildung zu kleiner Vergleichsräume birgt das Risiko einer Ghettoisierung (BSG vom 26.05.2011 – B 14 AS 132/10 R – Rn. 25, juris). Ein kleinerer Vergleichsraum als das Stadtgebiet kommt nicht in Betracht, da Gießen über ein geschlossenes Stadtbild verfügt und auch die eher ländlich geprägten Stadtteile Kleinlinden, Allendorf, Rödgen und Lützellinden durch den Stadtbus gut angebunden sind. Die Orientierung an den kommunalen Grenzen erscheint dabei sinnvoll, zumal diese auch tatsächlich für die Einbindung in den öffentlichen Nahverkehr (Stadtbus) eine Bedeutung haben. Ob gegebenenfalls ein noch größerer Vergleichsraum zu bilden gewesen wäre, kann dahinstehen bleiben, da es in einem größeren Vergleichsraum aufgrund der niedrigeren Mietkosten in den Umkreisgemeinden zu einem geringeren Wert für die Angemessenheitsgrenze gekommen wäre und die Kläger deshalb dadurch nicht beschwert werden.

Die Datengrundlage bilden die Bestandsmieten. Dabei wurden, wie vom Bundessozialgericht gefordert (BSG vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R – Rn. 21, juris = NZS 2014, 149), sogenannte Substandardwohnungen (ohne Bad oder Sammelheizung), aber auch Wohnungen des Luxussegments, unberücksichtigt gelassen. Dass Wohnungen unter 35 m² oder in Wohn- und Pflegeheimen, gewerblich oder teilgewerblich genutzte Wohnungen, mietpreisreduzierte Werkswohnungen und Wohnungen mit sog. Freundschaftsmieten ebenfalls nicht einbezogen wurden, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Zwar mag die Untergrenze von 35 m² dazu führen, dass Wohnungen mit einem hohen Preis pro Quadratmeter nicht in die Berechnung einfließen, doch ist es nachvollziehbar, dass eine Untergrenze angesetzt werden muss, damit keine Wohnungen berücksichtigt werden, die wegen der zu geringen Größe nicht mehr zumutbar sind. Die Festlegung einer bestimmten Grenze ist dabei zwangsläufig beliebig. Verstärkt wird der Eindruck der Beliebigkeit dadurch, dass in anderen – insbesondere ostdeutschen Städten – mit einem hohen Anteil sehr kleiner Wohnungen üblicherweise eine Untergrenze von nur 30 m² angesetzt wird. Allerdings darf aber nicht übersehen werden, dass für die Frage der Zumutbarkeit einer bestimmten Wohnungsgröße das regional Übliche und damit die Vorgaben des regionalen Wohnungsmarktes durchaus eine Rolle spielen können.

Die Erhebung der Daten durch Befragung von Großvermietern und –verwaltern und zufällig ermittelten Kleinvermietern und die Aufnahme der Daten des Beklagten sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch wenn mehr als vier Jahre alte Bestandsmieten ausgewertet worden wären, würde dies nicht zu einer Unschlüssigkeit des Konzepts führen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann ein Konzept ausschließlich auf Bestandsmieten basieren (BSG vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R –Rn. 30, juris = NZS 2014, 149). Dies ist auch folgerichtig, da das Konzept nicht nur dazu dient, die Angemessenheitsgrenzen bei Neuanmietungen zu ermitteln, sondern auch die Prüfung der Angemessenheit von Bestandsmieten ermöglichen soll. Dabei ist es nicht erforderlich, die Bestandsmieten nach der Vertragslaufzeit zu differenzieren. Auch langlaufende Mietverträge bilden, jedenfalls so lange sie zum Erhebungszeitraum noch bestehen, den örtlichen Wohnungsmarkt ab. Der Rückgriff auf Bestandsmieten ist auch deshalb unproblematisch, da das Konzept auf andere Weise auf die Problematik der Neuanmietungen eingeht.

Die Berechnung der Angemessenheitsgrenzen ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Gesamtumfang der erhobenen Wohnungsmieten umfasste 14.806 Mieten, wovon 14.123 Mieten – nach Abzug unvollständig ausgefüllter Fragebögen, Filterfragen bzw. unplausibler Werte – als tabellenrelevant erkannt wurden. Die Angaben wurden den Wohnungsgrößen, wie sie bei der Förderung im sozialen Wohnungsbau relevant sind, zugeordnet, Extremwerte wurden auf der Basis eines 95 % Konfidenzintervalls entfernt und die Angaben über die verbleibenden 13.374 Wohnungen ausgewertet. Bei einem Gesamtwohnungsbestand (nicht nur Mietwohnungen) von 123.317 Wohnungen im Landkreis Gießen hat das Gericht an der Repräsentativität des Datenumfangs keine Zweifel. Auch die Berechnungsmethode selbst ist frei von Fehlern. Das Konzept ermittelt die Angemessenheitsgrenzen nicht am Standard der Wohnungen, sondern daran, wie viele Wohnungen benötigt werden, um den Bedarf bei Leistungsempfängern und Niedriglohnempfängern decken zu können. Dabei wurde anhand der Bestandsmieten geprüft, welches Perzentil erforderlich ist, um bei den Neuvertragsmieten (Abschluss in den letzten neun Monaten nach dem Stichtag 1. Februar 2012 bei den Groß- und Kleinvermietern) ein Perzentil zwischen 10 und 20 zu erreichen. Für das Gebiet der Stadt Gießen ergab sich daraus ein Perzentil der Bestandsmieten von 65 für Ein-Personen-Haushalte und von 50 für Mehr-Personen-Haushalte. Den Zielwert von einem Perzentil von 10 bis 20 bei den Neuvertragsmieten vermag das Gericht allerdings nicht nachzuvollziehen. Es handelt sich um einen definierten Wert ohne empirische Grundlage. Warum sollte der Anteil der Niedriglohn- und Leistungsempfänger bei den Bestandsmieten ein Perzentil von 50 und bei den Neuvertragsmieten nur von 10 bis 20 erfordern? Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Niedriglohn- und Leistungsempfänger weniger häufig umziehen. Allerdings sind an dem Ergebnis trotzdem keine Zweifel angebracht, da es mit einem Perzentil von 50 die Hälfte aller Wohnungen mit Bestandsmieten für Leistungsempfänger zur Verfügung stellt. Das Bundessozialgericht hält hingegen sogar einen pauschalen Anteil von 20 % für möglich (BSG vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R –Rn. 37, juris).

Dass die sogenannten Angebotsmieten nicht in die Berechnung eingeflossen sind, begegnet ebenfalls keinen Bedenken (ebenso Hessisches Landessozialgericht vom 06.09.2013 – L 4 SO 166/13 B ER – Rn. 45, juris). Das Konzept stellt nachvollziehbar dar, dass die Angebotsmieten lediglich ca. 60 % des tatsächlichen Angebotsvolumens ausmachten, weil ca. 40 % des Angebots direkt vermarktet würden. Dabei handele es sich jedoch nicht nur um Mieten, die unter der Hand bzw. unter Freunden angeboten würden. Es handele sich auch um Wohnungen von Wohnungsunternehmen mit Interessentenlisten. Darüber hinaus würden von den Wohnungsunternehmen häufig nur ausgesuchte Wohnungen öffentlich angeboten, was statistisch in aller Regel zu einer Übergewichtung der teureren Wohnungen führe. Darüber hinaus zeige der Vergleich von Angebots- und Vertragsmieten, dass die durchschnittlichen Neuvertragsmieten in der Regel deutlich unterhalb der durchschnittlichen Angebotsmieten lägen, so dass tatsächlich ein wesentlich größeres Wohnungsangebot unterhalb der Richtwerte zur Verfügung stehe, als dies in den ermittelten Angebotsmieten zum Ausdruck komme. Die Nachfragen des Gerichts bei der größten Wohnungsbaugesellschaft in Gießen, der C GmbH, haben gezeigt, dass ungefähr ein Drittel des Mietwohnungsbestandes in der Stadt Gießen auf die C-GmbH entfällt. Diese schaltet regelmäßig keine Wohnungsanzeigen, da sie über ausreichend gefüllte Wartelisten verfügt. Ob der konkrete Anteil der Angebotsmieten an den Neuvertragsmieten tatsächlich 60 % beträgt, ob also tatsächlich 40 % der Neuvertragsmieten ohne allgemein zugängliche Anzeige vermietet werden, spielt keine Rolle. Es ist jedenfalls nachvollziehbar, dass sich das Konzept nicht an den Angebotsmieten, sondern an den Neuvertragsmieten orientiert, zumal ein sehr großer Anteil der Differenz zwischen Neuvertrags- und Angebotsmieten auf die grundsätzlich allgemein zugänglichen Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaften entfallen wird.

Die Zusammensetzung des Datenbestandes ist auch nicht fehlerhaft. Während die Bestandsmieten, die aus der Befragung der Groß- und Kleinvermieter ermittelt wurden, nach dem Zufallsprinzip die gesamte Bandbreite des Wohnungsstandards von einfachem bis gehobenem Standard abbilden, ist dies zwar bei den Daten aus dem Bestand des Beklagten nicht zwingend zu erwarten. Da der kommunale Träger aber eine Neuberechnung ohne die Daten aus dem Bestand des Beklagten vorgelegt hat und diese nicht zu einer Erhöhung der Angemessenheitsgrenzen geführt hat, zeigt sich, dass die erwartete Verzerrung durch den möglichen Zirkelschluss nicht vorliegt. Auch ansonsten ist die Datenerhebung nicht zu beanstanden. Es wird weder vorgetragen, noch gibt es irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die durch den kommunalen Träger beauftragte Firma die zu befragenden Vermieter gezielt ausgewählt hat, um eine möglichst geringe Angemessenheitsgrenze zu erzielen.

Gegen die Anpassung der Werte nach zwei Jahren anhand eines Indexes hat das Gericht keine Bedenken. Auch für den qualifizierten Mietspiegel ist in § 558 d Abs. 2 S. 2 BGB vorgesehen, dass ein Mietspiegel anhand des Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte des Statistischen Bundesamtes fortgeschrieben werden kann. Die Anpassung durch den Beklagten geht darüber hinaus, da die Fortschreibung anhand des Indexes über die Mietpreisentwicklung in Hessen die Preisentwicklung genauer trifft, als dies der Verbraucherpreisindex könnte. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Mieten in der Stad Gießen wahrscheinlich stärker steigen, als dies im Landesdurchschnitt der Fall ist. Da aber nach weiteren zwei Jahren ohnehin eine Neuermittlung der Daten erforderlich ist, hält es das Gericht unter Berücksichtigung der Ermittlungskosten für den kommunalen Träger für zumutbar, dass die Angemessenheitsgrenzen für zwei Jahre nicht ganz mit der Preisentwicklung mithalten.

Auch die Ermittlung der Wasserkosten begegnet keinen Bedenken. Die Wasserkosten ermittelt der kommunale Träger direkt bei den örtlichen Versorgern und legt einen Verbrauch von 3,62 m3 Wasser pro Person und Monat zugrunde. Dieser Verbrauch wurde aus der aktuellen Wasserbilanz des Regierungspräsidiums Gießen, die für den Landkreis Gießen einen Verbrauch von 119 Litern pro Tag und Einwohner ausweist, entnommen. Hier ist – wie bei den übrigen kalten Nebenkosten – die Annahme eines Mittelwertes nicht zu beanstanden.

Das Konzept musste auch nicht veröffentlicht werden. Eine Publikationspflicht besteht für Verwaltungsvorschriften nur bei einer unmittelbaren Außenwirkung für Dritte (BVerwG vom 25.11.2004 – 5 CN 1/03 – Rn. 31, juris = BVerwGE 122, 264 ff). Das Konzept selbst hat diese Wirkung jedenfalls nicht. Es dient nur der Begründung der Verwaltungsvorschrift des kommunalen Trägers für die Kosten der Unterkunft und Heizung (Verwaltungsinterne Handlungsanweisung des Landkreises Gießen zur Ermittlung, Anrechnung und Umsetzung der Kosten der Unterkunft und Heizung). Diese wird von den Mitarbeitern des Beklagten bei der Entscheidung zugrunde gelegt und aus dieser ergeben sich die Werte für die angemessene Bruttokaltmiete, an denen sich die Berechtigten orientieren können. Aber auch die Handlungsanweisung entfaltet selbst keine Außenwirkung. Sie begründet keine Ansprüche, sondern stellt nur das Ergebnis der Ermittlungen des kommunalen Trägers zum Begriff der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 SGB II dar (ähnlich Thüringer Landessozialgericht vom 08.07.2015 – L 4 AS 718/14 – Rn. 58, juris, im Ergebnis ebenso SG Augsburg vom 24.11.2015 – S 8 AS 984/15 – Rn. 40, juris). Der Anspruch der Berechtigten ergibt sich nicht aus der Handlungsanweisung, sondern allein aus dem Gesetz.

Letztlich kann dies aber dahinstehen bleiben, da die Handlungsanweisung ohnehin ausreichend veröffentlicht ist. Nach § 6 Abs. 1 der Hessischen Landkreisordnung kann die öffentliche Bekanntmachung auch im Internet erfolgen. Unter der Homepage des Beklagten ist die Handlungsanweisung des kommunalen Trägers abrufbar.

Auch die Zweifel des Gerichts, dass das Konzept tatsächlich zu dem Ergebnis führt, dass für den Untersuchungsraum Stadt Gießen freie Wohnungen zu den Kriterien des kommunalen Trägers in einem ausreichenden Umfang vorhanden sind, sind inzwischen beseitigt. Ob dies eine Frage der abstrakten Angemessenheit, also der Schlüssigkeit des Konzepts, oder der konkreten Angemessenheit ist, ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bisher nicht geklärt. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts meint, dass Fälle der objektiven Unmöglichkeit der Anmietung einer angemessenen Wohnung nur in Ausnahmefällen auftreten können (BSG vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R – Rn. 36, juris = BSGE 102, 263) und geht damit davon aus, dass die Frage der ausreichenden Anzahl angemessener Wohnungen im Rahmen des Konzepts beantwortet wird. Der 14. Senat folgt diesem Ansatz nur bedingt und nimmt nur in den Fällen, in denen das Konzept auf einem qualifizierten Mietspiegel beruht, an, dass angemessene Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt tatsächlich in ausreichender Anzahl vorhanden sind (BSG vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R – Rn. 30, juris = SGb 2012, 361). Ob dieser Rückschluss bei Erhebungen, die sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zulässiger Weise nur auf Bestandsmieten stützen dürfen (BSG vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R –Rn. 30, juris = NZS 2014, 149), tatsächlich zwingend ist, kann letztlich dahinstehen, da die Zweifel des Gerichts an der ausreichenden Anzahl von abstrakt zugänglichen Neuvertragswohnungen durch die Ermittlungen des Gerichts in den Verfahren S 25 AS 331/15 ER und S 25 AS 496/15 ER bei der C-GmbH beseitigt wurden.

Zwar vermag der Beklagte aus der vom kommunalen Träger geführten Angebotsdatenbank regelmäßig nur eine – jedenfalls nach genauer Überprüfung – einstellige Anzahl von angemessenen Angebotsmieten für in der Regel über sechs Monate lange Zeiträume zu benennen, doch zeigen die Nachfragen des Gerichts bei der C-GmbH, dass diese nicht nur in erheblicher Anzahl angemessene Wohnungen im Bestand hat, sondern diese auch in ausreichender Anzahl in den letzten Jahren neu vermietet hat. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Anzahl der angebotenen Wohnungen durch die hohe Zahl der Interessenten (ca. 1.500) erheblich relativiert. Ob der Kläger zu 1. konkret die Möglichkeit hatte, eine der angebotenen Wohnungen anzumieten, ist eine Frage der konkreten Angemessenheit.

Die Kosten des Klägers zu 1. waren auch nicht als konkret angemessen anzuerkennen. Nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II sind unangemessene Kosten solange als Bedarf anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach dieser Vorschrift ist zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar war, es ihm also möglich war, die Kosten für die Unterkunft auf das abstrakt angemessene Maß zu senken (konkrete Angemessenheit, BSG vom 17.10.2013 B 14 AS 70/12 R – Rn. 29, juris = BSGE 114, 257). Besondere durch die persönlichen Lebensumstände von Leistungsberechtigten bedingte Bedarfe sind im Rahmen der konkreten Angemessenheit zu berücksichtigen. Gegen die konkrete Angemessenheit des niedrigeren, abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs und die Zumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen können Gründe sprechen, die auch einem Umzug entgegenstehen wie Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Rücksichtnahme auf schulpflichtige Kinder, Alleinerziehung (BSG vom 16.04.2013 B 14 AS 28/12 R – Rn. 37, juris). Solche Gründe sind hier nicht ersichtlich. Da die Kläger nach eigener Aussage nur im Stadtgebiet von Gießen gesucht haben, obwohl keine Gründe ersichtlich sind, warum die Kläger nicht mindestens in den angrenzenden Gemeinden wohnen könnten, waren die Suchbemühungen der Kläger unvollständig. Auf die Frage, ob der Beklagte freie angemessene Wohnungen konkret nachweisen kann, kam es deshalb nicht an.

Die Unzumutbarkeit der Absenkung auf die angemessenen Kosten der Unterkunft ergibt sich auch nicht daraus, dass sowohl der Kläger zu 1. als auch die Klägerin zu 2. jeweils eine Tochter haben, mit denen sie ihr Umgangsrecht nach dem streitgegenständlichen Zeitraum auch in der Wohnung ausüben wollen. Denkbar wäre es, dass die Kläger eine entsprechend große Wohnung jetzt schon vorhalten müssen, damit sie für die bevorstehende Ausübung des Umgangsrechts vorbereitet sind. Dazu wäre es aber nicht nur erforderlich, dass die Ausübung des Umgangsrechts in der Wohnung demnächst bevorsteht, was beim Kläger zu 1. offensichtlich nicht der Fall ist, sondern zusätzlich wäre es auch noch erforderlich, dass die Wohnung dann wenigstens die Angemessenheitsgrenzen unter Berücksichtigung der beiden Töchter der Kläger erfüllt. Selbst bei Berücksichtigung beider Töchter wäre in der Zukunft aber nur höchstens von einem Vier-Personen-Haushalt auszugehen. Auch diese Grenze überschreitet die Wohnung der Kläger sowohl nach dem neuen als auch nach dem alten Konzept des Beklagten. Richtigerweise könnten die beiden Töchter ohnehin beide nur als jeweils halbe Person gewertet werden, sodass die Wohnung sogar die Kriterien eines Drei-Personen-Haushalts erfüllen müsste. Dies ist erst recht nicht der Fall.

Die entstehenden Umzugskosten bei einem Wohnungswechsel führen ebenfalls nicht zu einer Unzumutbarkeit der Kostensenkung für die Kläger. Aus § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II ergibt sich bereits kein subjektives Recht der Hilfebedürftigen, weiterhin die tatsächlichen Kosten zu erhalten. Außerdem ist die Abweichung von den angemessenen Kosten so hoch, dass ein Umzug ohnehin bereits nach kurzer Zeit wirtschaftlich wäre.

b. Für die Monate Januar bis April 2016 besteht hingegen ein Anspruch des Klägers zu 1. auf Leistungen für Unterkunft in Höhe von monatlich 268,40 EUR, also auf 9,20 EUR monatlich mehr. Dieser Anspruch ergibt sich daraus, dass die Daten des neuen Konzepts des Beklagten bereits ab 1. Januar 2016 für die Ermittlung der angemessenen Kosten für Unterkunft heranzuziehen sind. Aus diesem ergibt sich eine angemessene monatliche Bruttokaltmiete für einen Zwei-Personen-Haushalt von 268,40 EUR pro Person.

Das neue Konzept des kommunalen Trägers des Beklagten entspricht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Hinsichtlich der Konzeption unterliegt die Neuberechnung keiner wesentlichen Veränderung. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Auch die Einbeziehung der Wasserkosten in die Auswertung der kalten Betriebskosten hält das Gericht für nachvollziehbar. Dass damit im Ergebnis im Gegensatz zum vorherigen Konzept keine regionalen Unterschiede mehr bei den Wasserkosten bestehen, ist nicht zu beanstanden. Es liegt einem solchen Konzept zugrunde, dass durchschnittliche Werte über einen größeren Vergleichsraum ermittelt werden müssen. Dass der Beklagte bisher die konkreten Kosten für den von ihm für angemessen gehaltenen Wasserverbrauch angesetzt hatte, bedeutet nicht, dass er diese Differenzierung fortsetzen muss. Aus demselben Grund ist es auch nicht zu beanstanden, dass generell keine regionalen Unterschiede bei den Betriebskosten gemacht wurden. Es mögen zwar Gründe dafür sprechen, dass die Nebenkosten in den jeweiligen Untersuchungsgebieten strukturell unterschiedlich hoch sind, etwa weil die Grundsteuer B unterschiedlich hoch ist oder – was naheliegt – im ländlichen Bereich der Anteil der Einliegerwohnungen mit grundsätzlich geringeren Nebenkosten höher ist. Der kommunale Träger des Beklagten durfte trotzdem einen einheitlichen Wert für den gesamten Landkreis festlegen. Das Argument, nur so sei eine ausreichend gesicherte Feststellung möglich, vermag zu überzeugen, zumal nicht zu erwarten ist, dass die einheitliche Festlegung der Nebenkosten dazu führt, dass nur noch bestimmte Bereiche des Landkreises für Hilfebedürftige erschwinglich sind und deshalb eine Ghettoisierung droht.

Das Gericht hat auch keine durchgreifenden Zweifel, dass das Konzept tatsächlich zu dem Ergebnis führt, dass für den Untersuchungsraum Stadt Gießen freie Wohnungen zu den Kriterien des kommunalen Trägers in einem ausreichenden Umfang vorhanden sind. Die Ermittlungen im Verfahren S 25 AS 816/16 ER haben ergeben, dass die C-GmbH nicht nur in erheblicher Anzahl (2.426 Wohnungen) angemessene Wohnungen im Bestand, sondern im Jahr 2016 auch eine ausreichende Anzahl neu vermietet hat (147 Wohnungen).

c. Dem Anspruch des Klägers zu 1. steht auch nicht § 41a Abs. 5 S. 1 SGB II entgegen. Dessen tatbestandliche Voraussetzungen liegen zwar vor, er ist aber grundsätzlich auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar.

Nach § 41a Abs. 5 S. 1 SGB II gelten die vorläufig bewilligten Leistungen als abschließend festgesetzt, wenn innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums keine abschließende Entscheidung ergeht. Aus § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ergibt sich, dass die Frist für den hier streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum mit dem 1. August 2016 zu laufen begann. Damit würde der Bescheid vom 20. Oktober 2015 mit Ablauf des 31. Juli 2017 als abschließende Festsetzung der bewilligten Leistungen gelten. Diese Folge tritt kraft Gesetzes ein und hätte nur durch einen Antrag des Klägers zu 1. nach § 41a Abs. 5 S. 2 Nr. 1 SGB II auf eine abschließende Entscheidung verhindert werden können. Ein solcher Antrag liegt weder ausdrücklich vor, noch wurde er konkludent gestellt. Letzteres scheitert daran, dass der Kläger zu 1. von der gesetzgeberischen Fiktion keinerlei Kenntnis und deshalb gar keinen Anlass hatte, den Eintritt der Fiktion zu verhindern. Mit dem Eintritt der gesetzlichen Fiktion der endgültigen Festsetzung wäre der Bescheid vom 20. Oktober 2015 einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Dies ist zwar umstritten, es spricht aber vieles dafür, dass ein solcher fiktiv endgültiger Bescheid über die Voraussetzungen des § 41a Abs. 5 S. 1 und 2 SGB II hinaus nicht auf seine materielle Rechtmäßigkeit geprüft werden kann (Formann, Die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem 9. SGB II ÄndG, SGb 2016, 615, 619; einschränkend Kallert in: Gagel, SGB II, § 41a, Rn. 98, a. A. Conradis in LPK-SGB II, § 41 a, Rn. 24). Wäre eine solche Prüfung möglich, würde der Fiktion im Ergebnis jegliche Wirkung genommen werden. Schließlich wird der vorläufige Bescheid in aller Regel nicht den tatsächlichen späteren Umständen entsprechen und deshalb auch zwangsläufig als endgültiger Bescheid rechtswidrig sein. Angesichts der Möglichkeit des Hilfebedürftigen, den Eintritt der Fiktion durch Stellung eines Antrages zu verhindern und damit einen abschließenden Bescheid auf Basis der tatsächlichen Umstände zu erzwingen, dürften auch die naheliegenden verfassungsrechtlichen Zweifel an einer mangelnden gerichtlichen Überprüfbarkeit nicht zwingend gegen diese Auslegung sprechen.

Etwas anderes gilt aber dann, wenn – wie hier – der vorläufige Bescheid bereits Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ist. Dies entspricht nicht der Intention des § 41 a Abs. 5 SGB II. Über den Zweck der Norm schweigt sich die Gesetzesbegründung aus (BT-Drs. 18/8041, S. 54). Letztlich regelt er einen Fall, zu dem es bei legalem Verhalten der Jobcenter nur in den seltensten Fällen überhaupt kommen kann. Die Jobcenter sind nämlich zu einer abschließenden Entscheidung nach einem vorläufigen Bescheid von Amts wegen verpflichtet (BSG v. 29.04.2015 – B 14 AS 31/14 R Rn. 22 ff, juris). Etwas anderes gilt nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass der vorläufige Bescheid sich zufällig später als richtig erweist. Ob die Regelung nur für diese Konstellation gedacht war (so Kallert in: Gagel, SGB II/SGB III, 66. EL, Juni 2017, Rn. 95), kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ging es dem Gesetzgeber darum, einen Ausweg für die Fälle zu bieten, in denen weder das Jobcenter noch der Hilfebedürftige Interesse daran haben, dass eine abschließende Entscheidung getroffen wird. Es war nicht beabsichtigt, in laufende Widerspruchs- oder Klageverfahren einzugreifen und den Klägern Überprüfungsmöglichkeiten abzuschneiden. Grundlage einer fiktiven endgültigen Entscheidung kann damit nur ein unbestrittener, also bestandskräftiger vorläufiger Verwaltungsakt sein. Ein solcher fehlt hier.

d. Der Kläger zu 1. hat einen Anspruch auf eine abschließende Bewilligung. Die Klage gegen einen vorläufigen Bewilligungsbescheid ist auch dann zulässig, wenn mit ihr – wie hier – höhere endgültige Leistungen begehrt werden (BSG v. 06.04.2011 – B 4 AS 119/10 R – Rn. 21 = BSGE 108, 86, juris). Da das Einkommen der Kläger die Höhe des jeweiligen Regelbedarfs nicht überschritten hat, hat es keine Auswirkungen auf den Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft. Ob angesichts dessen, dass dies bereits vor der Bewilligung ersichtlich war, überhaupt eine vorläufige Bewilligung der Kosten der Unterkunft hätte erfolgen dürfen (dazu BSG v. 19.08.2015 – B 14 AS 13/14 R – Rn. 11, juris; Formann, Die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem 9. SGB II ÄndG, SGb 2016, 615, 616), kann dahinstehen bleiben, da der Bescheid vom 20. Oktober 2015 nicht mehr als vorläufiger Bescheid existiert und eine eventuelle Rechtswidrigkeit keine Auswirkungen (mehr) hat.

2. Die Klage der Klägerin zu 2. auf Aufhebung des Bescheids vom 12. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2015 ist hingegen erfolgreich. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin zu 2. in ihren Rechten.

Dem Beklagten fehlt es an einer Rechtsgrundlage dafür, das Kostensenkungsverfahren mit einem Verwaltungsakt zu beenden. In Betracht kommt als Rechtsgrundlage nur § 22 Abs. 1 SGB II. Dieser sieht aber kein förmliches Kostensenkungsverfahren vor. Vielmehr ist es ausreichend, dass der Hilfebedürftige von seiner Obliegenheit, die Kosten auf ein angemessenes Niveau zu senken, Kenntnis erlangt (BSG vom 17.12.2009 – B 4 AS 19/09 R – Rn. 15, juris = BSGE 105, 188 ff). Dazu bedarf es zwar regelmäßig einer Kostensenkungsaufforderung. Die Annahme des kommunalen Trägers des Beklagten, es bedürfe auch einer Entscheidung über das Ergebnis des Kostensenkungsverfahrens, beruht aber auf einer Überinterpretation des durch das Bundessozialgericht verwendeten Begriffs des "Kostensenkungsverfahrens". Das Bundessozialgericht hat das Kostensenkungsverfahren nie als förmliches Verwaltungsverfahren verstanden. Das Kostensenkungsverfahren beschränkt sich vielmehr nach Auffassung des Bundessozialgerichts auf die Kostensenkungsaufforderung. Diese stellt keinen Verwaltungsakt dar, sondern ist lediglich ein Informationsschreiben, welches eine Aufklärungs- und Warnfunktion hat (BSG vom 15.06.2016 – B 4 AS 36/15 R – Rn. 15, juris). In dieser Funktion erschöpft sich das Kostensenkungsverfahren. Eine formelle Beendigung des Verfahrens nach Ablauf von sechs Monaten sieht das Gesetz nicht vor und ist auch unnötig. Die Frage, ob der Bedarf für Unterkunft und Heizung tatsächlich nur noch im angemessenen Rahmen zu berücksichtigen ist oder weiterhin die tatsächlichen Kosten anzusetzen sind, entscheiden die Jobcenter mit der Bewilligung des Arbeitslosengeldes II.

Der Aufhebung des Bescheids steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dem Bescheid vom 10. Juni 2015 nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X gehandelt hat. Dadurch, dass der Beklagte den Bescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, hat er diesen formal zu einem Verwaltungsakt gemacht (zum sogenannten Formverwaltungsakt: BSG vom 20.10.2005 – B 7a AL 18/05 R – Rn. 11, juris).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Kosten des Klägers zu 1. hat der Beklagte in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht zu tragen, da der Kläger zu 1. mit deutlich weniger als 10 % seiner Forderung obsiegt. Von den Kosten der Klägerin zu 2. hat der Beklagte hingegen die Hälfte zu tragen, da sie mit dem aktuellen Antrag, nämlich der Aufhebung des Bescheids vom 12. August 2015 obsiegt, mit dem zurückgenommenen aber unterlegen wäre.

4. Die Berufung ist für den Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. zulässig, da sie durch dieses Urteil jeweils mit mehr als 750 EUR beschwert sind, § 144 SGG. Für den Beklagten wird die Berufung zugelassen, da die Frage, ob die Feststellungen eines schlüssigen Konzeptes bereits vor seinem Inkrafttreten herangezogen werden müssen, bisher soweit ersichtlich – weder durch das Hessische Landessozialgericht noch durch das Bundessozialgericht entschieden worden ist. Diese Frage stellt sich häufig und hat deshalb grundsätzliche Bedeutung. Ebenso ungeklärt ist die Frage der Anwendung des § 41a Abs. 5 SGB II auf gerichtlich angegriffene vorläufige Bewilligungsbescheide.
Rechtskraft
Aus
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