S 52 AS 4265/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
52
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 52 AS 4265/17
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Zusicherungsvorbehalt der §§ 22 Abs 5 Satz 1 SGB 2 und 20 Abs. 3 SGB 2 gilt nicht für Personen, die ihren Lebensunterhalt nach dem Auszug aus der elterlichen Wohnung aller Voraussicht nach unabhängig vom Grundsicherungsträger bestreiten (Anschluss an LSG Niedersachsen-Bremen vom 29.10.2009 – L 15 AS 327/09 B ER, LSG Hamburg vom 24.01.2008 - L 5 B 504/07 ER AS ist gleich NZS 2008, 608 und SG Reutlingen vom 05.03.2008 - S 12 AS 22/08 ER).

2. Dies gilt auch dann, wenn das erste Erwerbseinkommen nicht im Auszugsmonat zufließt, sondern im Folgemonat.

3. Eine nach dem Abschluss des Mietvertrags und des Umzugs eingetretene Änderung der Verhältnisse (Kündigung des Arbeitsvertrages) ist in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich, auch wenn diese dazu führt, dass der Kläger - entgegen der ursprünglichen Erwartung - nach dem Umzug im Leistungsbezug verbleibt (Anschluss an LSG Niedersachsen-Bremen vom 29.10.2009 – L 15 AS 327/09 B ER).
I. Der Bescheid vom 04.10.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2017 wird aufgehoben. II. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum 01.09.2017 bis 28.02.2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 und des Bedarfs für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu gewähren. III. Der Beklagte trägt die angemessenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem bedürftigen, 1995 geborenen Kläger Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der vollen Regelleistung und seiner Kosten der Unterkunft und Heizung oder nur in Höhe von 80 Prozent der Regelleistung ohne Anerkennung seines Bedarfs für Unterkunft und Heizung nach den §§ 20 Abs. 3, 22 Abs. 5 SGB II zu gewähren ist.

Der als Flüchtling anerkannte Kläger war bereits ab Mai 2016 alleinstehend im Leistungsbezug des Jobcenters M-W, Bescheid vom 24.05.2016 (Bl. 12 der Gerichtsakte). Er zog nach D ... und fand nicht gleich eine Wohnung und war obdachlos. Er zog daraufhin zum Vater in dessen D Wohnung, B Platz. Der Kläger unterschrieb am 24.08.2017 einen Arbeitsvertrag und meldete sich am 04.09.2017 beim Jobcenter ab. Vereinbart waren wöchentlich 35 Stunden Arbeitszeit bei einem stündlichen Bruttolohn von 9,05 EUR (Bl. 9 f. der Gerichtsakte). Der Beklagte hat den Leistungsbescheid vom 14.06.2017 am 07.09.2017 mit Wirkung vom 01.10.2017 wegen Wegfalls der Hilfsbedürftigkeit ganz aufgehoben (Bl. 16 der Gerichtsakte).

Der Kläger schloss am 29.08.2017 einen Untermietvertrag über ein WG-Zimmer in der K Str. in D ... ab (Bl. 8 der Gerichtsakte) und zog am 01.09.2017 dort ein. Die Miete beträgt 230 EUR kalt zuzüglich 70 EUR Heiz- und Nebenkosten einschließlich Warmwasser, mithin insgesamt 300 EUR (Bl. 8 der Gerichtsakte). Am 06.09.2017 erhielt der Kläger die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 06.09.2017 (Bl. 11 der Gerichtsakte). Am 08.09.2017 beantragte der Kläger neuerlich Arbeitslosengeld II. Mit Bescheid vom 04.10.2017 gewährte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung von 80 Prozent der Regelleistung ohne Anerkennung seines Bedarfs für Unterkunft und Heizung, weil er ohne Zusicherung des Beklagten in die neue Unterkunft gezogen sei. Der Kläger widersprach durch seinen Prozessbevollmächtigten. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 02.11.2017 die vorliegende Klage zum Sozialgericht Dresden und beantragte die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 52 AS 4260/17 ER). Er trägt vor, auf eine Zusicherung des Beklagten käme es nicht an, § 22 Abs. 5 SGB II sei hier nicht anzuwenden. Zwischenzeitlich hat der Kläger eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen und wird voraussichtlich 180,00 EUR bis 200,00 EUR monatlich verdienen. Das erste Gehalt wird zum 15.12.2017 zufließen.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 04.10.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2017 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung der ungekürzten Regelleistung und der Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach dem Wortlaut der §§ 22 Abs. 5 und 20 Abs. 3 SGB II sei eine Zusicherung erforderlich. Diese liege nicht vor. Die Entscheidung sei daher richtig. Das Gericht hat den Sachverhalt mit den Beteiligten gemeinsam mit dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 52 AS 4260/17 ER) am 16.11.2017 erörtert. In diesem Termin haben die Beteiligten in Bezug auf dieses Verfahren ihr ausdrückliches Einverständnis mit einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt. Auf das Protokoll vom 16.11.2017 und die darin enthaltenen Erklärungen wird Bezug genommen. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 52 AS 4260/17 ER) hat das Gericht den Beklagten verpflichtet, dem Kläger ab 02.11.2017 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 und des Bedarfs für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu gewähren. Das Gericht hat die Leistungsakte des Beklagten als Ausdruck der elektronisch geführten Akte sowie die Gerichtsakte S 52 AS 4260/17 ER beigezogen, diese waren Gegenstand der Beratung der Kammer. Auf diese sowie den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, wird zur Ergänzung des Tatbestandes verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 SGG.

B. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 04.10.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Gegenstand der Klage ist der Bescheid des Beklagten vom 04.10.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2017, mit dem der Beklagte dem Kläger für September 2017 283,40 EUR Regelbedarf (für den Zeitraum 05.09.2017 bis 30.09.2017) und für Oktober 2017 bis einschließlich Februar 2019 monatlich 327 EUR Regelbedarf gewährte. Gegen die genannten Bescheide hat sich der Kläger in zulässiger Weise mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG) gewandt, wobei er allerdings keinen bezifferten Antrag gestellt, sondern nur eine Verurteilung dem Grunde nach beantragt hat.

C. Der Kläger hat für den streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 und des Bedarfs für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen.

1. Der Kläger ist hilfebedürftig, erwerbsfähig und in Deutschland aufhältig, § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Ihm steht Arbeitslosengeld II nach § 19 SGB II zu. Hilfebedürftig ist der Kläger, weil er seinen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält, § 9 Abs. 1 SGB II.

2. Nach den §§ 20 Abs. 3 und 22 Abs. 5 SGB II erhalten Personen, die wie der Kläger das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nach einem Umzug den Regelbedarf nach Regelbedarfsstufe 1 und den Bedarf für Unterkunft und Heizung nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Ohne diese Zusicherung wird Arbeitslosengeld II mit dem Regelbedarf nach Regelbedarfsstufe 3 und ohne Kosten der Unterkunft und Heizung gewährt. Eine solche Zusicherung liegt hier nicht vor, gleichwohl war dem Kläger volles Arbeitslosengeld II zuzusprechen. Einer Zusicherung des Beklagten bedurfte es nicht, weil schon kein Erstauszug aus dem Elternhaus vorlag (a) bzw. der Kläger nach dem Umzug seinen Lebensunterhalt aller Voraussicht nach unabhängig vom Grundsicherungsträger bestreiten konnte und die spätere Änderung der Sachlage keinen Einfluss hat (b).

a) Einer Zusicherung nach §§ 20 Abs. 3 und 22 Abs. 5 SGB II bedarf nur der erstmalige Auszug aus dem Elternhaus, nicht dagegen darauf folgende, weitere Umzüge; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 14. Juli 2010 – L 7 AS 175/10 B ER –, juris, Rn. 20 und Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. September 2009 – L 3 AS 188/08 –, juris, Rn. 39, jeweils obita dicta; Berlit in: Münder, 6. Auflage 2017, § 22 Rn. 186 ff. mit weiteren Nachweisen, str. Dies folgt aus dem Zweck der Norm, einer kostensteigernden Vermehrung bestehender Bedarfsgemeinschaften entgegen zu wirken. Bei einem Folgeumzug kann er nicht mehr erreicht werden. Zudem ist es unangemessen und nicht verhältnismäßig, weil die Subsumtion weitere Umzüge nach dem Auszug aus dem Elternhaus unter die §§ 20 Abs. 3 und 22 Abs. 5 SGB II Gefahr läuft, den jungen Leistungsbeziehern eine Art "Lebenskontrolle" aufzubürden, näher Berlit in: Münder, 6. Auflage 2017, § 22 Rdnr. 186. Dies wird durch die Gegenauffassung (zB Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. November 2010 – L 5 AS 1880/10 B ER –, juris) unterschätzt. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg stützt seine Auffassung in der zitierten Entscheidung auf den Zweck der Norm und den Wortlaut, juris, Rn. 18 und argumentiert, die Beschränkung der Regelung auf den Erstauszug führte dazu, dass sie problemlos umgangen werden könnte; es bedürfte beim Auszug aus dem Elternhaus nur des Bezugs einer vorübergehenden ersten eigenen Wohnung, um dann kurz darauf ohne Zusicherungserfordernis in eine andere eigene Wohnung umziehen zu können. Das trifft zu. Allerdings will das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in der zitierten Entscheidung die Regelung nur auf die unter 25-jährigen anwenden, die bereits im Leistungsbezug stehen oder Leistungen nach dem SGB II beantragt haben, juris, Rn. 18. Insoweit bestünde auch die Gefahr, dass die Regelung umgangen würde, es bedürfte nur der vorübergehenden Abmeldung aus dem Leistungsbezug. Die Kammer hält ein vermeintliches Leerlaufen der Regelung in der Praxis nicht für nahe liegend und misst dieser Überlegung bei der Auslegung der Norm daher nur geringe Bedeutung bei.

Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger im vorliegenden Fall wieder in die väterliche Wohnung zurückzog, nach dem er zuvor bereits selbständig gelebt hatte. Der Zweck, der Vermehrung bestehender Bedarfsgemeinschaften entgegen zu wirken, könnte wieder erreicht werden. Richtigerweise bleibt es gleichwohl bei der Beschränkung des Zusicherungserfordernisses auf Erstauszüge, jedenfalls dann, wenn die Rückkehr ins Elternhaus unfreiwillig und kurz erfolgte. So liegt der Fall hier. Der Kläger zog zur Vermeidung von weiterer Wohnungslosigkeit kurz bei seinem Vater wieder ein. Für ihn stand fest, dass er sich nur zur weiteren Wohnungssuche kurzzeitig beim Vater aufhalten würde. Zwar ist der vom Gesetzgeber angestrebte Zweck, Kostensteigerungen zu verhindern legitim und vom Gericht nicht in Frage zustellen. Dennoch bleibt die Regelung der §§ 20 Abs. 3 und 22 Abs. 5 SGB II Sonderrecht für junge Menschen, dass nach Auffassung der Kammer eng auszulegen ist. Die Beschränkung des Zusicherungserfordernisses auf Erstauszüge schafft Klarheit und erfordert keine Rückausnahmen. Eine Zusicherung war daher nicht erforderlich.

b) Da die bisher entschiedenen Konstellationen sich vom vorliegenden Fall der kurzzeitigen Rückkehr in das Elternhaus unterscheiden, stützt die Kammer ihre Entscheidung zudem auf die Entbehrlichkeit der Zusicherung aus einer weiteren Überlegung.

Eine Zusicherung nach §§ 20 Abs. 3 und 22 Abs. 5 SGB II ist entbehrlich, wenn der Leistungsempfänger seinen Lebensunterhalt nach dem Auszug aus der elterlichen Wohnung aller Voraussicht nach unabhängig vom Grundsicherungsträger bestreiten kann. Dies war hier der Fall. Der Arbeitsvertrag vom 24.08.2017 beendete die Bedürftigkeit des Klägers nachhaltig. Konsequenterweise hob der Beklagte die Bewilligung mit Bescheid vom 07.09.2017 in Gänze auf. Die Beschränkung auf weiterhin bedürftige Personen folgt wiederum aus dem Zweck der Norm. Da lediglich verhindert werden sollte, dass der Auszug junger Hilfebedürftiger aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, kann der Zusicherungsvorbehalt nur für Personen gelten, die für die Zeit ab Beginn des neuen Mietverhältnisses Leistungen beanspruchen, nicht dagegen für diejenigen, die ihren Lebensunterhalt nach dem Auszug aus der elterlichen Wohnung unabhängig vom Grundsicherungsträger bestreiten, Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 24. Januar 2008 – L 5 B 504/07 ER AS –, juris, Rn. 6; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. Oktober 2009 – L 15 AS 327/09 B ER –, juris; Berlit in: Münder, 6. Auflage 2017, § 22 Rn. 188 ff, alle mit weiteren Nachweisen.

Die Zusicherung war nicht abweichend vom vorgehenden Obersatz erforderlich, weil der Kläger erst zum 01.10.2017 aus dem Leistungsbezug gefallen wäre oder weil sich nach dem Umzug die Sachlage geändert hat. Für den Arbeitsvertrag des Klägers und seine Vergütung sind der allgemeinverbindliche Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 30. Oktober 2015 und der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 28. Juni 2011 in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 8. Juli 2014 maßgeblich. Letzterer bestimmt in § 9, dass der Lohn spätestens am 15. des Monats fällig wird, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist. Daher wäre die Bedürftigkeit des Klägers erst mit dem ersten Gehaltseingang zum 15. Oktober entfallen. Nach Auffassung der Kammer spielt für die Auslegung der §§ 20 Abs. 3 und 22 Abs. 5 SGB II keine Rolle, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Fälligkeit vor oder nach Leistungserbringung vereinbaren. Dies liegt im Belieben der Vertragspartner oder wie hier im Ermessen der Tarifvertragsparteien und kann nicht ausschlaggebend für die Auslegung des SGB II sein. Maßgeblich ist allenfalls die Kausalität. Der Kläger konnte seinen Lebensunterhalt nach dem Abschluss des Arbeitsvertrages vom 24.08.2017 aller Voraussicht nach unabhängig vom Grundsicherungsträger bestreiten. Daher war eine Zusicherung des Beklagten nicht erforderlich.

Die sehr kurzfristige Kündigung durch den Arbeitgeber ändert die Bewertung nicht. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Abschluss des Mietvertrages, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. Oktober 2009 – L 15 AS 327/09 B ER –, juris, Rn. 19. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger seinen Lebensunterhalt nach dem Auszug aus der elterlichen Wohnung aller Voraussicht nach unabhängig vom Grundsicherungsträger bestreiten. Die nach Abschluss des Mietvertrags eingetretene Änderung der Verhältnisse durch die Kündigung ist in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich, auch wenn diese dazu geführt hat, dass der Kläger – entgegen der ursprünglichen Erwartung – nach seinem Umzug im Leistungsbezug verblieben ist. Denn für eine solche Fallkonstellation treffen §§ 20 Abs. 3 und 22 Abs. 5 SGB II keine Regelung, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. Oktober 2009 – L 15 AS 327/09 B ER –, aaO, Rn. 19. Ausweislich der Erörterung im Termin am 16.11.2017 liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass der Kläger die Kündigung provoziert oder verschuldet hätte.

Ein Zusicherungserfordernis folgt auch nicht aus der vermeintlichen Gefahr, wieder bedürftig zu werden. Einerseits gab es dafür keine Anhaltspunkte für den Kläger, andererseits wird überwiegend vertreten, dass kein Zusicherungserfordernis aus der Erwartung einer Leistungsberechtigung folgt, so BSG, Urteil vom 30. August 2010 – B 4 AS 10/10 R –, juris, Rn. 18 ff. = BSGE 106, 283-290, SozR 4-4200 § 22 Nr 40 zur Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II; vgl. auch Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 2. Juli 2009 – L 3 AS 128/08 –, juris (In dieser Konstellation war die Klägerin bereits vor dem Umzug oder jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Umzuges hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II und damit leistungsberechtigt im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, erhielt jedoch keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und hatte noch keine beantragt. Dies erfolgte erst später. Das Sächsische LSG entschied, dass das Zusicherungserfordernis nicht gilt.).

Letztendlich unterscheidet sich die vorliegende Konstellation von bereits entschiedenen Fällen der Rückkehr in die Bedürftigkeit dadurch, dass der Kläger durch die zeitliche Verdichtung der Ereignisse (Arbeitsvertrag vom 24.08.2017, Mietvertrag vom 29.08.2017, Umzug am 01.09.2017, Kündigung des Arbeitsvertrages am 06.09.2017, Neuantrag am 08.09.2017) tatsächlich nicht aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II gefallen ist. In Bezug auf das Zusicherungserfordernis folgt hieraus nach Auffassung der Kammer jedoch keine andere rechtliche Beurteilung.

3. Dem Kläger steht daher Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 (derzeit 409 EUR, ab 01.01.2018 416 EUR, § 2 Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2018 vom 8. November 2017, BGBl. I S. 3767) und des Bedarfs für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen (300 EUR monatlich ab Oktober 2017, im September anteilig gemäß Mietvertrag) zu. Die Kosten der Unterkunft und Heizung sind angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Die Leistungen stehen ab dem Zeitpunkt des Umzugs (01.09.2017) zu. Der Anspruch des Klägers wird begrenzt durch das voraussichtlich ab Dezember 2017 zufließende Einkommen, §§ 9 Abs. 1, 11 SGB II. Der Beklagte hat die Einnahmen bei der Umsetzung der gerichtlichen Entscheidung entsprechend der Mitteilung des Klägers zu bewerten, zu bereinigen und anzurechnen. Soweit das Einkommen schwankt, ist zunächst vorläufig zu bewilligen.

D. Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
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