L 31 AS 2400/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 82 AS 13249/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 AS 2400/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 2 Abs 5 Alg II-V betrifft nur freie Verpflegung, d. h. eine solche, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber kostenfrei zur Verfügung gestellt wird.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Arbeitgeber gewährte Verpflegung – hier das Abendessen – im Zeitraum von März bis August 2014 als Einkommen anzurechnen ist.

Die Kläger sind i Staatsangehörige. Die 1989 geborene Klägerin zu 1, ihr Lebensgefährte, der im Jahr 1992 geborene Kläger zu 2 sowie der gemeinsame Sohn, der im Jahr 2014 geborene Kläger zu 3 bilden eine Bedarfsgemeinschaft und standen im hier zu beurteilenden Zeitraum im Leistungsbezug des Beklagten.

Dieser bewilligte den Klägern im Zeitraum vom 1. März bis 31. August 2014 mit Bescheiden vom 25. März 2014, 20. Mai 2014, 1. Juli 2014 und 1. September 2014 vorläufig Leistungen.

Mit drei Bescheiden vom 25. Februar 2015 bewilligte der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 1. März bis zum 31. August 2014 endgültig (Bescheide betreffend den Zeitraum vom 1. März bis 30. April 2014, den Monat Mai 2014 und die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2014). Dabei berücksichtigte er monatlich ein Einkommen des Antragstellers zu 2 aus einer Arbeitnehmertätigkeit in Höhe von 520,44 Euro. Zusätzlich berücksichtigte er jeweils ein Einkommen von 28,24 Euro wegen anteiligen Sachbezuges bei 20 Arbeitstagen entsprechend § 2 Abs. 5 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung – Alg II-V).

Dem Einkommen aus laufender Arbeitnehmertätigkeit des Antragstellers zu 2 lag ein Arbeitsvertrag vom 11. März 2014 zugrunde. Danach war der Antragsteller zu 2 als Kochhilfe in der E des Herrn C B für 26 Stunden wöchentlich angestellt und erhielt eine monatliche Bruttovergütung von 890 Euro. Im Antrag auf Alg II-Leistungen wurden keine Sachbezüge angegeben. In den vorgelegten Abrechnungen berücksichtigte der Arbeitgeber jedoch nur einen Bruttobetrag von 800 Euro als Lohn und 90 Euro als Sachbezug brutto. Regelmäßig ergab sich der Auszahlungsbetrag von 620,44 Euro. In der Bescheinigung des Arbeitgebers vom 20. August 2014 ist allerdings ausgeführt, dass der Antragsteller zu 2 aus dem Arbeitsverhältnis ein Bruttoarbeitsentgelt von 890 Euro erziele. Weiter ist unter Punkt 6 angegeben, der Antragsteller zu 2 erhalte freie Verpflegung, und zwar ein Abendessen. Im Berufungsverfahren erteilte der Zeuge B die Auskunft vom 16. November 2017. Als Sachbezug werde die Verpflegung des Personals mit Speisen und Getränken bezeichnet, der Sachbezug könne nicht abgelehnt oder in bar abgegolten werden.

Gegen zwei Bescheide vom 25. Februar legten die Kläger Widersprüche ein, und zwar bezüglich des Zeitraums vom 1. März bis 30. April und 1. Juni bis 31. August 2014. Der Bescheid betreffend Mai 2014 wurde nicht angefochten.

Dem Widerspruch blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2015 bezüglich der Zeiträume März und April und Juni bis August 2014 der Erfolg versagt.

Der nunmehr gegen die Berücksichtigung der Sachbezüge (Abendessen) gerichteten Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 31. August 2016 stattgegeben und den Beklagten verpflichtet für den Monat März 2014 der Klägerin zu 1 weitere Bedarfe in Höhe von 13,28 Euro, dem Kläger zu 2 solche in Höhe von 12,42 Euro und dem Kläger zu 3 solche über 2,54 Euro zu gewähren, weiterhin für den Monat April 2014 der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 weitere Bedarfe in Höhe von jeweils 10,19 Euro und dem Kläger zu 3 solche über 7,86 Euro zu zahlen und weiterhin für die Monate Juni bis einschließlich August 2014 der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 jeweils weitere Bedarfe in Höhe von 11,52 Euro und dem Kläger zu 3 jeweils solche in Höhe von 5,20 Euro zusätzlich zu gewähren. Zur Begründung ist ausgeführt, die Kläger hätten einen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II, da die vom Beklagten vorgenommene pauschale Anrechnung der vom Arbeitgeber des Klägers zu 2 bereitgestellten Verpflegung als Einkommen über § 2 Abs. 5 Alg II-Verordnung rechtswidrig sei. Nach der Vorschrift sei bei der Berechnung des Einkommens der Wert der vom Arbeitgeber bereitgestellten Vollverpflegung mit 1 Prozent des nach § 20 SGB II maßgebenden monatlichen Regelbedarfs anzusetzen. Werde Teilverpflegung bereitgestellt, entfielen gemäß Satz 2 auf das Frühstück ein Anteil von 20 Prozent und auf das Mittag und Abendessen jeweils Anteile von 40 Prozent (Hinweis: Also ergibt sich folgende Berechnung, 353 Euro Regelbedarf x 1 Prozent = 3,53 Euro x 40 Prozent = 1,412 Euro x 20 Tage = 28,24 Euro).

Die genannte Vorschrift sei wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht nicht anwendbar. Zur Begründung bezieht sich das Sozialgericht auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Juni 2008 (B 14 AS 22/07 R, zitiert nach juris, dort Rdnrn. 22 ff. und das weitere Urteil vom 16. Dezember 2008, B 4 AS 9/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27). Jedenfalls im Rahmen der durch § 20 Abs. 1 SGB II genannten Grundbedürfnisse erscheine es mit dem Sinn und Zweck der Pauschalierung kaum vereinbar, in einem verwaltungsaufwendigen Einzelfallverfahren doch eine individuelle Bedarfsprüfung vorzunehmen. Dies hätte zur Konsequenz, dass etwa regelmäßig zur Verfügung gestellte Kinderkleidung, die Nahrungsbeschaffung bei einer "Tafel", ein Freiabonnement einer Tageszeitung oder gegebenenfalls sogar die Tatsache des Nichtrauchens oder des Nichtalkoholkonsums jeweils bedarfsmindernd bei der Regelleistung zu berücksichtigen wäre. Eine solche Individualisierung des Bedarfes sehe allenfalls § 9 SGB XII i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vor. Entsprechende Regelungen fehlten im SGB II. Die Kammer halte die Bedenken für derart durchgreifend, dass § 2 Abs. 5 Alg II-Verordnung wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht unanwendbar sei. Zwar verkenne sie nicht, dass das SGB II seit den genannten Entscheidungen des BSG wiederholt in vielfacher Hinsicht geändert worden sei, so dass die vom BSG angeführten Vorschriften zum Teil im SGB II nicht mehr enthalten seien. Jedoch habe sich an der zentralen Problematik, welche das BSG im Hinblick auf § 2 Abs. 5 Alg-Verordnung identifiziert habe, nichts geändert. Nach wie vor solle der Regelbedarf pauschal und ohne die Möglichkeit einer individuellen Bedarfsbestimmung, wie sie dem gegenüber § 27 a SGB XII zu Eigen ist, gesichert werden.

Die Wirksamkeit des § 2 Abs. 5 Alg II-Verordnung begegne jedoch auch aus weiterem Grunde erheblichen Bedenken. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) könne die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen durch Gesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Gemäß Satz 2 müssten dabei Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Davon ausgehend halte sich die Vorschrift des § 2 Abs. 5 Alg II-V möglicherweise nicht mehr im Rahmen ihrer Ermächtigungsgrundlage. Durch Art. 13 Abs. 1 SGB II werde das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen, 1. welche weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen sei, 2. welche weiteren Vermögensgegenstände nicht als Vermögen zu berücksichtigen seien und wie der Wert des Vermögens zu ermitteln sei, 3. welche Pauschbeträge für die vom Einkommen abzusetzenden Beträge zu berücksichtigen seien und 4. welche durchschnittlichen monatlichen Beträge für einzelne Bedarfe nach § 28 SGB II für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen seien und welcher Eigenanteil des maßgebenden Regelbedarfs bei der Bemessung des Bedarfs nach § 28 Abs. 6 SGB II zugrunde zu legen sei. Auch wenn § 2 Abs. 5 Alg II-V nach seinem Wortlaut eine Vorschrift zur Berechnung des Einkommens darstelle, sei höchst fraglich, ob sie nicht vielmehr eine Vorschrift zur inhaltlichen Ausfüllung des Einkommensbegriffs selbst sei, zumal sie jedenfalls in Fällen, in denen der Arbeitgeber im Rahmen seiner Lohnabrechnung den Wert der bereitgestellten Verpflegung summenmäßig ausdrücke, durch ihre Pauschalanrechnung eine Durchbrechung des zwingenden Zuflussprinzips des § 11 Abs. 2 SGB II darstelle.

Einer Ermittlung, ob die bereitgestellten Waren tatsächlich verzehrt worden seien, bedürfe es nicht.

Gegen dieses ihm am 6. September 2016 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Sozialgericht zugelassenen Berufung vom 6. Oktober 2016. Er macht geltend, das vom Sozialgericht zitierte Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Juni 2008, B 14 AS 220/07 R habe die Frage der Anrechenbarkeit von Krankenhausverpflegung zum Gegenstand gehabt, also einen dem vorliegenden nicht vergleichbaren Sachverhalt. Dort sei ausgeführt worden, es könne aber dahinstehen, inwieweit bei einem Grundsicherungsempfänger, der abhängig beschäftigt sei, und als so genannter "Aufstocker" ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beziehe, in natura geleistete Lohnbestandteile nach § 2 Alg II-V bewertet werden könnten. Denn im vorliegenden Kontext gehe es nicht um die Erzielung von Einnahmen aus abhängiger Beschäftigung und die Gewährung von Lohnbestandteilen in Natura (als Verpflegung oder Deputate oder ähnliches, Rdnr. 15, 16 des Urteils). Eine etwaige abweichende Regelbedarfsfestsetzung wie das Sozialgericht suggeriere, sei nie Gegenstand der angefochtenen Verwaltungsentscheidung gewesen. Anders als etwa eine Krankenhauskost müsse der hier vorliegende Sachbezug grundsätzlich als marktfähig angesehen werden. Die Möglichkeit, Lebensmittel im unbearbeiteten wie auch verarbeiteten gebrauchsfertigen Zustand für den Eigenbedarf einzusetzen, sei gegeben. Der tatsächliche Wert der Sachbezüge dürfe mindestens dem in Ansatz gebrachten Pauschalbetrag entsprechen, da lediglich 28,24 Euro angesetzt worden seien, obwohl der Arbeitgeber den Sachbezug mit 90 Euro monatlich bewertet habe. Im Übrigen sei die tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme der Sachbezüge vom Kläger nicht bestritten worden. Die Gewährung von Sachbezügen gehe grundsätzlich mit (zumindest steuerlichen) Vorteilen für Arbeitgeber und –nehmer einher, auch wäre bei nicht beabsichtigter Inanspruchnahme nicht nachvollziehbar, warum ein Arbeitnehmer sich auf eine derartige Regelung einlassen solle. Eine mehrfache Besserstellung durch steuerliche Vorteile bei gleichzeitiger grundsicherungsrechtlicher Nichtberücksichtigung auf der Einkommensseite sei unbillig. Hierbei sei weiterhin zu berücksichtigen, dass nicht etwa der tatsächliche Sachbezugswert, sondern nur der deutlich geringere rechnerische Anteil der Verpflegung am Regelbedarf in Ansatz gebracht worden sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beziehen sich auf das angefochtene Urteil, welches sie für zutreffend halten.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind zwar rechtswidrig, weil der komplette Lohn von 890,- Euro, wie (nur) in den vorläufigen Bewilligungen geschehen, und nicht nur ein Sachbezug in Höhe von 28, 24 Euro anzurechnen gewesen wäre. Die Entscheidung des Sozialgerichts, die Bescheide betreffend die Anrechnung von Sachbezügen sogar ganz aufzuheben und damit weitere Leistungen zu bewilligen, erweist sich über die vom Beklagten getroffene, die Kläger begünstigende Entscheidung hinaus als rechtswidrig und war daher aufzuheben. § 2 Abs. 5 Alg II-V ist nicht anwendbar, da die Norm nur die Bewertung kostenfrei zur Verfügung gestellter Nahrungsmittel regelt. Darum geht es vorliegend aber nicht, da der Kläger zu 2 das ihm zur Verfügung gestellte Abendessen mit 90,- Euro im Monat aus seinem Einkommen bezahlen musste. Der Sachverhalt stellt sich daher nicht wesentlich anders dar, als hätte sich der Kläger zu 2 nach Erhalt des gesamten Bruttoentgelts in einem anderen Restaurant verköstigt.

Die Berufung war zulässig, da das Sozialgericht diese wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden, auch wenn die gewünschte Klärung der Rechtsfrage vorliegend nicht erfolgen kann, weil sie sich bei dem tatsächlich vorliegenden und zu entscheidenden Sachverhalt nicht stellt. Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Die dem Kläger zu 2 als Arbeitslohn gewährten 890,- Euro sind komplett Einkommen i.S. des § 11 SGB II und daher in voller Höhe anzurechnen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger zu 2 nach dem von den Parteien "gelebten" Verständnis des Arbeitsvertrages gezwungen war, von seinem Arbeitslohn von 890,- Euro, 90,- Euro für ein beim Arbeitgeber einzunehmendes Abendessen auszugeben. Dies gilt selbst dann, wenn der Kläger zu 2 nach dem schriftlichen Vertrag einen Anspruch auf Auszahlung des gesamten Betrags von 890,- Euro als Lohn hatte. Von Sachbezügen ist dort nämlich nicht die Rede. Der Vertrag war auch mündlich nicht abänderbar, da Änderungen der Schriftform bedurft hätten (Nr. 12 des Vertrages). Allerdings muss er sich an der Entgegennahme der Erfüllungssurrogate – hier der Abendessen- festhalten lassen.

Nach der Auskunft des Arbeitgebers vom 16. November 2017 steht fest, dass der Kläger zu 2 Anspruch auf einen Arbeitslohn von 890,- Euro hatte. 800,- Euro davon wurden in bar oder durch Überweisung ausgezahlt. Für 90,- Euro wurden Sachbezüge gewährt, wobei es sich in der Regel um ein Abendessen gehandelt hat. Dieses wurde zur Erfüllung des Lohnanspruchs von insgesamt 890,- Euro gewährt. Anders ausgedrückt, hatte sich der Kläger zu 2 sein Abendessen zu erarbeiten. Es handelt sich demgemäß ohne Zweifel nicht um eine freie Verpflegung –zusätzlich zum vereinbarten Entgelt von 890,- Euro - wie dies die ursprüngliche Bescheinigung des Arbeitgebers vom 20. August 2014 nahegelegt hatte. Diese Konstellation hätte dann in der Tat die Anwendung von § 2 Abs. 5 Alg-II-V gerechtfertigt. Der Kläger zu 2 hat sich aber letztlich mit dieser Art der Erfüllung einverstanden erklärt und Sachwerte in Höhe von 90 Euro anstelle des eigentlich nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Barbetrags entgegengenommen. Daran muss er sich existenzsicherungsrechtlich festhalten lassen, da ihm Einkommen in dieser Höhe damit zugeflossen ist. Dabei ist weder entscheidend, ob er die Abendessen tatsächlich eingenommen hat noch ob diese den Betrag wert waren. Ausschlaggebend ist, dass die Vertragsparteien letztlich darüber einig waren, dass 890,- Euro an Entgelt – in welcher Form auch immer- gezahlt wurden.

Die vom Sozialgericht zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts sind vorliegend bereits nicht einschlägig. In den Entscheidungen ging es darum, ob ein Bedarf gesondert zu bestimmen oder als Einkommen anzurechnen sei, wenn ein Teil des Regelbedarfes von dritter Seite - damals vom Krankenhaus durch Krankenhauskost im Rahmen der Sozialleistung Krankenhausbehandlung - gedeckt wurde.

Vorliegend geht es jedoch um etwas anderes. Es geht um die Frage, ob Einkommen aus einem Beschäftigungsverhältnis, welches grundsätzlich nach § 11 SGB II anzurechnen ist, im Einzelfall deshalb unberücksichtigt bleiben darf, weil ein Teil der Bezüge nicht in Geld, sondern in Nahrungsmitteln ausgezahlt wurden, die ohne Zweifel auch Gegenstand der Bedarfsdeckung im Rahmen der Bedarfe des § 20 SGB II sind. Diese Frage hatte das Bundessozialgericht in der vom Sozialgericht zitierten Entscheidung gerade offen gelassen, worauf der Beklagte zu Recht hinweist.

Aus der Sicht des erkennenden Senats besteht kein Grund, Einkommen aus einem Beschäftigungsverhältnis nur deshalb nicht zu berücksichtigen, weil es in Naturalien ausgezahlt wurde. Den Beteiligten eines zivilrechtlichen Vertrages ist es im Rahmen der Vertragsfreiheit freigestellt zu bestimmen, welche Leistungen als Erfüllung (§§ 362, 364 BGB) gelten sollen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass statt Leistungen in Geld Erfüllungssurrogate vereinbart werden. Hier wurde als Erfüllungssurrogat vereinbart, dass der Arbeitgeber einen Teil des Lohns von 890,- Euro in Sachleistungen erbringen darf. Es ist kein Grund ersichtlich, diese Erfüllungssurrogate nicht als Einkommen anzusehen. Auf einem anderen Blatt steht, dass der Kläger zu 2 sich nach dem Vertragsinhalt auf die Surrogate nicht hätte einlassen müssen.

§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II spricht aber ganz eindeutig von Einnahmen in Geld oder Geldeswert, wobei nicht zweifelhaft ist, das Naturalleistungen gemeint sind, die einen Marktwert haben (Geiger in LPK-SGB II, § 11 Rn. 24). Dies ist z.B. bei der Überlassung eines Deputats von Bier, Wein oder anderen Lebensmitteln unzweifelhaft. Einen Marktwert hat aber auch ein zubereitetes Abendessen in einem Restaurant, wie jeder Besucher der Speisekarte leicht entnehmen kann. Dass die vertragliche Vereinbarung für den Kläger zu 2. nicht besonders vorteilhaft war, steht der Einkommensanrechnung nicht entgegen. Es ist kein Grundsatz ersichtlich, der nur die Anrechnung eines geschäftstüchtig erarbeiteten Einkommens erlaubt.

Eine Grenze der grundsicherungsrechtlich möglichen Anrechnung ergibt sich aus der Sicht des Senats allenfalls dann, wenn der Wert der erhaltenen Verpflegung deutlich unter dem vereinbarten Wert liegt, denn dann ist der Zufluss entsprechender Mittel zu verneinen. Eine solche Fallgestaltung ist nicht ersichtlich.

Die Anwendung von § 2 Abs. 5 Alg II-V setzt damit voraus, dass die Verpflegung unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde (Geiger in LPK-SGB II § 11 Rn. 50). Diese Voraussetzung ist nichtgegeben, denn der Kläger zu 2. musste sich die Verpflegung mit 90 Euro seines Gehalts erkaufen. Die vom Sozialgericht aufgeworfenen Fragen stellen sich daher nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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