S 25 KR 718/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
25
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 25 KR 718/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Beitragsbemessung in der KVdR ist auf der Grundlage des § 237 Satz 1 Nr 3 SGB V zukunftsbezogen endgültig festzusetzen.
2. Der Versicherungsträger hat bei der Anwendung des § 237 Satz 1 Nr 3 SGB V den Gewinn aus selbständiger Tätigkeit zukunftsgerichtet zu schätzen. Dabei kann er auch den aktuellsten Einkommenssteuerbescheid berücksichtigen.
3. Maßgeblich für die Schätzung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsverfahren.
4. Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind nicht auf die Beitragsbemessung nach § 237 Satz 1 Nr 3 in der KVdR anwendbar.
5. Die zu § 240 Abs. 4 SGB V ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur zeitversetzten Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Einkommenssteuerbescheiden kann nicht auf die Beitragsbemessung nach § 237 Satz 1 Nr. 3 SGB V übertragen werden.
I. Die Bescheide vom 07.11.2009, 20.11.2010, 23.12.2010 und 06.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2012 werden dahin abgeändert, dass der Beitragsberechnung 1. für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2010 ein monatliches Einkommen in Höhe von 214,92 EUR und 2. für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.05.2012 ein monatliches Einkommen in Höhe von 207,75 EUR zugrunde zu legen ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von dem Kläger zu entrichtenden Beiträge.

Der Kläger bezieht seit dem 01.03.2007 Altersrente und ist in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei der Beklagten pflichtversichert. Neben dem Bezug der Rente hat der Kläger ein Arbeitseinkommen aus geringfügiger selbstständiger Tätigkeit als Sport- und Fitnessmasseur.

Mit Bescheiden vom 07.11.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ab dem 01.11.2009 der laufende monatliche Beitrag 82,08 EUR in der Krankenversicherung und 5,51 EUR in der Pflegeversicherung betrage. Das der Beitragsberechnung zugrunde liegende monatliche Einkommen in Höhe von 282,42 EUR hatte die Beklagte dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 30.09.2009 entnommen. In dem vorgenannten Einkommenssteuerbescheid sind für den Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 3.389,00 EUR für das Jahr 2008 (monatlich 282,42 EUR) ausgewiesen. Die Bescheide vom 07.11.2009 tragen keine Rechtsmittelbelehrung.

Mit Schreiben vom 09.07.2010 bat der Kläger um Überprüfung der Beitragshöhe und um Rückerstattung seiner Beiträge. Er wurde am 13.07.2010 durch die Beklagte telefonisch dahingehend informiert, dass eine Beitragskorrektur nur aufgrund eines Einkommenssteuerbescheides erfolgen könne.

Nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2009 vom ??.08.2010 (genaues Datum auf der in der Verwaltungsakte befindlichen Kopie nicht lesbar), aus dem sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 3.485,00 EUR für das Jahr 2009 ergaben, berechnete die Beklagte mit Bescheiden vom 20.11.2010 die von dem Kläger zu zahlenden Beiträge ab dem 01.11.2010 neu, wobei sie ein monatliches Einkommen in Höhe von 290,42 EUR zugrunde legte. Daraus ergaben sich monatlich zu zahlende Beiträge in der Krankenversicherung in Höhe von 43,27 EUR und in der Pflegeversicherung in Höhe von 5,66 EUR.

Auf eine Einkommensabfrage der Beklagten teilte der Kläger unter dem 26.10.2011 mit, dass sein Gewinn zurzeit monatlich 300,00 EUR und sein "Verlust" 100,00 EUR betrage. Er habe zwar schon den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2010 erhalten, jedoch hiergegen Widerspruch eingelegt. Eine Korrektur des Einkommenssteuerbescheides sei erst im März 2012 möglich.

Mit Eingang am 21.05.2012 legte der Kläger den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2010 vom 07.05.2012, aus dem sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.579,00 EUR ergaben, vor. Mit Bescheiden vom 06.06.2012 berechnete die Beklagte die von dem Kläger zu zahlenden Beiträge ab dem 01.06.2012 neu und legte dabei monatliche Einkünfte in Höhe von 214,92 EUR zugrunde, wobei sich monatlich zu zahlende Beiträge für die Krankenversicherung in Höhe von 33,31 EUR und für die Pflegeversicherung in Höhe von 4,19 EUR ergaben.

Unter dem 02.07.2012 legte der Kläger Widerspruch gegen die Bescheide vom 06.06.2012 ein. Er rügte, dass der Berechnung der Höhe der Beiträge für das Jahr 2010 nicht sein tatsächliches Einkommen für das Jahr 2010 zugrunde gelegt worden sei. Der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2010 sei ihm aufgrund einer langen Bearbeitungszeit seitens des Finanzamtes erst im Mai 2012 zugegangen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Bei versicherungspflichtigen Rentnern werde der Beitragsbemessung auch das Arbeitseinkommen zugrunde gelegt. Die Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts stellten grundsätzlich auf das Kalenderjahr ab, so dass die Höhe des Gewinns frühestens nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres ermittelt werden könne. Da die beitragspflichtigen Einnahmen nicht erst nachträglich festgestellt werden dürften, müsse der Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit im Allgemeinen auf der Grundlage steuerlicher Unterlagen geschätzt werden. Dabei sei für die Beitragsbemessung grundsätzlich auf den letzten Einkommenssteuerbescheid zurückzugreifen. Ab dem 01.01.2010 erfolge einheitlich bei allen Krankenkassen eine Korrektur der Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen für in der KVdR pflichtversicherte Rentner. Dabei erfolge die Korrektur bei Erhöhung des Arbeitseinkommens vom Ersten des Monats an, der dem Erstelldatum des Einkommenssteuerbescheides folge und bei Verringerung des Arbeitseinkommens vom Ersten des Monats an, der dem Monat der Vorlage des Einkommenssteuerbescheides bei der Krankenkasse folge. Da der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2010 vom 07.05.2012 am 21.05.2012 bei der Beklagten eingegangen sei, könne die geänderte Beitragseinstufung erst ab 01.06.2012 wirksam werden. Eine rückwirkende Beitragskorrektur könne nicht vorgenommen werden.

Mit der am 17.09.2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er werde einmal im Jahr durch die Beklagte aufgefordert, Auskünfte über seine Einnahmen zu geben. Zu diesem Zeitpunkt liege ihm weder ein Steuerbescheid noch eine genaue Angabe der Jahreseinnahmen vor. Aus diesem Grund gebe er eine Prognose seiner Einnahmen ab. Diese basierten auf den Erfahrungen seiner Monatseinnahmen, so dass er ziemlich genau seine tatsächlichen Einnahmen beziffern könnte. Die Beklagte habe jedoch ihre Einnahmen weiterhin mit einem viel höheren Einkommen berechnet. Er legt den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2011 vom 28.08.2012, aus dem sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.493,00 EUR (monatlich 207,75 EUR) ergeben, vor.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide vom 07.11.2009, 20.11.2010, 23.12.2010 und 06.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2012 neu zu berechnen und die Beklagte zu verurteilen, die ihm für diesen Zeitraum zu viel entrichteten Beiträge in Höhe von 414,00 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass der Kläger den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2010 erst am 21.05.2012 vorgelegt habe. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage habe daher erst ab dem 01.06.2012 erfolgen können.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet.

Klagegegenstand sind nicht nur die Bescheide vom 06.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2012, sondern auch die Bescheide vom 07.11.2009, 20.11.2010 und 23.12.2010. Nach Auffassung des Gerichts ist das Schreiben des Klägers vom 09.07.2010 dahingehend auszulegen, dass er sich gegen die Berechnung seiner Beiträge wendet. Dieses Schreiben ist als Widerspruch gegen die zuvor ergangenen Beitragsbescheide vom 07.11.2009 zu werten. Diese Bescheide tragen keine Rechtsbehelfsbelehrung, so dass auch die Widerspruchsfrist gewahrt war. Gemäß § 66 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gilt nämlich bei unterbliebener Rechtsbehelfsbelehrung eine Widerspruchsfrist von einem Jahr.

Die Beklagte hat den Widerspruch des Klägers vom 09.07.2010 auch nicht vor dem Widerspruchsbescheid vom 30.08.2012 beschieden, so dass das Widerspruchsverfahren noch offen war. Die Bescheide vom 20.11.2010, 23.12.2010 und 06.06.2012 sind daher gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchs - und damit auch des vorliegenden Klageverfahrens geworden.

Die Klage ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet. Gemäß § 237 Satz 1 Nr. 3 SGB V wird bei versicherungspflichtigen Rentnern auch das Arbeitseinkommen der Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Die Beklagte hatte daher grundsätzlich die aus seiner nebenberuflich selbstständigen Tätigkeit erzielten Einkünfte bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen. Die zugrunde liegenden Rechtsvorschriften begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. z. B. BSG, Beschluss vom 10.05.1990, Az. 12 BK 72/89, juris, Rdnr. 4; BSG, Urteil vom 17.12.1985, Az. 12 RK 43/84, juris, Rdnr. 25 ff.).

Der Kläger wendet sich jedoch zu Recht gegen die Berechnung der Beiträge aus seiner nebenberuflichen selbständigen Tätigkeit. Die Vorschrift des § 237 Satz 1 Nr. 3 SGB V verweist mit der Verwendung des Begriffs "Arbeitseinkommen" auf die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit, § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommenssteuerrecht zu bewerten ist, § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Der Betrag des Gewinns kann grundsätzlich nur dem Einkommenssteuerbescheid für das entsprechende Jahr entnommen werden. Knüpft das Gesetz für die Bemessung von Sozialleistungen und Beiträgen an das Arbeitseinkommen an, ergibt sich jedoch als praktisches Problem, dass die Gewinnermittlung auf das jeweilige Kalenderjahr bzw. Wirtschaftsjahr als Besteuerungszeitraum abstellt. Selbstständig Erwerbstätige erhalten in der Regel ihre Einkommenssteuerbescheide erst viele Monate, manchmal Jahre nach Ablauf des Besteuerungszeitraums. Beiträge werden aber laufend monatlich fällig. Auf der anderen Seite geht das Gesetz davon aus, dass Beitragsfestsetzungen zukunftsbezogen endgültig sind (vgl. BSG, Urteil vom 02.09.2009, Az. B 12 KR 21/08 R, juris, Rdnr. 17). Für die Beitragsbemessung nach § 237 Satz 1 Nr. 3 SGB V ist die Krankenkasse damit auf der einen Seite auf Feststellungen der Finanzbehörden angewiesen, die aber nur zeitversetzt zur Verfügung stehen, auf der anderen Seite muss die Beitragsfestsetzung zukunftsbezogen erfolgen. Aus diesem Grunde hat der Versicherungsträger den Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit zukunftsgerichtet zu schätzen (vgl. z. B. Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V, § 226 Rdnr. 42; vgl. zur § 10 Abs. 3 SGB V: BSG, Urteil vom 07.12.2000, Az. B 10 KR 3/99 R, juris, Rdnr. 29). Dabei kann dieser Schätzung grundsätzlich der letzte Einkommenssteuerbescheid zugrunde gelegt werden, wobei für die aktuelle Höhe der Bemessungsgrundlage ergänzende Angaben des nebenberuflich selbstständigen Tätigen sowie gegebenenfalls Auskünfte der Finanzbehörden nach den §§ 3 und 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu berücksichtigen sind, (Gerlach, a.a.O.; Fischer in: Schlegel/Voelzke, juris PK - SGB IV, § 15 Rdnr. 55 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.11.2006, Az. L 9 B 360/06 KR ER, juris, Rdnr. 4).

Danach kann die Beklagte zwar zulässigerweise ihrer Schätzung auch den zuletzt ergangenen Einkommenssteuerbescheid zugrunde legen. Im Hinblick darauf, dass das Arbeitseinkommen des Klägers Schwankungen unterliegt, hätte sie diese Daten jedoch nicht einfach fortschreiben dürfen, sondern jeweils den Kläger auffordern müssen, sein aktuelles Arbeitseinkommen anzugeben und ggf. durch geeignete Nachweise, wie z. B. durch Auskünfte des zuständigen Finanzamtes oder seines Steuerberaters, zu belegen. Dies hätte im vorliegenden Fall nahe gelegen, da der Kläger durch sein Schreiben vom 09.07.2010 und später auch durch seine Angabe in der Einkommensabfrage vom 26.10.2011 zum Ausdruck gebracht hat, dass sich sein aktuelles Einkommen verändert hat. Maßgebend für die Schätzung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsverfahren (vgl. Fischer, a.a.O., Rdnr. 56; vgl. auch BSG, Urteil vom 30.03.2011, Az. B 12 KR 18/09 R, juris). Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2012 lagen der Beklagten für eine zuverlässige Schätzung der Einkünfte für den streitgegenständlichen Zeitraum die Einkommenssteuerbescheide für das Jahr 2010 aus August 2012 sowie der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2011 vom 28.08.2012 vor. Da Einkommenssteuerbescheide den steuerrechtlich zu berücksichtigenden Gewinn zuverlässig widergeben, hätte die Beklagte zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides diese auch der noch nicht bestandskräftigen Schätzung der Beitragsbemessungsgrundlage in dem streitgegenständlichen Zeitraum zugrunde legen können. Hieraus ergibt sich, dass in dem Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2010 die in dem Einkommenssteuerbescheid 2010 ausgewiesenen Einkünfte auf Gewerbebetrieb in Höhe von 2.579,00 EUR jährlich bzw. 214,92 EUR monatlich, für das Jahr 2011 den in dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2011 ausgewiesenen Einkünfte in Höhe von 2.493,00 EUR jährlich bzw. 207,75 EUR monatlich zugrunde zulegen war. Für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.05.2012 waren die in dem Einkommenssteuerbescheid 2011 nachgewiesenen Einkünfte zugrunde zu legen, da zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides noch kein aktuellerer Bescheid zugrunde lag und der Kläger auch keine abweichenden Einkünfte vorgetragen hat.

Die Kammer folgt nicht der Ansicht der Beklagten und des GKV-Spitzenverbandes (Ergebnis der Besprechung des GKV-Spitzenverbandes und der Deutschen Rentenversicherung Bund zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner - Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner - hier Bezug von Arbeitseinkommen und Zeitpunkt der Beitragsneuberechnung bei Vorlage des Einkommensteuerbescheides vom 05.11.2009, zitiert nach juris), wonach die in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler (BVGS) beschriebene Verfahrensweise bei Vorlage des Einkommensteuerbescheides auch im Bereich der Krankenversicherung der Rentner analog Anwendung finden soll. Nach dem zitierten Besprechungsergebnis erfolgt einheitlich bei allen Krankenkassen mit Wirkung ab dem 01.01.2010 eine Korrektur der Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen für in der KVdR pflichtversicherte Rentner - bei Erhöhung des Arbeitseinkommens ab dem Ersten des Monats, der dem Erstelldatum des Einkommensteuerbescheides folgt und - bei Verringerung des Arbeitseinkommens ab dem Ersten des Monats, der dem Monat der Vorlage des Einkommensteuerbescheides bei der Krankenkasse folgt. Die BVGS können nur bei Vorliegen einer entsprechenden gesetzlichen Verweisung Anwendung finden (vgl. auch zur Überschreitung der Regelungsbefugnis: BSG, Urteil vom 18.12.2013, Az. B 12 KR 15/11 R). Anders als in § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. in § 227 SGB i.V.m. § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V findet sich für in der KVdR pflichtversicherte Rentner keine Verweisung auf die BVGS. Die Beklagte und das Gericht sind auch nicht an das genannte Besprechungsergebnis vom 05.11.2009 gebunden. Es stellt weder eine Rechtsgrundlage dar, noch sind die Besprechungsteilnehmer befugt, eine entsprechende Verfahrensweise verbindlich anzuordnen.

Die BVGS und die zu § 240 Abs. 4 SGB V ergangene Rechtsprechung zur zeitversetzten Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Einkommenssteuerbescheiden können auch nicht entsprechend auf die Beitragsbemessung nach § 237 Satz 1 Nr. 3 SGB V angewandt werden, da sich die Regelungen in wesentlichen Punkten unterscheiden. So sieht § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB V bei der Beitragsbemessung von hauptberuflich Selbstständigen vor, dass nur bei "Nachweis niedrigerer Einnahmen" eine entsprechend niedrigere Beitragsbemessung erfolgen kann und dass gemäß § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V Veränderungen der Beitragsbemessung aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats wirksam werden kann. In Umsetzung dieser Vorschriften sieht § 6 Abs. 5 BVGS vor, dass Änderungen der Beitragsbemessung erst zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats zu berücksichtigen sind, wenn der Nachweis nach Ablauf eines Monats nach der Bekanntgabe der Beitragsfestsetzung vorgelegt wird. Es handelt bei § 240 Abs. 4 SGB V um eine Spezialvorschrift, nach der die Beitragsbemessung an den erbrachten Nachweis niedriger Einkünfte anknüpft. Diese Vorschrift bezieht sich ausdrücklich auf hauptberuflich Selbstständige und ist nicht auf nebenberuflich Selbstständige anwendbar. Das Bundessozialgericht hat für Versicherten im Sinne von § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V entschieden, dass die für hauptberuflich Selbständige geltenden Grundsätze nicht auf die sogenannten "sonstig freiwillig Versicherten" übertragen werden können (BSG, Urteil vom 18.12.2013, Az. B 12 KR 15/11 R, Rdnr. 17). Aus den gleichen Gründen können die Grundsätze des § 240 Abs. 2 Satz 2 und Satz 6 SGB V nicht auf die Beitragsbemessung nach § 237 Satz 1 Nr. 3 SGB V übertragen werden. Hätte der Gesetzgeber eine entsprechende Anwendung regeln wollen, hätte er ebenso wie in § 227 SGB V eine Verweisung auf § 240 SGB V vorsehen können oder die Beitragsbemessung ausdrücklich an die Vorlage eines Nachweises anknüpfen können. So hat der Gesetzgeber z. B. in § 165 Abs. 1 Satz 3 bis 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) detailliert geregelt, wie beitragspflichtige Einnahmen Selbständiger bei der Beitragsbemessung im Rahmen Rentenversicherung zu berücksichtigen sind. Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber im Gegensatz zu § 240 Abs. 1 und 4 Satz 2 bis 8 SGB V i.V.m. den BVGS, § 227 i.V.m. § 240 SGB V und § 165 Abs. 1 Satz 3 bis 10 SGB VI genaue Regelungen über die Beitragsbemessung von Arbeitseinkommen getroffen hat, kann im Umkehrschluss gefolgert werden, dass diese Regelungen bei der Beitragsbemessung gem. § 237 Satz 3 SGB V gerade keine Anwendung finden sollen.

Auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (etwa BSG, Urteil vom 02.09.2009, Az. B 12 KR 21/08 R), in der diese als Nachweis im Sinne von § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V allein den Einkommenssteuerbescheid ausreichen lässt, ist ausdrücklich nur zu der Beitragsbemessung von hauptberuflich Selbständigen nach der Vorschrift des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V und nicht zu der streitgegenständlichen Vorschrift des § 237 SGB V ergangen. § 240 Abs. 4 Satz 2 und 6 SGB V ordnet eine fiktive Beitragsbemessung an für den Fall an, dass kein Nachweis vorliegt. Da § 237 Satz 1 Nr. 3 SGB V eine Beitragsbemessung eines pflichtversicherten Rentners gerade nicht von der Vorlage eines Nachweises abhängig macht und keine fiktive Beitragsbemessung regelt, können weder die Vorschrift des § 240 Abs. 4 Satz 2 und Satz 6 SGB V noch die hierzu ergangene Rechtsprechung auf die Beitragsbemessung eines pflichtversicherten nebenberuflich selbstständigen Rentners übertragen werden.

Soweit der Kläger der Klage auch die Erstattung der zu viel gezahlten Beiträge begehrt, ist die Klage unzulässig. Bei dem Antrag auf Beitragserstattung handelt es sich um eine Leistungsklage, die nur dann zulässig ist, wenn kein Verwaltungsakt mehr zu ergehen braucht. Vorliegend muss die Beklagte die sich aus dem Urteil ergebende Beitragsberechnung jedoch erst noch durch Bescheid umsetzen. Sollte die Beklagte von sich aus nicht die zu viel bezahlten Beiträge erstatten, kann der Kläger gemäß § 26 SGB IV die Beitragserstattung beantragen. Eine Leistungsklage zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch noch unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem hauptsächlichen Anliegen der Beitragsneuberechnung und damit überwiegend Erfolg gehabt hat.
Rechtskraft
Aus
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