L 11 AS 868/17 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 22 AS 869/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 868/17 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Keine Zulassung der Berufung, wenn die gegebenenfalls zu klärende grundsätzliche Rechtsfrage im vorliegenden Rechtsstreit nicht klärungsfähig ist.
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 25.10.2017 - S 22 AS 869/15 - wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Versagung der Übernahme der Kosten für außerschulischen Nachhilfeunterricht in Höhe von 140,00 EUR.

Die 1998 geborene Klägerin besuchte im Schuljahr 2014/2015 die Realschule. Sie beantragte am 16.11.2014 die Erstattung der Kosten für bereits erfolgten außerschulischen Nachhilfeunterricht in Höhe von 140,00 EUR, die sie bzw. ihre Mutter bereits verauslagt hatten. Es habe eine Notsituation bestanden. Die Selbstbeschaffung vor Antragstellung sei gerechtfertigt. Hierzu legte die Klägerin eine Rechnung vom 07.11.2014 über fünf Unterrichtsstunden vor; der Zeitpunkt der Unterrichtsstunden war aber nicht angegeben. Der Beklagte forderte unter anderem eine Bescheinigung der Schule über die Erforderlichkeit des außerschulischen Nachhilfeunterrichts an. Trotz Erinnerung legte die Klägerin die erforderlichen Nachweise nicht vor. Mit Bescheid vom 17.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2015 versagte der Beklagte die Leistungen mangels Mitwirkung.

Die dagegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage - der Beklagte hat dabei unter anderem auf die nicht rechtzeitige Antragstellung hingewiesen - hat dieses mit Urteil vom 25.10.2017 abgewiesen. Die Versagung sei rechtmäßig erfolgt. Die Klägerin habe erforderliche Unterlagen nicht vorgelegt, obwohl der Beklagte diese zu Recht angefordert habe. Einer Belehrung über die Rechtsfolgen der Nichtvorlage habe es vorliegend nicht bedurft, denn der Beklagte durfte aufgrund des eindeutigen Verhaltens der damals minderjährigen Klägerin bzw. ihrer Bevollmächtigten davon ausgehen, dass diese sich der Folgen der Pflichtverletzung bewusst gewesen seien und durch den Hinweis nicht zur Mitwirkung hätten angehalten werden können. Der Beklagte habe auch sein Ermessen ausgeübt. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen. Dagegen hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12.Aufl, § 144 RdNr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).

Verfahrensfehler, auf denen das Urteil des SG beruhen kann, werden von der Klägerin nicht geltend gemacht und sind für den Senat ebenso wenig ersichtlich wie ein (bewusstes) Abweichen des SG von der obergerichtlichen Rechtsprechung. Das SG nimmt vielmehr ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 31.01.1979 - 11 BA 129/78 - veröffentlicht in juris) und des BayLSG (Urteil vom 22.06.2017 - L 19 R 550/16 - veröffentlicht in juris) Bezug.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt auch nicht vor. Zum einen ist die Rechtsfrage der Erforderlichkeit einer Rechtsfolgenbelehrung durch die vom SG genannte Rechtsprechung bereits geklärt. Selbst wenn jedoch eine erneute Klärungsbedürftigkeit angenommen werden würde, fehlt es für die Zulassung der Berufung an der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage, denn ein Anspruch der Klägerin scheitert bereits an der verspäteten Antragstellung gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 u. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Klägerin hat erst am 16.11.2014 für einen bereits erfolgten und bezahlten Nachhilfeunterricht - so ihre eigene Ausführungen im Antrag - entsprechende Leistungen gemäß § 28 Abs. 5 SGB II beantragt. Eine Anwendung des § 30 SGB II kommt nach den vorliegenden Tatsachen auch nicht in Betracht. Hiernach darf ein eigenes Verschulden des Leistungsberechtigten nicht zu der (drohenden) Leistungsstörung geführt haben (§ 30 S. 1 Nr. 2 SGB II), wobei es auf die Umstände des Einzelfalles und eine am Gesetzeszweck ausgerichtete vernünftige Handhabung der Norm ankommt (vgl. Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4.Aufl. 2017, § 30 Rdnr. 17-22). Es geht an dieser Stelle um die Frage, ab wann der Leistungsberechtigte selbst agieren darf und welche Zeitspanne des Zuwartens ihm zuzumuten ist. Generell ist von der Obliegenheit des Leistungsberechtigten auszugehen, die Leistung so rechtzeitig zu beantragen bzw. dem Beklagten von seiner Hilfebedürftigkeit Kenntnis zu geben, dass die Hilfe vom Beklagten rechtzeitig gewährt werden kann. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Verwaltung vor Gewährung der Leistung deren tatsächliche und rechtliche Voraussetzungen prüfen muss und dies einen gewissen Zeitaufwand benötigt. Ein Verschulden des Leistungsberechtigten dürfte daher vorliegen, wenn er ohne plausiblen und nachvollziehbaren Grund die Sach- oder Dienstleistung vor dem Zeitpunkt der Selbsthilfe gar nicht oder erst sehr bzw. zu spät beantragt hat bzw. die Verwaltung nicht mit seinem Begehren befasst hat, obwohl ihm dies möglich und zumutbar war. Dies folgt auch aus der Regelung des § 30 S. 2 SGB II. Danach gilt ein Antrag als zum Zeitpunkt der Selbstvornahme gestellt, falls es dem Leistungsberechtigten nicht möglich war, rechtzeitig einen Antrag zu stellen. Auch die Gesetzesbegründung hat diesen Sachverhalt im Blick, wenn sie ausführt, dass keine Erstattungspflicht der Verwaltung besteht, wenn der Leistungsberechtigte sich aus freien Stücken die Leistung selbst beschafft hat und danach die Erstattung fordert (BT-Drs. 17/12036, 8). Dabei muss ggf. der Leistungsberechtigte dartun, aus welchen Gründen eine frühere Antragstellung nicht möglich oder zumutbar gewesen ist. Dies gilt auch Fällen, in denen geltend gemacht wird, dass Bedarfslagen (zu) kurzfristig aufgetreten sind (vgl. zum Ganzen: Luik a.a.O.). Die Klägerin aber hat bislang lediglich das Vorliegen einer Eil- bzw. Notsituation behauptet, jedoch nicht dargelegt, weshalb eine rechtzeitige Antragstellung nicht möglich gewesen ist, insbesondere nachdem es sich beim Nachhilfeunterricht um einen Zeitraum zu Schuljahresanfang gehandelt haben dürfte und eine Gefährdung der Klägerin nach den ersten Prüfungen nicht sofort ausgeglichen werden muss und kann. Jedenfalls finden sich hierzu keinerlei Ausführungen der Klägerin.

Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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