S 46 AS 1426/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
46
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 46 AS 1426/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Ermittlung der Nettokaltmiete über zahlreiche online verfügbare Angebotsmieten und die Ermittlung der kalten Betriebskosten aufgrund der Daten von Leistungsbeziehern nach SGB II kann ein schlüssiges Konzept für die Bruttokaltmiete nach der Rechtsprechung des BSG darstellen und zu einer zutreffenden Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II führen.
I. Die Klage gegen den Bescheid 08.12.2015 und den Erstattungsbescheid vom 08.12.2015 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II, insbesondere die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten von Unterkunft und Heizung (KdUH) in der Zeit von März 2015 bis einschließlich August 2015.

Die 1965 geborene Klägerin bezieht seit 2005 zusammen mit ihrer Tochter (geboren 1999, Klägerin zu 2) und ihrem Sohn (geboren 2001, Kläger zu 3) durchgehend Leistungen nach SGB II vom Beklagten.

Bereits im Bewilligungsbescheid vom 27.07.2005 wies der Beklagte darauf hin, dass die tatsächliche Miete zu hoch sei und diese auf die Angemessenheitsgrenze von 413,- EUR Grundmiete für drei Personen abgesenkt werde. Ab Juli 2007 senkte der Beklagte den berücksichtigten Bedarf für KdUH auf insgesamt 553,74 EUR pro Monat ab, bestehend aus 413,- EUR Grundmiete und 156,- EUR an Betriebskosten abzüglich der Warmwasserpauschalen für die Kläger. Die Kläger wohnen seit Anfang 2012 zur Miete in einer Wohnung, für die sie durchgehend monatlich 850,- EUR (davon 680,- EUR Grundmiete, 50,- EUR Nebenkosten und 120,- EUR Heizkosten) zu zahlen hatten. Eine Jahresabrechnung der Betriebskosten erfolgte nicht. Die abgesenkten Bewilligungen führten zu mehreren Klagen, die für die Zeit bis einschließlich August 2014 durch Vergleiche auf der Basis von § 8 bzw. § 12 WoGG zuzüglich 10 % und der Heizkosten beendet wurden.

Im Weitergewährungsantrag für die Zeit ab März 2015 machten die Kläger tatsächliche Unterkunftskosten in Höhe von 850,- EUR monatlich geltend. Für die Kinder wurde jeweils Kindergeld von 184,- EUR und jeweils 100,- EUR Unterhalt pro Monat bezahlt. Die Klägerin war in einem Arbeitsverhältnis für monatlich ca. brutto 2.120,- EUR bzw. netto ca. 1.500,- EUR erwerbstätig; der Lohn wurde im laufenden Monat ausgezahlt.

Mit Bewilligungsbescheid vom 16.02.2015 wurde den Klägern für die Zeit von März 2015 bis einschließlich August 2015 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt rund 175,- EUR bewilligt. Die Bewilligung erfolgte vorläufig, weil der Lohn etwas schwanke. Als Bedarf für KdUH wurden monatlich 730,- EUR berücksichtigt. Die Kläger erhoben dagegen Widerspruch unter Hinweis auf die tatsächliche Miethöhe von 850,- EUR.

Mit Änderungsbescheid vom 24.03.2015 wurde die Bewilligung für die strittige Zeit erneut vorläufig auf monatlich insgesamt etwa 190,- EUR erhöht unter Berücksichtigung der Einkommensabzüge für die Riesterrente (monatlich 9,- EUR), die Fahrtstrecke zur Arbeit (Fünftagewoche, 5 km einfach) und der Kfz-Haftpflicht von 43,83 EUR pro Monat.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.2015 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Als Bedarf seien KdUH nach dem neuen Konzept des Beklagten von 2014 anzusetzen. Dieses Konzept sei schlüssig.

Die Kläger erhoben am 29.06.2015 Klage zum Sozialgericht München. Der Bewilligung seien die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zugrunde zu legen in Höhe von monatlich 850,- EUR.

Nachdem die Klägerin die Lohnabrechnungen für die strittige Zeit eingereicht hatte, erfolgte mit Bescheid vom 08.12.2015 die endgültige Entscheidung zur strittigen Zeit. Für März bis Mai wurden monatlich insgesamt 183,20 EUR bewilligt, für Juni 190,19 EUR, für Juli 189,48 EUR und 136,96 EUR für August 2015. Zur Berechnung und Verteilung auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft wird auf diesen Bescheid verwiesen. Mit Bescheid ebenfalls vom 08.12.2015 wurde unterteilt nach Bewilligungsmonaten die Erstattung von Leistungen gefordert, von der Klägerin 54,51 EUR, von der Tochter 18,73 EUR und vom Sohn 90,95 EUR.

Der Beklagte übermittelte dem Gericht das Konzept zur Herleitung der Mietobergrenzen vom 28.08.2014 (S. 71 ff der Gerichtsakte zu S 46 AS 2440/15). Das Gericht forderte von der Beratungsfirma, die dieses Konzept erstellt hatte, eine umfassende Stellungnahme an. Auf die Fragen vom 24.05.2017 (S. 62 ff der Gerichtsakte) und die Stellungnahme der Firma (S. 72 ff der Gerichtsakte) wird verwiesen.

Die Kläger beantragen, den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 08.12.2015 und des Erstattungsbescheids vom 08.12.2015 zu verurteilen, den Klägern für die Zeit von 01.03.2015 bis 31.08.2015 Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ausdrücklich erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil die angegriffenen Bescheide dem Gesetz entsprechen und die Kläger dadurch nicht in ihren Rechten verletzt sind. Die vom Beklagten anerkannten KdUH beruhen auf einem schlüssigen Konzept. Die Leistung wurde auch im Übrigen richtig berechnet.

Streitgegenstand ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II für die Zeit von März 2015 bis einschließlich August 2015.

1. Die abschließende Entscheidung über die vorläufig bewilligten Leistungen durch Bescheid vom 08.12.2015 hat die vorläufige ursprüngliche Bewilligung (Bescheid vom 16.02.2015) und den vorläufigen Änderungsbescheid vom 24.03.2015 nebst Widerspruchsbescheid vom 28.05.2015 auf andere Weise nach § 39 Abs. 2 SGB X erledigt und wurde - ebenso der Erstattungsbescheid vom 08.12.2015 - gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens (BSG, Urteil vom 22.08.2015, B 14 AS 13/12 R, Rn. 12). Die abschließende Entscheidung und die Erstattung beruhen auf § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III. Vertrauensschutz besteht hier nicht.

2. Die Berechnung des Leistungsanspruchs jedes Klägers für jeden Monat setzt unter anderem voraus, dass der anzuerkennende Bedarf nach § 22 Abs. 1 SGB II für KdUH bestimmt wird.

Der Beklagte bestimmt die Höhe der angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Konzept vom 28.08.2014.

a) Das Konzept beschreibt sich wie folgt:

Die Angemessenheitsgrenzen von Nettokaltmiete und Nebenkosten (kalte Betriebskosten) wurden auf getrennten Wegen ermittelt und anschließend zu einer einheitlichen Angemessenheitsgrenze für die Bruttokaltmiete zusammengezählt.

aa) Nettokaltmiete

Datenbasis ist eine Preisdatenbank der Beratungsfirma. In dieser werden seit Jahren bundesweit online erscheinende Mietangebote für Wohnungen (Angebotsmieten) erfasst. Ausgewertet werden die gängigen Immobilienportale und Online-Seiten von Zeitungen einschließlich von Kleinanzeigenblättern. Die Datenbank enthält Daten zum Objekt (u.a. Wohnfläche, Miethöhe, Höhe der Betriebskosten, Ausstattungsmerkmale der Wohnung) und zur Lage der Wohnung (Gemeinde oder Postleitzahlbezirk).

Aus dieser Datenbank wurden die Daten für den Landkreis des Beklagten herangezogen. Mietwohnungsangebote, die nicht online erschienen, wurden für den Landkreis nicht erfasst. Die Daten wurden um Doppelerfassungen, unplausible Angebote (viel zu groß/viel zu klein/extrem hohe Mieten) und untypische Mietverhältnisse (Wohngemeinschaften, Wohnen auf Zeit, Warmmieten) bereinigt.

In dem ländlich geprägten Landkreis wurden anhand der Mietstruktur und der tatsächlichen geografischen Verhältnisse fünf Vergleichsräume (VR) gebildet. Der Landkreis wurde anhand des Mietpreisgefälles, entsprechend der mittleren Quadratmetermiete aller Kaltmieten der einzelnen Gemeinden, die im Rahmen der Erstauswertung 2011 (mit Daten von Januar 2009 bis einschließlich Dezember 2010) erhoben wurde, aufgeteilt. Dies bildet zugleich die tatsächliche Struktur des Landkreises ab: Die hochpreisige Vorzugslage am A-See (VR A-See), der Einzugsbereich für Münchenpendler entlang der Autobahn A 96 (VR A 96), die städtisch geprägte große Kreisstadt L. plus die Gemeinde K. (VR Zentrum) und die ländlich geprägten südlichen und nördlichen Teile des Landkreises (VR Süd und VR Nord).

Für das Konzept wurden die ca. 4.800 Mietangebote aus der Zeit von 01.07.2010 bis 30.06.2013 herangezogen.

Die Mietangebote wurden in Wohnungsgrößenklassen von plus/minus 10 qm Wohnfläche um die durch die Bayerischen Wohnraumförderungsbestimmungen vorgegebenen angemessenen Wohnflächen von 50 qm für einen 1-Personen-Haushalt (PH), 65 qm für einen 2-PH, 75 qm für einen 3-PH (usw.) aufgeteilt.

In jedem Vergleichsraum wurden die Kaltmieten der Wohnungen in jeder Wohnungsgrößenklasse der Miethöhe nach von links (niedrige Miete) nach rechts (höchste Miete) sortiert. Die Angemessenheitsgrenze wurde bei der Kaltmiete der Wohnung gezogen, die von links aus bei 33 % aller sortierten Wohnungen lag (Kappungsgrenze). Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Miethöhe bei ungefähr gleich großen Wohnungen den Standard der Wohnungen widerspiegelt, sprich sich die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen Wohnungen im unteren Mietendrittel aller Wohnungen befinden.

Für 3-PH (Wohnungen um 75 qm, mithin Wohnungsgrößenklasse von 65 bis 85 qm) im Vergleichsraum Zentrum ergab sich die Angemessenheitsgrenze von 500,- EUR Kaltmiete.

Zusätzlich wurde zu den gefundenen Ergebnissen im August 2014 eine Online-Stichprobe auf allgemein zugänglichen Internetportalen durchgeführt, ob es in den einzelnen Vergleichsräumen und Wohnungsgrößenklassen angemessene Wohnungen gab. Dies wurde bestätigt, z.B. mit sechs angemessenen Wohnungen im Landkreis an einem Stichtag für 3-PH in einem einzelnen Immobilienportal.

bb) Nebenkosten (kalte Betriebskosten)

Die Nebenkosten wurden aus den Daten der SGB II-Leistungsbezieher des Beklagten ermittelt. Es handelt sich um Daten des Monats Juni 2014 zu 847 Mietwohnungen. In diese Daten sind auch die Betriebskostennachzahlungen enthalten, die vom Beklagten im Monat Juni 2014 übernommen wurden.

Eine Aufteilung in Vergleichsräume erfolgte nicht. Die Nebenkosten wurden aber nach den vorgenannten Wohnungsgrößenklassen (angemessene Fläche plus/minus 10 qm) aufgeteilt und dann der Höhe nach von links (niedrige Nebenkosten) nach rechts sortiert. Anschließend wurde der Median bestimmt, sprich die Nebenkosten der in der Mitte der Reihe befindlichen Wohnung in der jeweiligen Wohnungsgrößenklasse. Für den strittigen Fall eines 3-PH mit einer Wohnfläche um 75 qm (mithin 65 bis 85 qm) wurde der Median mit 76,- EUR Nebenkosten für diese Wohnung bestimmt.

Abschließend wurde der Median mit 1,5 multipliziert und das Ergebnis auf 10,- EUR gerundet. Im strittigen Fall ergab sich 76,- EUR mal 1,5 = 114,- EUR. Dies wurde auf 110,- EUR angemessene Nebenkosten abgerundet.

cc) Gesamtangemessenheitsgrenze

Die Angemessenheitsgrenzen für die Kaltmieten und die jeweils zugehörigen Obergrenzen für die Nebenkosten wurden addiert. Für den strittigen Fall ergab sich eine Gesamtangemessenheitsgrenze für einen 3-PH im Vergleichsraum Zentrum von 500,- EUR Kaltmiete plus 110,- EUR an Nebenkosten, mithin von 610,- EUR für die Bruttokaltmiete.

b) Dieses Konzept ist nach den Kriterien des BSG ein schlüssiges Konzept, sprich die Angemessenheitsgrenze wurde mit 610,- EUR Bruttokaltmiete zutreffend bestimmt.

Das BSG fordert, zunächst den örtlichen Vergleichsraum und die angemessene Wohnfläche festzulegen und dann die angemessene Miete im einschlägigen Vergleichsraum für den unteren Wohnungsstandard in einem schlüssigen Konzept zu ermitteln (vgl. etwa BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R). Das Ergebnis ist die Angemessenheitsgrenze.

aa) Vergleichsraum

Nach der Rechtsprechung des BSG sind bei der Bestimmung des Vergleichsraumes ausreichend große Räume der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit festzulegen. Der Vergleichsraum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R, Rn. 16).

Aufgrund der Erhebung von Kaltmieten in den Jahren 2009 und 2010 und der unterschiedlichen tatsächlichen Struktur wurde der ländlich geprägte Landkreis in fünf Vergleichsräume aufgeteilt, die die tatsächliche Wohnstruktur abbilden. Ländliche Räume wurden von städtisch geprägten Regionen getrennt, die hochpreisigen Lagen am Ammersee und mit Autobahnanbindung getrennt erfasst. Der Vergleichsraum "Zentrum", in dem die Kläger wohnten, wurde zutreffend gebildet. Er hat eine überwiegend städtische Prägung und ist per Straße und Eisenbahn eng verbunden. In diesem Vergleichsraum leben knapp 40.000 Einwohner der ca. 120.000 Einwohner des gesamten Landkreises.

bb) Angemessene Wohnfläche

Die angemessene Wohnfläche ist nach den Wohnraumförderungsbestimmungen der Länder zu bestimmen. In Bayern ergeben sich die angemessenen Wohnflächen aus den Bayerischen Wohnraumförderungsbestimmungen (WFB, dort Ziffer 22.2) vom 11.01.2012 (Allgemeines Ministerialblatt 2012, Seite 20 ff) mit 50 qm für einen 1-Personen-Haushalt (PH), 65 qm für einen 2-PH, 75 qm für einen 3-PH, usw. Der Ansatz des Beklagten, hier mit 75 qm Wohnfläche für einen Dreipersonenhaushalt, ist also zutreffend.

cc) Schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze

Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG, a.a.O., Rn. 13). Diese Angemessenheitsgrenze soll die tatsächlichen Verhältnisse auf dem einschlägigen Wohnungsmarkt abbilden.

dd) Schlüssiges Konzept Kaltmiete

Ein schlüssiges Konzept muss folgende Mindestvoraussetzungen erfüllen (BSG, a.a.O. Rn. 20):

(1) Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen; (2) Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (Art von Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete/ Vergleichbarkeit, Differenzierung nach Wohnungsgröße); (3) Angaben über den Beobachtungszeitraum; (4) Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel); (5) Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten; (6) Validität der Datenerhebung; (7) Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung; (8) Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Zu (1) Datenerhebung im Vergleichsraum

Für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze bei den Kaltmieten wurden ausschließlich Daten aus dem gesamten Vergleichsraum Zentrum herangezogen.

Zu (2) Definition der Wohnungen

Es wurden alle Angebotsmieten in der Preisdatenbank betrachtet, die in den gängigen Immobilienportalen und Online-Seiten von Zeitungen und Wochenblättern für den Vergleichsraum angeboten wurden. Es wurde dabei nicht nach dem Standard der Wohnungen differenziert und es wurden auch keine Wohnungen des allereinfachsten Standards (Feststoffeinzelöfen und/oder kein Bad in der Wohnung, BSG, 19.10.2010, B 14 AS 65/09 R, Rn. 31) bestimmt.

Von den insgesamt 4.783 Wohnungsangeboten entfielen 503 Angebote auf die Wohnungsgrößenklasse um 75 qm im VR Zentrum, lagen also zwischen 65 qm und 85 qm Wohnfläche und im einschlägigen Vergleichsraum (vgl. Konzept, Abbildungen 3 und 15).

Zu (3) Beobachtungszeitraum

Es wurden die Mietangebote aus der Zeit zwischen 01.07.2010 und 30.06.2013 ausgewertet.

Mit Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R, hat sich das BSG zu der Frage geäußert, wie aktuell die Daten sein müssen, die für einen bestimmten Bewilligungszeitraum herangezogen werden. Unter Berücksichtigung der Satzungsregelung in § 22c Abs. 2 SGB II sei es jedenfalls innerhalb eines Zwei-Jahres-Zeitraums nach Datenerhebung und -auswertung nicht erforderlich, dass eine Überprüfung und Fortschreibung schlüssiger Konzepte erfolgt. Nach Ablauf dieser Zweijahresfrist könne entsprechend § 558d Abs. 2 BGB anhand des Verbraucherpreisindex für weitere zwei Jahre fortgeschrieben werden.

Die Daten wurden bis 30.06.2013 erfasst und bis August 2014 ausgewertet. Beim strittigen Zeitraum von März 2015 bis einschließlich August 2015 ist eine Aktualisierung der Daten nicht veranlasst.

Zu (4) Art und Weise der Datenerhebung

Die Daten wurden aus den allgemein zugänglichen Online-Angeboten von Mietportalen, gängigen Immobilienportalen und Online-Seiten von Zeitungen einschließlich von Kleinanzeigenblättern erhoben.

Zu (5) Repräsentativität der Daten

Erhobene Daten einer Teilmenge sind dann repräsentativ, wenn sie eine Aussage über die Gesamtheit der Daten erlauben, also "typisch" für die Gesamtheit sind.

Das tatsächliche Mietangebot wurde vollständig erfasst, soweit es mit der Erhebungsmethode der Erfassung von allgemein zugänglichen Angeboten im Internet möglich ist. Anhaltspunkte, dass daneben ein nicht unerhebliches Angebot besteht, das höhere Mieten beinhaltet, sprich eine höhere Angemessenheitsgrenze bewirken könnte, bestehen nicht. Wohnungsangebote in Kleinanzeigenblättern, die nicht zugleich online veröffentlicht werden, und Wohnungsangebote, die im nächsten Bekanntenkreis weitergegeben werden bevor sie zu Veröffentlichung gelangen, haben regelmäßig nicht höhere Mieten.

Die erhobenen Daten sind repräsentativ für die Mietangebote im Vergleichsraum.

Zu (6) Validität der Daten

Valide sind Daten, die gültig und belastbar sind, sprich tatsächlich das messen, was gemessen werden soll. Die Daten wurden um Doppelerfassungen, unplausible Angebote (viel zu groß/viel zu klein/extrem hohe Mieten) und untypische Mietverhältnisse (Wohngemeinschaften, Wohnen auf Zeit, Warmmieten) bereinigt. Die verbleibenden Daten entsprechen dem, was gemessen werden sollte, sind also valide.

Zu (7) Methodisch saubere Datenauswertung

Methodische Fehler sind nicht ersichtlich.

Zu (8) Angaben über die gezogenen Schlüsse und Bewertung des Konzepts (Kaltmiete)

Das schlüssige Konzept soll sicherstellen, dass Leistungsempfänger für ihre Wohnung Leistungen erhalten, mit denen sie eine angemessene Miete bezahlen können. Angemessen ist eine Wohnung dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Es geht also darum, ob das Konzept realitätsgerecht eine Miete abbildet, die in dem Vergleichsraum für eine einfache Wohnung angemessener Größe bezahlt wird.

Die Kaltmieten der Wohnungen in jeder Wohnungsgrößenklasse wurden der Miethöhe nach von links (niedrige Miete) nach rechts (höchste Miete) sortiert. Die Angemessenheitsgrenze wurde bei der Kaltmiete der Wohnung gezogen, die von links aus bei 33 % aller sortierten Wohnungen lag (Kappungsgrenze). Die Annahme, dass die Miethöhe bei ungefähr gleich großen Wohnungen den Standard der Wohnungen widerspiegelt, sprich sich die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen Wohnungen im unteren Mietendrittel aller Wohnungen befinden, ist schlüssig.

Für 3-PH (Wohnungen um 75 qm, mithin Wohnungsgrößenklasse von 65 bis 85 qm) im Vergleichsraum Zentrum ergab sich die Angemessenheitsgrenze von 500,- EUR Kaltmiete.

Das BSG hat ein Intervall von plus/minus 10 qm für sachgerecht angesehen (BSG, 13.04.2011, B 14 AS 85/09 R, Rn. 25). Je nach Größe des Intervalls der Wohnungsgrößenklasse (hier 20 qm) ist aber denkbar, dass sich im unteren Drittel der gereihten Mieten die kleineren Wohnungen des Intervalls sammeln. Dadurch würde sich für dieses Drittel durchschnittlich eine kleinere Wohnfläche als 75 qm ergeben. Deshalb hat das Gericht auch die Vergleichszahlen für ein halbiertes Intervall von 70 qm bis 80 qm angefordert. Hierfür ergab sich bei 33% der sortierten Mieten ebenfalls eine angemessene Kaltmiete von 500,- EUR. Die Angemessenheitsgrenze ändert sich durch Halbierung der Wohnungsgrößenklasse nicht, die oben beschriebene Annahme wurde also nicht bestätigt.

Die Wohnungen vom allereinfachsten Standard wurden nicht gesondert erfasst. Laut Zensus 2011 befinden sich im Landkreis des Beklagten maximal 1 % Mietwohnungen ohne Bad/WC oder ohne Heizung. 10,4 % aller Mietwohnungen im Landkreis haben laut Zensus 2011 nur Einzel- oder Mehrraumöfen, darunter auch Nachspeicheröfen. Das Gericht geht davon aus, dass es im ländlichen Bereich des Landkreises deutlich mehr Einzel- oder Mehrraumöfen gibt als im Vergleichsraum "Zentrum" und insgesamt nur ein Teil davon Feststofföfen sind. Außerdem verringern Sanierungsmaßnahmen laufend die Zahl der Wohnungen des allereinfachsten Standards. Maximal 11,4 % der Wohnungen erfüllen die Kriterien des allereinfachsten Standards, vermutlich weit weniger. Dann bleiben immer noch mindestens 88,6 % Wohnungen, die einem höheren Standard angehören. Bei einer Kappungsgrenze bei 33 % der sortierten Wohnungen ist davon auszugehen, dass mindestens 25 % der sortierten Wohnungen einem höheren Standard angehören. Das ist ausreichend.

Hinzu kommt, dass ausschließlich Angebotsmieten erfasst wurden. Bestandsmieten sind tendenziell niedriger, so dass die Beschränkung auf Angebotsmieten nicht zulasten der Leistungsempfänger geht.

Insgesamt beruht die Bestimmung der angemessenen Kaltmiete auf einem schlüssigen Konzept.

ee) Ermittlung angemessener Nebenkosten (kalte Betriebskosten)

Nach den Vorgaben des BSG ist die Angemessenheitsgrenze für die Bruttokaltmiete festzulegen. Zu der angemessenen Kaltmiete kommen die angemessenen Nebenkosten hinzu (BSG, 19.10.2010, B 14 AS 65/09 R, Rn. 36). Die abstrakt angemessenen Nebenkosten sollen die tatsächlichen Gegebenheiten im Vergleichsraum abbilden. Es können statistische Daten gerade aus dem unteren Wohnungssegment herangezogen werden oder Durchschnittswerte aus Betriebskostenübersichten für alle Wohnungssegmente, vorrangig örtliche Übersichten, herangezogen werden (BSG, 22.08.2012, B 14 AS 13/12 R, Rn. 27).

Der Beklagte hat auch die angemessenen Nebenkosten schlüssig ermittelt. Es handelt sich um Daten aus dem unteren Wohnungssegment, deren Mittelwert (Median) mit einem Faktor 1,5 hochgerechnet wurde. Damit ist sichergestellt, dass angemessene Nebenkosten als Bedarf berücksichtigt werden.

Die Nebenkosten wurden aus den Daten der SGB II-Leistungsbezieher des Beklagten für den Monat Juni 2014 (einschließlich Betriebskostennachzahlungen) ermittelt. Es handelt sich um Daten zu 847 Mietwohnungen. Eine Aufteilung in Vergleichsräume erfolgte nicht. Die Nebenkosten wurden aber nach den vorgenannten Wohnungsgrößenklassen (angemessene Fläche plus/minus 10 qm) aufgeteilt und dann der Höhe nach von links (niedrige Nebenkosten) nach rechts sortiert. Für die Wohnungsgrößenklasse um 75 qm ergab das 227 Datensätze. Anschließend wurde der Median bestimmt, sprich die Nebenkosten der in der Mitte der Reihe befindlichen Wohnung in der jeweiligen Wohnungsgrößenklasse. Für den strittigen Fall eines 3-PH mit einer Wohnfläche um 75 qm (mithin 65 bis 85 qm) wurde der Median mit 76,- EUR Nebenkosten dieser mittleren Wohnung bestimmt.

Abschließend wurde der Median mit 1,5 multipliziert und das Ergebnis auf 10,- EUR Beträge gerundet. Im strittigen Fall ergab sich 76,- EUR mal 1,5 = 114,- EUR. Dies wurde auf 110,- EUR angemessene Nebenkosten abgerundet.

Diese Berechnung ist nicht zu beanstanden. Es wurden realitätsbezogen die Daten der Nebenkosten der Leistungsbezieher als Daten von Wohnungen des unteren Standards angesehen. Weil es nicht um Wohnungen aller verschiedenen Standards geht, wurde nicht der Durchschnitt als angemessen betrachtet, sondern der Median-Wert für die "mittlerste Wohnung" von 76,- EUR um 50 % erhöht und gerundet.

Im Ergebnis werden mit dem gerundeten Betrag von 110,- EUR alle Nebenkosten der Leistungsbezieher in der Wohnungsgrößenklasse um 75 qm bis zum 85. Perzentil als angemessen eingestuft. Das heißt, dass 85 % der ausgewerteten 227 Wohnungen angemessene Nebenkosten haben. Der Abbildung 47 des Konzeptes ist zu entnehmen, dass die Nebenkosten ab etwa dem 95. Perzentil steil nach oben gehen. Dies ist dadurch zu erklären, dass es sich dabei vor allem um Wohnungen handelt, bei denen es zu einer außerordentlich hohen Nachzahlung nach der Jahresabrechnung kam. Diese Nebenkosten können aber nicht zum Maßstab angemessener monatlicher Nebenkosten genommen werden. Damit bildet der Wert bis zum 85. Perzentil mit 110,- EUR eine schlüssige Angemessenheitsgrenze für Nebenkosten eines 3-PH.

ff) Bei der konkreten Angemessenheit ist nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu prüfen, ob eine subjektive Unmöglichkeit bestand, die KdUH zu senken. Diese ist bei Kenntnis der Mietobergrenze und der Obliegenheit zur Kostensenkung regelmäßig zu verneinen.

Die Schonfrist von sechs Monaten ist längst abgelaufen. Die Kläger wurden schon mit Bescheid vom 27.07.2005 darauf hingewiesen, dass ihre damalige Wohnung zu teuer war. Bis Oktober 2010 war auch ein Hinweis auf eine Kaltmiete als Angemessenheitsgrenze nicht zu beanstanden (BSG, 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 43). Die Kläger sind gleichwohl zum 01.01.2012 in eine noch etwas teurere Wohnung umgezogen.

Soweit teilweise vertreten wird, dass unter konkreter Angemessenheit die konkrete Möglichkeit für den Leistungsempfänger zu verstehen ist, eine kostenangemessene Wohnung zu mieten, ist darauf hinzuweisen, dass das Konzept auf Angebotsmieten beruht und eine Stichprobe im August 2014 auch zum Abschluss der Auswertung das Vorhandensein kostenangemessener Wohnungen im Vergleichsraum bestätigte. Damit liegt auch nach dieser Ansicht eine konkrete Angemessenheit vor.

gg) Gesamtbewertung

Der Beklagte hat ein schlüssiges Konzept für die Kaltmiete vorgelegt und die angemessenen Nebenkosten zutreffend ermittelt.

Als Bedarf für die aus drei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft der Kläger im Vergleichsraum Zentrum ist deshalb eine Kaltmiete von 500,- EUR und angemessene Nebenkosten von 110,- EUR zu addieren. Für die Bruttokaltmiete sind demnach 610,- EUR monatlich als Bedarf anzusetzen.

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Wohnort der Kläger in die Mietenstufe 5 nach § 12 WoGG, anwendbar ab 01.01.2009, eingeordnet ist und sich aus der Tabelle zu § 12 WoGG für drei Haushaltsmitglieder ein Wert von 556,- EUR ergibt. Zuzüglich 10 % Zuschlag ergäbe das 611,60 EUR. Dieser "Notnagel" für die angemessene Bruttokaltmiete (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 87/12 R, Rn. 27, 28) liegt also sehr nahe an dem ermittelten Ergebnis.

Hinzu kommen die tatsächlichen Heizkosten in Höhe von monatlich 120,- EUR, die der Beklagte als Bedarf anerkannt hat.

3. Die Berechnung der individuellen monatlichen Leistungsansprüche ist korrekt erfolgt. Es wurden alle Regelbedarfe und der Mehrbedarf Alleinerziehen (36 % des Regelbedarfs der Klägerin) berücksichtigt. Das Einkommen der Kinder (Kindergeld und Unterhalt) wurde diesen zugerechnet, das Erwerbseinkommen der Klägerin wurde zutreffend bereinigt und horizontal verteilt. Insoweit wird auf den Bescheid vom 08.12.2015 zur abschließenden Entscheidung über den Bewilligungszeitraum und den Erstattungsbescheid vom 08.10.2015 verwiesen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Frage, ob das Konzept für die Kosten der Unterkunft schlüssig ist, bedarf obergerichtlicher Prüfung. Am Sozialgericht München sind zahlreiche Fälle des Beklagten anhängig, in denen es um diese Frage geht.
Rechtskraft
Aus
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