L 7 AS 2380/17 B ER & L 7 AS 2381/17 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 646/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 2380/17 B ER & L 7 AS 2381/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 15.11.2017 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin zu 1) seit dem 25.10.2017 und der Antragstellerin zu 2) seit ihrer Geburt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bis einschließlich April 2018 - unter Anrechnung der in diesem Zeitraum von der Beigeladenen gezahlten Leistungen nach dem SGB XII - nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen. Den Antragstellerinnen wird für beide Rechtszüge Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt I, X, beigeordnet. Der Antragsgegner hat die Kosten der Antragstellerinnen in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen begehren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die am 00.00.1985 geborene Antragstellerin zu 1) ist bulgarische Staatsangehörige und wohnt seit August 2017 im Frauenhaus X. Die Antragstellerin zu 1) hält sich nach eigenen Angaben seit 15 Jahren (mit zwei kurzen Unterbrechungen durch Reisen nach Bulgarien) in Deutschland auf. Sie schildert, dass ihre Mutter gestorben sei, als sie noch ein Baby war und ihr mittlerweile verstorbener Vater arm gewesen sei und sie im Alter von 16 Jahren nach Deutschland habe gehen lassen, damit sie dort arbeitet. Sie sei während ihres gesamten Aufenthalts in Deutschland durch Drohungen von bulgarischen Zuhältern in verschiedenen Städten zur Prostitution gezwungen worden. Von ihrem Verdienst aus dieser Tätigkeit habe sie nichts behalten dürfen, sie habe alles abgeben müssen und ausschließlich Wohnung und Essen erhalten. Sie habe sich hiergegen nicht wehren können, da sie Analphabetin sei und in Deutschland keinerlei Hilfe habe erlangen können. Sie sei der Tätigkeit als Prostituierte bis Anfang 2017, zuletzt in einem Club in L, nachgegangen. Aufgrund ihrer Schwangerschaft habe sie die Tätigkeit beendet. Der Zuhälter habe ihr gedroht, das Kind wegzunehmen. Daraufhin sei sie geflüchtet, habe sich am Hauptbahnhof in L aufgehalten und sei über eine Freundin, die im Münsterland lebte, in das Frauenhaus X gebracht worden. Die Antragstellerin zu 1) hat am 21.12.2017 die Antragstellerin zu 2) geboren, die sich ebenfalls in dem Frauenhaus aufhält. Der Vater ist nach den Angaben der Antragstellerin zu 1) unbekannt.

Die Antragstellerinnen verfügen nach ihren Angaben nicht über Einkommen oder Vermögen. Die Finanzierung des Frauenhausaufenthalts ist zunächst durch Leistungen der "Bundesstiftung Mutter und Kind" sowie Zuwendungen der Caritas erfolgt. Außerdem erhält der Trägerverein des Frauenhauses Spenden, mit dem es ihm ermöglicht wird, zeitweise auch Personen unterzubringen, die keine Mittel zur Finanzierung ihres Aufenthalts haben.

Am 31.08.2017 hat die Antragstellerin bei dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beantragt. Nachdem das Frauenhaus mitgeteilt hatte, dass die Antragstellerin zu 1) keine Beschäftigung nachweisen könne und die Ausländerbehörde ein Daueraufenthaltsrecht nicht bescheinige, lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 07.09.2017 und Widerspruchsbescheid vom 17.11. 2017 den Antrag gestützt auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab. Die Antragstellerin zu 1) verfüge nur über ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und sei deshalb von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben (SG Münster - S 8 AS 771/17).

Am 25.10.2017 hat die Antragstellerin zu 1) beantragt, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu verpflichten. Sie hat in eidesstattlichen Versicherungen vom 03.11.2017 und 10.11.2017 erklärt, nicht über Einkommen zu verfügen und ihre Tätigkeit als Zwangsprostituierte beschrieben.

Mit Beschluss vom 15.11.2017 hat das Sozialgericht den Antrag und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Antragstellerin zu 1) sei gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen, da sie nicht über ein Aufenthaltsrecht, insbesondere nicht über ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin oder ein Daueraufenthaltsrecht, verfüge. Auf § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II (kein Leistungsausschluss nach Aufenthalt in Deutschland von mindestens fünf Jahren) könne die Antragstellerin zu 1) sich nicht berufen, da eine Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde nicht erfolgt sei.

Gegen diese am 16.11.2017 zugestellte Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin zu 1) vom 15.12.2017.

Mit Bescheiden vom 08.01.2018 und 30.01.2018 hat die Beigeladene der Antragstellerin zu 1) für die Zeit vom 15.12.2017 bis zum 15.02.2018 Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Sätze 3 bis 6 SGB XII (einschließlich Unterkunftskosten, die direkt mit dem Träger des Frauenhauses abgerechnet werden) bewilligt. Maßgeblich für die Berechnung des Bewilligungszeitraums sei die gesetzliche Mutterschutzfrist, während derer eine Rückreise der Antragstellerinnen nach Bulgarien nicht zumutbar sei. Eine Weiterbewilligung sei nicht vorgesehen, den Antragstellerinnen könne ein Darlehen zur Finanzierung der Rückreise nach § 23 Abs. 3a SGB XII angeboten werden.

In einem Erörterungstermin am 08.02.2018 hat die Betreuerin der Antragstellerin im Frauenhaus B L ausgeführt, dass die Antragstellerin zu 1) gegenüber den Mitarbeiterinnen des Frauenhauses Angaben zu ihrer Tätigkeit in der Zwangsprostitution gemacht habe, die mit ihren Angaben im gerichtlichen Verfahren übereinstimmen. Die Antragstellerin zu 1) sei traumatisiert und benötige für eine psychosoziale Stabilisierung noch mindestens sechs Monate. Zweifel an der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin zu 1) habe sie nicht, die Antragstellerin zu 1) arbeite engagiert bei den erforderlichen Hausarbeiten mit. Die Antragstellerin zu 1) werde im Frauenhaus psychologisch und sozial betreut.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Antrag und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Den Antragstellerinnen sind die begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zuzusprechen.

Beteiligte des Verfahrens ist seit ihrer Geburt auch die Antragstellerin zu 2). Die Antragserweiterung im Beschwerdeverfahren ist in entsprechender Anwendung von § 99 Abs. 1 SGG mit dem ausdrücklich erklärten Einverständnis der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zulässig.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Eine Tatsache ist als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, das heißt der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (ständige Rechtsprechung des Senats, Beschlüsse vom 06.07.2016 - L 7 AS 1154/16 B und vom 09.11.2015 - L 7 AS 1234/15 B ER). Es genügt für die Glaubhaftmachung einer Tatsache, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Das erkennende Gericht kann seine Überzeugung allein auf den Vortrag der Beteiligten stützen, wenn der Vortrag für sich genommen in sich widerspruchsfrei ist und mit dem übrigen Akteninhalt und weiteren Beweisergebnissen in Übereinstimmung steht (vgl. Beschlüsse des Senats vom 05.04.2017 - L 7 AS 452/17 B ER und vom 06.07.2016 - L 7 AS 1154/16 B).

Die Antragstellerin zu 1) erfüllt die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die Zuwendungen durch die "Bundestiftung Mutter und Kind" stehen der Annahme von Hilfebedürftigkeit nicht entgegen. Gem. § 5 Abs. 2 MuKSiftG bleiben Leistungen der Stiftung als Einkommen unberücksichtigt, wenn bei Sozialleistungen auf Grund von Rechtsvorschriften die Gewährung oder die Höhe dieser Leistungen von anderem Einkommen abhängig ist (ausführlich hierzu LSG Schleswig-Holstein Urteil vom 13.06.2013 - L 13 AS 52/11). Hinsichtlich der Leistungen der Caritas geht der Senat jedenfalls für das einstweilige Rechtsschutzverfahren in Anwendung von § 11a Abs. 4 SGB II davon aus, dass es sich um vorübergehende caritative Zuwendungen gehandelt hat, die die Lage der Antragstellerinnen nicht so günstig beeinflusst haben, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären (für eine Vermutung der Anrechnungsfreiheit von Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege Geiger in LPK-SGB II § 11a Rn 15).

Die Antragstellerin zu 1) hat glaubhaft gemacht, dass sie neben dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche iSd § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b) SGB II ein anderweitiges Aufenthaltsrecht hat, weshalb der Leistungsausschluss nicht greift. Sie kann sich gem. §§ 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU, 25 Abs. 4 AufenthG auf ein Aufenthaltsrecht aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen berufen:

Nach § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU findet das AufenthaltsG auch dann Anwendung, wenn es eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als dieses Gesetz. Nach der Rechtsprechung des BSG ist ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG, insbesondere vermittels der Günstigkeitsregelung in § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU, das eine Ausnahme vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu rechtfertigen vermag, im Verfahren über einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II auch ohne Einschaltung der Ausländerbehörde eigenständig zu prüfen (BSG Urteile vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R und vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R).

Gem. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Die Antragstellerin zu 1) ist nicht vollziehbar ausreisepflichtig, sondern hält sich als freizügigkeitsberechtigte Unionsbürgerin rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Dringende humanitäre Gründe sind Gründe von solchem humanitären Gewicht, dass es wegen der Folgen für den Ausländer oder für Familienangehörige nicht verantwortet werden kann, der Ausreisepflicht bzw. (bei Unionsbürgern) einem faktischen Zwang zur Ausreise nachzukommen. Als dringende persönliche Gründe kommen beispielsweise die Durchführung einer Operation, die im Herkunftsland nicht gewährleistet ist, eine unmittelbar bevorstehende Eheschließung mit einem Deutschen oder einem Ausländer, der einen Aufenthaltstitel besitzt, die vorübergehende Betreuung eines schwer kranken Familienangehörigen oder der Abschluss einer Schul- oder Berufsausbildung in Betracht (so die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/420, S. 79 f).

Die Antragstellerin zu 1) hat einen Sachverhalt glaubhaft gemacht, der die Annahme humanitärer und persönlicher Gründe in diesem Sinne begründet. Der Senat hat bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung keinen Anlass zu zweifeln, dass das von der Antragstellerin zu 1) beschriebene Schicksal als Zwangsprostituierte zutrifft. Die Antragstellerin zu 1) hat diesen Sachverhalt bereits dem Sozialgericht in einer konsistenten und widerspruchsfreien eidesstattlichen Versicherung geschildert. Im Beschwerdeverfahren hat die Bezugsbetreuerin der Antragstellerin zu 1) bestätigt, dass auch aus ihrer Sicht keine Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der entsprechenden Ausführungen bestehen. Der Antragsgegner ist den Darlegungen nicht entgegen getreten. Glaubhaft ist auch, dass es der Antragstellerin zu 1) derzeit und bis auf weiteres nicht zumutbar ist, ihr erstmals gewonnenes geschütztes Umfeld zu verlassen (wie aber die Beigeladene ausdrücklich meint) und sich nach Bulgarien zu begeben, wo sie nach ihrer glaubhaften Aussage keine Bezugspersonen befinden und sie die Zuhälter vermutet, aus deren Einflussbereich sie gerade entkommen ist. Nachvollziehbar hat die Bezugsbetreuerin der Antragstellerin zu 1) geschildert, dass eine längerfristige psychosoziale Betreuung der Antragstellerin zu 1) erforderlich ist, die an ihrem derzeitigen Aufenthaltsort gewährleistet ist.

Das Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 4 AufenthG ist allerdings ausdrücklich nur für einen vorübergehenden Aufenthalt bestimmt. Ein Daueraufenthaltsrecht kann aufgrund dieser Vorschrift nicht begründet werden (OVG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 21.01.2006 - 2 M 217/05). Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R) ist nur ein Aufenthaltsrecht, das eine längerfristige Bleibeperspektive vermittelt und das deshalb auch einer Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht entgegensteht, geeignet, als Ausnahme zu § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II den Zugang zu Leistungen nach dem SGB II zu eröffnen. Ohne längerfristige Bleibeperspektive sei die Eröffnung des Zugangs zu diesen Leistungen einschließlich denen zur Eingliederung in Arbeit nicht sachgerecht. Zum Fall eines Aufenthaltsrechts aus humanitären Gründen aufgrund einer Risikoschwangerschaft hat das BSG ausgeführt, die allenfalls in Betracht kommende Erteilung und ggf. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG möge mit einem erlaubten, aber nur vorübergehenden Aufenthalt zwar eine Antwort des Aufenthaltsrechts auf eine Krisensituation bieten, lasse die Anwendung des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nach dessen Sinn und Zweck indes unberührt.

Diese Einschränkung steht im vorliegenden Fall der Nichtanwendung des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Ein "vorübergehender" Aufenthalt iSd § 25 Abs. 4 AufenthG ist nicht mit einem "kurzen" Aufenthalt, der nach der Rechtsprechung des BSG (die anlässlich einer bei der dortigen Klägerin bestehenden Risikoschwangerschaft ergangen ist) den Zugang zum SGB II-Leistungssystem nicht eröffnen soll, gleichzusetzen. So wird zB in der obergerichtlichen Rechtsprechung ein Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 4 AufenthG zur Ausübung des Umgangsrechts mit minderjährigen Kindern bejaht (OLG Koblenz Beschluss vom 17.07.2008 - 7 UF 208/08). Dieser Zustand kann sich über mehrere Jahre, d.h. einen Zeitraum, der zweifellos einen Zugang zu Leistungen nach dem SGB II und entsprechende Integrationsbemühungen rechtfertigt, erstrecken.

Glaubhaft ist, dass der Zeitraum, den die Antragstellerin zu 1) zur Überwindung ihrer Traumatisierung und Stabilisierung ihrer Lebensverhältnisse benötigen wird, den für vorläufige Leistungen gesetzlich maßgeblichen Zeitraum von sechs Monaten (§ 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II) deutlich überschreiten wird, Integrationsbemühungen in das Arbeitsleben sinnvoll und erfolgsversprechend erscheinen und sie als freizügigkeitsberechtigte Unionsbürgerin eine längerfristige Bleibeperspektive hat.

Der Anordnungsanspruch der Antragstellerin zu 2) folgt aus § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Ihr Aufenthaltsrecht ergibt sich zumindest aus § 33 AufenthG.

Ein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit liegt angesichts des existenzsichernden Charakters der begehrten Leistungen vor und wird von dem Antragsgegner nicht bestritten. Die gezahlten Leistungen der Beigeladenen sind anzurechnen.

Bei der Festlegung des Leistungszeitraums hat der Senat sich an § 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II orientiert.

Da die Rechtsverfolgung von Beginn an hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat, steht den Antragstellerinnen für beide Rechtszüge Prozesskostenhilfe zu (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 ff ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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