L 7 AS 848/14

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 2 AS 148/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 848/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 47/17 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Oktober 2014 abgeändert und der Bescheid des Beklagten vom 14. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2012 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die regelmäßige Übernahme von Reisekosten des Klägers nach China zu seiner dort lebenden Ehefrau, um den Verpflichtungsausspruch, dass zukünftig entsprechende Kosten regelmäßig übernommen werden sowie um die entsprechende Freistellung von der Erreichbarkeitspflicht für die Zeit der Auslandsreisen. Der 1954 geborene Kläger ist deutscher Staatsbürger und lebte bis Februar 2007 in Singapur, wo er Frau B., eine chinesische Staatsangehörige, heiratete. Seit seiner Rückkehr nach Deutschland erhält er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Das Ehepaar lebt seit der Rückkehr des Klägers nach Deutschland räumlich voneinander getrennt. Der Beklagte bewilligte dem Kläger auf der Grundlage von dessen Weiterbewilligungsantrag vom 2. März 2011 (Bl. 514 Rückseite der Verwaltungsakte) mit Bescheid vom 15. März 2011 (Bl. 527a ff. der Verwaltungsakte) vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2011. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 18. März 2011 (Bl. 534 der Verwaltungsakte) hinsichtlich des Abzuges von 26,80 Euro (71,56 Euro – 44,76 Euro) im April 2011 Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 26. März 2011 (Bl. 537 der Verwaltungsakte) erhöhte der Beklagte die Leistungen unter Berücksichtigung einer Regelleistung für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2011 in Höhe von 364 Euro monatlich. Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 26. März 2011 (Bl. 557 der Verwaltungsakte) gewährte der Beklagte höhere Leistungen unter Berücksichtigung der vollen Heizkosten ohne Abzug einer Warmwasserpauschale für den Bewilligungszeitraum. Mit Schreiben vom 27. April 2011 (Bl. 560 der Verwaltungsakte) ergänzte der Kläger seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. März 2011 in der Fassung der Bescheide vom 26. März 2011 und vom 18. April 2011 dahingehend, dass er die seit 1. Januar 2011 nicht mehr übernommenen Rentenversicherungsbeiträge und höhere verfassungsmäßige Regelleistungen geltend mache. Den Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 15. März 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. März 2011 und vom 18. April 2011 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2011 (Bl. 587 der Verwaltungsakte) als unbegründet zurück. Dagegen erhob der Kläger am 26. August 2011 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (S 2 AS 1210/11). Mit Beschluss vom 12. Juli 2012 trennte das Sozialgericht Frankfurt am Main das Verfahren hinsichtlich des Antrages auf Übernahme von Rentenversicherungsbeiträgen ab und führte es unter dem Aktenzeichen S 2 AS 971/12 fort. Mit Urteil vom 16. Oktober 2014 wies das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage aus dem Verfahren S 2 AS 971/12 ab. Über die dagegen vom Kläger erhobene Berufung (L 7 AS 149/15) hat der Senat bislang noch nicht entschieden. Mit Beschluss vom 12. Juli 2012 trennte das Sozialgericht Frankfurt am Main das Verfahren hinsichtlich der Bewilligung höherer Regelleistungen ebenfalls ab und führte dieses Verfahren unter dem Aktenzeichen S 2 AS 991/12 fort. Mit Urteil vom 16. Oktober 2014 wies das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage aus dem Verfahren S 2 AS 991/12 ab. Über die dagegen vom Kläger erhobene Berufung (L 7 AS 150/15) hat der Senat bislang noch nicht entschieden. Mit Urteil vom 16. Oktober 2014 wies das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage aus dem Verfahren S 2 AS 1210/11 ab. Die dagegen vom Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde (L 7 AS 369/15 NZB) hat der Senat mit Beschluss vom 24. März 2016 wegen Fristversäumung als unzulässig verworfen. Mit Schreiben vom 31. August 2011 (Bl. 604 der Verwaltungsakte) beantragte der Kläger die Übernahme von Reisekosten sowie die Freistellung von der Erreichbarkeitspflicht zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seiner Ehefrau und zur Aufrechterhaltung des Ehe- und Familienverbandes. Er lebe unfreiwillig von seiner Gattin getrennt, weil sie über keine materiellen Mittel zur dauerhaften Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland verfüge. Der Umgang mit seiner Ehefrau entspreche dem rechtlich anerkannten Umgang mit getrennt lebenden Kindern. Dazu habe das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (Az. L 1 SO 133/10 B ER) entschieden, dass grundsätzlich auch Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit im Ausland lebenden Kindern übernommen werden müssten. Die Kosten für eine Reise bezifferte der Kläger mit rund 950 Euro. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 14. September 2011 ab. Es gebe keine Rechtsgrundlage im SGB II für einen entsprechenden Anspruch. Einem Antrag auf Ortsabwesenheit könne für die Dauer von drei Wochen stattgegeben werden und bedürfte der gesonderten Antragstellung beim zuständigen Arbeitsvermittler. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch des Klägers vom 16. September 2011 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2012 (BI. 644 der Verwaltungsakte) als unbegründet zurück. Mit einem beim Sozialgericht Frankfurt am Main am 1. Februar 2012 eingegangenem Schriftsatz erhob der Kläger Klage und stellte einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (S 2 AS 147/12 ER). Den Eilantrag lehnte das Sozialgericht Frankfurt am Main mit einem Beschluss vom 28. März 2012 ab. Eine Beschwerde dagegen wies das Hessische Landessozialgericht mit Beschluss vom 6. Juli 2012 (L 7 AS 275/12 B ER) zurück. Der Kläger trug im Klageverfahren im Wesentlichen vor, seit seiner Deutschlandrückkehr im Februar 2007 habe sich der Kontakt zu seiner Ehefrau auf regelmäßige Telefonate und SMS, geringen Postverkehr und seltenen Online-Chats im Internet reduziert. Durch diesen langen Zeitraum drohe die völlige Entfremdung und der Bestand der Ehe und Familie sei gefährdet. Zur Aufrechterhaltung von Ehe und Familie sei daher eine baldige Reise nach China dringend notwendig. Ein Umgangsrecht müsse auch für ungewollt abwesende Ehepartner anerkannt werden und dürfe sich nicht auf bestimmte Familienangehörige (Kinder) beschränken. Ergänzend trug der Kläger unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 4. September 2012,Az. 10 C 12.12) vor, solange die Familienzusammenführung, mithin der Ehegattennachzug, ausländerrechtlich verhindert werde, sei jedenfalls der regelmäßige Umgang der Ehegatten miteinander zu ermöglichen. Der Kläger beantragte durch Schriftsatz vom 7. April 2014, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 14. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2012 zu verpflichten, einmal jährlich die notwendigen Kosten zur Ausübung des Umgangsrechtes mit seiner Ehefrau B. in der Volksrepublik China (Guangxi) für eine dreiwöchige Reisedauer zu übernehmen und ihn für diesen Zeitraum nebst der jeweiligen Abreise- und Ankunftstage von bzw. in Deutschland ohne Schmälerung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von der gesetzlichen Erreichbarkeitspflicht gemäß § 7 SGB II freizustellen. Außerdem beantragte der Kläger, auszusprechen, dass die jeweils zu übernehmenden notwendigen Kosten auch die Aufwendungen für die Beschaffung des für die Einreise in die Volksrepublik China erforderlichen Visums, für die Registrierung des Aufenthaltes bei der örtlichen Ausländerbehörde in China, für die Beschaffung von Landeswährung (Bankwechselgebühren) sowie Verpflegungsmehraufwendungen und ggf. Übernachtungsmehraufwendungen i.S. des Bundesreisekostengesetzes, sowohl während der An- und Abreise zum bzw. vom Wohnort als auch zur örtlichen Ausländerbehörde umfassen und auszusprechen, dass der Beklagte diejenigen bereits verstrichenen bzw. dem Kläger entgangenen Aufenthaltszeiträume, die seit Antragstellung am 31. August 2011 laufend zu bewilligen gewesen wären, nachträglich kumuliert anlässlich der ersten Kostenübernahme bzw. Freistellung zu gewähren habe. Dem trat der Beklagte entgegen. Mit Urteil vom 16. Oktober 2014 wies das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage ab. Die Klage sei insgesamt unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Übernahme von Reise- und Nebenkosten für mehrtägige Aufenthalte in China. Die Voraussetzungen eines - hier allein in Betracht kommenden - Mehrbedarfes nach § 21 Absätze 1 und 6 SGB II seien nicht gegeben. Der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 14. September 2011 erweise sich als rechtmäßig. Die Vorschrift (in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung) laute:

"(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 6, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind. (6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht." Der Kläger begehre die Kostenübernahme von Aufwendungen (Reisekosten, Verpflegungs- und Übernachtungsmehraufwand, Visumsbeschaffungskosten und weiteres mehr), die ihm entstehen, wenn er seine in China lebende Ehefrau besuche. Mit regelmäßigen Besuchen solle ein eheliches Zusammenleben verwirklicht und einer gegenseitigen Entfremdung vorgebeugt werden. Das Gericht gehe weiterhin davon aus, dass das Anliegen des Klägers grundsätzlich in den Schutzbereich des Artikels 6 Absatz 1 Grundgesetz (GG) falle: "(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung." Bei der Anwendung und Auslegung der hier zu prüfenden Rechtsgrundlage - Mehrbedarf in Form eines im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfes - müsse der Bedeutung und Tragweite des betroffenen Grundrechtes durch die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ausreichend Rechnung getragen werden (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 25. Oktober 1994, 1 BvR 1197/93). Gleichzeitig gelte indes zu bedenken, dass auch hinsichtlich eines betroffenen Grundrechtes keine unbeschränkte Sozialisierung der aufzuwendenden Folgekosten möglich sei (so in vergleichbarer Rechtslage zum Umgangsrecht und Scheidungsfolgekosten, Bundessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 14/06 R). Zwar umfasse der Schutz des Artikel 6 Absatz 1 GG auch das Recht auf ein eheliches Zusammenleben, wie es der Kläger geltend mache. Insoweit sei aber schon zweifelhaft, ob ein solches Zusammenleben vom Kläger überhaupt angestrebt werde. Die Bildung einer Lebensgemeinschaft sei auch unter Durchführung regelmäßiger Besuchsreisen nicht ersichtlich. Eine Fernbeziehung in der Ehe sei zwar unter Berücksichtigung der wachsenden Mobilität in der Gesellschaft nicht ungewöhnlich, entspreche aber gleichwohl nicht dem Bild des Grundgesetzes der angestrebten ehelichen Lebensgemeinschaft und sei daher schon unter diesem Gesichtspunkt nicht in gleicher Weise aus verfassungsrechtlicher Sicht förderungswürdig. Die mit Artikel 6 GG allgemein getroffene Wertentscheidung habe darüber hinaus nicht zur Folge, dass der Staat die Familie ohne Rücksicht auf sonstige öffentliche Belange zu fördern habe. Vielmehr stehe die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen stets unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen könne. Das Schutz- und Förderungsgebot gehe nicht soweit, dass der Staat gehalten wäre, jegliche die Familie betreffende Belastung auszugleichen. Aus diesen Überlegungen heraus gelange die Kammer - den vorgenannten Ausführungen des Eilbeschlusses vom 28. März 2012 und den Ausführungen des Hessischen Landessozialgericht, Beschluss vom 6. Juli 2012, in gleicher Sache weiterhin folgend - zu der Überzeugung, dass die geltend gemachten Reisekosten keinen unabweisbaren Bedarf im Sinne des § 21 Absatz 6 SGB II darstellten. Bei dieser Sach- und Rechtslage sei der Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21 Absatz 6 SGB II abzulehnen. Soweit der Kläger seinen Leistungsanspruch ergänzend auf die ausländerrechtliche Gesetzeslage stütze, könne dies für den hier zu entscheidenden Mehrbedarf nach dem SGB II nicht entscheidungserheblich sein. Die Kammer folge insoweit den Ausführungen des Hessischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 6. Juli 2012), wonach sich die Mitglieder einer Ehegemeinschaft auf die ausländerrechtlich und verfassungsrechtlich zulässigen Möglichkeiten zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Zuzug des im Ausland lebenden Ehegatten verweisen lassen müssten und Artikel 6 GG nicht vor den wirtschaftlichen Schwierigkeiten schützt, die mit einer solchen Übersiedlung verbunden sein können. Ein sozialer Ausgleich für verfassungsrechtlich und ausländerrechtlich zulässige Eingriffe in die eheliche Lebensgemeinschaft könne verfassungsrechtlich nicht geboten sein und damit auch keinen unabweisbaren besonderen Bedarf im Sinne des § 21 Absatz 6 Satz 1 SGB II begründen. Mangels Anspruch auf die begehrte Kostenübernahme für jährliche Auslandsreisen, bestehe für den Kläger auch kein damit korrespondierender Anspruch auf eine Befreiung von der Erreichbarkeitspflicht nach § 7 Absatz 4a SGB II.

Dieses Urteil wurde dem Kläger am 12. November 2014 zugestellt. Dagegen hat er am 10. Dezember 2014 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Der Kläger hält an seiner erstinstanzlich vertretenen Rechtsauffassung fest.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Oktober 2014 und den Bescheid des Beklagten vom 14. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ab 31. August 2011 einmal jährlich die notwendigen Kosten zur Ausübung des Umgangsrechtes mit seiner Ehefrau B. in der Volksrepublik China (Guangxi) für eine dreiwöchige Reisedauer einschließlich der Aufwendungen für die Beschaffung des für die Einreise in die Volksrepublik China erforderlichen Visums, für die Registrierung des Aufenthaltes bei der örtlichen Ausländerbehörde in China, für die Beschaffung von Landeswährung (Bankwechselgebühren) sowie Verpflegungsmehraufwendungen und ggf. Übernachtungsmehraufwendungen i.S. des Bundesreisekostengesetzes während der An- und Abreise zum bzw. vom Wohnort und zur örtlichen Ausländerbehörde zu übernehmen und ihn für diesen Zeitraum einschließlich des jeweiligen Abreise- und Ankunftstages von bzw. in Deutschland ohne Schmälerung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von der gesetzlichen Erreichbarkeitspflicht gemäß § 7 SGB II freizustellen, und zwar mit Wirkung ab Antragstellung.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der über den Kläger bei der Beklagten geführten Leistungsakte, die dem Gericht vorgelegen haben und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Sie ist auch statthaft gemäß §§ 143 und 144 SGG. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft, denn die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Mehrbedarfs zur Ausübung des Umgangsrechtes mit seiner Ehefrau B. in der Volksrepublik China für den Kläger ab 31. August 2011, also für mehr als ein Jahr.

Die Berufung ist auch teilweise begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 14. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2012, mit dem es der Beklagte mit einem gesonderten Bescheid abgelehnt hat, dem Kläger ab 31. August 2011 einen laufenden, nicht vermeidbaren, besonderen Bedarf zur Ausübung des Umgangsrechtes mit seiner Ehefrau B. in der Volksrepublik China zu gewähren und ihn während der Reisezeit von der gesetzlichen Erreichbarkeitspflicht gemäß § 7 SGB II freizustellen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Für den Erlass eines gesonderten Bescheides zur Entscheidung über den vom Kläger mit Schreiben vom 31. August 2011 geltend gemachten laufenden, nicht vermeidbaren, besonderen Bedarf zur Ausübung des Umgangsrechtes mit seiner Ehefrau B. in der Volksrepublik China besteht keine Rechtsgrundlage. Vielmehr muss der Beklagte im Rahmen der Leistungsbewilligung auch über einen geltend gemachten laufenden, nicht vermeidbaren, besonderen Bedarf entscheiden. Die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts kann abgesehen von den Kosten der Unterkunft nicht in rechtlich zulässiger Weise in weitere Streitgegenstände aufgespalten werden (siehe nur Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 49/10 R, Juris Rdnr. 13 m.w.N.). Dementsprechend hätte der Beklagte keinen gegenüber dem Bewilligungsbescheid vom 15. März 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. März 2011 und vom 18. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2011, mit dem der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gewährt hat, und den Bewilligungsbescheiden für nachfolgende Bewilligungsabschnitte gesonderten Bescheid erlassen dürfen. Dieser Bescheid verletzt den Kläger auch in seinen Rechten, weil in diesem Bescheid eine Entscheidung nicht nur über den besonderen Bedarf für die Zeit bis zum 30. September 2011 getroffen wurde, sondern dieser besondere Bedarf auf Dauer abgelehnt werden sollte. Dies ergibt sich aus der Auslegung des angefochtenen Bescheides. Der Kläger hat nach Erlass des Bescheides des Beklagten vom 15. März 2011, mit dem ihm für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährt wurden, einen "Antrag auf Übernahme von Reisekosten sowie die Freistellung von der Erreichbarkeitspflicht" zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seiner Ehefrau und zur Aufrechterhaltung des Ehe- und Familienverbandes gestellt. Mit Bescheid vom 14. September 2011 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab, da es keine Rechtsgrundlage im SGB II für einen entsprechenden Anspruch gebe und einem Antrag auf Ortsabwesenheit zwar für die Dauer von drei Wochen stattgegeben werden könnte, dafür aber eine gesonderte Antragstellung beim zuständigen Arbeitsvermittler notwendig wäre. Daraus ist zu schließen, dass der Beklagte diese Ablehnung nicht nur für den noch bis zum 30. September 2011 laufenden Bewilligungsabschnitt, sondern auf Dauer aussprechen wollte, weil er andernfalls allein darauf hätte verweisen müssen, dass er eine Änderung der bereits mit Bescheid vom 15. März 2011 erfolgten Bewilligung von Leistungen ablehne.

Dem Kläger können jedoch in diesem Verfahren für die Zeit ab dem 31. August 2011 keine höheren Leistungen unter Berücksichtigung eines besonderen Bedarfs in Hinblick auf die Ausübung des Umgangsrechtes mit seiner Ehefrau B. in der Volksrepublik China zugesprochen und keine Freistellung von der Obliegenheit zur Erreichbarkeit erteilt werden, da eine gesonderte Bewilligung oder Ablehnung eines besonderen Bedarfs nicht zulässig ist. Im Übrigen steht der vom Kläger geltend gemachte Anspruch diesem auch materiell nicht zu. Insofern wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts Frankfurt am Main im angegriffenen Urteil, die sich der Senat nach Prüfung zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG), und auf die Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 6. Juli 2012 (L 7 AS 275/12 B ER) verwiesen (so auch Knickrehm/Hahn, in: Eicher (Hrsg.), SGB II - Grundsicherung für Arbeitssuchende, Kommentar, 3. Auflage, 2013, § 21 Rdnr. 73a).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei war ausschlaggebend, dass der Kläger in seinem materiellen Begehren keinen Erfolg hatte.

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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