S 14 AS 879/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 AS 879/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 776/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zum die Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides vom 21.07.2016 für die Zeit vom 01.08.2016 bis 31.10.2016 über jeweils 10 % des jeweiligen Regelsatzes, das sind monatlich 36,40 EUR, aufgrund eines Meldeversäumnisses der Klägerin am 23.05.2016, zum anderen ein Anspruch der Kläger auf Unterlassung der "Mehrfachladung wegen der gleichen Begründung".

Der 1983 geborene Kläger und die 1981 geborene Klägerin sind verheiratet und wohnen zusammen. Sie beziehen seit 09.01.2009 - mit kurzen Unterbrechungen - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten, zuletzt (wegen einer vom Kläger ausgeübten selbständigen Tätigkeit vorläufig) bewilligt mit Bescheiden vom 31.03.2016 (März bis August 2016) und 12.07.2016 (September 2016 bis Februar 2017) in monatlich unterschiedlicher Höhe.

Mit Folgeeinladung vom 10.05.2016 lud der Beklagte die Klägerin, die seit Beginn des Leistungsbezuges noch keinen einzigen Meldetermin beim Beklagten wahrgenommen hat, am 23.05.2016 um 9:30 Uhr in Raum 211 ein, um mit ihr über ihre Mitarbeit im Betrieb des Klägers zu sprechen. Zuvor hatten die Kläger dem Beklagten wiederholt mitgeteilt, dass die Klägerin nun im "Betrieb" des Klägers mitarbeite. Nähere Angaben zu Art und Umfang der Mitarbeit haben sie trotz mehrfacher Nachfrage bisher nicht gemacht. Die Meldeaufforderung enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung über eine mögliche weitere 10%-Sanktion für die Dauer von drei Monaten im Falle des Nichterscheinens ohne wichtigen Grund.

Zum Meldetermin am 23.05.2016 erschien die Klägerin ohne Angabe von Gründen nicht.

Auf die Anhörung vom 25.05.2016 zur beabsichtigten Sanktion vertrat die Klägerin die Ansicht, die Meldeaufforderung sei als gegenstandslos anzusehen, da sie im Betrieb des Klägers mitarbeite.

Mit Sanktionsbescheid vom 21.07.2016 stellte der Beklagte die Minderung des Arbeitslosengeld II-Anspruchs der Klägerin für die Zeit vom 01.08.2016 bis 31.10.2016 um 10 % der Regelleistung, also um 36,40 EUR monatlich, fest. Die Klägerin sei trotz Kenntnis der Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 23.05.2016 ohne wichtigen Grund nicht erschienen. Die Mitarbeit im Betrieb des Klägers befreie die Klägerin nicht von ihrer Meldepflicht als Arbeitslosengeld II-Bezieherin.

Hiergegen erhoben die Kläger am 25.07.2016 Widerspruch. Sie vertraten die Ansicht, die Ladungen "wegen der gleichen Gründe" verstoßen gegen "das BSG-Urteil".

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2016 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger als unbegründet zurück. Der angefochtene Bescheid sei nicht zu beanstanden; insbesondere stehe er im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).

Hiergegen erhoben die Kläger am 03.08.2016 Klage zum Sozialgericht Augsburg. Zur Begründung führten sie aus, das BSG habe mit Urteil vom 29.04.2015, Az.: B 14 AS 19/14 R, "ganz klar untersagt", dass "mehrfach wegen der gleichen Sache geladen" werde.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesenden und auch nicht vertretenen Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß, 1. den Bescheid vom 21.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2016 aufzuheben, 2. den Beklagten zu verurteilen, Meldeaufforderungen, die sich auf einen bereits in vorangegangenen Meldeaufforderungen genannten Grund beziehen, künftig zu unterlassen.

Der in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht vertretene Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte den Rechtsstreit auch in Abwesenheit der Beteiligten verhandeln und entscheiden. Die Beteiligten waren ordnungsgemäß geladen und wurden in der Ladung jeweils auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen (§§ 110, 126, 132 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

I. 1. Die Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 21.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2016 ist unzulässig. Klagebefugt ist im Hinblick auf den streitgegenständlichen Sanktionsbescheid nur die Klägerin, da nur ihre Leistungen aufgrund der Sanktion gemindert werden und deshalb nur sie hiervon beschwert ist.

2. Die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 21.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2016 ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Sanktionsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

§ 32 Abs. 1 SGB II regelt, dass bei Leistungsberechtigten, die trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommen, sich das Arbeitslosengeld II jeweils um 10 % des für sie nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs mindert. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

Vorliegend wurde die Klägerin mit Schreiben vom 10.05.2016 zu einem Termin am 23.05.2016 eingeladen. Nach § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) hat sich der Leistungsberechtigte - und das ist die Klägerin auch im Falle einer Beschäftigung im Betrieb ihres Ehemannes, des Klägers, weiterhin - ab Antragstellung persönlich beim SGB-II-Leistungsträger zu melden, wenn der Leistungsträger ihn dazu auffordert. Die Meldeaufforderung muss sich auf einen in § 309 Abs. 2 SGB III aufgezählten Grund beziehen. Dies ist hier der Fall; der Meldezweck der Besprechung der Mitarbeit der Klägerin im Betrieb ihres Ehemannes dient sowohl der Prüfung von Leistungsvoraussetzungen (§ 309 Abs. 2 Nr. 5 SGB II) als der Klärung der Frage, ob und inwieweit weiterhin Leistungen des Beklagten zur Vermittlung der Klägerin in Arbeit erforderlich sind (§ 309 Abs. 2 Nr. 2 SGB II).

Ein Meldeversäumnis liegt dann vor, wenn der Leistungsberechtigte sich nicht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort meldet, der in der Aufforderung genannt ist. Insofern liegt ein Meldeversäumnis vor, da die Klägerin am 23.05.2016 nicht beim Beklagten vorgesprochen hat. Der Verstoß gegen die Meldeaufforderung ist der Klägerin auch subjektiv vorwerfbar. Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Klägerin die Aufforderung des Beklagten vom 10.05.2016, am 23.05.2016 bei ihm vorzusprechen, erhalten hat. Dennoch hat die Klägerin den Termin nicht wahrgenommen.

Voraussetzung für eine Sanktionierung ist die vorherige schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis. Hier hatte der Beklagte die Klägerin mit Einladungsschreiben vom 10.05.2016 konkret, richtig, vollständig und zeitnah darüber belehrt, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens für sie ergeben, wenn für diese kein wichtiger Grund vorliegt. Die Klägerin wurde explizit auf die weitere Minderung ihrer Leistungen nach dem SGB II um 10 % des für sie maßgebenden Regelbedarfs für einen Zeitraum von drei Monaten hingewiesen.

Ein wichtiger Grund für das Nichterscheinen am 23.05.2016 liegt nicht vor. Als wichtige Gründe sind alle Umstände anzusehen, die eine Meldung unmöglich gemacht haben oder diese als unzumutbar erscheinen lassen, so dass ein anderes Verhalten billigerweise nicht zu erwarten war. Ein solcher Umstand liegt nicht in der behaupteten Mitarbeit der Klägerin im Betrieb des Klägers begründet. Ein bloßer Hinweis auf das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ist nicht ausreichend als wichtiger Grund. Erforderlich wäre vielmehr der Nachweis, dass die Klägerin sich nicht von ihrer Arbeitsverpflichtung freistellen lassen oder Urlaub in Anspruch nehmen konnte, um den streitigen Meldetermin wahrzunehmen. Entsprechendes hat sie aber nicht einmal vorgetragen.

Soweit die Kläger sich darauf berufen, das BSG habe "ganz klar untersagt", dass "mehrfach wegen der gleichen Sache geladen" werde, ist dies schon nicht zutreffend. Vielmehr hat das BSG mit Urteil vom 29.04.2015 (Az.: B 14 AS 19/14 R = SozR 4-4200 § 31a Nr. 1, dort Rn. 45ff.) lediglich entschieden, dass ein Jobcenter ab der vierten ("nach der dritten") gleichlautenden Meldeaufforderung mit dem Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins Ermessen ausüben muss, ob die weitere - also die vierte - gleichlautende Meldeaufforderung den Leistungsbezieher noch bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützen kann oder ob sie nur noch der Minderung seines Arbeitslosengeld II-Anspruchs dient. Der Meldezweck "Besprechung der Mitarbeit im Betrieb des Klägers" wurde vor der streitgegenständlichen Meldeaufforderung vom 10.05.2016 erst zweimal verfolgt (Meldeaufforderungen vom 11.12.2015 und vom 05.04.2016). Das vorgenannte BSG-Urteil betrifft insoweit erst die vierte gleichlautende Meldeaufforderung und steht dem streitgegenständlichen Vorgehen des Beklagten, das auch im Übrigen nicht zu beanstanden ist, nicht entgegen.

Der Beklagte hat Dauer und Umfang der Leistungsminderung gemäß § 32 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II i.V.m. § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II zutreffend bestimmt. Die Frist des § 31b Abs. 1 Satz 5 SGB II ist eingehalten.

II. Die Klagen der Kläger auf Unterlassung der "Mehrfachladung wegen der gleichen Begründung" sind unzulässig.

Das Klagebegehren ist sinngemäß darauf gerichtet, dass der Beklagte Meldeaufforderungen, die sich auf einen bereits in vorangegangenen Meldeaufforderungen genannten Grund beziehen, künftig unterlassen soll. Insoweit handelt es sich um eine sog. vorbeugende Unterlassungsklage, denn das Begehren der Kläger ist auf die Zukunft gerichtet.

Für vorbeugende Unterlassungsklagen ist ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis erforderlich (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 54 Rn. 42a, m.w.N.). Daran fehlt es, wenn der Betroffene auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Auch im vorliegenden Fall ist ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse nicht gegeben. Es ist den Klägern weiterhin zuzumuten, gegen vermeintlich rechtswidrige belastende Bescheide mit Widerspruch und Klage vorzugehen, siehe § 54 SGG.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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