S 2 AL 1779/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 1779/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für die Frage, ob ein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 24 Abs. 1 Fall 1 SGB III der Versicherungspflicht unterliegt, ist ausschließlich der beitragsrechtliche Beschäftigungsbegriff maßgeblich, da die damit verbundene statusrechtliche Einordnung in allen Bereichen der Sozialversicherung nur einheitlich beurteilt werden kann.
Der Bescheid vom 26.04.2016 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 04.05.2016 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Zugrundelegung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung für die SG GmbH & Co KG Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 09.03.2016 bis 04.09.2016 zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld und in diesem Zusammenhang die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status einer vom Kläger ausgeüb-ten Tätigkeit als Leiter einer Schnellrestaurantfiliale. Der Kläger und sein Vater betrieben gemeinsam eine Burger King Filiale in der Karlsruher Straße 48 in Pforzheim, wobei der Kläger nach eigener Angabe als "Be-triebsleiter" bei der Firma SG GmbH & Co KG (GmbH & Co KG) tätig gewesen ist. Gemäß dem zu Grunde liegenden Gesellschaftsvertrag vom 13.03.2007 ist als Un-ternehmensgegenstand der GmbH & Co KG die Errichtung und das Betreiben von Restaurants vorgesehen. Persönlich haftende Gesellschafterin der GmbH & Co KG ist nach § 4 des Gesellschaftsvertrags die SG Verwaltungs GmbH (Komplementä-rin). Alleiniger Kommanditist der GmbH & Co KG ist der Vater des Klägers mit einer Kommanditeinlage von 1.000,00 EUR. Alleiniger Gesellschafter der Komplementärin ist ebenfalls der Vater des Klägers, wobei nach § 3 des Gesellschaftsvertrags der Komplementärin das Grund- und Stammkapital 25,000 EUR beträgt. Geschäftsführer der Komplementärin war zunächst ebenfalls der Vater des Klägers, bis der Kläger am 20.09.2012 zum Geschäftsfüh-rer der Komplementärin bestellt wurde. Weder der Kläger selbst noch sein Vater betrieben weitere Firmen. Schriftliche Ar-beitsverträge zwischen dem Kläger und der GmbH & Co KG, der Komplementärin oder dem Vater über eine Beschäftigung als Geschäftsführer oder Betriebsleiter schlossen diese nicht ab. Gemäß den von der GmbH & Co KG ausgestellten Lohnabrechnungen führte diese in der Zeit vom 01.02.2015 bis 04.03.2016 für den Kläger auf Grundlage eines Brut-toentgelts von 4.450,00 EUR nebst weiterer steuerfreier Lohbestandteile Sozialabga-ben zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung ab. Am 29.12.2015 kam es zu einem Brand in der vom Kläger geleiteten Filiale, wo-raufhin die GmbH & Co KG das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 04.03.2016 aus wichtigem Grund außerordentlich kündigte. Am 09.03.2016 meldete sich der Kläger persönlich arbeitssuchend und gab dabei an, für die GmbH & Co KG als "Geschäftsführer" tätig gewesen zu sein, bis die Kündigung erfolgt sei, weil die Versicherung nichtrechtzeitig gezahlt habe. Er habe der NT-Systemgastronomie GmbH & Co KG ein Darlehen in Höhe von 44.000,00 EUR gewährt. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 26.04.2016 ab, da der Kläger innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem 09.03.2016 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen sei und damit die erforderliche An-wartschaftszeit nicht erfüllt habe. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 28.04.2016 Widerspruch ein. Die Beklagte zog eine vom Arbeitgeber ausgestellte Arbeitsbescheinigung bei. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zu-rück. Der Kläger erfülle zwar seit dem 09.03.2015 die sonstigen Anspruchsvoraus-setzungen, habe aber innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist nach § 143 Abs. 1 SGB III die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, denn er sei als selbständiger Geschäfts-führer nicht versicherungspflichtig im Sinne der §§ 24, 26 und 28a SGB III gewe-sen. Nach dem Gesamtbild liege eine selbständige Tätigkeit vor, wie das Darlehen von 44.000,00 EUR zeige. Entsprechend komme es auf eine Beitragsentrichtung nicht an. Der Kläger hat am 31.05.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben. Er trägt zur Begründung seiner Klage vor, er sei nicht als Geschäftsführer im Rechtssinne, sondern als Betriebsleiter tätig gewesen. Bei der Tätigkeit habe er den Anweisungen seines Vaters zu folgen gehabt. Auch die wöchentliche Arbeits-zeit habe ihm der Vater vorgegeben. Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 26.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheids vom 04.05.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Zugrundelegung einer versicherungspflichtigen Beschäfti-gung für die NT Systemgastronomie GmbH & Co KG in der Zeit vom 09.03.2016 bis 04.09.2016 Arbeitslosengeld nach den gesetzlichen Vor-gaben zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verweist zunächst auf die Gründe des Widerspruchsbescheids und ergänzt, dass die Abführung von Sozialabgaben zwar ein Indiz für eine abhängige Beschäf-tigung darstellen, nicht aber den Beweis dafür erbringen könne. Der Vater des Klä-gers habe einen Beruf im Bauwesen erlernt. Der Kläger sei nach außen hin allein-vertretungsberechtigt gewesen und habe selbständig Personal einstellen und ent-lassen können. Im Übrigen sei ungeklärt, ob die Entscheidung des Bundessozialge-richts (BSG) vom 29.07.2015 (Az. B 12 KR 23/13 R) auch im Bereich der Arbeitslo-senversicherung Anwendung finden könne. Das BSG habe in der Entscheidung (zitiert nach Juris, dortige Rn. 32) offen gelassen, ob im Bereich der Arbeitsförde-rung einen leistungsrechtliche Interpretationen des Beschäftigungsbegriffs erfolgen müsse. Der Kläger hat am 05.09.2016 eine neue Arbeitsstelle als Filialleiter bei einer Le-bensmittelkette aufgenommen und auf Anforderung des Gerichts die Gesellschafts-verträge der GmbH & Co KG sowie der Komplementärin vorgelegt. Das Gericht hat Auszüge aus dem elektronischen Handelsregister des Amtsge-richts M zur Gerichtsakte genommen und den Rechtsstreit mit den Beteiligten erör-tert. Dort hat es darauf hingewiesen, dass das BSG seine "Kopf-und-Seele-Rechtsprechung" aufgeben habe, so dass es auf die rechtlichen Befugnisse des Klägers ankomme. Im Zuge des Erörterungstermins haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Das Amtsgericht P - Insolvenzgericht - hat mit Beschluss vom 23.11.2016 für die GmbH & Co KG einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte nebst beigezogener Verwaltungsakte verwiesen, welche Gegen-stand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

A.) Die Entscheidung konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung ergehen, nachdem die Beteiligten einem entsprechenden Vorgehen zugestimmt haben. B.) Die form- und fristgerecht zum örtlich und sachlich zuständigen SG erhobene und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG statthafte Klage ist in vollem Umfang begründet. Der Bescheid vom 26.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2016 ist rechtswidrig und ver-letzt den Kläger auch in seinen Rechten. Er hat für die Zeit vom 09.03.2016 bis 04.09.2016 dem Grunde nach einen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosen-geld. I.) Gemäß §§ 136, 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer (1.) arbeitslos ist, (2.) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt hat. 1.) Die erforderliche Arbeitslosigkeit des Klägers lag für die Zeit ab dem 09.03.2016 vor. Arbeitslos ist nach § 138 Abs. 1 SGB III, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und (1.) nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht [Beschäftigungslosigkeit], (2.) sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden [Eigenbemühungen], und (3.) den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht [Verfügbarkeit]. a.) Ob die Eigenschaft als Arbeitnehmer vorliegt, bestimmt sich danach, ob die be-troffene Person ab dem Zeitpunkt und für die Dauer der gemeldeten Arbeitslosigkeit der Personengruppe zuzuordnen wäre, die andernfalls in dieser Zeit eine abhängi-ge Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfang ausüben würde (vergl. Val-golio in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 138 SGB III, Rn. 37). Es kommt also nicht da-rauf an, ob die bisherige Tätigkeit als selbständige Tätigkeit ausgeübt wurde, son-dern darauf, ob eine abhängige Beschäftigung angestrebt wird. Daran, dass der Kläger eine abhängige Beschäftigung angestrebt hat, bestehen für die Kammer keine Zweifel. b.) Im Übrigen ist die Kammer davon überzeugt, dass in der Zeit vom 09.03.2016 bis zum 04.09.2016 Beschäftigungslosigkeit vorgelegen hat. Dabei ist zwischen dem beitrags- und dem leistungsrechtlichen Begriff des Beschäftigungsverhältnis-ses zu unterscheiden (BSG, Urteil vom 26. November 1985 – 12 RK 51/83 –, Juris Rn. 18f). So können beitragsrechtlich als Beschäftigungsverhältnisse zu qualifizie-rende Tätigkeiten leistungsrechtlich als Beschäftigungslosigkeit anzusehen sein und umgekehrt. Die Rechtsprechung zum Beitragsrecht misst Unterbrechungen der tatsächlichen Beschäftigung von begrenzter Dauer für den Fortbestand des Be-schäftigungsverhältnisses keine Bedeutung bei, weil dem Merkmal in diesem Zu-sammenhang die Funktion zukommt, den Versicherungsschutz in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung zu gewährleisten. Als Anspruchsvoraussetzung für Leis-tungen bei Arbeitslosigkeit hat der Begriff der Beschäftigungslosigkeit dagegen die Funktion, das durch Leistungen der Arbeitslosenversicherung gedeckte Risiko zu bestimmen. Daher wird eine Beendigung oder Unterbrechung des Beschäftigungs-verhältnisses trotz eines bestehenden Arbeitsverhältnisses angenommen, wenn Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt tatsächlich nicht mehr erbracht werden BSG, Ur-teil vom 28. September 1993 – 11 RAr 69/92 –, abrufbar bei Juris). Andererseits gehören zur Beschäftigung im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III auch entgeltli-che Beschäftigungsverhältnisse, die nicht der Versicherungspflicht unterliegen (BSG, Urteil vom 15. Juni 1976 – 7 RAr 50/75 abrufbar bei Juris). Aus dem zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass Beschäftigungslosigkeit unproblematisch dann vor-liegt, wenn das bisherige Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet und eine neue Be-schäftigung noch nicht aufgenommen worden ist (Öndül in: Schlegel/Voelzke, ju-risPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 138 SGB III, Rn. 22ff). Dies zu Grunde gelegt liegt Beschäftigungslosigkeit vor, da die Ausübung einer Tä-tigkeit als Filialleiter nach der Kündigung nicht mehr erfolgte und die Lohnzahlungen mit dem 04.03.2016 geendet haben. c.) Dass der Kläger sich bemüht hat, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu been-den, zeigt sich zur Überzeugung der Kammer bereits daran, dass es ihm auch ohne Vermittlungsunterstützung der Beklagten gelungen ist, durch Aufnahme einer Tätig-keit als abhängig beschäftigter Filialleiter ab dem 05.09.2016 seine Arbeitslosigkeit zu beenden. d.) Der Kläger hat im streitigen Zeitraum auch den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung gestanden. Mit Vermittlungsbemühungen bezeichnet der Gesetzgeber letztlich nur einen zeitlichen Abschnitt, ab dem die Beklagte mit der Vermittlung beginnen kann, ohne dass es darauf ankäme, dass solche Vermittlun-gen tatsächlich erfolgen (vergl. Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 138 SGB III, Rn. 61f). Insoweit steht es dem Arbeitslosengeldanspruch nicht entgegen, wenn die Beklagte wegen einer fehlerhaften Einschätzung der Rechtslage keine konkreten Vermittlungsbemühungen unternimmt. 2.) Unstreitig hat sich der Kläger am 09.03.2016 bei der Beklagten auch persönlich arbeitslos gemeldet. 3.) Der Kläger erfüllt zuletzt auch die erforderliche Anwartschaftszeit. Die Anwart-schaftszeit hat nach § 142 Abs. 1 SGG III erfüllt, wer innerhalb der Rahmenfrist nach § 143 SGB III mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhält-nis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt nach § 143 Abs. 1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. a.) Die sonstigen Voraussetzungen von § 137 Abs. 1 SGB III hat der Kläger wie ausgeführt am 09.03.2016 erfüllt, so dass die Rahmenfrist vom 09.03.2014 bis zum 08.03.2016 andauert. b.) Innerhalb dieser Zeit hat der Kläger zur Überzeugung der Kammer durchgehend in einem Versicherungspflichtverhältnis im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB III gestan-den, denn er war in dieser Zeit als Beschäftigter im Sinne von § 24 Abs. 1 Fall 1 SGB III anzusehen. aa.) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, welcher auch das Landessozi-algericht (LSG) Baden-Württemberg (vergl. Urteil vom 23.11.2016 – L 5 R 50/16 –, Rn. 67ff, Juris) folgt, bestimmt sich der sozialversicherungsrechtliche Status nach den folgenden Grundsätzen: "Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber per-sönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und da-bei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Wei-sungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vor-nehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch einge-schränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (dazu BSG, Urteil vom 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -, in Juris). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urteil vom 19.06.2001, - B 12 KR 44/00 R -, in Juris). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vor-nehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfü-gungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekenn-zeichnet (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2012, - B 12 KR 25/10 R -, in Juris). Letzteres besteht meist in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren oder nicht ausreichend nutzen zu können; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unter-nehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demge-genüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftli-chem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen. Das für eine selbstständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko ist nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen. Ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führt, wird das tatsächliche Gesamtbild einer Beschäftigung indes-sen nicht wesentlich bestimmen (BSG; Beschluss vom 16.08.2010, - B 12 KR 100/09 B -, in Juris). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Un-ternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der säch-lichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unterneh-merisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestim-mung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urteil vom 25.04.2012 - B 12 KR 24/10 R -, in Juris). Die Unterscheidung von Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko ist dabei ein wichtiges, vielfach entscheidendes Kriterium für die sozialversicherungs-rechtliche Beurteilung einer Tätigkeit. Es steht allerdings nicht für sich allein. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Ar-beitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, al-so den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zu-ordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ausgangs-punkt der Prüfung sind die (der jeweiligen Tätigkeit zugrundeliegenden) Ver-einbarungen, die die Beteiligten - schriftlich oder ggf. auch nur mündlich - ge-troffen haben. Behörden und Gerichte müssen den Inhalt dieser Vereinba-rungen feststellen. Sind die Vereinbarungen schriftlich getroffen worden, muss dabei auch geklärt werden, ob sie durch mündlich getroffene (Ände-rungs-)Vereinbarungen oder durch schlüssiges Verhalten rechtswirksam ab-geändert worden sind. Steht der Inhalt der Vereinbarungen danach fest, ist zu prüfen, ob die Vereinbarungen (mit dem festgestellten Inhalt) wirksam o-der wegen Verstoßes gegen zwingendes Recht unwirksam sind, wobei bei gegebenem Anlass auch die Ernsthaftigkeit der Vereinbarungen geklärt wer-den muss, um auszuschließen, dass ein "Etikettenschwindel" bzw. ein Scheingeschäft vorliegt und die Vereinbarung deswegen gemäß § 117 BGB nichtig ist; ist letzteres der Fall, muss der Inhalt des durch das Scheinge-schäft verdeckten Rechtsgeschäfts festgestellt werden. Erst auf der Grundla-ge der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der (der jewei-ligen Tätigkeit zugrundeliegenden) Vereinbarungen ist eine wertende Zuord-nung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder zum Ty-pus der selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen. Danach ist in einem weite-ren Schritt zu prüfen, ob besondere (tatsächliche) Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2015, - B 12 KR 16/13 R -; Urteile vom 29.07.2015, - B 12 R 1/15 R - und - B 12 KR 23/13 R -, alle in Juris). Zu den besonderen (tatsächlichen) Umständen dieser Art kann insbesondere die Verteilung der Rechtsmacht in einem Unternehmen und die daraus fol-gende Rechtsstellung bzw. Rechtsmacht der Person gehören, deren Tätig-keit in statusrechtlicher Hinsicht zu prüfen ist. Deshalb wird es vielfach aus-schlaggebend darauf ankommen, ob die in Rede stehende Person ihre Tä-tigkeit in einem (im Rechtssinne) "eigenen" oder in einem "fremden" (Einzel-)Unternehmern verrichtet bzw. - bei Kapitalgesellschaften, wie einer GmbH - ob und in welchem Maße sie aufgrund einer Kapitalbeteiligung oder ggf. auf-grund gesellschaftsvertraglicher Regelungen über (Stimm )Rechte (in der Gesellschafterversammlung) verfügt und welche Rechtsmacht ihr daraus er-wächst (dazu näher etwa BSG, Urteile vom 11.11.2015, - B 12 R 2/14 R - und B 12 KR 10/14 R -, in Juris). Das Fehlen der den sozialversicherungs-rechtliche Status des selbstständig erwerbstätigen Unternehmers ausma-chenden Rechtsmacht im Unternehmen kann dabei nach der jüngeren Rechtsprechung des BSG weder durch besonderes Fachwissen noch durch langjährige Berufserfahrung ausgeglichen werden. Auch der besonders oder gar herausragend qualifizierte und kaum ersetzbare Arbeitnehmer wird allein deshalb nicht zum (Mit-)Unternehmer neben dem Betriebsinhaber, sondern er bleibt abhängig Beschäftigter. Das gilt auch dann, wenn er faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens ist und dieses nach eigenem "Gutdünken" lei-tet (BSG, Urteil vom 18.11.2015, - B 12 KR 16/13 R - und Urteile vom 29.07.2015, - B 12 R 1/15 R - und B 12 KR 23/13 R -, alle in Juris). Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert nach der Rechtsprechung des BSG sodann eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäfti-gung bzw. selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, d. h. für die Bejahung und die Vernei-nung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht (ebenso die Behörde) insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vor-zunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rech-nung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Ge-wicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzen-den Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struk-tur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls we-sentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und ge-wichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, d. h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 24.05.2012, - B 12 KR 14/10 R - und - B 12 KR 24/10 R -, beide in Juris)." bb.) Diese Grundsätze, welche die Kammer im Zuge der eigenen Überzeugungsbil-dung ebenfalls heranzieht, gelten dabei uneingeschränkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB III vor-liegt. Zwar hat das BSG in seinem Urteil vom 29.07.2015 erläutert, dass es sich durch die Rechtsprechung anderer Senate nicht an der Abkehr von der "Kopf-und-Seele Rechtsprechung" gehindert sieht, weil für das Leistungsverhältnis in der Ar-beitslosenversicherung ein besonderer leistungsrechtlicher Beschäftigungsbegriff gelte. Damit hat der 12. Senat jedoch ausschließlich klargestellt, dass es nicht der Anfrage nach § 41 Abs. 3 SGG bedurfte. Es hat gerade nicht die Auffassung vertre-ten, dass im Bereich der Arbeitslosenversicherung abweichende Grundsätze zur Anwendung kommen müssen, sondern deutlich gemacht, dass dort grundsätzlich auch eine abweichende Auslegung des Beschäftigungsbegriffs in Betracht kommen kann. Die Versicherungspflicht eines "Beschäftigten" im Sinne von § 24 Abs. 1 Fall 1 SGB III knüpft zur Überzeugung der Kammer allerdings ausschließlich an den beitrags-rechtlichen Beschäftigungsbegriff bzw. den sozialversicherungsrechtlichen Status an. Dieser kann unter Beachtung von § 7 SGB IV (vergl. Timme in: Hauck/Noftz, SGB, 05/12, § 24 SGB III, Rn. 6, wonach § 7 SGB IV eine "weitergehende Definiti-on" des Beschäftigungsbegriffs enthält), welcher gemäß § 1 Abs. 1 SGB VI als ge-meinsame Vorschrift ausdrücklich auch für die Arbeitsförderung gilt, in allen Zwei-gen der Sozialversicherung nur einheitlich bestimmt werden. Eine leistungsrechtli-che Interpretation kommt zur Überzeugung der Kammer ausschließlich dort in Be-tracht, wo leistungsrechtliche Besonderheiten (z.B. die Eigenart des versicherten Risikos) eine vom beitragsrechtlichen Beschäftigungsbegriff abweichende Beurtei-lung zwingend erfordern. Solche Besonderheiten sind für die Bestimmung des Be-schäftigungsbegriffs in § 24 Abs. 1 Fall 1 SGB III, anders als beispielsweise beim Arbeitslosengeld (vergl. obenstehende Ausführungen), jedoch gerade nicht zu er-kennen. cc.) Entsprechend ist festzuhalten, dass alleiniger Gesellschafter der Komplementä-rin und auch alleiniger Kommanditist der GmbH und Co KG während der genannten Rahmenfrist der Vater des Klägers war. Er verfügte demnach durchweg über die alleinige Rechtsmacht, den Kläger von einer weiteren Tätigkeit für die GmbH & Co KG oder die Komplementärin auszuschließen. Insbesondere war es ihm als alleini-gem Gesellschafter der Komplementärin und gleichzeitig einzigem Kommanditisten jederzeit möglich, den Kläger als Mitgeschäftsführer der Komplementärin abzuset-zen (vergl. zum Erfordernis des Einverständnisses der Kommanditisten OLG Mün-chen, Urteil vom 19. November 2003 – 7 U 4505/03 –, Juris) und sodann das mündlich geschlossene Beschäftigungsverhältnis bei der GmbH & Co KG zu been-den, ohne dass der Kläger dies beispielsweise aufgrund einer Sperrminorität hät-te verhindern können. Auch wenn der Kläger als besonders qualifiziert und kaum ersetzbar einzuordnen seien mag (dies hat die Kammer mangels Entscheidungser-heblichkeit nicht geprüft), bleibt er allein wegen der tatsächlichen Rechtsmacht des Vaters, der unter allen rechtlichen Gesichtspunkten als alleiniger Betriebsinhaber zu qualifizieren ist, eine in einem fremden Unternehmen tätige und damit abhängig beschäftigte Person, ohne dass es für diese Feststellung weiterer Ermittlungen zur genauen Tätigkeitsausübung bedürfte. Entsprechend kommt es auch nicht mehr darauf an, dass wohl über Jahre hinweg tatsächlich Sozialabgaben zur Renten- und Arbeitslosenversicherung entrichtet worden sind, was als zusätzliches Indiz für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung spricht. II.) Da es sich bei dem Arbeitslosengeldanspruch im Sinne von § 137 SGB III um eine Pflichtleistung handelt, konnte nach § 130 Abs. 1 SGG dem Grunde nach zur Leistung verurteilt werden. Die Festsetzung der konkreten Leistungshöhe bleibt ei-nem Ausführungsbescheid vorbehalten. C.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Rechtskraft
Aus
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