L 7 R 5059/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 R 5088/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 5059/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bereitschaftsdienst im Krankenhaus ist regelmäßig abhängige Beschäftigung des diesen Dienst leistenden Arztes
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. November 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X betreffend ein Statusfeststellungsverfahren die Feststellung, dass ihre Tätigkeit als Ärztin (Fachgebiet Innere Medizin) bei der Beigeladenen zu 1) als selbstständige Tätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig war.

Die Klägerin war bis 30.06.2012 in einem Krankenhaus abhängig beschäftigt und schied dort wegen Krankheit aus. Auf Antrag bewilligte die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin einen Existenzgründungszuschuss ab dem 02.10.2012 für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Ärztin mit der Gründungsidee, dass die Klägerin ihre Dienstleistungen als Honorarärztin/Notärztin anbieten werde.

Auf Vermittlung einer Online-Agentur schlossen die Klägerin und die Beigeladene zu 1) mit Datum vom 12.09.2012 folgende "freie Vereinbarung/Vertrag":

1. Frau A. übernimmt im folgenden Zeitraum eine Vertretung für "Ärztin der Inneren Medizin" am Krankenhaus Bad K. am 05.10.2012, vom 09.10.2012 bis 12.10.2012 und vom 16.10.2012 bis 19.10.2012. Bei dieser Vertretung ist die Ärztin freiberuflich tätig. Die Honorarvertreterin verpflichtet sich, die ihr übertragenen Aufgaben gewissenhaft persönlich wahrzunehmen, mit der leitenden Ärztin der Abteilung und dem übrigen Personal der Abteilung sowie den sonstigen Mitarbeitern der Klinik zusammenzuarbeiten und über alle ihr bei ihrer Vertragserfüllung bekanntwerdenden Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren.

2. Das Honorar für die Zeit der Vertretung beträgt bei freier Kost und Wohnung 70 Euro pro Stunde Tagverdienst brutto für netto. Bereitschaftsdienste werden mit 90 % des Stundenhonorars vergütet. Im genannten Zeitraum werden nur Bereitschaftsdienste geleistet.

3. Das Honorar gem. Ziffer 2 dieser Vereinbarung wird der Vertreterin nach Rechnungsstellung überwiesen. Honorar wird nur für tatsächlich geleistete Dienste gewährt. Frau A. verpflichtet sich, die Zahlung zu versteuern. Fahrtkosten werden nicht erstattet.

4. Die Haftpflichtversicherung des Krankenhausträgers erstreckt sich in vollem Umfang auch auf die Vertretertätigkeit und schließt auch die s.g. Privat- und Ambulantpatienten ein."

Im vereinbarten Zeitraum leistete die Klägerin Bereitschaftsdienste, die mit einem Stundenhonorar von 63,00 Euro brutto vergütet wurden. Die Bereitschaftsdienste erstreckten im Regelfall von 16.30 bis 08.30 Uhr des Folgetages.

Am 09.10.2011 beantragten die Klägerin und die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten für diese Tätigkeit eine Statusfeststellung nach § 7a Abs. 1 SGB IV.

Nach Anhörung der Betroffenen stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 23.01.2013 gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) fest, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Vertretungsärztin für Innere Medizin bei der Beigeladenen zu 1) am 05.10.2012, vom 09.10.2012 bis 12.10.0212 sowie vom 16.10.2012 bis 19.10.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Der von der Klägerin am 13.03.2013 verspätet eingelegte Widerspruch wurde von der Beklagten als Antrag gemäß § 44 SGB X behandelt. Mit Bescheid vom 14.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2013 entschied die Beklagte, dass ihr keine neuen inhaltlichen Erkenntnisse vorlägen und daher der Bescheid vom 23.01.2013 nicht zu beanstanden sei. Im Bescheid vom 13.01.2013 waren als Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt worden:

- Die Klägerin behandle die von der Beigeladenen zu 1) stationär aufgenommenen Patienten. Es handle sich um die Tätigkeit in der Funktion einer Ärztin in einem Klinikum; eigene Patienten würden nicht behandelt. - Die Klägerin sei gegenüber dem Personal weisungsberechtigt. - Gegenüber dem Chefarzt oder den Oberärzten der Klinik bestehe Weisungsgebundenheit. - Vorab festgelegte Arbeitszeiten seien einzuhalten. - Ein unternehmerisches Risiko bestehe bei Ausübung der Tätigkeit nicht, die Klägerin setze insbesondere kein eigenes nennenswertes Kapital ein. - Die Tätigkeit werde in einer fremd bestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt. - Die Teilnahme an der Mitarbeiterverpflegung während ihres Einsatzes sei kostenlos. - Eine angemessene Unterkunft werde der Klägerin ebenfalls unentgeltlich zur Verfügung gestellt. - Die Haftpflichtversicherung der Beigeladenen zu 1) erstrecke sich im vollen Umfang auch auf die Vertretertätigkeit der Klägerin.

Für eine selbstständige Tätigkeit spreche lediglich, dass die Klägerin als Ärztin fachlich weisungsfrei Patienten behandelt habe.

Die Voraussetzungen für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht seien nicht erfüllt, weil dem späteren Beginn der Sozialversicherungspflicht nicht zugestimmt worden sei. Die Klägerin sei deshalb bei ihrer Tätigkeit nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI rentenversicherungspflichtig und nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III versicherungspflichtig nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen. Eine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung bestehe nicht, weil die Klägerin hauptberuflich selbstständig tätig gewesen sei, § 5 Abs. 5 SGB V; demgemäß bestünde auch keine Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Landshut mit Urteil vom 24. November 2016 als unbegründet ab.

Zwar ergebe sich aus der Vereinbarung vom 12.09.2012, dass offensichtlich eine Tätigkeit der Klägerin auf selbstständiger Basis gewünscht gewesen sei. Diese Vereinbarung enthalte jedoch Regelungen, die deutlich Indiz für eine abhängige Beschäftigung seien. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, die übertragenen Aufgaben persönlich wahrzunehmen, mit der Leitenden Ärztin der Abteilung und dem übrigen Personal der Abteilung sowie den sonstigen Mitarbeitern der Klinik zusammenzuarbeiten. Ferner habe sich die Haftpflichtversicherung der Beigeladenen zu 1) im vollen Umfang auf die Tätigkeit der Klägerin erstreckt. Mit Schriftsatz vom 05.12.2012 habe die Beigeladene zu 1) gegenüber der Beklagten auch die Auskunft gegeben, dass die Klägerin die Patienten der Station versorgt habe in gleicher Weise wie die dort tätigen festangestellten Mitarbeiter im gleichen Fachgebiet. Das fachlich letzte Entscheidungsrecht in der Station habe immer bei der Chefärztin gelegen.

Im Ergebnis habe eine Eingliederung in die betriebliche Organisation der Beigeladenen zu 1) vorgelegen und die Klägerin einem Weisungsrecht unterlegen. Zudem habe die Klägerin auch kein unternehmerisches Risiko getragen. Ein Kapitaleinsatz sei nicht erfolgt. Für ihre Tätigkeit habe sie eine Stundenvergütung erhalten und damit allein das theoretische Risiko des Entgeltausfalls im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers getragen.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Das Sozialgericht habe willkürlich auf einzelne Indizien, insbesondere das Unternehmerrisiko abgestellt, ohne zunächst den Typus des Arztes herauszuarbeiten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der das BSG gefolgt sei, käme es auf eine Gesamtschau an. Hier sei insbesondere wichtig § 2 KHEntgG, wonach Krankenhausleistungen auch durch nicht fest im Krankenhaus angestellte Ärztinnen und Ärzte erbracht werden könnten.

Das BSG habe im Übrigen mit Urteil vom 12.09.1981, Az.: 12 AK 4/81 eine selbstständige Tätigkeit festgestellt trotz Vereinbarungen über Kündigungsfristen, Honorierung nach Stunden und Anwendung der Arbeitsorganisation.

Bezüglich des Unternehmensrisikos dürfe nicht auf einen Kapitaleinsatz abgestellt werden. Auch spreche die Vereinbarung eines Stundenhonorars nicht gegen eine selbstständige Tätigkeit. Bezüglich des Unternehmerrisikos und der funktionsgerechten Einordnung in den Betrieb werde auf das Urteil des BSG vom 28.05.2008, Az.: B 12 KR 13/07 R verwiesen. Mit Urteil vom 31.03.2017, Az.: B 12 R 7/15 habe sich das BSG zum Unternehmerrisiko dahingehend geäußert, dass das Fehlen von Investitionen bei reinen Dienstleistungen kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung und gegen eine unternehmerische Tätigkeit sei. Gleiches gelte für das Fehlen einer eigenen Betriebsstätte und für die höchstpersönliche Leistungserbringung. Letztlich stelle die Höhe des vereinbarten Honorars ein gewichtiges Indiz für die selbstständige Tätigkeit dar. Auch sei die Tätigkeit eines Honorararztes mit dem eines Syndikusanwaltes vergleichbar, der selbstständig tätig sei, BGH, Beschluss vom 01.08.2017, Az.: ANWZ (BRFG) 14/17.

Im Übrigen hafte die Klägerin als selbstständige Unternehmerin für ihre Fehler vollständig und alleine.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. November 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 23.01.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin bei ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) am 05.10.2012, vom 09.10.2012 bis 12.10.2012 sowie vom 16.10.2012 bis 19.12.2012 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Anders als bei der aufsuchenden Familienhilfe, über die das BSG in dem von der Klägerseite angeführten Urteil vom 31.03.2017, Az.: B 12 R 7/15 R entschieden habe, sei für die hier zu beurteilende ärztliche Tätigkeit eine Betriebsstätte erforderlich und zu erwarten. Die hier im Streit stehende Tätigkeit werde in einer von fremder Seite organisierten Betriebsstätte ausgeführt. In diese betriebliche Organisation sei die Klägerin funktionsgerecht dienend eingegliedert gewesen. Werde eine weisungsgebundene Tätigkeit, die zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein könne, in einer fremden Arbeitsorganisation ausgeübt, könne die Höhe des Honorars als eines unter vielen Indizien nicht den Ausschlag in der Gesamtwürdigung für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit geben.

Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.

Alle Beteiligten haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid vom 13.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2013 abgewiesen. Die Bescheide waren rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist bei ihrer Tätigkeit zu den im Bescheid vom 23.01.2013 genannten Zeiten nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI rentenversicherungspflichtig und nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III versicherungspflichtig nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen.

Die Beklagte hat ihre Feststellung, dass die Klägerin bei ihrer Tätigkeit in diesen Zweigen der Sozialversicherung wegen abhängiger Beschäftigung versicherungspflichtig war, zutreffend nach § 7a SGB IV i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB IV getroffen.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21 m. w. N.). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist.

Rechtliche Vorgaben gibt es weder dahingehend, dass die Tätigkeit eines Honorararztes immer als selbständig bewertet werden muss, noch dahingehend, dass es sich immer um eine abhängige Beschäftigung handelt.

Der Gesetzgeber hat mit § 2 Abs 1 Satz 1 KHEntgG in der ab 01.01.2013 gültigen Fassung (Gesetz vom 21.07.2012, BGBl I 1613) durch die Regelung, dass Krankenhausleistungen auch ärztliche Leistungen nicht festangestellter Ärztinnen und Ärzte sind, für die Rechtsprechung keine Regelung darüber getroffen, ob ein Honorararzt in einem Krankenhaus nur abhängig beschäftigt sein kann (so aber LSG Baden-Württemberg Urteil vom 17.04.2013, L 5 R 3755/11) oder stets selbständig tätig ist (vgl. im Ergebnis wohl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 23.05.2017, L 11 R 771/15).

Ebensowenig ergibt sich aus der Rechtsprechung des BVerfG, dass ein Honorararzt im Krankenhaus seine Tätigkeit zwingend als Selbständiger ausführen können muss (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 05.04.2017, L 2 R 385/16). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 03. März 2015 - 1 BvR 3226/14 - NZS 2015, 502 lediglich dargetan, dass der damalige Beschwerdeführer schon die Möglichkeit einer Verletzung seines Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht nachvollziehbar aufgezeigt habe. Nur im Rahmen der Ausführungen zur mangelnden Substantiierung einer solchen Grundrechtsbeeinträchtigung ist das BVerfG auch auf die von dem damaligen Beschwerdeführer herangezogene Rechtsauffassung eingegangen, wonach dieser als Honorararzt selbständig tätig geworden sein will. Das BVerfG hat den Vortrag des damaligen Beschwerdeführers dahingehend verstanden, dass dieser als Honorararzt aufgrund eines Dienstvertrages insbesondere im stationären Bereich des Krankenhauses ärztliche Leistungen für den Krankenhausträger erbracht habe, ohne bei diesem angestellt oder als Belegarzt oder Konsiliararzt tätig zu sein. Hieran anknüpfend hat das BVerfG die Ausführungen zu einer Beeinträchtigung in verfassungsrechtlich geschützten Rechten für nur unzureichend substantiiert bewertet. Inhaltliche Ausführungen, unter welchen Voraussetzungen eine dienstvertraglich vereinbarte honorarärztliche Tätigkeit außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses in Betracht kommen mag, waren mit diesen Darlegungen des BVerfG zur fehlenden Substantiierung des damaligen Beschwerdevorbringens nicht verbunden. Erst recht hat das BVerfG in dieser Entscheidung nichts in dem Sinne zum Ausdruck gebracht, dass es eine Abweichung von den hergebrachten höchstrichterlichen Kriterien für die Abgrenzung abhängiger Beschäftigungen von selbständigen Tätigkeiten für angezeigt erachten könnte. Demnach ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit als Honorararzt zulässigerweise sowohl als abhängige Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden kann, mit der Folge, dass nach der Rechtsprechung des BSG eine Gesamtschau sämtlicher Indizien der Tätigkeit notwendig und darauf basierend eine Gesamtabwägung vorzunehmen ist. Die vorstehend angesprochenen allgemeinen Grund-sätze, wie sie vom BSG zur Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung aufgestellt wurden, gelten uneingeschränkt auch für die Beurteilung ärztlicher Tätigkeit im Krankenhaus.

Unter Anwendung der genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum in ihrer Tätigkeit als Bereitschaftsärztin im Nachtdienst eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Klägerin ausgeübt hat und daher der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen ist.

Zwar war der Vertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) über eine freie Mitarbeit geschlossen worden. Der dahin gehende Wille der Vertragspartner ist allerdings nur als schwaches Indiz zu würdigen. Vielmehr kommt es auf den Inhalt der Vertragspflichten und die entsprechende Durchführung des Vertrages an. Ohne wesentliche Bedeutung ist dabei im Rahmen der Gesamtabwägung, dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart waren. Denn solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten.

Gegen eine selbständige Tätigkeit spricht zunächst nicht, dass die Klägerin nicht Vertragspartei der Patienten war; denn damit ist noch keine Aussage über den sozialversicherungsrechtlichen Status der für die Beigeladenen zu 1) Tätigen als Beschäftigte oder Selbständige getroffen. Auch ist der Umstand, dass Ärzte die Klinikeinrichtungen und benötigte Geräte kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen haben, nicht entscheidend von Gewicht. Die Ausführung der Tätigkeit in den Betriebsräumen der Klägerin ergibt sich aus der Natur der Sache und ist daher hier ebenfalls kein entscheidendes Abgrenzungskriterium.

Für eine abhängige Beschäftigung spricht, dass die Klägerin im Außenverhältnis gegenüber den Patienten nicht erkennbar als Selbstständige aufgetreten ist. Zudem konnte sie im Verhinderungsfall nicht selbst für eine Ersatzperson sorgen, sondern war höchstpersönlich zur Dienstleistung verpflichtet. Hierbei handelt es sich jedoch ebenfalls nur um schwache Abgrenzungskriterien.

Entscheidend ist aus Sicht des Senats vielmehr Folgendes: Nach dem wesentlichen Inhalt der Vertragsgestaltung war die Klägerin in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) eingegliedert und unterlag deren Weisungsrecht.

Die Klägerin war im Sinne einer funktionsgerechten Einordnung, in der fremdbestimmte Arbeit geleistet wird, wie eine Beschäftigte in den Betrieb der Klägerin eingeordnet. Etwaige Handlungsspielräume für die Klägerin, die gegen eine auch nur funktionsgerecht dienende Eingliederung in den Betrieb der Klägerin sprechen könnten, sind für den Senat nicht erkennbar. Die Tätigkeit einer Bereitschaftsärztin in einem Krankenhaus ist, wie sie hier geregelt und ausgeführt wurde, durch die Einbindung der Klägerin in die arbeitsteiligen Abläufe des Krankenhauses geprägt.

Dass die Klägerin hinsichtlich der von ihr übernommenen Nachtdienste an die grundsätzliche Dauer im Regelfall von 16.30 bis 08.30 Uhr des Folgetages gebunden war, ergibt sich zwar auch aus der Natur der Sache, da sich der Bereitschaftsdienst in einer Klinik kaum ohne regelmäßige und feststehende Dienstzeiten regeln lässt. Allerdings wird durch den Vertrag ein Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1) hinsichtlich der Arbeitszeiten begründet, das im Rahmen der Gesamtbeurteilung von erheblicher Bedeutung ist. Der Zeitrahmen war bereits Vertragsgrundlage, da die Beigeladene zu 1) als Klinik mit Versorgungsauftrag verpflichtet ist, durchgängig auch in der Nacht einen Arzt in der Klinik vorzuhalten. Die Klägerin konnte ihre ärztlichen Dienste zeitlich nicht frei bzw mit Spielraum, wie ihn Selbständige bei ihrer Tätigkeit ggf haben, erbringen. Vielmehr sah der Vertrag vor, dass die Klägerin "in Vertretung" einer bei der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigten Ärztin ausübte, also für diese fehlende abhängig beschäftigte Ärztin eine Lücke im Betrieb der Beigeladenen zu 1) schließen musste. An den Tagen, für die die Klägerin ihre Mitarbeit vertraglich zugesagt hatte, war die Klägerin im Betrieb der Beigeladenen zu 1) eingebunden. Es ist nichts dafür substantiiert vorgetragen worden oder anderweitig ersichtlich, dass die Klägerin nach Annahme einer Dienstschicht in einer für Arbeitnehmer eher untypischen Weise den einzelnen Dienst abbrechen konnte. Vielmehr ist es gerade im Klinikalltag unerlässlich, dass die Diensthabenden ihren Dienst bis zur letzten Minute gewissenhaft verrichten. Nach Zusage der Übernahme zeitlich festgelegter Dienste war es zwingend notwendig, dass die Klägerin einen übernommenen Dienst auch gewissenhaft wahrgenommen hat.

Auch fachlich unterlag die Klägerin einem Weisungsrecht. Sie war schon nach dem Wortlaut des Honorararztvertrages bezogen auf die Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeiten an Weisungen des Auftraggebers, d.h. der Beigeladenen zu 1) und des von ihr eingesetzten Chefarztes, gebunden. Fachlich besteht bei ärztlichen Tätigkeiten aus der Natur der Sache grundsätzlich eine weitgehend weisungsfreie Tätigkeit, die jedoch bei der Eingliederung in Hierarchien durchbrochen wird (vgl Powietzka/Bölz, KrV 2012, 137, 139). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann insoweit das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 20). Bei der Beigeladenen zu 1) obliegt es dem Chefarzt, die Durchführung der für den ärztlichen Bereich erlassenen Vorschriften und Anordnungen sicherzustellen. Dies beinhaltet zugleich, dass er insoweit auch der Klägerin bei Bedarf die erforderlichen Weisungen erteilten konnte und musste. Die Beigeladene zu 1) weist in ihren Stellungnahmen gegenüber der Beklagten ausdrücklich auf ein uneingeschränktes Weisungsrecht der Chefärztin gegenüber allen im Bereich ihrer Abteilung eingesetzten Ärzten hin. Nur so konnte die Chefärztin auch ihrer Verantwortung für den medizinischen Betrieb innerhalb ihres Verantwortungsbereichs gerecht werden. Namentlich musste die verantwortliche Chefärztin dafür Sorge tragen, dass mit Hilfe der am jeweiligen Einsatz zur Verfügung stehenden Ärzte der Behandlungsbedarf bei allen Patienten, insbesondere Eilfällen während des Bereitschaftsdienstes, fachgerecht abgedeckt wurde.

Die Klägerin hatte auch kein in hohem Maße für Selbständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko getragen.

Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (siehe dazu BSG 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris; BSG 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400, § 7 Nr 15). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüber stehen (BSG, aaO). Die Klägerin hat - wie es für Honorarärzte typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und weniger Kapital eingesetzt. Ein relevanter Einsatz eigenen Kapitals ist nicht erkennbar. Eigene Betriebsmittel von erheblicher finanzieller Bedeutung wurden nicht eingesetzt. Über eine eigene Betriebsstätte hat die Klägerin ohnehin - aus sich aus der Natur der Sache ergebenden Gründen - nicht verfügt. Sie war im Klinikum im Rahmen der dortigen Ausstattung eingesetzt. Die erforderlichen Arbeitsmittel waren dort vorhanden.

Aus der Art der Vergütung nach Stundensätzen lassen sich hier keine für die Abwägung ausschlaggebenden Argumente finden. Als Gegenleistung für die von ihr erbrachten Tätigkeiten standen der Klägerin nach Maßgabe des Honorararztvertrages eine Stundenvergütung - auch insoweit typisch für Beschäftigte - in Höhe von 63 Euro je Stunde zu. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte die Klägerin - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen. Eine Gewinn- und Verlustbeteiligung, die für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sprechen könnte, sahen die vertraglichen Vereinbarungen ausdrücklich nicht vor. Soweit das BSG bei Dienstleitungen höherer Art, wie sie hier vorliegt, eine Stundenvergütung zu würdigen hatte, geschah dies dahingehend, dass allein wegen einer Stundenvergütung abhängige Beschäftigung "zwingend" anzunehmen sei und jegliches Unternehmerrisiko verneint werden könne; jedoch hat das BSG dem Unternehmerrisiko in einem solchen Fall im Rahmen der Gesamtabwägung kein besonderes Gewicht zugemessen (vgl BSG, Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R Rz 48). Eine feste Vergütung nach Stundensätzen ist daher letztlich weder ein Argument für noch gegen die Selbstständigkeit in dem Sinne, dass kein Risiko bestehe, Arbeitsleistungen zu erbringen, ohne eine Vergütung dafür zu erhalten (LSG Berlin-Brandenburg, 20.03.2015, L 1 KR 105/13, NZS 2015, 630).

Das Risiko, bei Behandlungsfehlern auch persönlich in Anspruch genommen zu werden, trifft im Ausgangspunkt auch abhängig beschäftigte Ärzte; es beinhaltet kein unternehmerisches Risiko im vorstehend angesprochenen Sinn. Kein ausschlaggebendes Indiz kann in diesem Zusammenhang sein, ob die Klägerin ihr Risiko über die von ihr abgeschlossene Versicherung abgedeckt hat oder letztlich von der Beigeladenen zu 1) und deren Versicherungen von der Haftung freigestellt worden wäre.

Im Ergebnis stellt der Senat im Rahmen der Gesamtabwägung - unter Einbezug sämtlicher von der Beklagten in ihren Bescheiden und den Beteiligten in ihren Stellungnahmen vorgetragenen Argumenten und Indizien sowie den Abwägungen des Sozialgerichts - entscheidend darauf ab, dass die Klägerin hier als Vertretungskraft in die Struktur der Klinik eingebunden war und dabei dem Weisungsrecht der Chefärztin unterlag. Die Berufung wird demgemäß als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrem Begehren erfolglos blieb.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved