L 7 AS 115/18 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AS 4312/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 115/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.01.2018 geändert. Die Beigeladene wird verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen in Höhe des Regelbedarfs nach Regelbedarfsstufe 1 unter Anrechnung eines monatlichen Einkommens von 100 EUR vom 01.03.2018 bis zum 31.08.2018 zu zahlen. Die Beigeladene hat die Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der am 00.00.1992 geborene Antragsteller ist litauischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben lebt er seit Anfang 2013 in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist wohnungslos, schläft in Notschlafstellen oder im Freien. Bei der Sozialberatung von "fifty-fifty" hat der Antragsteller eine Postadresse eingerichtet. Eine Arbeitstätigkeit hat der Antragsteller in Deutschland noch nicht ausgeübt. Er bestreitet seinen Lebensunterhalt durch Flaschensammeln und den Verkauf der Obdachlosenzeitung "fifty-fifty". Nach eigenen Angaben erzielt er aus dem Verkauf der Straßenzeitung etwa 100 EUR monatlich. Über anderweitiges Einkommen oder Vermögen verfügt der Antragsteller nicht. Der Antragsteller ist heroinabhängig und befindet sich seit März 2017 in einem Substitutionsprogramm bei Dr. T, E. Zudem leidet der Antragsteller unter einer Hepatitis C-Infektion. Aufgrund einer Begutachtung vom 12.05.2017 durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. U stellte die DRV Rheinland am 27.06.2017 fest, dass der Antragsteller vom 22.09.2016 bis voraussichtlich Mai 2019 voll erwerbsgemindert ist. Die Eltern des Antragstellers in Litauen sind verstorben, nach eigenen Angaben verfügt der Antragsteller über keine engeren familiären Kontakte in Litauen mehr.

Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gesetzlich krankenversichert. Mit Schreiben vom 24.01.2018 teilte die AOK Rheinland/Hamburg dem Antragsteller mit, dass ein Beitragsrückstand iHv 3696,70 EUR besteht. Das Schreiben enthält den Hinweis, "dass es zum Ruhen von Leistungsansprüchen kommen kann, sofern Beitragsanteile für zwei Monate zur Krankenversicherung am Fälligkeitstag nicht entrichtet werden".

Mit Bescheid vom 13.04.2016 und Widerspruchsbescheid vom 29.05.2017 lehnte die Beigeladene Leistungen nach dem SGB XII ab. Bis Februar 2017 erhielt der Antragsteller aufgrund eines Beschlusses des LSG Nordrhein-Westfalen vom 31.08.2016 (L 9 SO 341/16 B ER) im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen nach dem SGB XII. Mit Beschluss vom 12.05.2017 verpflichtete das SG Düsseldorf die Beigeladene, dem Antragsteller vom 12.05.2017 bis zum 11.06.2017 Überbrückungsleistungen zu erbringen. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab. Mit Beschluss vom 02.08.2017 wies das LSG Nordrhein-Westfalen (L 12 SO 253/17) die Beschwerde des Antragstellers zurück. Zwar habe die DRV "aufgrund der aktuellen ärztlichen Untersuchung" festgestellt, dass der Antragsteller nunmehr bis Mai 2019 voll erwerbsgemindert sei, hieraus lasse sich aber nicht entnehmen, dass der Antragsteller nicht reisefähig sei. Daher liege kein Härtefall vor, der es ermöglichen würde, Überbrückungsleistungen über die vom Sozialgericht zugesprochene Monatsleistung hinaus zuzubilligen.

Am 19.09.2017 beantragte der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Antragsgegner. Mit Bescheid vom 19.09.2017 und Widerspruchsbescheid vom 07.11.2017 lehnte der Antragsgegner den Antrag gestützt auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab.

Der Antragsteller hat sowohl gegen den Ablehnungsbescheid der Beigeladenen als auch gegen den Ablehnungsbescheid des Antragsgegners fristgerecht Klage erhoben.

Am 06.11.2017 hat der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Leistungszahlung zu verpflichten. Das Sozialgericht hat die Stadt E als Sozialhilfeträger beigeladen (Beschluss vom 18.12.2017).

Mit Beschluss vom 02.01.2018 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Der Antragsteller unterliege dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II und des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 09.01.2018 erhobene Beschwerde des Antragstellers. Er beruft sich auf eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands aufgrund seiner Heroinabhängigkeit. Eine Rückkehr in sein Heimatland sei ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar. Er habe zudem in Litauen keinerlei familiären Beziehungen mehr.

Der Senat am 26.03.2018 einen Erörterungstermin durchgeführt und den Antragsteller zu seiner persönlichen Lebenssituation befragt. Auf die Niederschrift zu dem Termin wird verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.01.2018 ist im tenorierten Umfang begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht insoweit eine Verpflichtung der Beigeladenen abgelehnt.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, das heißt der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (ständige Rechtsprechung des Senats, Beschlüsse vom 06.07.2016 - L 7 AS 1154/16 B und vom 09.11.2015 - L 7 AS 1234/15 B ER). Es genügt für die Glaubhaftmachung einer Tatsache, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Das erkennende Gericht kann seine Überzeugung allein auf den Vortrag der Beteiligten stützen, wenn der Vortrag für sich genommen in sich widerspruchsfrei ist und mit dem übrigen Akteninhalt und weiteren Beweisergebnissen in Übereinstimmung steht (vgl. Beschlüsse des Senats vom 05.04.2017 - L 7 AS 452/17 B ER und vom 06.07.2016 - L 7 AS 1154/16 B).

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch gegen die Beigeladene glaubhaft gemacht. Er ist - bei Berücksichtigung des Einkommens aus der Tätigkeit als Verkäufer der Obdachlosenzeitung - bedürftig iSd §§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 1 SGB XII. Ein vorrangiger (§§ 2 Abs. 1, 21 SGB XII) Anspruch gegen den Antragsgegner ist nicht glaubhaft gemacht, da die DRV Rheinland festgestellt hat, dass der Antragsteller derzeit nicht erwerbsfähig iSd § 8 Abs. 1 SGB II ist und der Antragsteller auch bei unterstellter Erwerbsfähigkeit von Leistungen nach dem SGB II gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen ist. § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU steht dem Antragsteller nicht zur Seite, wonach unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen sind. Der freie Dienstleistungsverkehr schließt zwar die Freiheit der Leistungsempfänger ein, sich zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, ohne durch Beschränkungen daran gehindert zu werden. Personen, die eine medizinische Behandlung in Anspruch nehmen, sind als Empfänger von Dienstleistungen anzusehen. Allerdings gelten die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr nicht für Angehörige eines Mitgliedstaats, die ihren Hauptaufenthalt ständig oder jedenfalls ohne eine vorhersehbare Begrenzung der Dauer im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nehmen, um dort auf unbestimmte Dauer Dienstleistungen zu empfangen (EuGH Urteil vom 16. 07.2009 - C-208/07). Der Antragsteller hält sich ohne eine vorhersehbare Begrenzung der Dauer im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik auf, um sich auch weiterhin medizinisch behandeln zu lassen, so dass er sich nicht auf § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU berufen kann (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 08.03.2018 - L 25 AS 337/17 B ER).

Der Anspruch des Antragstellers gegen die Beigeladene folgt aus § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII. Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden hiernach Leistungsberechtigten nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von § 23 Abs. 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. Bei den hiernach zu erbringenden "anderen Leistungen" handelt es sich u.a. um Hilfe zum Lebensunterhalt iSd § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Zwar unterliegt der Antragsteller - ebenso wie bezüglich der Leistungen nach dem SGB II - grundsätzlich dem Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, da er in der Bundesrepublik Deutschland kein materielles Aufenthaltsrecht hat oder sich sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Hilfebedürftige Ausländer, die diesem Leistungsausschluss unterliegen, können grundsätzlich nur bis zur Ausreise befristete Überbrückungsleistungen (§ 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII), beanspruchen, die dem Antragsteller hier schon bewilligt worden sind.

Indes hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass besondere Umstände vorliegen, die iSd § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage Leistungen im tenorierten Umfang erfordern.

Die Anwendung von § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII setzt nicht voraus, dass ein Ausreisewille feststellbar ist. Zwar knüpft die Vorschrift an die Regelung über die Überbrückungsleistungen (§ 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII) an und soll ausdrücklich eine Anspruchsgrundlage darstellen, "die lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände eingreift, um im Einzelfall für einen begrenzten Zeitraum unzumutbare Härten zu vermeiden, nicht um eine Regelung, mit der ein dauerhafter Leistungsbezug ermöglicht wird" (BT-Drucks. 18/10211 S. 16). Es lässt sich aber nicht feststellen, dass der Gesetzgeber Unionsbürger gerade dann leistungslos lassen wollte, wenn die Verweisung (nur) auf Überbrückungsleistungen sich auch für einen längeren Zeitraum als unzumutbare Härte darstellt, mithin die den Leistungsausschluss begründende Rückkehroption sich gerade nicht ohne Weiteres verwirklichen lässt (in diesem Sinne auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 20.06.2017 - L 15 SO 104/17 B ER). Der Senat teilt die in der obergerichtlichen Rechtsprechung nach Inkrafttreten der Neuregelung zu § 23 SGB XII vertretene Auffassung (LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 08.03.2018 - L 25 AS 337/18 B ER), wonach der Ausschluss von existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII nur dann verfassungsrechtlich haltbar ist, wenn Betroffenen, bei denen ein individuelles Rückkehrhindernis besteht, das eine Ausreise in den Herkunftsstaat derzeit auch unter Berücksichtigung der Belange der Allgemeinheit als unzumutbar erscheinen lässt, eine fehlende Ausreiseabsicht nicht anspruchshindernd entgegengehalten wird. Dabei berücksichtigt der Senat, dass nach der Rechtsprechung des BSG der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nach der bis zum 28.12.2016 geltenden Rechtslage mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nur vereinbar war, weil existenzsichernde Leistungen durch den Sozialhilfeträger zu bewilligen waren (vgl. nur BSG Urteile vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R und vom 30.08.2017 - B 14 AS 31/16 R). Das Erfordernis "zeitlich befristete Bedarfslage" ist in der skizzierten gebotenen verfassungskonformen Interpretation nicht als "kurzzeitig" auszulegen. Vielmehr ist eine zeitliche befristete Bedarfslage bereits dann anzunehmen, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der bedarfsbegründende Zustand kein Dauerzustand, sondern voraussichtlich vorübergehend ist.

Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass ihm derzeit eine Rückkehr nach Litauen nicht zumutbar ist. Er ist schwer suchtkrank und unterzieht sich seit März 2017 einer medizinischen Behandlung der Erkrankung. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass eine Beendigung dieser Behandlung mit einer ungewissen Lebens- und Behandlungsperspektive in Litauen bei dem Antragsteller eine gravierende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nach sich ziehen würde. Hierbei hat der Senat auch berücksichtigt, dass der Antragssteller nach seinen glaubhaften Bekundungen in Litauen über keine engeren familiären Kontakte mehr verfügt, während in E offenbar durch den Verein "fifty-fifty" ein Mindestmaß an sozialer Betreuung und Stabilisierung stattgefunden hat. So ist es den Mitarbeitern des Vereins gelungen, den Antragsteller zu ersten Entgiftungsversuchen zu motivieren und durch den Verkauf der Obdachlosenzeitschrift ein gewisses Maß an Tagesstruktur und sinnvoller Beschäftigung zu schaffen. In dieser Situation ist es dem SGB XII-Träger verwehrt, sich in verfassungsrechtlich zulässiger Weise auf eine Rückkehroption des Antragstellers nach Litauen zu berufen. Die Bedarfslage ist zeitlich begrenzt, weil eine Stabilisierung des Gesundheitszustandes möglich ist und es dem Antragsteller auch bei vorhandener Suchterkrankung insbesondere mit entsprechenden sozialen Hilfen möglich sein wird, eine jedenfalls teilweise bedarfsdeckende Beschäftigung zu finden oder die Gründe zu beseitigen, die derzeit einer Rückkehr nach Litauen im Wege stehen.

Der Anordnungsgrund folgt aus dem existenzsichernden Charakter der streitigen Leistungen.

Der Leistungsumfang richtet sich gem. § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII nach § 23 Abs. 1 SGB XII. Dem Antragsteller ist Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten. Die Anrechnung des vom Senat summarisch geschätzten Einkommens aus dem Verkauf der Straßenzeitung beruht auf § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB XII. Bei der Festlegung des Beginns der Verpflichtung der Beigeladenen hat der Senat (abweichend von der sonstigen Praxis) unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Verhältnisse des Antragstellers auf den Monat der Durchführung des Erörterungstermins im Beschwerdeverfahren abgestellt. Die Dauer der Verpflichtung erfolgt in Anlehnung an § 44 Abs. 3 Satz 2 SGB XII und berücksichtigt, dass einerseits eine mittelfristige Stabilisierung der Situation des Antragstellers geboten ist, andererseits Leistungen nur vorübergehend bewilligt werden sollen und eine Fortzahlung in regelmäßigen Abständen zu überprüfen ist.

Hinsichtlich der grundsätzlich vom Leistungsanspruch umfassten Hilfe bei Krankheit (§ 23 Abs. 1 SGB XII) ist ein Anordnungsgrund derzeit nicht gegeben, da nach Mitteilung der AOK Rheinland/Hamburg zwar ein Beitragsrückstand besteht, es aber noch nicht zu einem Ruhen des Krankenversicherungsschutzes gekommen ist. Das Ruhen tritt nicht ein oder endet, wenn Versicherte - wie hier der Antragsteller - hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder SGB XII sind oder werden (§ 16a Abs. 3a Satz 4 SGB V). Zudem sind ausgenommen vom Ruhen des Leistungsanspruchs gem. § 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach §§ 25 und 26 SGB V und Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen Schmerzzustände erforderlich sind. Diese durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz eingeführte Neuregelung ist eine Folgeänderung zur Einführung einer Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und der Abschaffung der Kündigungsmöglichkeit in § 191 Satz 1 Nr. 3 SGB V aF. Den Versicherungsberechtigten nach § 9 SGB V bleibt auch bei Nichtzahlung der Beiträge ein Teil ihres medizinischen Versorgungsanspruchs erhalten. Dieser umfasst jedenfalls die nach den §§ 27 - 52 SGB V erforderlichen medizinischen Leistungen zur Behandlung einer akuten Krankheit und von Schmerzen (Beschluss des Senats vom 20.04.2016 - L 7 AS 677/16 B ER; Blöcher in: JurisPK § 16 SGB V Rn. 55).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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