S 81 KR 1002/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
81
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 1002/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.Gelingt es einer Versicherten mit den ihr individuell zumutbaren Anstrengungen nicht, für eine medizinisch erforderliche psychotherapeutische Behandlung einen zugelassenen und behandlungsbereiten Leistungserbringer in einer für sie zumut-baren Zeit und Entfernung zu finden, ist die Krankenkasse verpflichtet, sie aktiv bei der Suche zu unterstützen. Kommt sie dieser Verpflichtung nicht ausreichend nach, kann sich hieraus ein die Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen (approbierten) Leistungserbringers rechtfertigendes Systemversagen ergeben.

2. Zu den Anforderungen an das Vorliegen eines Systemversagens bei der Suche nach einem freien Therapieplatz bei einem zugelassenen und behandlungsbereiten Leistungserbringer für eine ambulante (Richtlinien-)Psychotherapie.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2017 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten für bis zu vier probatorische Sitzungen bei der Diplom-Psychologin O. S. dem Grunde nach freizustellen. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Freistellung von den Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung bei einer nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Psychotherapeutin. Streitig ist hierbei nach einem Verfahrensvergleich nur noch die Kostenfreistellung für die probatorischen Sitzungen.

Die 1992 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin leidet unter einer mittelgradigen, rezidivierenden depressiven Störung.

Mit Schreiben vom 25. Januar 2017 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf ambulante Psychotherapie und Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V bei der Psychotherapeutin O. S. Frau S. ist eine approbierte Psychotherapeutin in den Richtlinienverfahren tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Psychoanalyse, verfügt jedoch nicht über eine Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung. In dem Antrag gab die Klägerin an, sie habe sich am 9. und 16. Januar 2017 vergeblich um einen ersten Termin bei sechs verschiedenen zugelassenen (namentlich benannten) Psychotherapeuten bemüht. Bei Frau S. bestehe die Möglichkeit, kurzfristig mit der Behandlung zu beginnen. Eine dreimonatige Wartezeit auf einen Therapieplatz sei ihr wegen der deutlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes nicht zumutbar. Dem Antrag beigefügt war überdies eine Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. J. über die Notwendigkeit einer Psychotherapie. Mit Schreiben vom 27. Januar 2017 unterstützte die Psychotherapeutin S. den Antrag der Klägerin und teilte mit, dass sie nach EBM abrechne.

Mit Bescheid vom 3. Februar 2017 lehnte die Beklagte eine Kostenzusage für eine außergerichtliche Psychotherapie ab. Zugleich verwies sie auf die Möglichkeiten der Suche nach einem zugelassenen Leistungserbringer über die Internetseiten der Beigeladenen und über die Psychotherapeutenkammer Berlin. Die Beklagte benannte zudem acht zugelassene Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die freie Therapieplätze gemeldet hätten.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie übersandte unter anderem eine "Ärztliche Bescheinigung über die Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit einer Psychotherapie" des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. Zudem machte sie geltend, bei den von der Beklagten angegebenen zugelassenen Psychotherapeuten habe es sich überwiegend um Verhaltenstherapeuten gehandelt, sie benötige jedoch eine psychoanalytische Therapie. Überdies sei kein einziger der angegebenen Therapeuten persönlich erreichbar gewesen. Eine Psychoanalyse bei einem männlichen Therapeuten komme bei ihr aus kulturellen Gründen nicht in Betracht und eine Fahrzeit von bis zu 90 Minuten zur Therapie sei ihr in Anbetracht ihrer Berufstätigkeit nicht zumutbar. Im April 2017 übersandte die Klägerin eine weitere Liste mit den Namen und Anschriften von elf zugelassenen Psychotherapeutinnen, bei denen sie sich am 9. und 10. April 2017 vergeblich um einen Termin bemüht habe. Die Therapeutinnen hätten lange Wartezeiten gehabt, seien nicht erreichbar gewesen oder hätten keine freien Therapieplätze gehabt oder nur eine Therapie im Kostenerstattungsverfahren angeboten. Überdies habe sich ihre gesundheitliche Lage weiter zugespitzt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Psychotherapie bei einer nicht zugelassenen Psychotherapeutin bestehe nicht. Die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V lägen nicht vor.

Am 24. Mai 2017 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie zunächst die Verurteilung der Beklagten zur Freistellung von den Kosten für fünf probatorische Sitzungen und eine Psychoanalyse im Umfang von 160 Sitzungen bei der Diplom-Psychologin O. S. dem Grunde nach beantragt hat.

Im Rahmen eines zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen außergerichtlichen Vergleichs hat die Klägerin die Klage dahingehend beschränkt, dass sie nur noch die Verurteilung der Beklagten zur Freistellung von den Kosten für bis zu vier probatorische Sitzungen bei der Diplom-Psychologin O. S. begehrt. Die Beklagte hat sich im Gegenzug für den Fall, dass sie rechtskräftig verurteilt wird, die Klägerin von den Kosten für bis zu vier probatorische Sitzungen bei der Diplom-Psychologin O. S. freizustellen und sofern und soweit sich danach aufgrund eines Antrags- und Gutachterverfahrens nach §§ 33 ff. der Psychotherapie-Richtlinien die Durchführung einer Langzeittherapie als medizinisch erforderlich erweisen sollte, verpflichtet die Klägerin auch von den Kosten einer Langzeittherapie bei der Diplom-Psychologin O. S. freizustellen. Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Freistellung von den Kosten der Psychotherapie bei der nicht zugelassenen Psychotherapeutin S. gegen die Beklagte wegen Vorliegens eines Systemversagens zu. Sie habe sich mehrfach erfolglos um einen freien Therapieplatz bei einem zugelassenen Leistungserbringer bemüht. Sie habe keine einzige zugelassene Psychotherapeutin finden können, die innerhalb einer angemessenen und zumutbaren Wartezeit mit der Probatorik und Psychoanalyse hätte beginnen können. Der einzige von der Beklagten mitgeteilte zugelassene Psychotherapeut, bei dem sie eine Psychoanalyse hätte in Anspruch nehmen können, sei wegen der langen Fahrzeit von etwa 90 Minuten und auch aus kulturellen Gründen nicht in Betracht gekommen. Er habe sich überdies auch bei ihr nicht zurückgemeldet, obwohl sie mehrfach versucht habe, ihn zu erreichen. Die Terminservicestelle der Beigeladenen vermittle nur Termine für eine Sprechstunde oder eine Akutbehandlung, nicht aber für probatorische Sitzungen und eine Richtlinientherapie.

Die Klägerin beantragt unter Berücksichtigung des zwischen ihr und der Beklagten geschlossenen Verfahrensvergleichs,

den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie von den Kosten für bis zu vier probatorische Sitzungen bei der Diplom-Psychologin O. S. dem Grunde nach freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Klägerin stehe der geltend gemachte Freistellungsanspruch nicht zu. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V lägen nicht vor. Weder habe sie die Kostenübernahme zu Unrecht abgelehnt, noch liege eine unaufschiebbare Leistung vor. Im Land Berlin bestehe hinsichtlich der vertragspsychotherapeutischen Versorgung keine Unterversorgung, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass in zumutbarer Entfernung zum Wohnort der Klägerin keine freien Kapazitäten zur Durchführung der begehrten Therapie zur Verfügung stünden. Sie – die Beklagte – sei mit dem Hinweis auf die Internetseiten der Beigeladenen und die Kontaktdaten der Psychotherapeutenkammer auch ihrer Beratungspflicht hinreichend nachgekommen. Die konkrete Auswahl eines zugelassenen Therapeuten sei Sache des Versicherten. Davon, dass keine vertragsärztlich zugelassene Therapeutin für die Behandlung der Klägerin zur Verfügung stehe, könne unter Berücksichtigung der Versorgungssituation in Berlin nicht ausgegangen werden. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin sich im Rahmen der ihr zumutbaren Anstrengungen ausreichend um einen Therapieplatz bemüht habe. Im Centrum für Gesundheit der Beklagten seien kurzfristig Termine für eine tiefenpsychologische Behandlung durch Therapeutinnen möglich.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat mitgeteilt, keine konkreten Praxen oder Leistungserbringer benennen zu können, die aktuelle oder zeitnah über freie Kapazitäten verfügten. Es bestehe seitens der zugelassenen Psychotherapeuten keine Verpflichtung, freie Kapazitäten zu melden. Den Versicherten stehe für die Suche nach einem Therapeuten die Internetseite der beigeladenen zur Verfügung und auch die von ihr betriebene Terminservicestelle, die auch Termine für ein Erstgespräch im Rahmen der psychotherapeutischen Sprechstunden und für eine gegebenenfalls erforderliche Akutbehandlung vermittelten, nicht aber für probatorische Sitzungen und Richtlinienpsychotherapie.

Die Klägerin hat auf Aufforderung des Gerichts weitere Bemühungen um einen Therapieplatz bei einer zugelassenen Psychotherapeutin nachgewiesen. Wegen der von ihr in diesem Rahmen übersandten Unterlagen wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung am 5. März 2018 hat das Gericht die Klägerin zu dem zu ihren Bemühungen um einen Therapieplatz persönlich befragt. Wegen der von ihr gemachten Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 5. März 2018 mitgeteilt, dass im Centrum für Gesundheit der Beklagten eine kurzfristige Terminvergabe für eine Psychoanalyse bei einer weiblichen zugelassenen Psychotherapeutin möglich sein. Die Sache wurde daraufhin vertagt. Mit Schreiben vom 19. März 2018 hat die Beklagte mitgeteilt, dass im Centrum für Gesundheit der Beklagten aus Kapazitätsgründen der Zeit keine Psychoanalyse für die Klägerin angeboten werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte nach § 124 Abs. 2 SGG ohne (erneute) mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

Die auf Freistellung von den Kosten der noch durchzuführenden psychotherapeutischen Behandlung bei der nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen (approbierten) Psychotherapeutin S. ist in dem nach der Beschränkung der Klage noch streitgegenständlichen Umfang als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 SGG zulässig und begründet.

I. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig. Die Klägerin hat einen Freistellungsanspruch in dem noch streitgegenständlichen Umfang für bis zu vier probatorische Sitzungen aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V wegen Systemversagens.

§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V ermöglicht eine Kostenerstattung, wenn eine unaufschiebbare Leistung von der Krankenkasse nicht rechtzeitig erbracht werden kann oder wenn eine Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde. Das schließt Kostenerstattungen für außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung beschaffte Leistungen mit ein, soweit ein zugelassener behandlungsbereiter Leistungserbringer in einer für den Versicherten zumutbaren Zeit oder Entfernung nicht rechtzeitig oder gar nicht zur Verfügung steht (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 1996 – 1 RK 22/95 –, juris Rn. 22; Urteil vom 9. Juni 1998 – B 1 KR 18/96 R –, juris Rn. 14; Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 11/13 R –, juris Rn. 16; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Oktober 2017 – L 9 KR 299/16 –, juris Rn. 28; Noftz, in Hauck/Noftz, SGB V § 13 Rn. 42; speziell zur Psychotherapie vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. November 2016 – L 4 KR 4432/14 –, juris Rn. 32). Ein solches Systemversagen kommt auch dann in Betracht, wenn der oder die Versicherte aufgrund unzureichender Beratung oder Aufklärung durch die Krankenkasse (§§ 13, 14 SGB I) gezwungen war bzw. ist, sich die Leistung selbst zu beschaffen (BSG, Urteil vom 10. Februar 1993 – 1 RK 31/92 –, juris Rn. 15 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend der Zeitpunkt der Entscheidung durch die Kammer. Denn die Klägerin hat mit der streitigen psychotherapeutischen Behandlung bei Frau S. noch nicht begonnen und begehrt die Kostenfreistellung für die erst noch zu beginnende Behandlung (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 02. September 2014 – B 1 KR 3/13 R –, juris Rn. 28; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Aufl. 2017, § 54 Rn. 34).

2. Dass die Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und § 28 Abs. 3 SGB V einen Sachleistungsanspruch auf eine ambulante Psychotherapie zunächst in Form von probatorischen Sitzungen wegen einer rezidivierenden depressiven Störung hat, steht zur Überzeugung der Kammer auf Grund der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere der Bescheinigung des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. vom 15. Februar 2017, fest und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

3. Der Sachleistungsanspruch auf eine ambulante Psychotherapie besteht nach § 28 Abs. 3 SGB V grundsätzlich nur bei zur psychotherapeutischen Behandlung im Rahmen der GKV zugelassenen Psychotherapeuten und Vertragsärzten. Nach § 76 Abs. 1 SGB V, der nach § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V u.a. für die Psychologischen Psychotherapeuten entsprechend gilt, können die Versicherten unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b SGB V an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2 SGB V, den nach § 72a Abs. 3 SGB V vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 SGB V frei wählen (Satz 1). Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (Satz 2).

Frau S. verfügt zwar über eine Approbation als Psychologische Psychotherapeutin (zur Erforderlichkeit auch im Falle des Systemversagens vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 B 1 KR 4/16 R -, juris Rn. 10 ff.), ist aber nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen. Ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der überdies einen Kostenerstattungsanspruch bzw. einen Freistellungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V ausschließen würde, liegt nicht vor. Dieser würde voraussetzen, dass die Behandlung aus medizinischen Gründen so dringlich ist, dass es bereits an der Zeit für die Auswahl eines geeigneten Therapeuten und dessen Behandlung – sei es durch dessen Aufsuchen oder Herbeirufen – fehlt (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 – B 1 KR 9/05 R -, juris Rn. 18; Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 20/14 R -, juris Rn. 13). Das ist bei einer psychotherapeutischen Langzeittherapie von vornherein nicht denkbar (vgl. auch Stellpflug/Wipperfürth, ZGMR 2017, 225, 227).

3. Ob ein zugelassener behandlungsbereiter Leistungserbringer in einer für die Klägerin zumutbaren Zeit und Entfernung tatsächlich zur Verfügung steht, ist für die Kammer nicht feststellbar und kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn ein Systemversagen ergibt sich vorliegend jedenfalls daraus, dass die Beklagte ihrer Aufklärungs- und Beratungspflicht gemäß §§ 13, 14 SGB I und ihrer Verpflichtung gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen zügig erhält, nicht ausreichend nachgekommen und es der Klägerin deshalb nicht gelungen ist, mit den ihr zumutbaren Anstrengungen einen Therapieplatz bei einem zugelassenen behandlungsbereiten Leistungserbringer zu erlangen.

a) Wer wegen eines Systemversagens einen nicht zugelassenen Leistungserbringer in Anspruch nehmen will, muss sich zuvor bei seiner Krankenkasse nach den in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten im Rahmen des vertragsärztlichen Systems erkundigen, um so der Krankenkasse Gelegenheit zu geben, ihm Behandlungsalternativen aufzuzeigen (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 38/06 R –, Rn. 36). Im Hinblick auf die sich aus § 21 Abs. 2 SGB X ergebenden Mitwirkungspflichten ist der Versicherte grundsätzlich auch gehalten, an der Suche nach einem Therapieplatz bei einem zugelassenen Therapeuten aktiv mitzuwirken. Kommt der Versicherte dem nicht ausreichend nach und/oder ist er erkennbar von vornherein bereits auf einen bestimmten (nicht zugelassenen) Leistungserbringer festgelegt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 8. September 2015 – B 1 KR 14/14 R –, Rn. 9; speziell zur Psychotherapie vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. September 2015 – L 9 KR 343/14 –, juris Rn. 32), und lässt sich deshalb nicht hinreichend feststellen, ob zumutbare Behandlungsalternativen im Rahmen der vertragsärztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen Versorgung zur Verfügung stehen, scheidet die Annahme eines Systemversagens aus bzw. geht die diesbezügliche Beweislast zu Lasten des Versicherten. Dasselbe gilt allerdings umgekehrt für die Krankenkasse, wenn sie und die Kassenärztliche Vereinigung den Versicherten nicht aktiv bei der Suche nach einem Therapieplatz unterstützen. Kommt die Kassenärztliche Vereinigung ihrem Sicherstellungauftrag gemäß § 75 Abs. 1 und Abs. 1a Satz 1 SGB V und die Krankenkasse ihrer Sachleistungsverantwortung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 17 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB I insofern nicht ausreichend nach, kann sich die Krankenkasse nachträglich nicht darauf berufen, es hätten zugelassene Leistungserbringer zur Verfügung gestanden (vgl. auch zur Hörgeräteversorgung LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Juli 2017 – L 9 KR 60/17 B ER –, juris Rn. 7; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 15. November 2013 - L 4 KR 85/12 - juris Rn. 33; und 21. Juni 2016 – L 11 KR 2013/15 –, juris Rn. 44).

b) Welche Anstrengungen dem Versicherten auf der Suche nach einem zugelassenen und leistungsbereiten Leistungserbringer zumutbar sind und die Inanspruchnahme welcher Leistungserbringer ihm in Bezug auf Fahrwege, Wartezeiten und sonstige Umstände (etwa Geschlecht und Spezialisierung) zugemutet werden kann, lässt sich nur anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilen.

aa) Im Blick zu behalten ist hierbei zum einen, dass durch eine zu extensive Einbeziehung nicht zugelassener Leistungserbringer in die Versorgung der Versicherten der GKV die Gefahr besteht, dass die gesetzlichen Regelungen über die Bedarfsplanung (§§ 99 ff. SGB V) und die Zulassungsbeschränkungen bei bestehender Überversorgung (§ 103 SGB V) unterlaufen werden. Diese Regelungen dienen (auch mit Blick auf das Phänomen der angebotsinduzierten Nachfrage) der finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit des Systems der GKV und damit einem Gemeinwohlbelang von hoher Bedeutung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2001 – 1 BvR 1282/99 –, juris Rn. 5 ff.; BSG, Urteil vom 4. Mai 2016 – B 6 KA 24/15 R –, juris Rn. 31 m.w.N.). Die finanzielle Stabilität der GKV ist durch die Einbeziehung nicht zugelassener Psychotherapeuten im Wege des Systemversagens auch deshalb besonders betroffen, weil die Kosten hierfür nicht aus der Gesamtvergütung durch die Kassenärztliche Vereinigung zu tragen sind, sondern unmittelbar von den Krankenkassen, die hierfür über die "mit befreiender Wirkung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung" geleistete Gesamtvergütung (§ 85 Abs. 1 SGB V) hinaus einzustehen haben. Die Möglichkeit des teilweisen Einbehalts der Gesamtvergütung bei Nichterfüllung des Sicherstellungsauftrages durch die Kassenärztliche Vereinigung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V dürfte hier nur bedingt Abhilfe schaffen. Voraussetzung für das Zurückbehaltungsrecht ist nämlich, dass die Kassenärztlich Vereinigung die Nichterfüllung des Sicherstellungsauftrages zu vertreten hat, was sich in Fällen wie dem vorliegenden nur schwer nachweisen lassen dürfte (zur geringen praktischen Bedeutung der Regelung vgl. auch Rademacker, in KassKomm-SGB V, 93. EL 3/2017, § 75 Rn. 18).

Die vorgenannten Erwägungen sprechen an sich dafür, ein Systemversagen insbesondere in dem hier betroffenen Bereich der allgemeinen medizinischen Grundversorgung nur unter restriktiven Voraussetzungen anzuerkennen. Andererseits liegen jedoch die Gründe dafür, warum es z. B. nur sehr schwer möglich ist, einen zeitnahen Termin für eine psychotherapeutische Behandlung zu bekommen (z. B. "faktische" Unterversorgung, unzureichende Koordinierung der Vergabe freier Kapazitäten, [teilweise] Nichterfüllung des Versorgungsauftrages durch Leistungserbringer), weitgehend außerhalb des Einflussbereichs der Versicherten selbst, sondern im Verantwortungsbereich der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung, denen gemeinsam mit den Leistungserbringern die Sicherstellung der vertragsärztlichen bzw. psychotherapeutischen Versorgung obliegt (§ 72 Abs. 1 Satz 1, § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Sie können etwa durch eine angemessene Vergütung, disziplinarrechtliche Maßnahmen (vgl. § 81 Abs. 5 SGB V) und ggf. die (teilweise) Entziehung von Zulassungen (vgl. § 95 Abs. 6 Sätze 1 und 2 SGB V) dafür Sorge tragen, dass die zugelassenen Leistungserbringer ihren Versorgungsauftrag tatsächlich erfüllen. Überdies können sie den Versicherten durch eine Koordinierung freier Kapazitäten der Leistungserbringer einen gleichberechtigten und zeitnahen Zugang zu den begrenzten Behandlungskapazitäten verschaffen.

bb) Im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme bestimmter Leistungserbringer werden etwa bei Vorliegen einer akuten und schwerwiegenden psychischen Erkrankung nur verhältnismäßig geringe Wartezeiten zumutbar sein, während im Normalfall für eine Richtlinienpsychotherapie ein Zeitraum von bis zu drei Monaten noch vertretbar erscheint (a. A. Stellpflug/Wipperfürth, ZGMR 2017, 225, 227, die die Grenze unter Hinweis auf § 33 Abs. 1 Satz 4 PT-RL für den "Normalfall" wohl bei drei Wochen ziehen). Hinsichtlich der zumutbaren Fahrwege ist unter anderem zu berücksichtigen, ob der oder die Versicherte berufstätig ist, und die Arbeitsfähigkeit durch die Therapie z.B. gerade erhalten werden soll, und ob bei ihm z. B. krankheits- oder behinderungsbedingte Einschränkungen der Fortbewegungsfähigkeit vorliegen. Im Normalfall werden Fahrwege von bis zu einer Stunde aber sicher zumutbar sein (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2010 – B 6 KA 22/09 R –, juris Rn. 23: max. 25 km bei allgemeinen Leistungen, zu denen auch die Psychotherapie gehört). Hinsichtlich der Therapeutenauswahl ist auch zu berücksichtigen, dass bei der Psychotherapie der kontinuierlichen Gestaltung der Therapeut-Patient-Beziehung (vgl. § 4 Abs. 3 der Psychotherapie-Richtlinien des GBA, PT-RL) und damit letztlich auch dem Grundsatz der Freiheit der Arztwahl (§ 76 Abs. 1 SGB V) eine besondere Bedeutung zukommt. Eine von gegenseitigem Vertrauen geprägte Therapeut-Patient-Beziehung ist elementare Voraussetzung für den Erfolg der Therapie. Andererseits dienen der Prüfung, ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist, auch die probatorischen Sitzungen (vgl. § 12 PT-RL). Insofern ist es dem Versicherten auf der Suche nach einem zugelassenen Leistungserbringer regelmäßig zumutbar, bei einem zugelassenen Leistungserbringer, der ihm einen Therapieplatz anbietet, zunächst eine oder mehrere probatorische Sitzungen durchzuführen um herauszufinden, ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist.

cc) Hinsichtlich der zumutbaren Anforderungen an die Therapeutensuche kann den Versicherten zunächst grundsätzlich abverlangt werden, die von der Kassenärztlichen Vereinigung und der Psychotherapeutenkammer zur Verfügung gestellten Informationen zu nutzen und sich von sich aus an mehrere zugelassene Leistungserbringer zu wenden und nach freien Kapazitäten zu erkundigen. Zu berücksichtigen ist hierbei aber auch, dass die langwierige Suche nach einem geeigneten Psychotherapeuten selbst unter Umständen psychisch sehr belastend sein und das vorhandene psychische Leiden damit ggf. verschlimmern kann. Zu berücksichtigen ist ferner, dass gerade Psychotherapeuten häufig in einer Einzelpraxis ohne Angestellte tätig und oft nur schwer zu erreichen sind. Auch insofern sind die Zumutbarkeitsanforderungen einzelfallbezogen zu bestimmen, wobei den Versicherten im Normalfall mehr als 20 oder 30 erfolglose Anfragen sicher nicht abverlangt werden können.

An die von der Kassenärztlichen Vereinigung gemäß § 75 Abs. 1a SGB V einzurichtende Terminservicestelle müssen sich Versicherte bei nicht zweifelhaften Anspruch auf eine Richtlinienpsychotherapie nicht wenden, weil diese zumindest bislang (gegen die Ausweitung der Vermittlungstätigkeit der Terminservicestellen auch auf die probatorischen Sitzungen und die Richtlinienpsychotherapie durch den Beschluss des Bundesschiedsamtes vom 9. November 2017 hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg unter dem Aktenzeichen L 24 KA 66/17 Klage erhoben) nur Termine für psychotherapeutische Erstgespräche und eine ggf. erforderliche Akutbehandlung vermitteln, aber gerade nicht für probatorische Sitzungen und Richtlinienpsychotherapie. Dies hat die Beigeladene für die bei ihr eingerichtete Terminservicestelle ausdrücklich bestätigt.

Wendet sich der Versicherte an seine Krankenkasse und macht er glaubhaft geltend, bei einer größeren Anzahl von (zumutbaren, siehe oben bb) Leistungserbringern erfolglos nach freien Kapazitäten gesucht zu haben, muss die Krankenkasse von sich aus tätig werden und den Versicherten bei der Therapeutensuche aktiv unterstützen, indem sie etwa von sich aus mit zugelassenen Leistungserbringern in Kontakt tritt und nach freien Kapazitäten fragt. Sie kann sich hierbei ihrer Verantwortung, für eine zeitnahe Versorgung der Versicherten mit notwendigen medizinischen Leistungen Sorge zu tragen (vgl. auch § 17 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB I) auch nicht durch einen Hinweis auf den Grundsatz der freien Arzt- bzw. Therapeutenwahl (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V) entziehen. Durch die Unterstützung der Versicherten bei der Suche nach leistungsbereiten Leistungserbringern wird der Grundsatz der freien Arztwahl nicht berührt, sondern ihm wird überhaupt erst Geltung verschafft, zumal den Versicherten keine Verpflichtung trifft, einen vermittelten Leistungserbringer auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen (ihm ist es dann ggf. lediglich verwehrt, sich auf ein Systemversagen zu berufen).

Der Versicherte seinerseits muss bei der Suche ebenfalls aktiv mitwirken und die von der Krankenkasse ermittelten zumutbaren und leistungsbereiten Leistungserbringer kontaktieren bzw. aufsuchen und ggf. zumindest die probatorischen Sitzungen in Anspruch nehmen um herauszufinden, ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist (siehe oben bb).

c) Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Maßgaben liegt zur Überzeugung der Kammer hier ein Systemversagen vor.

Die Klägerin benötigt nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen grundsätzlich eine psychotherapeutische Behandlung, wobei über die Art und den konkreten Umfang erst nach Durchführung der probatorischen Sitzungen in dem obligatorischen Gutachterverfahren nach §§ 33 ff. der Psychotherapie-Richtlinien des GBA entschieden werden kann.

Die Klägerin hat sich nach ihren glaubhaften Angaben von sich aus im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erfolglos an insgesamt 23 zugelassene Psychotherapeutinnen und auch Psychotherapeuten gewandt. Soweit diese für sie geeignet waren, hat sich die Klägerin überdies auch erfolglos an die von der Beklagten (in dem Bescheid vom 3. Februar 2017) benannten Leistungserbringer benannt. Diese schieden jedoch überwiegend bereits deshalb aus, weil und soweit es sich – was die Beklagte nicht bestreitet – ausschließlich um Verhaltenstherapeuten handelte, bei der Klägerin jedoch eine psychoanalytische Therapie indiziert ist.

Ob es der Klägerin aus – von ihr nicht näher konkretisierten - "kulturellen Gründen" grundsätzlich nicht zugemutet werden könnte, sich von einem männlichen Psychotherapeuten behandeln zu lassen, erscheint durchaus zweifelhaft, kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil die Klägerin nach den von ihr übersandten Listen ihre Suche nicht auf weibliche Psychotherapeutinnen beschränkt hat und die Beklagte und Beigeladene zumindest zuletzt (im Klageverfahren) überhaupt keine leistungsbereiten Leistungserbringer mehr benannt haben. Auch den von der Beklagten im Widerspruchsverfahren benannten männlichen Therapeuten G., der eine Psychoanalyse anbot, hat die Klägerin nach ihren glaubhaften Angaben mehrfach erfolglos versucht zu erreichen und er hat sich bei ihr auch nicht zurückgemeldet.

Die Kammer verkennt nicht, dass an der Ernsthaftigkeit der Suche durch die Klägerin zum Teil durchaus Zweifel angebracht sind, die möglicherweise auch auf der ergebnisorientierten Anleitung durch ihren anwaltlichen Bevollmächtigten beruhen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der im Klageverfahren (im September und Oktober 2017) per E-Mail erfolgten Anfragen, die ihrer inhaltlichen Gestaltung nach nicht auf eine ernsthafte Suche nach einem zugelassenen Therapeuten hindeuten, sondern darauf, dass die Klägerin die Zu- oder Absage nur für eine Fortsetzung der Therapie bei Frau S. benötigt.

Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 5. März 2018 glaubhaft den Eindruck vermittelt hat, nicht auf die Behandlung durch Frau S. festgelegt zu sein, sondern dass es ihr tatsächlich nach wie vor darum geht, überhaupt eine Therapeutin oder einen Therapeuten zu finden und dass sie bereit ist, an der Suche nach einem geeigneten zugelassenen Leistungserbringer aktiv mitzuwirken, wenn sie hierbei von der Beklagten unterstützt wird. Eben diese Unterstützung haben ihr sowohl die Beklagte als auch die Beigeladene zumindest im Klageverfahren nahezu vollständig verweigert. Die Beklagte hat sich lediglich bei dem von ihr betriebenen Centrum für Gesundheit nach einem Therapieplatz für die Klägerin erkundigt, zuletzt aber explizit mitgeteilt, dass dort derzeit aus Kapazitätsgründen keine Psychoanalyse für die Klägerin angeboten werden könne. Weitere geeignete und leistungsbereite Leistungserbringer, die der Klägerin zeitnah eine Therapie anbieten können, haben weder die Beklagte noch die Beigeladene benannt, obwohl sie vom Gericht ausdrücklich darum gebeten wurden. Die Beklagte hat sich damit ihrer Sachleistungsverantwortung gegenüber der Klägerin vollständig entzogen, weshalb es dieser schlussendlich auch nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, dass ihre Suche zwischenzeitlich die erforderliche Ernsthaftigkeit hat vermissen lassen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob ein Systemversagen vorliegt, ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist (siehe oben 1.).

Der Klägerin steht der Freistellungsanspruch nach alledem in dem zuletzt noch streitigen Umfang für bis zu vier probatorische Sitzungen dem Grunde nach zu. Über die Höhe der von der Beklagten an Frau S. zu zahlenden Vergütung ist hierbei in dem vorliegenden Verfahren nicht zu befinden. Der Beklagten dürfte es insofern freistehen, mit Frau S. eine Einzelvereinbarung zu schließen und sich dabei z.B. auf eine Vergütung auf der Grundlage des EBM zu einigen (vgl. auch BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 11/13 R –, juris Rn. 27 ff.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Nach Ansicht der Kammer entspricht es hierbei der Billigkeit, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Klägerin insgesamt aufzuerlegen, d.h. auch, soweit sie die Klage im Rahmen des vom Gericht vorgeschlagenen Verfahrensvergleichs auf die probatorischen Sitzungen beschränkt hat. Zwar lässt sich nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht abschließend feststellen, ob die Klägerin den ursprünglich ebenfalls eingeklagten Anspruch auf Freistellung von den Kosten einer Langzeittherapie im Umfang 160 Stunden hat, zumal es insofern auch bei Vorliegen eines Systemversagens möglich und geboten erscheint, das in §§ 33 ff. der Psychotherapierichtlinien des GBA vorgesehene Antrags- und Gutachterverfahren einzuhalten. Indes hat die Beklagte durch die vollständige Ablehnung der Kostenübernahme bzw. –freistellung unter Verweis auf die fehlende Zulassung der Frau S. Anlass zur Klage gegeben und ist ihr der Umstand, dass sich die medizinische Erforderlichkeit einer Langzeittherapie bislang nicht in dem erforderlichen Gutachterverfahren aufklären ließ, insofern zurechenbar.
Rechtskraft
Aus
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