L 7 AS 328/18 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 AS 553/18 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 328/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Kein Fall für eine Urteils- bzw. Beschlussergänzung nach § 140 SGG liegt vor, wenn das Gericht ohne entsprechende Prozesserklärung des Antragstellers den Streitgegenstand auf einen Teil des Antragsbegehrens begrenzt ansieht und nur über diesen Teil entscheidet.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 21. März 2018 wird zurückgewiesen. Die Beschwerde hinsichtlich der Leistungen ab Mai 2018 wird verworfen.
II. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wegen der Ausstellung einer Bescheinigung für die Kindergeldkasse sowie für die Krankenkasse wird abgelehnt.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sowie die Frage, ob der Antragsgegner und Beschwerdegegner (in der Folge: Antragsgegner) verpflichtet ist, dem Antragsteller und Beschwerdeführer (in der Folge: Antragsteller) verschiedene Bescheinigungen auszustellen.

Der 1992 geborene Antragsteller, dem ein GdB von 70 anerkannt ist, lebt in Haushaltsgemeinschaft mit seiner Mutter. Sie schulden für die Unterkunft 996 EUR monatlich. Der Antragsteller bezieht vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (vgl zuletzt Bescheid vom 23.3.2017 für die Zeit vom 29.4.2017 bis 30.4.2018, zuletzt geändert durch Bescheid vom 16.6.2017).

Am 15.9.2017 nahm der Antragsteller einen Freiwilligendienst auf. Der hierüber geschlossenen - über weite Strecken ua zum Einsatzort geschwärzten - Vereinbarung ist zu entnehmen, dass der Antragsteller ein monatliches Taschengeld iHv 175 EUR, einen Verpflegungskostenzuschuss iHv monatlich 241 EUR sowie eine Geldersatzleistung für Unterkunft, Dienstkleidung und Reinigung iHv monatlich 212 EUR erhält.

Nachdem die Bevollmächtigte des Antragstellers den Antragsgegner über die Aufnahme des Freiwilligendienstes informierte, hob dieser seine Bewilligung vom 16.6.2017 mit Wirkung zum 1.9.2017 auf und bewilligte dem Antragsteller Leistungen für die Zeit vom 1.9.2017 bis 30.4.2018 unter Berücksichtigung seiner Einnahmen aus dem Freiwilligendienst neu. Dabei berücksichtigte er als Einnahme das Taschengeld, den Verpflegungskostenzuschuss und die Geldersatzleistung für Unterkunft usw, insgesamt 628 EUR monatlich. Von diesem setzte er nach § 11b Abs 2 S 6 SGB II einen Betrag iHv 200 EUR ab. Die Berücksichtigung eines Tagesgeldes nach § 6 Abs 3 Alg II-V wegen der durch eine Therapie des Antragstellers bedingten Abwesenheit des Antragstellers von mehr als 12 Stunden, von Fahrtkosten iHv 225 EUR monatlich sowie für die auswärtige Verpflegung des Antragstellers lehnte der Antragsgegner genauso ab wie die Absetzung eines Freibetrags nach § 11b Abs 3 SGB II, da es sich beim Freiwilligendienst nicht um eine Erwerbstätigkeit handele. Kindergeld berücksichtigte der Antragsgegner ab Dezember 2017 nicht mehr bei der Leistungsberechnung. Die sich hieraus für den Zeitraum September bis Dezember 2017 und Januar 2018 ergebende Überzahlung wurde auf 1 530,63 EUR festgesetzt und vom Antragsteller erstattet verlangt (Bescheid vom 19.1.2018; für die Zeit ab Januar 2018: Regelbedarf iHv 416 EUR + Mehrbedarf Ernährung 83,20 EUR + Kosten für Unterkunft 398 EUR - (698 EUR - 200 EUR) = 469,20 EUR).

Mit seinem hiergegen am 28.2.2018 erhobenen Widerspruch ließ der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs, die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 19.1.2018, die sofortige Auszahlung der einbehaltenen verrechneten Leistungen sowie die Ausstellung einer Bestätigung wegen Überschreitens der Altersgrenze für die Kindergeldkasse und wegen der Befreiung von den Zuzahlungen 2018 für die Krankenkasse beantragen. Dabei lässt er verschiedene aus seiner Sicht bestehende Fehler des Bescheides vom 19.1.2018 monieren. Der Widerspruch ist nach Aktenlage bislang nicht verbeschieden. Am 1.3.2018 ließ der Antragsteller beim Sozialgericht München einstweiligen Rechtsschutz und Klage erheben. Neben den Anträgen aus dem Widerspruch ließ der Antragsteller die sofortige Auszahlung der einbehaltenen verrechneten SGB II-Leistungen seit September 2017 fordern. Er habe durch Versäumnisse während des vierjährigen Leistungsbezugs beim Antragsgegner erhebliche Nachteile erlitten. Der Bescheid vom 19.1.2018 sei rechtswidrig, da er verzögert bekannt gegeben worden sei. Der Antragsgegner habe monatelang Auskünfte verweigert. Die berücksichtigten Tatsachen seien fehlerhaft, das Behindertenrecht und der Meistbegünstigungsgrundsatz seien nicht berücksichtigt worden. Schließlich seien die Berechnungen falsch. Die Einnahmen seien erstmals Ende September 2017 zugeflossen, so dass eine Anrechnung nicht bereits ab 1.9.2017 erfolgen dürfe. Es seien höhere Absetzungen zu berücksichtigen. Der Antragsteller hafte nicht für die angebliche Überzahlung, da die Amtspflicht zur Auskunft verletzt worden sei. Schließlich seien am 31.1. und am 28.2.2018 nur 71,20 EUR überwiesen worden. Damit werde sein Existenzminimum deutlich unterschritten.

Das Sozialgericht hat mit Schreiben vom 9.3.2018 darauf hingewiesen, dass ihm nicht klar sei, wofür der Antragsteller die geforderten Bescheinigungen benötige, und dass es, sofern keine gegenteilige Mitteilung des Antragstellers erfolge, davon ausgehe, dass Streitgegenstand allein die Regelung der Ziffern 1 und 3 des Bescheides vom 19.1.2018 seien. Nachdem sich der Antragsteller in der Folge nicht meldete, hat das Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungsbescheid vom 19.1.2018 abgelehnt. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei unzulässig (Beschluss vom 21.3.2018, der Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 23.3.2018).

Mit Schreiben vom 6.4.2018, beim Sozialgericht eingegangen am selben Tag, ließ der Antragsteller sinngemäß mitteilen, dass es ihm um die Verrechnung der zweckgebundenen Zahlungen im Rahmen seines Bundesfreiwilligendienstes, die verweigerte Bescheinigung für die Kindergeldkasse und die verweigerte Bestätigung über den Leistungsbezug für die Krankenkasse gehe. Im Weiteren ließ er seinen bisherigen Vortrag wiederholen und vertiefen und verschieden Unterlagen insbesondere aus dem Verwaltungsverfahren vorlegen.

Das Sozialgericht legte das Schreiben vom 6.4.2018 als Beschwerde gegen seinen Beschluss vom 21.3.2018 aus und legte sie am 10.4.2018 dem Landessozialgericht vor. Unter dem 30.4.2018 ließ der Antragsteller ergänzend zu seinem Schreiben vortrage, dass das Sozialgericht lediglich über den Gesichtspunkt "aufschiebende Wirkung" entschieden habe, die weiteren Punkte seien unberücksichtigt geblieben. Aufgrund der vielen Bescheide sei ihm unklar, wie lange noch Leistungen bewilligt seien. Er habe deshalb zwei Folgeanträge gestellt. Für Mai seien (noch) keine Leistungen gezahlt worden. Die Bestätigung für die Krankenkasse fehle weiter. Für die Kindergeldkasse werde eine Bescheinigung benötigt, warum der Antragsteller trotz Überschreitens der Altersgrenze weiter einen Anspruch auf Kindergeld habe. Der Antragsgegner sei dafür verantwortlich, dass er immer noch auf Kindergeld angewiesen sei. Er habe immer noch keine Auskunft über die Verträglichkeit von SGB II-Leistungen mit dem Freiwilligendienst erhalten. Er habe, trotz Einschaltung einer Rechtsanwältin, keine Einsicht in die Akten des Antragsgegners erhalten. Den Kontoauszügen der Mutter des Antragstellers, die der Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorlegen ließ, ist zu entnehmen, dass im März und April 2018 neben den Zahlungen aus dem Bundesfreiwilligendienst iHv 633 EUR monatlich Kindergeld iHv 194 EUR monatlich gutgeschrieben wurden.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts München aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.1.2018 anzuordnen, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Bescheinigung für die Kindergeldkasse auszustellen, dass er auch Erreichen der Altersgrenze auf Kindergeld angewiesen sei, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Bescheinigung über den Bezug von Leistungen nach dem SGB II zur Vorlage bei der Krankenkasse auszustellen sowie den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II über den 30.4.2018 hinaus zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller erhalte die ihm zustehenden Leistungen. Ein Zusammenhang der verlangten Bescheinigungen mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19.1.2018 sei nicht ersichtlich. Letzterer sei nicht zu beanstanden. Die Einkommensanrechnung sei gesetzeskonform. Dem Antragsteller scheine es nicht mehr um den Bescheid vom 19.1.2018 und den Beschluss des Sozialgerichts, sondern um die Bescheinigung und die Leistungsfortzahlung ab Mai zu gehen. Dass der Antragsgegner bislang Leistungen ab Mai 2018 noch nicht bewilligt habe, läge allein am Antragsteller, der den Fortzahlungsantrag erst Ende April 2018 eingereicht und entscheidungserhebliche Unterlagen bislang noch nicht eingereicht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vom Antragsgegner und vom Sozialgericht übermittelten Akten sowie die Akte des Beschwerdeverfahrens verwiesen.

II. Die Beschwerde ist hinsichtlich der Leistungen ab Mai 2018 bereits unzulässig. Die im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Im Beschwerdeverfahren streitig sind neben dem Beschluss des Sozialgerichts München vom 21.3.2018 (dazu 2.) die auf die Ausstellung der Bescheinigungen für die Kindergeldkasse und die Krankenkasse durch den Antragsgegner gerichteten Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz (dazu 3. und 4.). Kein zulässiger Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab Mai 2018 (dazu 5.).

2. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.1.2018 durch den Beschluss des Sozialgerichts München wendet. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 S1 SGG sind nicht erfüllt.

a) Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist insoweit statthaft als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG, da in der Hauptsache allein die Anfechtungsklage statthaft ist: mit der Aufhebung des Änderungsbescheides vom 19.1.2018 erhält der Antragsteller weiter Leistungen ohne die Anrechnung seiner Einnahmen aus dem Bundesfreiwilligendienst. Der gegen den Bescheid vom 19.1.2018 erhobene Widerspruch entfaltet - hinsichtlich der Aufhebungsverfügung - entgegen § 86a Abs 1 S 1 SGG keine aufschiebende Wirkung, da diese nach § 86a Abs 2 Nr 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr 1 SGB II entfällt. Dies gilt allerdings - worauf das Sozialgericht bereits hingewiesen hat - nicht für die Erstattungsforderung, so dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz insoweit bereits unstatthaft ist und damit insoweit zu Recht als unzulässig verworfen wurde.

b) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist allerdings, auch soweit er zulässig ist, nicht begründet, so dass auch insoweit die Beschwerde unbegründet ist.

c) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG). Grundlage der gerichtlichen Entscheidung ist eine Abwägung der Interessen, insbesondere des öffentlichen Interesses am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts mit dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung. Dabei ist die Wertung des § 39 Nr 1 SGB II zu berücksichtigen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell den Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt. Eine Abweichung von diesem Regel-Ausnahmeverhältnis kommt nur in Betracht, wenn dafür überwiegende Interessen des Antragstellers sprechen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen oder wenn besondere private Interessen überwiegen (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15.3.2013 - L 7 AS 131/13 B ER - RdNr 20 zitiert nach juris mwN).

d) Vorliegend bestehen bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 19.1.2018 noch überwiegen besondere private Interessen des Antragstellers.

aa) Gegenstand des Bescheides vom 19.1.2018 ist die Änderung der zuletzt mit Bescheid vom 16.6.2017 geänderte Leistungsbewilligung für die Zeit von September 2017 bis April 2018 im Hinblick auf die Berücksichtigung der Einnahmen, die der Antragsteller durch den Freiwilligendienst erzielt. Rechtsgrundlage für diese Einkommensanrechnung ist - nach den hier vorliegenden wenngleich zT geschwärzten Unterlagen - § 40 Abs 1 S 1 und Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X und § 330 Abs 3 S 1 SGB III. Hiergegen wendet sich der Antragsteller, wenn er die Auszahlung einbehaltener verrechneter SGB II-Leistungen fordert.

Ernstliche Zweifel gegen die im Bescheid vom 19.1.2018 vorgenommene Leistungsberechnung bestehen nach aktuellem Sachstand nicht. Dabei geht der Antragsgegner zunächst unverändert vom Regelbedarf für alleinstehende Erwachsene, einem Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung und dem auf den Antragsteller entfallenden Unterkunftsbedarf aus. Von diesem setzt er die um den vom Taschengeld nach § 2 Nr 4 Bundesfreiwilligendienstgesetz nach § 11b Abs 2 S 6 SGB II abzusetzenden Betrag bereinigten Einnahmen aus dem Freiwilligendienst ab. Insoweit ist nach aktuellem Sachstand weder zu beanstanden, dass zunächst sämtliche Einnahmen aus dem Freiwilligendienst als Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB II berücksichtigt werden (zum Taschengeld vgl BSG, Urteil vom 26.7.2016 - B 4 AS 54/15 R - RdNr 23; zum Verpflegungskostenzuschuss vgl Thüringer LSG, Urteil vom 21.6.2017 - L 4 AS 1116/15 - RdNr 70 zitiert nach juris: sonstiges Einkommen).

Dass von den Einnahmen aus dem Freiwilligendienst über den Freibetrag nach § 11b Abs 2 S 6 SGB II weitere Beträge abzusetzen sind, ist nach aktuellem Sachstand nicht glaubhaft. Insoweit ist insbesondere nicht glaubhaft, dass - hinsichtlich des Verpflegungskostenzuschusses iHv 241 EUR und der der Geldersatzleistung iHv 212 EUR - den Freibetrag nach § 11b Abs 2 S 6 SGB II übersteigende notwendige Ausgaben nach § 11b Abs 1 S 1 Nr 5 SGB II entstehen. Solche sind weder belegt noch sind sie - auch im Hinblick auf die weitgehenden Schwärzungen in den vorgelegten Unterlagen, worauf der Antragsgegner zu Recht hinweist - überhaupt nachvollziehbar. Absetzungsbeträge, die das Gesetz von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abhängig macht, wie den Pauschbetrag für Mehraufwendungen für Verpflegung nach § 6 Abs 3 Alg II-V, können keine Berücksichtigung finden, da der Freiwilligendienst keine Erwerbstätigkeit iS des SGB II ist (vgl BSG, aaO, RdNr 26).

Die Einkommensanrechnung wird schließlich nicht deshalb rechtswidrig, weil es der Antragsgegner versäumt hätte, den Antragsteller vorab über die Verträglichkeit der SGB II-Leistungen mit dem Freiwilligendienst zu informieren.

Schließlich ist auch die "rückwirkende" Anrechnung der Ende September 2017 zugeflossenen Einnahmen auf den Bedarf für den Monat September insgesamt nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für diese Änderung der Bewilligung ist § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 3 SGB X iVm dem im SGB II geltenden Monatsprinzip.

Der Antragsgegner war schließlich nach § 40 Abs 1 S 1, Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X und § 330 Abs 3 S 1 SGB III verpflichtet, die Einnahmen rückwirkend ab September 2017 auf den Bedarf des Antragstellers anzurechnen.

bb) Auch sonstige überwiegenden Interessen des Antragstellers, die - insbesondere für die Zeit ab Antragstellung beim Sozialgericht bis Ende April 2018 - die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.1.2018 begründen könnten, sind nicht glaubhaft. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Antragsteller sein Existenzminimum aus seinen Einnahmen aus dem Bundesfreiwilligendienst aufgestockt durch die ihm Bescheid vom 19.1.2018 vom Antragsgegner bewilligten Leistungen nicht decken könnte. Soweit mit Bescheid vom 19.1.2018 für die Vergangenheit - also die Zeit vom 1.9. bis 31.1.2018 - Leistungen aufgehoben und in der Folge erstattet verlangt werden, sind die Interessen des Antragstellers - worauf das Sozialgericht bereits hingewiesen hat - hinreichend durch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Erstattungsforderung geschützt.

Soweit der Antragsteller monieren lässt, dass nicht die mit Bescheid vom 19.1.2018 bewilligten Leistungen sondern lediglich ein Betrag iHv 71,20 EUR ausgezahlt werden, resultiert dies daraus, dass die darüber hinausgehend bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung unmittelbar an den Vermieter ausgezahlt werden. Es ist weder den Ausführungen des Antragstellers im Widerspruchsverfahren - soweit diese hier vorliegen - noch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu entnehmen, dass der Antragsteller sich hiergegen wendet.

3. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens sind auch die beiden Anträge auf vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners auf Ausstellung von Bescheinigungen zur Vorlage bei der Kindergeldkasse und der Krankenkasse geworden. Diese Anträge sind neben dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.1.2018 Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen. Dies ergibt sich ohne weiteres aus der Antragsschrift der Bevollmächtigten des Antragstellers, wenn dort unter Ziffer 4 begehrt wird, "das Landratsamt zur Ausstellung der Bestätigung für die Kindergeldkasse zu verpflichten, wegen Überschreitung der Altersgrenze" bzw unter Ziffer 5 "das Landratsamt zu Ausstellung der Bestätigung über den Leistungsbezug zu verpflichten, zur Vorlage bei der Krankenkasse für Befreiung der Zuzahlung". Hieran hat sich durch das Schreiben des Sozialgerichts vom 9.3.2018 nichts geändert. Allein die Information der Beteiligten über die (aus Sicht des Gerichts) fehlende Sinnhaftigkeit eines Antrags verbunden mit der (sinngemäßen) Mitteilung, dass ohne weitere Stellungnahme davon ausgegangen werde, dass dieser nicht weiterverfolgt werde, bedeuten nicht dessen Erledigung, die das Gericht von seiner Verpflichtung (vgl §123 SGG; zu dessen Anwendbarkeit auf Beschlüsse vgl Keller in Meyer-Ladewig ua, SGG, 12. Aufl 2017, § 142 RdNr 3a) entbinden würde, über den Antrag zu entscheiden.

Der Antragsteller kann wegen der bislang insoweit nicht erfolgten Entscheidung des Sozialgerichts nicht auf einen Antrag auf Ergänzung des Beschlusses vom 21.3.2018 durch das Sozialgericht gemäß § 140 SGG verwiesen werden. Vielmehr ist die Entscheidungskompetenz insofern mit der Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss auf den Senat als Beschwerdegericht auch ohne entsprechende erstinstanzliche Entscheidung in der Sache übergangen.

Nach § 140 Abs 1 S 1 SGG (zu dessen Anwendbarkeit auf Beschlüsse im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vgl Keller, in Meyer-Ladewig ua, SGG, 12. Aufl 2017, § 140 RdNr 2) wird ein Beschluss auf Antrag nachträglich ergänzt, wenn er einen von einem Beteiligten erhobenen Anspruch oder den Kostenpunkt ganz oder teilweise übergangen hat, wobei ein solcher Ergänzungsantrag binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses gestellt werden muss (§ 140 Abs 1 S 2 SGG). Grundvoraussetzung für eine derartige Urteilsergänzung ist stets, dass das Gericht über den Rechtsstreit in vollem Umfang entscheiden wollte, versehentlich aber nicht erschöpfend entschieden hat (stRspr vgl zB BSG, Beschluss vom 2.4.2014 - B 3 KR 3/14 B - RdNr 8 mwN). Von diesem Fall des versehentlichen Übergehens eines Teils des Antragsbegehrens ist der Fall zu unterscheiden, in dem ein Gericht in einem Beschluss bewusst über einen Teil des Klagebegehrens nicht entschieden und auf diese Weise gegen das in § 123 SGG enthaltene Gebot der umfassenden Entscheidung über den vom Antragsteller erhobenen Ansprüche verstoßen hat. Dieser zweite Fall, also das bewusste Ausklammern eines Teils des Streitgegenstandes aus einem Beschluss, dh ohne entsprechende Beschränkung (§ 202 SGG iVm § 301 ZPO), wird von der Regelung des § 140 SGG über die Möglichkeit der Urteils- bzw Beschlussergänzung gar nicht umfasst (vgl BSG, aaO).

Vorliegend ist an Hand der vorliegenden Unterlagen nicht nachzuvollziehen, dass das Sozialgericht versehentlich nicht über die Anträge des Antragstellers zur Verpflichtung des Antragsgegners zur Ausstellung verschiedener Bestätigungen entschieden hat. Dies ergibt sich zum einen aus dem Schreiben des Sozialgerichts vom 9.3.2018 (zur Berücksichtigung des Akteninhalts im schriftlichen Verfahren vgl Wolff-Dellen, SGb 2015, 352 unter Bezug auf Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO (Stand: Oktober 2014), § 120 RdNr 10, Fn 49), in dem es darauf hinweist, davon ausgehen zu wollen, dass diese Anträge nicht weiterverfolgt werden, wenn der Antragsteller dem nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspreche. In seiner Entscheidung vom 21.3.2018 ist das Sozialgericht - nachdem sich der Antragsteller innerhalb der vom Sozialgericht gesetzten Frist nicht mehr gemeldet hat, aus Sicht des Sozialgerichts dann folgerichtig - dann ausschließlich davon ausgegangen, dass streitig nur noch der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.1.2018 ist.

Eine solche irrtümliche Annahme der Beschränkung des Streitgegenstands ist typischer Grund für eine bewusste Ausklammerung eines Teils des Antragsbegehrens aus der einen Rechtsstreit abschließenden Entscheidung (vgl BSG, Beschluss vom 2.4.2014 - B 3 KR 3/14 B - RdNr 10 mwN). Auf dieser Grundlage hat das Beschwerdegericht dann entsprechend § 133 BGB durch eigene Auslegung des Vorbringens des Antragstellers in der ersten Instanz zu ermitteln, welchen Anspruch er wirklich erhoben hat und über dieses Begehren im Beschwerdeverfahren zu entscheiden, wenn der förmliche Antrag, über den das Sozialgericht entschieden hat, damit nicht übereinstimmt. Für eine Beschlussergänzung nach § 140 SGG besteht dann kein Raum (BSG, aaO mwN).

4. Auch diese Anträge müssen allerdings ohne Erfolg bleiben. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Verpflichtung des Antragsgegners.

a) Die Anträge auf vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Ausstellung verschiedener Bescheinigungen ist statthaft als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 S 2 SGG, da der Antragsteller insoweit eine Ausweitung seiner Rechtsposition anstrebt.

b) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988, BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997, BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002, NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. Rn. 643).

Deshalb verlangt der Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich neben der - summarischen - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, die sich in der Regel aus der Eilbedürftigkeit ergibt (Anordnungsgrund). Die Angaben hierzu hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (BVerfG vom 22.11.2002, aaO und BVerfG vom 12.05.2005, NVwZ 2005, 927).

b) Auf dieser Grundlage besteht für den vom Antragsteller begehrten einstweiligen Rechtsschutz keine Grundlage.

aa) Soweit der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners zur Ausstellung einer Bescheinigung für die Kindergeldkasse begehrt, ist bereits ein Anordnungsanspruch nicht ersichtlich, insbesondere aber ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft.

Die Familienkasse hat unter dem 10.4.2017 die am 8.8.2016 erfolgte Festsetzung des Kindergeldes für den Antragsteller ab Mai 2017 gemäß § 70 Abs 2 EStG aufgehoben. Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass Kindergeld für Kinder, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, nur gewährt wird, wenn sie wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist (§ 62 Abs 1 S 1, § 63 Abs 1 S 1 Nr 1 iVm § 32 Abs 4 S 1 Nr 3 EStG). Ausschlaggebend ist damit, dass die Behinderung der Grund dafür ist, warum das Kind nicht in der Lage ist, sich selbst zu versorgen. Sowohl zur Behinderung selbst als auch (bei Zweifeln) zur Ursächlichkeit der Behinderung hat eine medizinische oder berufspsychologische Begutachtung zu erfolgen.

Es ist nicht ersichtlich, wie hier eine Bestätigung eines SGB II-Leistungsträgers weiterhelfen soll und woraus sich damit ein Anspruch des Antragstellers auf Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung ergeben sollte. Das kann vorliegend aber auch offenbleiben. Denn nach den im vorliegenden Verfahren vorgelegten Kontoauszügen zahlt die Familienkasse derzeit monatlich Kindergeld an den Antragsteller bzw seine Bevollmächtigte/Mutter. Es ist damit nicht ersichtlich, dass eine vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners durch das Gericht zur Abwendung gegenwärtiger Nachteile erforderlich ist.

bb) Auch soweit der Antragsteller eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Bescheinigung seines SGB II-Leistungsbezugs zur Vorlage bei der Krankenkasse im Hinblick auf die Belastungsgrenze nach § 62 SGB V begehrt, ist eine Entscheidung des Gerichts zumindest nicht eilbedürftig.

Versicherte haben während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten; wird die Belastungsgrenze bereits innerhalb eines Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Die Belastungsgrenze beträgt 2 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt sie 1 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (§ 62 Abs 1 S 1 - 2 SGB V). Bei Versicherten, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhalten, ist ( ...) als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur der Regelbedarf nach § 20 Abs 2 S 1 SGB II maßgeblich (§ 62 Abs 2 S 6 SGB V).

Ausweislich dieser Regelungen kommt es ausschließlich auf den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an. Dem entsprechend fordern Krankenkassen für die Feststellung, dass die Belastungsgrenze erreicht ist, die Quittungen über geleistete gesetzliche Zuzahlungen und einen Bescheid über Grundsicherungsleistungen oder Arbeitslosengeld II (vgl zB AOK: https://bayern.aok.de/inhalt/befreiung-von-zuzahlungen). Über einen entsprechenden Bewilligungsbescheid verfügte der Antragsteller aber zumindest bis April 2018, so dass nicht ersichtlich ist, zur Abwendung welcher Nachteile er eine gesonderte Bescheinigung des Antragsgegners noch benötigen sollte. Hieran vermag schließlich der Hinweis, es seien Leistungen für die Zeit ab Mai 2018 noch nicht bewilligt worden, nichts ändern. Denn zum einen kann die Bewilligung von Leistungen nur bestätigt werden, wenn diese auch tatsächlich erfolgt ist. Zum andern liegt es am Antragsteller, die vom Antragsgegner für eine Folgebewilligung ab Mai 2018 noch benötigten Unterlagen vorzulegen. Kein (zulässiger) Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 1.5.2018. Ein entsprechendes Begehren war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Der Hinweis, dass die Leistungsfortzahlung für die Zeit ab Mai 2018 beantragt worden sei, eine entsprechende Bewilligung und Leistungszahlung aber noch ausstehe, erfolgte erstmals im Beschwerdeverfahren. Die erstinstanzliche Entscheidung des Beschwerdegerichts kommt hier - auch über eine Antragserweiterung nach § 99 SGG - nicht in Betracht (vgl BSG vom 31.7.2002 - B 4 RA 113/00 - RdNr 16 f zitiert nach juris; BSG vom 18.3.2015 - B 2 U 8/13 R - RdNr 14; BSG vom 5.7.2016 - B 2 U 4/15 R RdNr 17; Stotz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 29 RdNr 64). Insoweit ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, ggf nach entsprechender Mitwirkung beim Antragsgegner und der Einräumung einer entsprechenden Bearbeitungszeit für den Antragsgegner erneut beim Sozialgericht einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen. III

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved