L 18 AS 784/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 78 AS 336/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 784/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Anrechnung von Nachzahlungen von Arbeitslosengeld auf Leistungen nach dem SGB II.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 2017 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für Februar 2015 und die Höhe der endgültig festzustellenden Leistungen im Zeitraum vom 1. März 2015 bis 31. Juli 2015 unter Berücksichtigung einer im Januar 2015 zugeflossenen Nachzahlung von Arbeitslosengeld (Alg).

Die 1982 geborene Klägerin zu 1) und der 1977 geborene Kläger zu 2) sind die Eltern der mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden minderjährigen Kläger zu 3) und 4). Sie standen im streitgegenständlichen Zeitraum bei dem Beklagten fortlaufend im ergänzenden SGB II-Leistungsbezug.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 7. Mai 2014 mit, dass sie dem Kläger zu 2) Alg für den Zeitraum vom 21. April 2014 bis 20. Januar 2015 bewilligt habe. Die Leistung für die Zeit vom 21. April 2014 bis zum 30. Juni 2014 werde einbehalten, um einen Erstattungsanspruch des Beklagten zu erfüllen. Ab 1. Juli 2014 werde das Alg an den Kläger zu 2) ausbezahlt. Gleichzeitig forderte die BA den Beklagten auf mitzuteilen, in welcher Höhe er einen Erstattungsanspruch geltend mache. Seinen Erstattungsanspruch machte der Beklagte gegenüber der BA mit Schreiben vom 2. Juni 2014 geltend, und zwar für den Zeitraum vom 21. April 2014 bis zum 30. Juni 2014. Ab dem 12. Mai 2014 war der Kläger zu 2) wieder sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Deshalb hob die BA die Bewilligung von Alg durch Bescheid vom 4. Juni 2014 ab dem 12. Mai 2014 auf.

Durch Bescheid vom 1. August 2014 bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig ergänzende Leistungen für den Zeitraum 1. September 2014 bis 28. Februar 2015.

Durch Bescheide vom 21. Januar 2015 stellte die BA den Alg-Anspruch des Klägers zu 2) auf neu fest und bewilligte Alg für die Zeiten vom 28. Mai 2013 bis 15. März 2014 und vom 21. April 2014 bis zum 11. Mai 2014. Am 26. Januar 2015 floss dem Kläger zu 2) von der BA eine Alg-Nachzahlung für den Zeitraum 28. Mai 2013 bis 15. März 2014 iHv insgesamt 7.560,24 EUR zu.

Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 23. Januar 2015 bewilligte der Beklagte den Klägern durch Bescheid vom 29. Januar 2015 vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 1. März 2015 bis 29. Februar 2016. Nachdem der Kläger zu 2) den Beklagten über die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2015 informiert hatte, hob dieser durch Änderungsbescheid vom 12. März 2015 den Bescheid vom 29. Januar 2015 teilweise auf und bewilligte der Bedarfsgemeinschaft im Zeitraum vom 1. Mai 2015 bis 29. Februar 2016 nunmehr vorläufig Leistungen ohne Anrechnung von Erwerbseinkommen des Klägers zu 2).

Ab dem 20. April 2015 war der Kläger zu 2) erneut sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Durch Änderungsbescheid vom 29. Mai 2015 bewilligte der Beklagte den Klägern unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 12. März 2015 vorläufig Leistungen iHv monatlich 506,00 EUR für den Zeitraum 1. Juli 2015 bis 29. Februar 2016 unter Berücksichtigung des Erwerbseinkommens des Klägers zu 2).

Nachdem der Kläger zu 2) seine Gehaltsnachweise zu den Verwaltungsvorgängen gereicht hatte, bewilligte der Beklagte durch Bescheid vom 6. Juli 2015 den Klägerin endgültig Leistungen für den Zeitraum vom 1. November 2014 bis 28. Februar 2015 und forderte mit weiterem Bescheiden vom 6. Juli 2015 von den Klägern die Erstattung von im Zeitraum 1. November 2014 bis 28. Februar 2015 überzahlten Leistungen (für Februar 2015 Kosten der Unterkunft iHv insgesamt 45,84 EUR).

Nachdem der Beklagte von der Alg-Nachzahlung im Januar 2015 Kenntnis erlangt hatte, lehnte er durch Bescheid vom 28. September 2015 den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum 1. März 2015 bis 31. Juli 2015 endgültig ab. Aufgrund der Höhe des anzurechnenden Alg bestehe keine Hilfebedürftigkeit. Durch weiteren Bescheid vom 28. September 2015 forderte der Beklagte die Erstattung der im Zeitraum 1. März 2015 bis 31. Juli 2015 an die Klägerin zu 1) und die Kläger zu 3) und 4) gezahlten Leistungen iHv insgesamt 2.883,08 EUR und ebenfalls durch Bescheid vom 28. September 2015 der im Zeitraum vom 1. März 2015 bis 31. Juli 2015 an den Kläger zu 2) gezahlten Leistungen iHv 1.586,92 EUR. Mit Schreiben vom 28. September 2015 hörte der Beklagte die Kläger zu der beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung von Leistungen für den Februar 2015 an und hob unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 6. Juli 2015 durch Bescheid vom 3. November 2015 die Bewilligung der Leistungen für Februar 2015 an die Kläger zu 1), 3) und 4) und durch weiteren Bescheid vom 3. November 2015 gegenüber dem Kläger zu 2) vollständig auf. Der Kläger zu 2) habe Alg erzielt, das anzurechnen sei und die Hilfebedürftigkeit der Kläger vollständig entfallen lasse. Die Aufhebung beruhe auf § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) iVm § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), die im Februar 2015 gezahlten Leistungen seien nach § 50 SGB X zu erstatten. Die Widersprüche der Kläger hiergegen wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2015 zurück, die Aufhebung der Leistungsbewilligung für Februar 2015 sei nicht zu beanstanden, weil das im Januar 2015 gezahlte Alg iHv 1.260,00 EUR im Februar als Einkommen anzurechnen sei, weshalb die Kläger in diesem Monat nicht bedürftig gewesen seien.

Die gegen die Bescheide vom 28. September 2015 eingelegten Widersprüche der Kläger wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2015 als unbegründet zurück. Die Alg-Nachzahlung vom 26. Januar 2015 sei nach § 11 Abs. 3 SGB II auf einen Zeitraum von sechs Monaten und damit vom 1. Februar 2015 bis 31. Juli 2015 in Höhe von jeweils 1.260,40 EUR anzurechnen. Die Bedarfsgemeinschaft der Kläger sei daher im Zeitraum vom 1. März 2015 bis 31. Juli 2015 nicht bedürftig gewesen, weshalb nach endgültiger Leistungsablehnung die in diesem Zeitraum geleisteten Zahlungen gemäß § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III zu erstatten seien.

Mit ihren auf die genannten Widerspruchsbescheide vom 8. Dezember 2015 erhobenen Klagen vor dem Sozialgericht (SG) Berlin machen die Kläger geltend, dass es sich bei der Alg-Nachzahlung im Januar 2015 nicht um eine einmalige Zahlung, sondern um ein laufende Zahlung gehandelt habe, die im Zuflussmonat anzurechnen sei. Deshalb mindere dieser Zufluss allenfalls die Leistungen für Januar 2015, nicht aber für Februar 2015 bis einschließlich Juli 2015. Außerdem habe die BA bereits mit Schreiben vom 21. Juni 2013 einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten angemeldet, weshalb die §§ 102 ff. SGB X vorrangig anzuwenden seien, die § 50 SGB X verdrängten.

Durch Urteil vom 7. März 2017 hat das SG in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Streitsachen die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum 1. März 2015 bis 31. Juli 2015 ohne Anrechnung der Alg-Nachzahlung verurteilt. Die streitgegenständlichen Bescheide seien rechtswidrig, weil der Beklagte zu Unrecht die Alg-Nachzahlung in den Monaten Februar 2015 bis Juli 2015 iHv 1.260,04 mtl angerechnet habe. Bei der Alg-Nachzahlung habe es sich nicht um eine einmalige, sondern um eine laufende Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 1. April 2011 (im Folgenden: alter Fassung – aF -) gehandelt. Alg stelle eine laufende Einnahme dar, da es auf demselben Rechtsgrund beruhe und regelmäßig erbracht werde. An dieser Qualifizierung ändere sich auch nichts dadurch, dass das Alg in Form einer Nachzahlung erbracht worden sei. Als laufende Einnahme sei die Alg-Nachzahlung ausschließlich im Zuflussmonat Januar 2015 zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen der heranzuziehenden Rechtsgrundlage für die Aufhebung hinsichtlich des Zeitraums Februar 2015 - § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X und für die Erstattung § 50 SGB X - sowie für die endgültige Festsetzung und Erstattung für den Zeitraum März 2015 bis Juli 2015 - § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II iVm § 328 Abs. 3 SGB III – seien daher insoweit nicht erfüllt.

Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen dieses Urteil. Bei der Nachzahlung von Arbeitsentgelt oder Kindergeld handle es sich um eine laufende Einnahmen, die grundsätzlich im laufenden Leistungsmonat, in welchem sie erbracht würden, vollständig zu berücksichtigen sei. Einnahmen, die jedoch in größeren als monatlichen Zeitabständen zuflössen, seien hingegen als einmalige Einnahme zu behandeln, da sonst bei hohen Nachzahlungen eine vollständige Anrechnung nicht möglich sei. Im Übrigen sei für hohe Nachzahlungen die Verweisungsnorm des § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II anzuwenden. Auf den vorliegenden Fall sei zudem § 11 Abs. 3 SGB II in der ab 1. August 2016 geltenden Fassung anzuwenden, da diese Regelung zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung bereits in Kraft gewesen sei. Ein vorrangiger Erstattungsanspruch gegen die BA gemäß § 104 SGB X habe nicht bestanden, da diese in Unkenntnis und damit schuldbefreiend geleistet habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.

Streitgegenstand sind zum einen die Bescheide vom 3. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2015, mit welchen der Beklagte die endgültige Leistungsbewilligung für Februar 2015 durch Bescheid vom 6. Juli 2015 aufgehoben und die Erstattung der überzahlten Leistungen verfügt hat.

Streitgegenstand ist außerdem für die weiter streitgegenständliche Zeit vom 1. März 2015 bis 31. Juli 2015 nunmehr ausschließlich der Bescheid vom 28. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2015, mit welchem für diesen Zeitraum mit der erfolgten Leistungsbewilligung in Form einer "Nullbewilligung" eine endgültige Regelung getroffen wurde. Damit wurde, indem der Beklagte eine Entscheidung über endgültige Leistungen getroffen hat (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II iVm § 328 Abs. 2 und 3 SGB III), die ursprünglich vorläufige Bewilligung von Leistungen (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II iVm § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) ersetzt (vgl BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 13/14 R - juris), weshalb die vorläufige Leistungen bewilligende Bescheide gegenstandslos geworden und iSv § 39 Abs. 2 SGB X erledigt sind. Der eine endgültige Regelung treffende Bescheid vom 28. September 2015 bildet dabei mit den die Erstattung nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II iVm § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III regelnden Bescheiden vom 28. September 2015 eine rechtliche Einheit (vgl BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R - juris).

Das SG hat zutreffend die Bescheide vom 28. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2015 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Klägern Leistungen im Zeitraum 1. März 2015 bis 31. Juli 2015 endgültig ohne Anrechnung der dem Kläger zu 2) am 26. Januar 2015 zugeflossenen Alg-Nachzahlung zu bewilligen.

Zutreffend verfolgen die Kläger dieses Begehren im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt.1 und 2, § 56 SGG). Denn mit ihren Klagen gegen den Ablehnungsbescheid vom 28. September 2015 und die Erstattungsbescheide vom 28. September 2015 beanspruchen die Kläger, die vorläufige Bewilligung nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II iVm § 323 Abs. 2 SGB III für "endgültig zu erklären", da sie der Ansicht sind, ihnen stünden abschließend Leistungen in der vorläufig bewilligten Höhe zu. Der Zulässigkeit einer Leistungsklage steht damit entgegen, dass die Kläger weitere Geldleistungen für den insoweit streitgegenständlichen Zeitraum nicht begehren. Ihr Klageziel richtet sich vielmehr neben der Aufhebung der Erstattungsbescheide und der Änderung des Ablehnungsbescheides auch darauf, den Beklagten zu verpflichten auszusprechen, dass ihnen abschließend Leistungen nach dem SGB II wie vorläufig bewilligt zuerkannt werden.

Die Bescheide vom 28. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2015 sind rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten. Der Beklagte war nicht berechtigt, das im Januar 2015 vom Kläger zu 2) erzielte Arbeitslosengeld I als Einkommen im Zeitraum März 2015 bis Juli 2015 anzurechnen.

Das SG hat auch zutreffend die Bescheide vom 3. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2015, mit welchen der Beklagte die endgültige Leistungsbewilligung für den Zeitraum Februar 2015 durch Bescheid vom 6. Juli 2015 aufgehoben und Erstattung der überzahlten Leistungen gefordert hat, aufgehoben. Dieses Begehren verfolgen die Kläger mit einer Anfechtungsklage gem. § 54 Abs. 1, 4 SGG. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten. Denn der Beklagte war auch nicht berechtigt, die im Januar 2015 zugeflossene Alg-Nachzahlung für den Kläger zu 2) im Februar 2015 als Einkommen zu berücksichtigten.

Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 6. Juli 2015 durch Bescheide vom 3. November 2015 für den Februar 2015 wegen teilweiser Anrechnung der dem Kläger zu 2) im Januar 2015 zugeflossenen Nachzahlung von Arbeitslosengeld I sind die §§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, 330 Abs. 3 SGB III, 45 Abs. 1 S. 1 SGB X. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Der Bewilligungsbescheid vom 6. Juli 2015 war jedoch nicht rechtswidrig, da das im Januar 2015 dem Kläger zu 2) zugeflossene Alg im Februar 2015 nicht als Einkommen anzurechnen ist.

Die Kläger waren im gesamten hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis 31. Juli 2015 hilfebedürftig.

Rechtsgrundlage für die Ermittlung des Anspruchs der Kläger auf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. Februar 2015 bis 31. Juli 2015 sind entgegen der Auffassung der Beklagten die §§ 19 ff iVm §§ 7 ff SGB II in den ab 1. April 2011 geltenden Fassungen und insbesondere § 11 SGB II in der vom 1. April 2011 bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung (aF). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist mangels spezieller Übergangsvorschriften das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden (vgl letztens BSG vom 30. August 2017 - B 14 AS 30/16 R - juris).

Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist - neben weiteren, hier erfüllten - Voraussetzungen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II aF) insbesondere Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II aF i.V.m. § 9 Abs. 1, und 4 SGB II aF). Nach § 9 Abs. 1 SGB II aF ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen, erhalten kann. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen; ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 SGB II aF). Für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit der Kläger sind ihrem nach dem SGB II in Betracht kommenden Bedarf die zu dessen Sicherung zu berücksichtigenden und zur Verfügung stehenden Bedarfsdeckungsmöglichkeiten gegenüberzustellen (Urteil des BSG vom 20. Februar 2014 - B 14 AS 10/13 R - juris).

Dass die Kläger im Februar 2015 ohne die Berücksichtigung der anteiligen Nachzahlung von Alg bedürftig waren, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Dieses im Januar 2016 zugeflossene Alg durfte im Februar 2015 von dem Beklagten nicht als Einkommen berücksichtigt werden.

Als Einkommen zu berücksichtigen sind gemäß § 11 Abs. 1 SGB II Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II aF). Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 11 Abs. 3 SGB II). Zur Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 78/12 R - juris) von Folgendem auszugehen: Einkommen iS des § 11 Abs. 1 SGB II aF ist grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie, grundlegend BSG, Urteile vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R- und vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R - sowie vom 17. Juni 2010 - B 14 AS 46/09 R und vom 23. August 2011 - B 14 AS 185/10 R; jeweils juris). Auch wenn eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete (noch nicht erfüllte) Forderung (zB Gehaltsforderung) einen wirtschaftlichen Wert darstellt und zum Vermögen des Forderungsinhabers gehört und eine Einnahme aus dieser bereits bestehenden Rechtsposition erzielt wird, führt dies nicht zu einer "Konkurrenz" dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und daneben die Leistung aus der Forderung (zB Gehaltszahlung) als Einkommen zu berücksichtigen wären. Vielmehr ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung von Bedeutung, sondern das Gesetz stellt insofern allein auf die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen (Zufluss) ab. Im vorliegenden Fall ist deshalb unerheblich, dass sich die Nachzahlung auf Zeiträume vor der Antragstellung nach dem SGB II bezieht (vgl BSG, Urteil vom 24. April 2015 – B 4 AS 32/14 R – zu einer Nachzahlung von Arbeitsentgelt).

Bei der Alg-Nachzahlung handelt es sich um laufendes Einkommen, das in voller Höhe im Zuflussmonat Januar 2015 anzurechnen und nicht nach § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II auf einen Zeitraum von 6 Monaten gleichmäßig aufzuteilen ist. Laufende Einnahmen sind nach ständiger Rechtsprechung des BSG solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden. Bei einmaligen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung (BSG, Urteile vom 24. April 2015 – B 4 AS 32/14 R –, vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 154/11 R, vom 07. Mai 2009 – B 14 AS 4/08 R –, vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 70/07 R und vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R; juris). Da die Erfüllung von Ansprüchen, die aus demselben Rechtsgrund herrühren, Störungen unterworfen ist, hat das BSG Veranlassung zu einer Präzisierung gesehen und ausgeführt, dass dem Rechtsgrund der Zahlungen die maßgebliche Bedeutung zukommt. Für die Qualifizierung einer Einnahme als laufende Einnahme reicht es danach aus, wenn sie zwar nicht "laufend", sondern in einem Gesamtbetrag erbracht wird, aber nach dem zugrunde liegenden Rechtsgrund regelmäßig zu erbringen gewesen wäre. Diese entscheidend auf den Rechtsgrund abstellende Sichtweise ermöglicht auch in Fällen mit Leistungsstörungen eine klare und praktisch gut handhabbare Abgrenzung, denn Rechtsgrund und vereinbarter Turnus von Zahlungen sind in der Regel einfach feststellbar. Zudem hängt die Beurteilung einer Einnahme als laufende oder einmalige nicht vom Verhalten des Schuldners ab, welches, wenn bestehende Ansprüche nicht erfüllt werden, unter Umständen sogar vertragswidrig ist. Wenn also Zahlungen aus ihrem Rechtsgrund heraus regelmäßig zu erbringen sind, ändert sich ihr Charakter als laufende Einnahme nicht dadurch, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - dem Berechtigten zeitweise ganz oder teilweise vorenthalten und erst später in einem Betrag nachgezahlt werden (vgl BSG, Urteil vom 24. April 2015 – B 4 AS 32/14 R –). Demgemäß hat das BSG entschieden, dass es sich bei Alg um eine laufende Einnahme handelt (vgl Urteil vom 23. November 2011 - B 14 AS 165/10 R - juris Rn 21) und sich an dieser Qualifizierung auch dann nichts ändert, wenn es sich bei der streitigen Zahlung um die letzte einer regelmäßig erfolgenden Leistung handelt (vgl BSG vom 27. Januar 2009 - B 14/7b AS 14/07 R - juris; ebenso für nachgezahltes Arbeitsentgelt BSG vom 24. April 2015 - B 4 AS 32/14 - juris; für die bei einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung wegen Verlustes des Arbeitsplatzes BSG vom 3. März 2009 - B 4 AS 47/08 R - juris; für nachgezahltes Krankengeld BSG vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 70/07 R - juris; für nachgezahltes Übergangsgeld BSG vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 13/08 R - juris; oder für eine Einkommensteuererstattung BSG vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 48/07 R - juris). Abweichungen vom tatsächlichen Wertzufluss sind hingegen etwa rechtlich vorgegeben bei einmaligen Einnahmen (§ 11 Abs. 3 SGB II), beim Zeitpunkt der Berücksichtigung von Betriebskostenabrechnungen (§ 22 Abs 3 Halbsatz 1 SGB II; vgl BSG vom 22. März 2012 - B 4 AS 139/11 R; juris) oder beim Zufluss einer Erbschaft bereits mit dem Tode des Erblassers (eingehend BSG vom 17. Februar 2015 - B 14 KG 1/14 R - juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem dem Kläger zu 2) am 26. Januar 2015 für den Zeitraum 28. Mai 2013 bis 15. März 2014 von der Bundesagentur nachgezahlten Alg um eine laufende Einnahme, welche sich nur im Januar 2015 bedarfsmindernd auswirkt, denn die monatliche Auszahlung ist gesetzlich bestimmt (§ 154 SGB III). Es handelt sich auch nicht um einen "aufgestauten Betrag", der als Einkommen iSd § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II aF anzusehen wäre, denn ein solcher Sachverhalt wäre ausgehend von der dargestellten Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 24. April 2015– B 4 AS 32/14 R - ) nur dann gegeben, wenn sich ein größerer Zeitabstand zwischen den Auszahlungen aus dem Rechtsgrund der Zahlung ergibt (wie bei Jahressonderzahlungen oder regelmäßig wiederkehrenden Prämien). Klassische Nachzahlungen wie im vorliegenden Fall unterfallen nicht der Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II aF, sondern nur laufende Einnahmen, die regelmäßig, aber nicht in aufeinanderfolgenden Monaten, gezahlt werden (vgl Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09. November 2015 – L 19 AS 924/15 – juris). Die mWv 1. August 2016 eingeführte Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II, wonach zu den einmaligen Einnahmen auch als Nachzahlung zufließende Einnahmen zählen, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht werden, ist für den vorliegend betroffenen Streitzeitraum nicht anwendbar.

Da bereits kein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Kläger gemäß § 50 SGB X besteht, kommt es auf die Frage, ob ein etwaiger Erstattungsanspruch gegen die BA nach den §§ 102 SGB X vorrangig wäre, nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), bestehen nicht. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu, da die Abgrenzung zwischen laufenden und einmaligen Einnahmen für den hier in Rede stehenden Streitzeitraum durch die angeführte Rechtsprechung des BSG bereits geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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