L 1 KR 32/15

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 21 KR 1685/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 32/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Vergütung einer stationär erfolgten endoskopisch retrograden Cholangiopankreatikographie (ERCP). Hierbei handelt es sich um eine endoskopische Methode, mit der diagnostische und therapeutische Eingriffe durchgeführt werden können. Neben der Darstellung der Gallenwege, Gallenblase und des Pankreasgangs mit Röntgenkontrastmittel können auch Steine entfernt oder die Öffnung des Gallengangs geweitet werden.

Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte, 1934 geborene, in W. auf S. lebende Versicherte befand sich vom 1. Juli bis zum 3. Juli 2008 in der stationären Behandlung bei der Klägerin. Bei dem Versicherten war zuvor am 1. Mai 2008 im A.-Krankenhaus H. eine Cholezystektomie mit operativer Revision der Gallengänge und Anlage einer T-Drainage im Ductus choledochus bei Gallenblasenempyem (bei Cholecystolithiasis mit eingeklemmtem Stein im Ductus choledochus) durchgeführt worden. Zum damaligen Zeitpunkt wurde das Vorliegen eines Konkrementes im rechten Ductus hepaticus diagnostiziert. Aufgrund dieses Verdachts wurde der Versicherte am 1. Juli 2008 zur Behandlung im Haus der Klägerin aufgenommen. Bei dem Versicherten lagen zudem eine koronare Herzerkrankung, ein arterieller Hypertonus, eine COPD sowie ein Zustand nach Apoplex vor. Der Versicherte kam am 1. Juli 2008 um 11 Uhr vormittags zur Aufnahme, es wurde eine Blutentnahme sowie das Aufklärungsgespräch durchgeführt. Als organisatorische Bemerkung ist vermerkt, die ERCP solle am 2. Juli "auf Abruf" erfolgen. Am 2. Juli 2008 wurde die ERCP durchgeführt, die Beobachtung nach dem Eingriff begann ausweislich der Dokumentation um 15.35 Uhr. Es wurde vermerkt, dass der Versicherte an diesem Tag nur Wasser oder Tee, bei starken Schmerzen Analgetika zu sich nehmen solle. Des Weiteren heißt es: "Langsamer Kostaufbau bei Beschwerdefreiheit morgen. Bei Beschwerdefreiheit morgen entlassen".

Die Klägerin stellte der Beklagten für die Behandlung 2.599,56 Euro unter Berücksichtigung der DRG H41C (Komplexe therapeutische ERCP ohne äußerst schwere oder schwere CC, ohne photodynamische Therapie, Alter ) 2 Jahre, oder andere ERCP) bei einem Kostengewicht von 0,818 in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Überprüfung des Behandlungsfalles. Der MDK kam in zwei Stellungnahmen zu dem Ergebnis, dass eine stationäre Behandlung nicht erforderlich gewesen sei. Aufgrund der inzwischen normalen Cholestaseparameter, keiner Angabe von Fieber bzw. abdominellen Beschwerden und eines komplikationslosen Verlaufs der endoskopischen retrograden Cholangiopankreatikographie (ERCP) habe die Behandlung ambulant erfolgen können. Mit einem Risiko einer Keimeinschwemmung bei Cholangitis bzw. Gallestauung sei nicht zu rechnen gewesen. Auch eine Blutungskomplikation sei bei bereits erfolgter Papillotomie sehr unwahrscheinlich. Da keine Indikation für eine Darstellung des Pankreasgangs bestanden habe, sei auch das Risiko einer postinterventionellen Pankreatitis sehr unwahrscheinlich gewesen. Auch das Risiko einer Gallengangsverletzung bei Durchzug eines Ballonkatheters sei in einer erfahrenen Abteilung extrem gering. Es habe somit keine zwingende Indikation für eine 24-stündige, postinterventionelle Überwachung bestanden. Die Beklagte rechnete daraufhin die Krankenhausvergütung am 14. Juli 2009 mit einer anderen unbestrittenen Forderung auf.

Das Sozialgericht hat im sich anschließenden Klagverfahren Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Dr. V ... Dieser hat ausgeführt, bei dem Versicherten sei bei Gallenblasenempyem (bei Cholecystolithiasis mit eingeklemmtem Stein im Ductus choledochus) zunächst am 1. Mai 2008 im A.-Krankenhaus H. eine Cholezystektomie mit operativer Revision der Gallengänge und Anlage einer T-Drainage im Ductus choledochus erfolgt. Noch vor Entlassung habe damals das Vorliegen eines Konkrementes im rechten Ductus hepaticus gesichert werden können. Dieser Verdacht habe weiterhin bei Krankenhausaufnahme am 1. Juli 2008 bestanden. Zudem seien bei dem Patienten eine koronare Herzerkrankung, ein arterieller Hypertonus, eine COPD sowie ein Zustand nach Apoplex bekannt gewesen. Der Patient sei in der Zeit vom 1. Juli 2008 bis 3. Juli 2008 mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses behandelt worden. Durch die durchgeführte ERC habe das Vorliegen eines Residualsteins im Gallengangsystem ausgeschlossen werden können, das Konkrement sei wahrscheinlichauf natürlichem Weg abgegangen.

Die Entscheidung, den Eingriff unter stationären Bedingungen durchzuführen, sei nicht zu beanstanden. Neben dem bereits fortgeschrittenen Alter des Versicherten seien für diese Entscheidung zunächst die Vorerkrankungen und die damit verbundene Einstufung des Patienten in die Risikostufe ASA III maßgeblich. Aufgrund der vorangegangenen Gallenblasenoperation seien narbige Veränderungen im Bereich des Hauptgallenganges nicht auszuschließen gewesen, was nach plausibler Einschätzung der behandelnden Ärzte ebenfalls zu einem gegebenenfalls deutlich erhöhten Risiko für das Auftreten einer postinterventionellen Cholangitis oder Pankreatitis beigetragen habe. Es sei daher auch nicht entscheidend, dass bei Aufnahme im Krankenhaus der Klägerin weder laborchemisch Auffälligkeiten, Fieber oder sonstige klinische Auffälligkeiten bestanden hätten. Es sei doch insbesondere noch bei Aufnahme des Versicherten überhaupt nicht davon auszugehen gewesen, dass es zwischenzeitlich zu einem Steinabgang gekommen sei. Schließlich sei auch die stationäre Verweildauer in ganzer Länge vom 1. Juli 2008 bis 3. Juli 2008 aus medizinischen Gründen erforderlich. Es habe in der ausschließlichen Verantwortung der behandelnden Ärzte der Klägerin gelegen, die Indikation zur Durchführung der ERCP (bzw. ERC) nach Aufnahme des Patienten am 1. Juli 2008 noch einmal kritisch zu überprüfen, die erforderliche Labordiagnostik durchzuführen und die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Aufklärung des Versicherten über die für den Folgetag geplante Maßnahme in ausreichendem zeitlichem Abstand zu dieser und auch persönlich durchzuführen. Nach offensichtlich komplikationsloser Durchführung der ERC am 2. Juli 2008 sei schließlich auch die Beobachtung des Versicherten bis zum Folgetag am 3. Juli 2008 gerechtfertigt, zumal in diesem konkreten Einzelfall postinterventionelle Komplikationen ärztlicherseits überhaupt nicht auszuschließen gewesen seien. Zusammenfassend hätte das Behandlungsziel nicht auch durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden können. Der stationäre Aufenthalt habe auch nicht anderen Gründen gedient.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 24. März 2015 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 912,37 EUR nebst 5 % Zinsen hierauf seit dem 14. Juli 2009 zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass das Behandlungsziel vorliegend nur durch stationäre Behandlung habe erreicht werden können. Auch die Beobachtung des Versicherten bis zum Folgetag am 3. Juli 2008 sei gerechtfertigt gewesen, da in diesem konkreten Einzelfall postinterventionelle Komplikationen nicht auszuschließen gewesen seien. Die Vergütung der Klägerin für die Behandlung des Versicherten sei aber um einen Abschlag wegen Unterschreitens der unteren Grenzverweildauer zu kürzen. Eine stationäre Behandlung des Versicherten am 1. Juli 2008 sei nämlich nicht erforderlich gewesen. Nach dem Schreiben der Klägerin vom 20. Juni 2008 an den Versicherten seien für den Aufnahmetag lediglich die Labordiagnostik und das Aufklärungsgespräch geplant gewesen. Entsprechend lasse sich auch der Dokumentation in der Krankenakte entnehmen, dass dem Versicherten Blut abgenommen und die Labordiagnostik durchgeführt sowie das Aufklärungsgespräch geführt worden sei. Beides rechtfertige jedoch nicht die stationäre Behandlung des Versicherten. Ermögliche es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, so bestehe kein Anspruch auf stationäre Behandlung. Allein die erforderliche Aufklärung des Patienten zur Wahrung seines Selbstbestimmungsrechts oder die Entfernung, die der Versicherte bis zum behandelnden Krankenhaus zurücklegen müsse, seien keine medizinischen Erfordernisse. Ebenso begründe eine Blutabnahme keine stationäre Behandlungsbedürftigkeit. Soweit Dr. V. unter Zugrundelegung nicht-medizinischer Erfordernisse zu dem Ergebnis einer erforderlichen stationären Behandlung komme, gehe er von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben aus. Unter Zugrundelegung einer Verweildauer von einem Tag errechne sich ein Gesamtbetrag von 912,37 Euro, welchen die Beklagte zu zahlen habe.

Gegen das den Beteiligten am 16. April 2015 zugestellte Urteil hat allein die Klägerin unter dem 8. Mai 2015 Berufung eingelegt, mit welcher sie ihr Begehren verfolgt, die Beklagte zur Zahlung weiterer 1.987,19 Euro nebst Zinsen einschließlich der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zu verpflichten. Das Sozialgericht habe die Sachverhaltsprüfung unzulässig ausgeweitet, indem es neben der zwischen den Beteiligten zum Zeitpunkt der Rechnungslegung allein streitigen primären Fehlbelegung auch eine sekundäre Fehlbelegung in der Beweisanordnung an den Sachverständigen abgefragt habe. Zu diesem Zeitpunkt im Jahre 2013 und damit fünf Jahre nach der streitigen Behandlung sei die Beklagte nicht mehr berechtigt gewesen, den Prüfauftrag an den MDK zu erweitern. Es bestehe daher ein Beweisverwertungsverbot. Darüber hinaus habe auch der Sachverständige die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung über den gesamten Zeitraum bestätigt. Weder das Gericht noch die Beklagte verfüge über die medizinische Sachkunde, die Krankenhausbehandlung entgegen der Auffassung des Sachverständigen nicht über den gesamten Zeitraum als notwendig zu erachten. Darüber hinaus sei die Regelung zur Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer geschaffen worden, um "blutige Entlassungen" zu verhindern. Eine solche Konstellation liege hier aber gerade nicht vor.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. März 2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.987,19 Euro nebst 5% Zinsen seit dem 14. September 2009 zuzahlen

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und ist der Auffassung, sie sei mit der Geltendmachung der sekundären Fehlbelegung nicht ausgeschlossen, da diese als Minus in der Frage nach der primären Fehlbelegung enthalten sei. Der MDK sei auch in der ersten Anfrage ausdrücklich nach dem Zeitraum der medizinischen Notwendigkeit der vollstationären Behandlung gefragt worden. Die zur Vorbereitung des Eingriffs notwendigen Maßnahmen seien vorstationär zu erbringen. Das Argument, die untere Grenzverweildauer diene allein dem Zweck, blutige Entlassungen zu vermeiden, finde im Gesetz keine Stütze. Allein der Umstand, dass in Fällen der Unterschreitung der Grenzverweildauer auch der Kostenaufwand des Krankenhauses niedriger sei, sei der Grund für die in diesem Falle niedrigeren Fallpauschalen.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. V. eingeholt, welcher am 25. Juni 2017 ausgeführt hat, es habe ausschließlich in der Verantwortung der Ärzte gelegen, nach Aufnahme des Patienten und unter Berücksichtigung aktueller Laborbefunde noch einmal kritisch die Indikation zur Durchführung der Maßnahme zu prüfen und den Versicherten in ausreichendem zeitlichen Abstand zur Maßnahme aufzuklären. Beim Wohnort des Versicherten in W. sei zudem von einer ca. fünfstündigen Anreise auszugehen, so dass auch dieses einer vorstationären bzw. ambulanten Maßnahme am 1. Juli 2008 entgegengestanden habe.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie dürfte sich indes als unbegründet erweisen.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 S. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 17b Abs. 1 S. 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und § 7 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der hier maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2008 sowie dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Vertrag Allgemeine Bedingungen Krankenhausbehandlung vom 19. Dezember 2002 zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft e.V. und unter anderem der Beklagten (Vertrag nach § 112 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich ist (BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 3 KR 14/11 R - Juris).

Die Beklagte kann dem Vergütungsanspruch der Klägerin indes erfolgreich entgegenhalten, dass eine vollstationäre Behandlung des Versicherten am 1. Juli 2008 nicht erforderlich gewesen ist, weil insoweit eine ambulante oder vorstationäre Behandlung ausgereicht hätte (§ 39 Abs. 1 S. 2 SGB V). Hiernach haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V) nur, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Stellt sich die Entscheidung des Krankenhausarztes über die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung auch aus seiner Sicht ex-ante als medizinisch nicht vertretbar heraus, so besteht keine Zahlungspflicht der Krankenkassen (BSG, Urteil vom 16. Mai 2013 – B 3 KR 32/12 R – Juris). Danach hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Vergütung der Krankenhausbehandlung auch bei der Vergütung nach Fallpauschalen nur für eine erforderliche Krankenhausbehandlung. Auch das Fallpauschalensystem lässt keinen Raum dafür, nicht notwendige Leistungen zu vergüten (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 R).

(1) Erforderlich war die Behandlung mit den Mitteln eines Krankenhauses indes nur für den Tag der Durchführung des Eingriffs sowie – wegen der weiteren Risikofaktoren, die bei dem Versicherten vorlagen – für einen weiteren dem Eingriff folgenden Tag. Dies folgt aus der Krankenakte und auch aus dem Gutachten des Dr. V., welcher zwar eine andere Meinung vertritt, allerdings ohne diese begründen zu können. Auch Dr. V. hat nämlich für den Aufnahmetag keine weiteren Maßnahmen der Klägerin festgestellt als Aufnahmegespräch und Blutentnahme und die Notwendigkeit, diese stationär durchführen zu müssen, ausschließlich mit dem Wohnort des Versicherten begründet. Soweit Dr. V. ausführt, es habe ein ausreichender Abstand zwischen der Aufklärung und der Durchführung des Eingriffs bestehen müssen, ist nicht ersichtlich, warum die Aufklärung nicht bei einer Einbestellung des Versicherten um 10 Uhr morgens – also lediglich eine Stunde früher als tatsächlich erfolgt, was bei einer Anreise aus W. unproblematisch möglich ist - unverzüglich hätte durchgeführt werden können. Bei Vornahme des Eingriffs am frühen Nachmittag - wie er offenbar am Folgetag ausweislich des Beginns der Dokumentation der Überwachung nach dem Eingriff um 15:35 Uhr auch erfolgt ist - hätte in Anbetracht des Umstandes, dass es sich um einen Routineeingriff handelte, eine ausreichende Bedenkzeit jedenfalls bestanden. Auch die Blutentnahme hätte unproblematisch am Tag des Eingriffs durchgeführt werden können. Überdies hätte der Versicherte auch vor der Aufnahme zur Behandlung aufgeklärt werden können.

Warum Dr. V. meint, der Eingriff hätte von den Ärzten zunächst noch einmal kritisch bedacht werden müssen, ist nicht ersichtlich. Dass es hier in irgendeiner Form nochmal ärztlicher Überlegung bedurft hätte oder diese durchgeführt worden wäre, beispielsweise in Form eines Konsils oder einer Ärztebesprechung, lässt sich der Krankenakte nicht entnehmen. Eine derartige Vorgehensweise war auch nicht geplant, denn die Checkliste "Aufnahmekoordination", die ganz offensichtlich vor der Aufnahme erstellt worden ist, denn dort heißt es: "Pat. kommt 10:00/ 11:00 Uhr" enthält zum Aufnahmetag lediglich die Bemerkung "Aufnahmetag: Labor und Aufklärung". Dass hier also nochmals die Indikation kritisch hinterfragt worden wäre, wie Dr. V. unterstellt, ist Spekulation, in Anbetracht der dargelegten Dokumentation eher unwahrscheinlich und entzieht sich wenigstens jeglicher Feststellung, weil nichts Entsprechendes dokumentiert ist. Anhaltspunkte dafür, warum der Versicherte also bereits am 1. Juli 2008 aufgenommen wurde und nicht erst am 2. Juli sind daher nicht ersichtlich, zumal auch am 2. Juli 2008 der Eingriff erst am frühen Nachmittag durchgeführt worden ist. Am Vormittag desselben Tages ist notiert, der Patient "warte auf den Eingriff". Warum nicht in dieser Zeit Blutentnahme und Aufklärungsgespräch hätten stattfinden können, statt bereits am Vortag, erschließt sich auch nach den Ausführungen des Dr. V. nicht.

Dass weder die erforderliche Aufklärung des Patienten noch die Entfernung, die der Patient bis zum behandelnden Krankenhaus zurücklegen muss, medizinische Erfordernisse sind, die eine stationäre Aufnahme rechtfertigen, ist darüber hinaus bereits höchstrichterlich entscheiden (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 R – Juris). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Etwas anderes gilt auch nicht etwa deshalb, weil die Klägerseite im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, es wäre nicht zu verantworten gewesen, den Versicherten in Anbetracht seiner zahlreichen Vorerkrankungen ohne ärztliche Überwachung nüchtern anreisen zu lassen. Dass sich dies aus medizinischen Gründen im vorliegenden Fall verbeten hätte, ist indes nicht dokumentiert und wird auch von dem medizinischen Sachverständigen nicht als Argument angeführt. Im Übrigen ist der Dokumentation nicht zu entnehmen, dass der Patient etwa am Tag des Eingriffs, an welchem er auch bis zum Nachmittag nüchtern geblieben ist, besonders überwacht worden wäre oder dass auch nur die Gefahr einer Unterzuckerung oder vergleichbarer Komplikationen in Betracht gezogen worden wäre.

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin darf das Gericht dies auch berücksichtigen. Zum einen ist der Beklagten darin zu folgen, dass der Prüfauftrag an den MDK auch die Dauer des stationären Aufenthalts umfasste (Bl. 3 VA). Zum anderen ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass ein auf Grundlage der Daten nach § 301 SGB V erteilter Prüfauftrag zur Frage der sekundären Fehlbelegung nicht hindert, auch die Frage der primären Fehlbelegung wieder aufzugreifen, und der MDK die Behandlungsdokumentation auch im Hinblick auf eine etwaige primäre Fehlbelegung auswerten und ggf die frühere, allein nach den übermittelten Daten getroffene Einschätzung korrigieren darf (Urteil vom 27.11.2014 – B 3 KR 7/13 R). Dem schließt sich der erkennende Senat an, mit der Folge, dass dies im umgekehrten Fall, in welchem es statt der primären "nur noch" um eine sekundäre Fehlbelegung geht, erst recht gelten muss.

(3) Nach dem Fallpauschalen-Katalog 2008 ist für die hier einschlägige DRG H41 C bei unterer Grenzverweildauer der erste Tag mit Abschlag "Tag 1". Erst ab einer Verweildauer von 2 Tagen wird danach das volle Relativgewicht berechnet (untere Grenzverweildauer). War der 1. Juli 2008 "fehlbelegt" und ist daher nicht zu berücksichtigen, so ist für die Ermittlung der Verweildauer gemäß § 1 Abs. 7 Fallpauschalenverordnung (FPV) 2008 maßgeblich allein der 2. Juli 2008 als (fiktiver) Aufnahmetag, denn der Entlassungstag ist nach dieser Vorschrift nicht zu berücksichtigen. Ist jedoch die (wirtschaftlich berücksichtigungsfähige) Verweildauer kürzer als die untere Grenzverweildauer, so ist nach § 1 Abs. 3 FPV 2008 für die bis zur unteren Grenzverweildauer nicht erbrachten Belegungstage einschließlich des ersten Tages mit Abschlag ein Abschlag von der Fallpauschale vorzunehmen. Es ist also vom SG ein Abschlag für die Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer zutreffend vorgenommen worden. Wegen der Berechnung wird auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.

Der Abschlag durfte auch unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Vorschrift vorgenommen werden. Die untere Grenzverweildauer beschreibt die Mindestverweildauer im Krankenhaus ohne Vergütungsabschläge. Sie knüpft nicht an medizinische Gründe des Patientenschutzes an, sondern nur an Grundsätze der statistischen Normalverteilung. Das verdeutlicht bereits die Regelung im früher geltenden § 7 Fallpauschalenverordnung (KFPV aF vom 19.9.2002; geltend bis zum 31.12.2003). § 7 KFPV aF legte die untere Grenzverweildauer bei einem Drittel des Verweildauer-Mittelwerts fest, knüpfte mithin für die Untergrenze abschlagsfreier Vergütung gerade nicht an medizinische Gründe des Patientenschutzes an, sondern an allgemeine Erfahrungswerte über die übliche Verweildauer. Auch wenn die FPV 2008 keine vergleichbare ausdrückliche Bestimmung enthält, beruht sie auf vergleichbaren Überlegungen. Die Bestimmung der unteren Grenzverweildauer erfolgt auch bei der FPV 2008 nicht anhand des medizinischen Erfahrungssatzes, dass bei Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer medizinisch fehlerhaft vorgegangen werde. Wenn die Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer einen Behandlungsfehler indizierte, hätte diese Unterschreitung Schadensersatzansprüche gegen das Krankenhaus zur Folge. Die FPV 2008 sieht dagegen um Abschläge verminderte Vergütungsansprüche des Krankenhauses vor. Die Abschläge tragen dem geringeren Aufwand Rechnung, der bei kürzerem Krankenhausaufenthalt trotz Erfüllung der Hauptleistung entsteht. Ihnen stehen bei vielen DRG-Positionen Zuschläge gegenüber, die bei Überschreitung der oberen Grenzverweildauer zu zahlen sind. (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 R – Juris)

(4) Die Aufwandspauschale ist bereits deshalb nicht zu zahlen, weil die Prüfung im Ergebnis zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat, § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 155 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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