S 179 AS 12166/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
179
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 179 AS 12166/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Lebt ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter mit einem unter 25jährigen Kind in einem gemeinsamen Haushalt und kann das Kind seinen Bedarf aus eigenem Einkommen decken, kommt es für die Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten darauf an, ob das Kind volljährig oder minderjährig ist.
2. Minderjährige Kindern sind bei der Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße stets mit zu berücksichtigen. Volljährige Kinder sind in der Regel nicht mit zu berücksichtigen, da dies den Leistungsberechtigten von der Bleibebereitschaft des nicht mehr im Leistungsbezug stehenden Kindes abhängig machen würde.
Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 31. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. September 2017 verurteilt, der Klägerin für September bis Dezember 2017 monatlich weitere Kosten der Unterkunft und Heizung von je 44,26 EUR zu gewähren.

Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung für eine Haushaltsgemeinschaft zwischen der leistungsberechtigten Klägerin und ihrem 23-jährigen Sohn, der über bedarfsdeckenden Einkommen verfügt.

Die 1960 geborene Klägerin wohnt gemeinsam mit ihrem im Januar 1994 geborenen Sohn. Dieser geht einer Beschäftigung bei einem Textilhandelsunternehmen nach und verdient monatlich zwischen 1.300 und 1.400 EUR brutto, 1.000 bis 1.100 EUR netto.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2014 hörte der Beklagte die Klägerin vor Erlass einer Kostensenkungsaufforderung an. Nach einer Stellungnahme der Klägerin forderte der Beklagte mit Schreiben vom 19. Januar 2017, zugegangen am 25. Januar 2017, die Klägerin auf, binnen sechs Monaten die Kosten für die von ihr und ihrem Sohn bewohnte Wohnung zu senken. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kostensenkungsaufforderung verwiesen.

Mit Bewilligungsbescheid vom 31. Mai 2017 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Bei der Bedarfsberechnung berücksichtigte er nur die Hälfte der für einen Zweipersonenhaushalt nach den Verwaltungsvorschriften des Leistungsträgers abstrakt angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Hiergegen erhob die Klägerin am 8. Juni 2017 Widerspruch und begehrte die Berücksichtigung der Angemessenheitswerte für einen 1-Personenhaushalt.

Mit Änderungsbescheid vom 5. Juli 2017 berücksichtigte der Beklagte im Juli 2017 ein Nebenkostenguthaben und höhere Nebenkostenvorauszahlungen ab August 2017 und bewilligte der Klägerin monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung von je 279,10 EUR. Ab August 2017 mussten die Klägerin und ihr Sohn für die Wohnung tatsächlich insgesamt 646,73 EUR bruttowarm aufwenden, mithin 323,37 EUR pro Person.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2017 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er aus, dass zwischen der Klägerin und ihrem Sohn eine besondere Verbundenheit bestehe und sie deshalb bei der Bestimmung der Angemessenheitswerte wie eine Bedarfsgemeinschaft bestehend aus zwei Personen zu behandeln seien. Auch wenn der Sohn allein aufgrund des bedarfsdeckenden eigenen Einkommens nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehöre, sei ein Zirkelschluss zu befürchten, wenn das Einkommen bei Berücksichtigung der angemessenen Kosten für einen 2-Personenhaushalt zur Bedarfsdeckung ausreiche, bei Berücksichtigung der angemessenen Bedarfe für einen 1-Personen-haushalt jedoch nicht genüge. Zur Begründung verwies der Beklagte auf die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 19. Mai 2017 – L 13 AS 224/16.

Am 21. September 2017 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, Anspruch auf Übernahme der hälftigen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 323,36 EUR zu haben, da dieser Betrag den Angemessenheitswert für einen 1-Personenhaushalt nicht übersteige. Zur Begründung verweist sie auf erstinstanzliche Rechtsprechung sowie die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 73/08 R.

Wegen der weiter geltend gemachten Anrechnung des Betriebskostenguthabens auf die tatsächlichen Unterkunftskosten hat der Beklagte am 7. November 2017 einen Änderungsbescheid erlassen und der Klägerin für den Monat Juli 2017 weitere 44,26 EUR bewilligt. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. November 2017 die Klage insoweit für erledigt erklärt und auf den Zeitraum von September bis Dezember 2017 beschränkt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 31. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. September 2017 zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 01. September 2017 bis 31. Dezember 2017 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. weiteren 44,26 EUR je Monat zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die vom Beklagten in Kopie übersandte Verwaltungsakte verwiesen, die der Kammer bei der Entscheidung vorlagen und Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Der Bescheid vom 31. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. September 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten, als er weniger als die hälftigen Kosten für Unterkunft und Heizung der Haushaltsgemeinschaft berücksichtigt. Die Klägerin hat Anspruch auf Übernahme von weiteren 44,26 EUR pro Monat.

Die Klägerin ist nach §§ 7,9, 19, 20, 22 SGB II anspruchsberechtigt. Sie ist hilfebedürftig, erwerbsfähig, lebt in Deutschland und hat die Altersgrenze nach § 7a SGB II nicht erreicht.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten weiteren Anspruch ist § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Danach werden Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen, soweit sie angemessen sind.

Es kann dahinstehen, ob der Beklagte berechtigt war, die Klägerin im Januar 2017 zur Kostensenkung aufzufordern und nun nur noch angemessene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung berücksichtigen muss. Denn der auf die Klägerin entfallende Anteil der Aufwendungen ist im Sinne von § 22 Abs. 1 S.1 SGB II angemessen.

Bei der Prüfung, ob die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, ist der tatsächliche Bedarf mit dem nach § 22 Abs. 1 S. 1 angemessenen Bedarf abzugleichen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der "Angemessenheit" in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II beinhaltet keinen gerichtlicher Kontrolle entzogenen Beurteilungsspielraum der Verwaltung, sondern unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (st. Rspr. des BSG, Urteil v. 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 RBSGE 97, 254; BSG, Urteil v. 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R). Die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten unterteilt sich in mehrere Schritte. Zunächst ist die abstrakt angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Nachfolgend sind der angemessene Wohnungsstandard, der Vergleichsraum und die Referenzmiete festzulegen. Maßgeblich ist im Ergebnis das Produkt aus angemessener Wohnfläche und angemessener Bruttokaltmiete (sogenannte Produkttheorie; BSG, Urteil v. 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 RBSGE 97, 254; BSG, Urteil v. 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R; BSG, Urteil v. 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R).

Für die Bestimmung der abstrakt angemessenen Größe der Unterkunft ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit auf die Woh-nungsgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau abzustellen (BSG, Urt. v. 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R). Anzuwenden sind die bezogen auf den Bewilligungszeitraum aktuell im jeweiligen Bundesland festgesetzten Werte (BSG, Urt. v. 22.9.2009 – B 4 AS 70/08 R, Rn. 15; Urt. v. 20.12.2011 – B 4 AS 19/11 R, Rn. 17; Urt. v. 16.5.2012 – B 4 AS 109/11, Rn. 18).

Streitentscheidend ist vorliegend, ob für die Bestimmung der angemessenen Bedarfe das Flächenmaß für einen 1- oder einen 2-Personenhaushalt zugrunde zu legen ist.

Maßstab für die Bestimmung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße ist nach der Rechtsprechung des BSG nur die Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (BSG, Urt. v. 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R; BSG, Urt. v. 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R).

Der volljährige Sohn bildete mit der Klägerin gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II aufgrund des eigenen Erwerbseinkommens keine Bedarfsgemeinschaft, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Er bildete mit der Klägerin lediglich eine Haushaltsgemeinschaft. Unter Berücksichtigung der – kopfteiligen – tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, einer Regelleistung von 327,00 EUR pro Monat zuzüglich eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwasserver-sorgung von 7,52 EUR fiel für den Sohn im Streitzeitraum ein monatlicher Bedarf nach dem SGB II von 657,89 EUR an. Das von ihm erzielte Erwerbseinkommen lag auch unter Berücksichtigung der Freibeträge stets oberhalb des Bedarfs.

Nach Überzeugung der Kammer sind die Mitglieder einer Haushaltsgemeinschaft bei der Bestimmung der Angemessenheitswerte nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigen, solange sie minderjährig sind. Können volljährige Kinder der Leistungsberechtigten, wie hier der Sohn der Klägerin, den Bedarf nach dem SGB II aus eigenem Erwerbseinkommen decken, sind sie bei der Bestimmung der Angemessenheitswerte nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht zu berücksichtigen.

Nach einer Entscheidung des BSG soll bei der Bestimmung der angemessenen Bedarfe die Anzahl der Bewohner einer Wohnung nicht maßgeblich sein, auch wenn alle Bewohner einer Familie angehören (BSG, Urt. v. 18.2.2010 – B 14 AS 73/08 R; Luik in Eicher/Luik, SGB II, § 22 Rn. 85). Das BSG führt im Urteil vom 18.2.2010 unter Rn. 23 f. aus:

"Abzustellen ist bei der Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße nicht auf die Zahl der Familienmitglieder, die eine Wohnung gemeinsam nutzen, sondern allein auf die Zahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Frage der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft stets nur im Hinblick auf den Hilfebedürftigen nach dem SGB II und den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen beantwortet werden kann (BSG, ). Nur für diesen Personenkreis ergeben sich durch dieses Kriterium Begrenzungen. Zwar stellen die einschlägigen Wohnraumförderungsbestimmungen auf die Zahl der Haushaltsmitglieder ab. Abgesehen von der Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 5 SGB II, die eine gesetzliche Vermutungsregel für die Berücksichtigung von Einkommen enthält (vgl ...), kennt das SGB II die Kategorie der Haushaltsgemeinschaft aber nicht. Rechtlich relevant ist im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine Personenmehrheit ansonsten nur dann, wenn sie eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II bildet. Insofern gelten für den Fall, dass verwandte Personen eine Wohnung gemeinsam nutzen, keine Besonderheiten. Nur soweit die enumerativ genannten Voraussetzungen für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft vorliegen, ist die Anzahl der einbezogenen Familienmitglieder bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße zu berücksichtigen ... Die absolute Zahl der Nutzer einer Wohnung erlangt Bedeutung bei der Aufteilung der tatsächlichen Wohnkosten nach Kopfzahl (vgl ...). Die auf die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft danach entfallenden tatsächlichen Kosten sind an den abstrakt angemessenen Kosten zu messen. Diese sind jeweils nur für die Bedarfsgemeinschaft festzustel-len. Für die Bedarfsgemeinschaft, die der Kl. zu 2 ab seiner Volljährigkeit bildete, ist die Angemessenheit des auf ihn nach Kopfzahlen entfallenden Anteils gesondert festzustellen. Dabei ist als Rechengröße die für eine Einzelperson angemessene Wohnfläche zu Grunde zu legen. Eine ungerechtfertigte Besserstellung des Kl. zu 2 ergibt sich hieraus nicht, weil er nach den Vorstellungen des Gesetzgebers gem. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II (in der bis zum 30. 6. 2006 geltenden Fassung) nicht mehr der durch besondere Ver-bundenheit und erhöhte gegenseitige Verantwortlichkeit gekennzeichneten Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter und seinen Geschwistern angehörte (vgl. BSG, ...)."

Dem folgt die Kammer nicht. Auch das LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 03. Mai 2017 – L 13 AS 224/16 – ist dem mit zutreffenden Gründen entgegen getreten. Das LSG hat ausgeführt (Rn. 27 nach juris):

"Die Besonderheit in dem vorliegenden Fall ist, dass die Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nur deshalb nicht besteht, weil die Tochter der Klägerin über bedarfsdeckendes Einkommen verfügt und nicht, weil sie das 25. Lebensjahr vollendet hat. Das Bestehen oder Nichtbestehen der Bedarfsgemeinschaft hängt daher nicht von einem unumkehrbaren Erreichen einer Altersgrenze ab, sondern lediglich von der Einkommenssituation der Tochter der Klägerin, die sich grundsätzlich jederzeit ändern könnte, z.B. wenn kein Unterhalt mehr für sie gezahlt wird. Insoweit besteht in dieser Fallkonstellation auch kein Raum dafür generalisierend davon auszugehen, dass die der Annahme einer Bedarfsgemeinschaft zugrunde liegende besondere Verbundenheit und gegenseitige Verantwortlichkeit ( ) nicht mehr gegeben ist und dass die Wohnverhältnisse daher den Charakter einer Wohngemeinschaft annehmen, so dass die Annahme zweier Ein-Personen-Haushalte angezeigt wäre. Vielmehr dürfte davon aus-zugehen sein, dass gerade in der vorliegenden Situation, dass das Kind mit bedarfsdeckendem Einkommen noch minderjährig ist, weiterhin eine besondere Verbundenheit mit ihrer Mutter, der Klägerin, fortbesteht. Die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II, dass ein Kind, welches seinen Unterhalt selbst decken kann, aus der Bedarfsgemeinschaft ausscheidet, dient allein dazu, die nicht hilfebedürftigen Kinder von Leistungen nach dem SGB II auszuschließen. An den oben aufgeführten Gründen für die gemeinsame Heranziehung zur Berechnung der Angemessenheitsgrenzen ändert dies nichts (so auch: SG Gießen, ). Das SG hat insoweit zu Recht auf die Vorschrift des § 1626 Abs. 1 SGG hingewiesen, wonach in dem vorliegenden Fall die Verpflichtung der Klägerin, die elterliche Sorge über ihre minderjährige Tochter auszuüben, fortbesteht."

Nach Überzeugung der Kammer ist bei der Bestimmung der Angemessenheitswerte nach § 22 Abs. 1 SGB II zwar grundsätzlich nach der Anzahl der Personen in der Bedarfsgemeinschaft zu unterscheiden, so dass über 25jährige Kinder bei der angemessenen Flächenbestimmung nie zu berücksichtigen sind. Besteht nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II wegen eigener Einkommenserzielung keine Bedarfsgemeinschaft, ist nach Überzeugung der Kammer jedoch zu unterscheiden, ob die Kinder volljährig oder minderjährig sind.

Denn Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der angemessenen Flächenmaße sind die Wohnungsgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau. Diese stellen darauf ab, wie viele Personen in einer Wohnung gemeinsam wohnen. Das BSG überhöht die Bedeutung der Bedarfsgemeinschaft bei der Bestimmung der angemessenen Bedarfe nach § 22 Abs. 1 SGB II. Soweit es ausführt, dass im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine Personenmehrheit nur rechtlich relevant nur sei, wenn sie eine Bedarfsgemeinschaft bildet mag dies für die Einkommensanrechnung stimmen, nicht jedoch für die Bestimmung der Angemessenheitswerte nach § 22 SGB II. Vielmehr sind die Aufwendungen der Unterkunft nach ständiger Rechtsprechung kopfteilig auf die Bewohner zu verteilen. Die Kopfzahl ist mithin entscheidendes Kriterium für die Bestimmung des tatsächlichen Bedarfs. Das ist bei der Bestimmung des abstrakt angemessenen Bedarfs zu berücksichtigen.

Nach Überzeugung der Kammer ist vielmehr maßgeblich, welches Maß der persönlichen Verbundenheit besteht, um dem Umfang der von mehreren Bewohnern gemeinsam genutzten Flächenanteile zu bestimmen.

Soweit Leistungsberechtigte mit einem minderjährigen Kind zusammenleben, welches den Bedarf aus eigenem Einkommen decken kann, ist das minderjährige Kind bei der Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße mit zu berücksichtigen. Dies folgt aus der weiterhin bestehenden besonderen Verbundenheit der Eltern mit dem Kind. Es ist nach Sinn und Zweck des SGB II nicht nachvollziehbar, warum erwachsenen Leistungsberechtigten ein höherer Bedarf an Kosten für Unterkunft und Heizung zugestanden werden sollte, sobald ihre minderjährigen Kinder den Bedarf aus eigenem Einkommen decken können. Der existenzsichernde Bedarf des Erwachsenen – hier in Form der in die Angemessenheitsprüfung einzubeziehenden Flächenbedarfe – unterscheidet sich nicht danach, ob die im Haushalt lebenden minderjährigen Kinder ihren Bedarf aus eigenem Einkommen decken können oder nicht. Der existenzsichernde Flächenbedarf des leistungsberechtigten Erwachsenen ist nicht von einer Entscheidung des minderjährigen Kindes über einen Auszug aus dem Elternhaus abhängig, da Minderjährige – von Ausnahmefällen abgesehen – eine solche Entscheidung nicht allein treffen können.

Soweit Leistungsberechtigte mit einem volljährigen Kind zusammenleben, welches den Bedarf aus eigenem Einkommen decken kann, lockert sich jedoch die für die Bestimmung des ange-messenen Flächenmaßes maßgebliche besondere Verbundenheit. Das Zusammenleben zwischen volljährigen Kindern und Erwachsenen gestaltete sich eher wie eine Wohngemeinschaft. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass der Gesetzgeber bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der Kinder keine Begründung eines eigenen Hausstandes fördern wollte. Jedoch gilt dies – wie § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zeigt – nur für diejenigen, die ihren Bedarf nicht selbst decken können. Erzielen Volljährige bedarfsdeckendes Einkommen, könnten sie auch einen eigenen Hausstand begründen. Dem leistungsberechtigten Elternteil während des weiteren Zusammenwohnens einen geringeren Flächenanspruch zuzubilligen, als einem Alleinstehenden, würde den Leistungsberechtigten – gerade anders als bei minderjährigen Kindern – von der Bleibebereitschaft des nicht mehr im Leistungsbezug stehenden Kindes abhängig machen. Eine Beschränkung des bei der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigenden Flächenbedarfs rechtfertigt sich in diesem Fall nicht mehr, so dass für die Bestimmung der Angemessenheitswerte ab der Volljährigkeit und bei eigener Bedarfsdeckung nur die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen sind.

Der nach Kopfteilen auf die Klägerin entfallende Bedarf für Unterkunft und Heizung liegt unterhalb des Angemessenheitswertes für einen 1-Personenhaushalt, was zwischen den Betei-ligten auch unstreitig ist. Sie hat somit Anspruch auf Berücksichtigung eines um monatlich 44,26 EUR höheren Bedarfs.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das vollständige Obsiegen der Klägerin durch die einem Teilanerkenntnis gleichstehende Nachbewilligung für August 2017 und durch den Erfolg in der Sache für September bis Dezember 2017.

Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen, da die Entscheidung von obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht.
Rechtskraft
Aus
Saved