L 4 AS 554/15

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 35 AS 718/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 554/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin und Berufungsklägerin wendet sich gegen die Entziehung von Leistungen für den Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2011.

Die 1967 geborene Klägerin bezog im Jahr 2010 als Mitglied der aus ihr, ihrem 1964 geborenen Ehemann F. und dem 1996 geborenen Sohn bestehenden Bedarfsgemeinschaft von dem Beklagten und Berufungsbeklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zum Haushalt gehörte noch ein weiteres minderjähriges Kind, das keine SGB II-Leistungen erhielt. Gemeinsam bewohnt die Familie ein Eigenheim mit einer Wohnfläche von 124 qm. Anfänglich bezogen die Klägerin und ihr Ehemann Arbeitslosengeld. Am 1. Oktober 2010 nahm der Ehemann eine Erwerbstätigkeit als Kundendienstmonteur auf mit einem Einkommen von 1.400 EUR brutto (1.034,24 EUR netto).

Am 28. Juli 2010 ging bei dem Beklagten eine von der Agentur für Arbeit D. (BA) weitergeleitete anonyme Anzeige über einen "Leistungsmissbrauch" der Klägerin ein. In dem Schreiben heißt es, die Klägerin beziehe Sozialleistungen und betreibe gleichzeitig einen umfänglichen Handel über das Auktionshaus Ebay. Allein unter dem Benutzernamen "l ..." würden derzeit 284 Artikel zum Verkauf angeboten. Der Wert der Waren (Anfangsgebot) belaufe sich auf 18.000 EUR. Im letzten Jahr habe sie über 600 An- und Verkaufsvorgänge getätigt, insbesondere billige An- und teure Wiederverkäufe. Über das genannte Benutzerkonto seien etwa 2.000 Vorgänge abgewickelt worden, sodass nicht von Privatverkäufen auszugehen sei. Das sei wie Schwarzarbeit. Die Verwendung weiterer Benutzernamen durch die Klägerin wurde angedeutet. Im Oktober 2010 übermittelte der Beklagte die anonyme Anzeige an das Hauptzollamt M. (im Folgenden: HZA) mit der Bitte um Prüfung und weitere Bearbeitung.

Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Dezember 2010 für den Bewilligungszeitraum von Januar bis Juni 2011 vorläufig Gesamtleistungen von monatlich 399,43 EUR an die Bedarfsgemeinschaft. Die Bewilligung erfolge vorläufig, da das Einkommen nach § 11 SGB II noch nicht feststehe. Der Beklagte berücksichtigte das Erwerbseinkommen des Ehemanns und das für den Sohn gezahlte Kindergeld.

Unter dem 23. März 2011 forderte das HZA den Beklagten auf, einen etwaigen Vermögensschaden zu beziffern und Informationen zum Leistungsbezug zu übermitteln. Es teilte zum bisherigen Ermittlungsstand mit: Seit 2001 kaufe und verkaufe die Klägerin Waren über das Auktionshaus Ebay. Aus der beigefügten Auswertung der Bestandsdaten zum Ebay-Mitgliedsnamen "l ...", der am 25. Januar 2001 vergeben worden war, ergaben sich zum Namen "L ...", Adresse und Telefonnummer der Klägerin und der E-Mailadresse "z ...@ ..." 2.115 Bewertungspunkte (= 2.115 erfolgreich abgeschlossene Transaktionen). Aus der beigefügten Transaktionsliste für das Jahr 2010 ergaben sich u.a. für den Monat

- September 2010: 20 Vorgänge,

- Oktober 2010: 20 Vorgänge,

- November 2010: 13 Vorgänge und

- Dezember 2010: 16 Vorgänge.

Daraufhin sandte der Beklagte unter dem 8. April 2011 eine an die Klägerin gerichtete "Aufforderung zur Mitwirkung für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts". Es sei bekannt geworden, dass sie während des SGB II-Leistungsbezugs An- und Verkäufe bei Ebay getätigt habe. Es würden weitere Unterlagen,

- die Gewerbesteueranmeldung,

- die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2010,

- die Anlagen "Abschließende Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätig-

keit" für die Bewilligungszeiträume von Januar 2005 bis Dezember 2010 sowie

- die Anlage EKS für den Zeitraum von Januar bis Juni 2011

benötigt, die bis zum 25. April 2011 vorzulegen seien. Weiter heißt es in dem Schreiben, dem der Gesetzestext der §§ 60 Abs. 1, 66 Abs. 1, 3 und 67 Erstes Buch Sozialgesetzbucht – Allgemeiner Teil (SGB I) sowie Vordrucke der Anlagen EK und EKS nebst Ausfüllhinweisen beigefügt waren:

"Für den Bezug von Leistungen ist es erforderlich, dass Sie alle Tatsachen angeben, die für ihren Leistungsanspruch entscheidend sind und die notwendigen Nachweise vorlegen oder ihrer Vorlage zustimmen (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I).

Bitte beachten Sie:

Haben Sie bis zum genannten Termin nicht reagiert oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht, können die Geldleistungen ganz entzogen werden, bis Sie die Mitwirkung nachholen (§§ 60, 66, 67 SGB I). Dies bedeutet, dass Sie und die mit Ihnen in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen keine Leistungen erhalten.

In der Zeit, in der Sie keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten, sind Sie nicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versichert. Damit Ihnen keine Nachteile entstehen, wenden Sie sich bitte an Ihre bisherige Krankenkasse, um sich über einen möglichen Versicherungsschutz (z.B. eine freiwillige Versicherung) zu informieren."

Am 18. April 2011 sprach die Klägerin bei dem Beklagten vor und erklärte, sie gehe keiner selbständigen Tätigkeit nach. Bei Ebay tätige sie An- und Verkäufe für sich, ihre Eltern und Schwiegereltern. Sie habe kein Gewerbe angemeldet. Die Einkommensteuererklärung für 2008 sei gemacht, den Steuerbescheid werde sie nachreichen. Ausweislich des Gesprächsvermerks weigerte sich die Klägerin, die Anlage EK zur selbständigen Tätigkeit auszufüllen. Sie habe hin und wieder ein Geschenk ersteigert, besitze darüber aber keine Nachweise. Es sei vereinbart worden, dass sie eine Aufstellung ihrer An- und Verkaufstransaktionen fertige, damit die Aktivitäten bei Ebay nachvollzogen werden könnten, und sie diese sowie die Belege zeitnah einreiche.

Am 26. April 2011 hat sich der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin im Widerspruchsverfahren beim Beklagten gemeldet, Akteneinsicht beantragt und die Abgabe einer Stellungnahme in Aussicht gestellt.

Mit Schreiben vom 3. Mai 2011 teilte das HZA dem Beklagten ergänzend mit, die Steuerfahndung H. habe ermittelt, dass die Klägerin unter dem Namen "v ..." ebenfalls Waren bei Ebay verkaufe. Beigefügt war eine Auflistung der Ebay-Bestandsdaten und Transaktionen. Als Benutzer war wiederum die Klägerin mit Anschrift und Telefonnummer genannt sowie die E-Mail-Adresse "l ...@ ...". Das seit März 2005 registrierte Konto sei ursprünglich unter dem Ebay-Mitgliedsnamen "a ..." geführt und im April 2007 auf den Ebay-Mitgliedsnamen "v ..." geändert worden. Das Ebay-Mitglied habe 370 Bewertungspunkte. Es waren u.a. für

Dezember 2010 4 Vorgänge,

Januar 2011 4 Vorgänge,

Februar 2011 1 Vorgang und

März 2011 10 Vorgänge aufgelistet.

Eine ebenfalls beigefügte aktualisierte Liste der Bestandsdaten des Ebay-Mitgliedskontos "l ..." weist für

Dezember 2010 15 Vorgänge,

Januar 2011 5 Vorgänge,

Februar 2011 4 Vorgänge und

März 2011 6 Vorgänge aus.

Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 22. Juni 2011 Leistungen für den Bewilligungszeitraum von Juli bis Dezember 2011 in einer monatlichen Gesamthöhe von 451,17 EUR für die Bedarfsgemeinschaft.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2011 forderte der Beklagte die Klägerin erneut zur Mitwirkung auf und bat um Vorlage von Belegen zu den Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU), der Anlage zum Vermögen sowie um weitere Angaben zum Bruttojahreseinkommen des Ehemanns im Jahr 2010 zur Berechnung der Riesterförderung.

Mit Schreiben vom 30. Juni 2011, das mit "vorläufiger Einstellung der Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), hier Anhörung gem. § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)" betitelt war, führte der Beklagte aus, nach seinen Informationen sei der Leistungsanspruch entfallen. Die Klägerin sei mit Schreiben vom 8. April 2011 aufgefordert worden, leistungsrelevante Unterlagen einzureichen. Da dies bislang nicht erfolgt sei, könne nicht festgestellt werden, ob ein Leistungsanspruch bestehe. Die Zahlung der Leistungen sei zum 1. August 2011 vorläufig eingestellt worden. Die Klägerin habe gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) Gelegenheit, sich bis zum 17. Juli 2011 zu Umständen zu äußern, die gegen eine Aufhebung bzw. Rücknahme des Bewilligungsbescheids sprächen.

Am 14. Juli 2011 legte die Klägerin beim Beklagten aktuelle Belege zu den KdU und dem Einkommen des Ehemanns vor.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 2011 entzog der Beklagte die SGB II-Leistungen für die Bedarfsgemeinschaft ab 1. August 2011 vollständig. Zur Begründung führte er aus, die fehlenden Unterlagen und Nachweise (Steuerbescheide 2005 bis 2010, Gewerbesteueranmeldung, Anlagen mit den abschließenden Angaben zu Einkommen aus selbständiger Tätigkeit) seien trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vollständig vorgelegt worden. Die Unterlagen seien für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zwingend erforderlich. Weil die Klägerin ihren Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen sei, habe sie die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert. Bei der Entscheidung habe er Ermessen ausgeübt. Er sei verpflichtet, wirtschaftlich zu handeln, und dürfe im Interesse der Steuerzahler nur bei nachgewiesener Hilfebedürftigkeit in rechtmäßiger Höhe Leistungen erbringen. Ermessensgesichtspunkte zugunsten der Klägerin seien weder vorgetragen worden noch erkennbar.

Mit anwaltlichen Schriftsatz legte die Klägerin 17. November 2011 Widerspruch gegen den Bescheid ein und behielt sich eine Begründung vor.

Mit an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerichtetem Schreiben vom 24. Januar 2012 erneuerte der Beklagte die Mitwirkungsaufforderung im Widerspruchsverfahren gegen die Leistungsentziehung. Es würden eine Aufstellung der Ebay-Aktionen 2010/2011 bis laufend, Kontoauszüge der Zahlvorgänge bei Ebay 2010/2011 bis laufend sowie die Einkommensteuerbescheide 2010/2011 benötigt. Das HZA habe eingeschätzt, dass die von der Klägerin in den Jahren 2010/ 2011 getätigten Verkäufe über Ebay wegen der erheblichen Anzahl als gewerblich zu bewerten seien. Die angeforderten Nachweise seien erforderlich, um festzustellen ob bei Berücksichtigung der Einnahmen aus den Ebay-Geschäften noch ein Leistungsanspruch bestehe. Die Klägerin sei bereits mehrfach zur Vorlage der Belege aufgefordert worden. Es werde um Begründung des Widerspruchs gebeten. Dem Ausdruck des Bewertungsprofils vom 24. Januar 2012 sind für den Benutzernamen "l ..." 2.160 bewertete Transaktionen zu entnehmen.

Mit Schreiben vom 26. Januar 2012 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und bekräftigte, es gebe keine Gewerbesteueranmeldung und daher auch keinen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit. Die Ebay-Erlöse seien privat und bereits durch ihren Prozessbevollmächtigten mitgeteilt worden. Sie legte die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2010 vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2012 wies der Beklagte den Widerspruch gegen die Entziehung der Leistungen als unbegründet zurück. Nach den Ermittlungen des HZA hätten die Verkaufsaktivitäten bei Ebay ein gewerbliches Ausmaß. Die Einnahmen aus dieser selbständigen Tätigkeit seien nach § 11 Abs. 1 SGB II anzurechnen – unabhängig davon, ob ein Gewerbe angemeldet worden sei. Die angeforderten Belege zu den Einnahmen aus dem Internethandel über Ebay seien erforderlich, weil sich nur so das zu berücksichtigende Einkommen ermitteln lasse. Die Klägerin habe ihren Mitwirkungsobliegenheiten, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen, nicht genügt. Auf weitere Aufforderungen im Verlauf des Widerspruchsverfahrens habe sie nicht reagiert und keine Nachweise vorgelegt.

Dagegen hat die Klägerin am 23. März 2012 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) Klage erhoben.

Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin für die Zeit ab Januar 2012 versagte der Beklagte nach erneuter Mitwirkungsaufforderung mit Bescheid vom 31. Januar 2012 den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft die Leistungen ab dem 1. Dezember 2011 (gemeint war der 1. Januar 2012) vollständig. Die Klägerin habe keine hinreichenden Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit gemacht und sei damit ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2012) hat sie auch gegen die Leistungsversagung beim SG Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 35 AS 1517/12 geführt worden ist und das nach Klageabweisung als Berufungsverfahren im Senat anhängig war (Aktenzeichen: L 4 AS 553/15).

Unter dem 11. April 2012 übersandte das HZA dem Beklagten weitere Ermittlungsergebnisse und unterlagen, u.a. eine CD mit weiteren Ebay-Daten und -Auswertungen. Nach einer Auskunft aus dem Gewerberegister der Stadt D. war der Ehemann der Klägerin seit Oktober 1990 im Besitz einer Reisegewerbekarte für den Verkauf von Zinnfiguren; er sei im Händlerverzeichnis für das L.-Fest 2010 aufgeführt.

Zur Begründung der Klage hat die Klägerin bekräftigt, die Verkäufe über Ebay seien privater Natur. Sie übe keine selbständige Tätigkeit aus, über die sie Auskunft geben könne. Im Übrigen sei die Aufforderung, Nachweise vorzulegen, unverhältnismäßig. Denn der Beklagte hätte beim HZA die benötigten Informationen über die Einnahmen aus den Verkäufen abfordern können. Zudem habe sie im sozialgerichtlichen Verfahren S 11 AL 20/12 gegen die BA (Klage gegen die Rücknahme und Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg)) Angaben gemacht und eine Liste der Auktionen bei Ebay für den Zeitraum von 2005 bis 2010 vorgelegt. Das SG habe die Auffassung vertreten, dass es sich um Vermögensumschichtungen und nicht um eine gewerbliche Tätigkeit gehandelt habe. Insoweit werde auf das Sitzungsprotokoll vom 9. November 2012 Bezug genommen. Aus der beigefügten Liste der Klägerin über Ebay-Verkäufe (die nicht nach Benutzer-Namen differenziert ist) ergeben sich für das Jahr 2010:

Januar 7 Vorgänge,

Februar 12 Vorgänge,

März 6 Vorgänge,

April 2 Vorgänge,

Mai 10 Vorgänge,

Juni 5 Vorgänge,

Juli 10 Vorgänge,

August 9 Vorgänge,

September 7 Vorgänge,

Oktober 12 Vorgänge,

November 8 Vorgänge und

Dezember 5 Vorgänge.

Im Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens hat die Klägerin Kontoauszüge für ihr Girokonto im Zeitraum von 2011 bis 2013 vorgelegt. Vom Beklagten für notwendig erachtete Auszüge des PayPal-Kontos der Klägerin und ihres Ehemanns sind für die Klägerin für Zeiträume vom 12. März 2012 bis 21. Juni 2012 und vom 22. Oktober 2012 bis 11. März 2013 vorgelegt worden.

Mit Urteil vom 19. Juni 2015 hat das SG die Klagen als unbegründet abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die allein von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage sei unbegründet. Der Entziehungsbescheid und der Widerspruchsbescheid seien rechtmäßig. In dem für die rechtliche Prüfung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids habe der Beklagte erhebliche Anhaltspunkte dafür gehabt, dass die Klägerin allein oder gemeinsam mit ihrem Ehemann einer selbständigen Tätigkeit nachgehe. Über ein Ebay-Konto seien seit 2001 Käufe im Wert von ca. 30.000 EUR und Verkäufe von ca. 45.000 EUR durch die Klägerin über die E-Mail-Adresse "z ...@ ..." abgewickelt worden. Auch ihr Ehemann vertreibe nach seinem Internetauftritt (http://www.z ...) Zinnfiguren, die er teilweise selbst herstelle. Dem Beklagten sei zuvor nicht bekannt gewesen, dass Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit vorliegen könnten. Er sei daher gehalten gewesen, den Sachverhalt weiter aufzuklären und sich insoweit an die Klägerin zu wenden. Die Klägerin sei auch zur Mitwirkung verpflichtet gewesen, denn die Angaben zu Einnahmen und Ausgaben bei den Ebay-Transaktionen hätten bei Gewinnen Einfluss auf die Leistungshöhe, denn jedes Einkommen sei auf den Leistungsanspruch anzurechnen. Die angeforderten Angaben zur Gewerbesteueranmeldung, die Steuerbescheide und die Auflistung der Einnahmen und Ausgaben aus den Ebay-Auktionen seien für eine weitergehende Prüfung erforderlich gewesen. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass Unterlagen für Zeiten der Vergangenheit angefordert seien, denn die Plausibilität der Angaben der Klägerin könne man nur beurteilen, wenn man die Verhältnisse auch für Zeiten vor dem streitbefangenen Zeitraum kenne. Gründe für eine Unzumutbarkeit der verlangten Mitwirkungshandlungen seien nicht ersichtlich. Dem Beklagten sei es auch nicht möglich gewesen, sich die erforderlichen Kenntnisse durch einen geringeren Aufwand anderweitig zu beschaffen. Aus dem Ergebnis der Ermittlungen des HZA habe der Beklagte ohne die Mitwirkung nicht eindeutig auf eine selbständige Tätigkeit und deren Umfang schließen können. Private Auktionen und solche gewerblicher Art könnten nicht ohne weiteres unterschieden werden. Allein die Selbsteinschätzung der Klägerin, sie übe keine selbständige Tätigkeit aus, genüge den Mitwirkungsobliegenheiten nicht. Vielmehr sei sie verpflichtet gewesen, durch vollständige Offenlegung der Einnahmen und Ausgaben dem Beklagten eine detaillierte Prüfung zu ermöglichen. Soweit im sozialgerichtliche Verfahren einige – aber nicht die vollständigen – Unterlagen nachgereicht worden seien, sei dies zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehungsentscheidung nicht relevant. Sie seien ggf. bei einer Entscheidung des Beklagten nach § 67 SGB I zu berücksichtigen. Der Beklagte habe die Klägerin auf die möglichen Folgen einer unterlassenen Mitwirkung im Aufforderungsschreiben hingewiesen und eine angemessene Frist zu Vorlage der Unterlagen gesetzt. Er habe unmissverständlich und konkret die im Einzelfall beabsichtigte vollständige Leistungsentziehung bezeichnet, da es auf die Einkommensverhältnisse der Bedarfsgemeinschaft angekommen sei. Er habe bei der Entscheidung Ermessen ausgeübt. Fehler seien nicht ersichtlich; insbesondere sei die vollständige Entziehung der Leistungen gegenüber der Klägerin nicht ermessensfehlerhaft. Denn mangels Mitwirkung habe der Beklagte die Höhe eines bestehenden Leistungsanspruchs nicht einschätzen können.

Gegen das ihr am 15. Juli 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14. August 2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie erneut vorgetragen, die geforderten Nachweise zu den Einnahmen aus den Verkäufen bei Ebay seien nicht erforderlich gewesen, weil der Beklagte vom HZA weitere Informationen über den Umfang der Verkäufe hätte abfragen können. Im Übrigen habe sie mehrfach erklärt, dass sie keine selbständige Tätigkeit ausübe und die Verkäufe bei Ebay privater Natur seien. Dies entspreche der Bewertung des SG im Verfahren S 11 AL 20/12. Die von ihr für das Alg-Klageverfahren erstellte Liste enthalte allein die auf eigene Rechnung erfolgreich abgeschlossenen Verkäufe. Verkäufe, die sie für Dritte getätigt habe, seien nicht erfasst. Deshalb stimme ihre Liste nicht mit den Transaktionslisten von Ebay überein. Zudem sei zu berücksichtigten, dass für Verkäufe bei Ebay Gebühren anfielen und die erzielten Verkaufspreise auch Portokosten enthielten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. Juni 2015 und den Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat ausgeführt, die Mitwirkung der Klägerin sei zwingend erforderlich gewesen. Es hätten zwar Anhaltpunkte über den Umfang ihrer Aktivitäten auf dem Ebay-Portal vorgelegen, jedoch hätten die einzelnen Transaktionen ohne Mitwirkung der Klägerin nicht eindeutig als gewerblich oder privat bewertet werden können. Nach den Ermittlungsergebnissen seien die Ebay-Transaktionen aufgrund ihrer Anzahl nicht mehr als "privater Rahmen" einzustufen gewesen. Die Klägerin habe keine Nachweise zu den Internetaktivitäten und zu den daraus erzielten Einnahmen vorgelegt. Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II sei daher nicht feststellbar gewesen. Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass es in dem Alg-Klageverfahren beim SG maßgeblich um die Verfügbarkeit der Klägerin gegangen sei, also darum, ob sie mit den Ebay-Transaktionen mehr als 15 Stunden wöchentlich beschäftigt gewesen sei. Auch sei dort die Beweislast anders verteilt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Berufung ist auch zulassungsfrei statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR überschreitet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der angegriffene Entziehungsbescheid betrifft eine Leistungsgewährung an die Klägerin in Höhe von monatlich 169,88 EUR für die Dauer von noch fünf Monaten bis zum Ende des Bewilligungszeitraums. Mithin geht es für sie um einen Betrag von 849,40 EUR.

Streitgegenständlich ist – wie bereits das SG im angegriffenen Urteil zutreffend ausgeführt hat – eine isolierte Anfechtung des Entziehungsbescheids vom 14. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2012. Denn bei einem Erfolg der Anfechtungsklage und der Beseitigung des angegriffenen Entziehungsbescheids lebt die ursprüngliche Leistungsbewilligung mit dem Bescheid vom 22. Juni 2011 für den streitigen Zeitraum vom 1. August bis 31. Dezember 2011 wieder auf. Soweit bedarf es keines zusätzlichen Leistungs- oder Verpflichtungsantrags (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 19. September 2008, Az.: B 14 AS 45/07 R, juris RN 12; Urteil vom 8. Juli 2009, Az.: B 4 AS 78/08 R, juris RN 18; Beschluss vom 25. Februar 2013, Az.: B 14 AS 133/12 B, juris RN 5).

Zur Überprüfung im Berufungsverfahren steht der angegriffene Entziehungsbescheid nur insoweit, als er eine den Leistungsanspruch der Klägerin betreffende Regelung trifft, denn sie allein hat Klage erhoben; und das SG hat allein über die sie betreffende Leistungsentziehung im angegriffenen Urteil entschieden. Soweit der angegriffene Bescheid Regelungen auch für die Leistungsansprüche der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft enthält, sind diese bestandskräftig geworden und vom Senat im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen.

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage gegen den Entziehungsbescheid vom 14. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2012 abgewiesen.

Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, kommt es im Hinblick auf die hier (allein) begehrte Aufhebung des Entziehungs- und Widerspruchsbescheids maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung durch den Erlass des Widerspruchsbescheids am 22. Februar 2012 an.

Zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt sind die angegriffenen Bescheide rechtmäßig. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I. Danach kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzung der Leistungen nicht nachgewiesen sind und derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und dadurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert wird. Denn gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen (Nr. 1), Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen (Nr. 2) und Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen (Nr. 3). Bei der Entscheidung, ob die Leistung nach § 66 SGB I mangels Mitwirkung entzogen wird, ist dem Leistungsträger Ermessen eingeräumt. Zudem dürfen nach § 66 Abs. 3 SGB I Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folgen schriftlich hingewiesen worden ist und er seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin ist ihren Mitwirkungsobliegenheiten gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I bei der Klärung der Leistungsvoraussetzungen des § 7 SGB II nicht nachgekommen, denn sie hat in Bezug auf ihre umfangreichen An- und Verkaufsaktivitäten über die Internetplattform Ebay keine ausreichenden Angaben gemacht. Insbesondere hat sie nicht im Einzelnen dargelegt, welche Einnahmen sie durch welche konkreten Transaktionen erzielt hat. Insoweit war es dem Beklagten unmöglich, ihre Hilfebedürftigkeit im Sinne § 9 Abs. 1 SGB II festzustellen.

Auf Grundlage der anonymen Anzeige und der nachfolgenden Ermittlungen des HZA hatte der Beklagte zu Recht erhebliche Anhaltspunkte dafür angenommen, dass die Klägerin – ggf. gemeinsam mit ihrem Ehemann – einem Gewerbe in Form des Internethandels u.a. über Ebay nachgeht. Denn es war ermittelt worden, dass sie seit dem Jahr 2001 Käufe in einem Gesamtwert von ca. 30.000 EUR und Verkäufe zu einem Gesamtwert von ca. 45.000 EUR getätigt hatte. Allein über das Benutzerkonto bei Ebay unter dem Namen "l ..." waren bis zu Beginn des streitbefangenen Zeitraums mehr als 2.000 Transaktionen (also im Jahr durchschnittlich 200 Vorgänge) bewertet worden, denen erfolgreich abgeschlossene Geschäftsvorgänge zugrunde lagen. Da der Beklagte seitens der Klägerin für ihre Bedarfsgemeinschaft die Ausübung von selbständigen Tätigkeiten nicht angezeigt worden war, bestand Anlass den Sachverhalt aufzuklären und sich an die Klägerin zu wenden.

Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass die Klägerin eine Mitwirkungsobliegenheit traf, denn konkretere Angaben zu den An- und Verkäufen über Ebay im Einzelnen konnte nur die Klägerin machen. Über das HZA hatte der Beklagte die aus der Verwaltungsakte ersichtlichen gedruckten Listen mit An- und Verkaufsvorgängen für unterschiedliche Zeiträume erhalten; aus den Listen war jedoch nicht ersichtlich, um welche Gegenstände es sich bei den einzelnen Transaktionen handelte oder zu welchem Preis sie an welche Käufer veräußert oder von welchen Verkäufern angekauft worden waren. Zudem legten die bei Ebay hinterlegte E-Mail-Adresse "z ...@ ..." sowie die Homepage "www.z ..." nahe, dass eine gewerbliche Tätigkeit vorlag, deren Erlöse als Einkommen aus selbständiger Tätigkeit auf den Leistungsanspruch anrechenbar sind.

Insoweit waren die geforderten Mitwirkungshandlungen, die Gewerbesteueranmeldung, Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2010 sowie ausgefüllte Formulare zu den Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit vorzulegen, angesichts des Kenntnisstands des Beklagten naheliegend und geeignet, sich einen Überblick über die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin zu verschaffen. Sie waren auch erforderlich für eine weitergehende Prüfung, denn dem Beklagten oblag es, festzustellen, ob es sich um eine gewerbliche Tätigkeit oder um – wie von der Klägerin behauptet – Privatverkäufe handelt. In diesem Zusammenhang teilt der Senat die Einschätzung des Beklagten, dass es nicht zu beanstanden war, dass nicht nur Angaben über die Ebay-Aktivitäten im laufenden Bewilligungszeitraum (zweite Hälfte 2011) angefordert worden sind. Die Plausibilität der Einlassung der Klägerin, es habe sich um Privatverkäufe gehandelt, lässt sich nur auf Grundlage von über einen längeren Zeitraum vollständig offengelegten An- und Verkaufsaktivitäten zuverlässig beurteilen.

Mit der Erklärung, es liege keine Gewerbesteueranmeldung und keine selbständige Tätigkeit vor, hat die Klägerin ihren Mitwirkungsobliegenheiten nicht genügt. Die Selbsteinschätzung der Klägerin, die ihre Aktivitäten bei Ebay nicht als gewerbliche Tätigkeit ansieht, versetzte den Beklagten nicht in die Lage, Art und Umfang der Geschäfte selbst bewerten zu können. Aufgrund der hohen Anzahl an Transaktionen lag die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit nahe. Dies ist der Klägerin bereits bei ihrer Vorsprache im April 2011 nach Erhalt der Mitwirkungsaufforderung erläutert und verdeutlicht worden. Mangels offizieller Führung eines Gewerbes ist sie gebeten worden, vollständige Listen ihrer An- und Verkäufe über Ebay zu erstellen. Anhand dieser detaillierten Angaben zu Einnahmen und Ausgaben sowie zu den gehandelten Gegenständen sollte sodann die weitere Prüfung des Beklagten erfolgen. Diese angeforderte Zusammenstellung der Aktivitäten hat die Klägerin in der Folgezeit des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens nicht vorgelegt. Auch die angeforderten Formularerklärungen zur Angabe der Einnahmen und Ausgaben aus selbständiger Tätigkeit hat sie nicht abgegeben. In der Folge war es dem Beklagten bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids nicht möglich, selbst den Umfang und die Rechtsnatur der Geschäfte (An- und Verkäufe) über die Internetplattform durch die Klägerin zu beurteilen. Die für das Alg-Klageverfahren von der Klägerin gefertigte Auflistung ihrer Verkäufe bei Ebay (für eigene Rechnung) ist dem Beklagten bis zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids nicht vorgelegt worden; sie ist erst im Klageverfahren an das SG übersandt worden. Im Übrigen ist auch diese Aufstellung (allein) nicht geeignet, den Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen, weil sie nicht die vom Beklagten zu Recht geforderte vollständige Offenlegung der Transaktionen darstellt. Denn in der Liste sind die Ankäufe der Klägerin sowie die nach ihrer Behauptung für Dritte getätigten Geschäfte nicht aufgeführt; auch eine Zuordnung zu den von Ebay aufgelisteten Transaktionen oder zu den verschiedenen Benutzernamen ist damit nicht möglich. Die Klägerin hat zwar bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids die ebenfalls vom Beklagten angeforderten Einkommensteuerbescheide für die Jahre von 2005 bis 2010 vorgelegt; indes lassen sich diesen keine Informationen zu einer selbständigen Tätigkeit entnehmen, weil die Klägerin entsprechend ihrer Selbsteinschätzung in der Steuererklärung gegenüber den Finanzbehörden keine Angaben zu einer gewerblichen Tätigkeit gemacht hat.

Die vom Beklagten geforderte Vorlage einer Aufstellung der getätigten Transaktionen sowie Abgabe der Formularerklärungen zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für die vorangegangenen Bewilligungszeiträume war auch nicht durch § 65 SGB I begrenzt. Danach bestehen die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 SGB I nicht, soweit

1. ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder

2. ihre Erfüllung den Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder

3. der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

Anspruchsvoraussetzung für SGB II-Leistungen im Sinne der §§ 9 ff. SGB II ist die Hilfebedürftigkeit des Antragsstellers. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II derjenige, der seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus dem zu berücksichtigten Einkommen oder Vermögen sichern kann. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der im verfahrensgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung sind als Einkommen zu berücksichtigende Einnahmen in Geld- oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch. Dabei ist Einkommen alles das, was dem Leistungsempfänger im Leistungszeitraum an Geld oder Geldeswert zufließt. Es liegt daher auf der Hand, dass es im Rahmen eines aus Steuermitteln finanzierten Fürsorgesystems, das strikt an die Hilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers als Anspruchsvoraussetzung anknüpft, keine unzumutbare und unangemessene Anforderung darstellt, Auskunft über seine Einnahmen aus Warenverkäufen zu geben. Es ist auch nicht erkennbar, dass sich der Beklagte die von der Klägerin gewünschten Informationen auf leichtere Weise hätte beschaffen können (vgl. zum Vorstehenden: BSG, Urteil vom 19. September 2008, Az.: B 14 AS 45/07 R, juris RN 16). Entgegen der Auffassung der Klägerin konnte sich der Beklagte die benötigten Informationen nicht einfacher über das HZA beschaffen, denn mit den von ihm ermittelten Transaktionslisten hätte der Beklagte allenfalls (monatliche) Roheinnahmen aus Verkaufstransaktionen über die beiden bekannten Ebay-Konten errechnen können. Er konnte weder die für Dritte getätigten Geschäfte identifizieren noch Ankaufsvorgänge den Verkäufen zuordnen. Insoweit handelt es sich um Vorgänge aus der Sphäre der Klägerin, die allein sie aufklären konnte. Die von dem Beklagten abverlangten Angaben zu Einkünften aus dem Internethandel sind Tatsachen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I; dazu gehört auch das Ausfüllen der in der Anlage EKS abgefragten Angaben (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2013, Az.: B 4 AS 42/12 R, juris RN 23).

Da die Klägerin die ihr zu Recht abverlangten Mitwirkungshandlungen bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids nicht erbracht hat, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Entziehungsentscheidung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB II vor.

Der Beklagte hatte die Klägerin zudem bereits im Aufforderungsschreiben vom 8. April 2011 zutreffend auf die möglichen Folgen einer unterlassenden Mitwirkung hingewiesen und eine angemessene Frist zur Vorlage bis zum 25. April 2011 gesetzt. Der gemäß § 66 Abs. 3 SGB I vorgesehene vorherige Hinweis ist eine zwingende Voraussetzung für eine Leistungsentziehung mittels Verwaltungsakt. Er soll sicherstellen, dass der Betroffene in Kenntnis der ihm drohenden Entziehung seine Haltung überdenkt und durch die spätere Entscheidung nach § 66 SGB I nicht überrascht wird. Der Hinweis muss anhand der dem Leistungsträger durch § 66 SGB I eingeräumten Entscheidungsmöglichkeiten unmissverständlich sein und konkret die Entscheidung bezeichnen, die im Einzelfall beabsichtigt ist, wenn der Betroffene dem Mitwirkungsverlangen innerhalb der gesetzten Frist nicht nachkommt. Diese Vorgaben hat der Beklagte erfüllt, denn er hat eine vollständige Leistungsentziehung in Aussicht gestellt und erläutert, dass es im vorliegenden Fall maßgeblich darauf ankomme, die Einkommensverhältnisse der Klägerin und der Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln. Zudem hat der Beklagte im Widerspruchsverfahren im Schreiben an den Prozessbevollmächtigten vom 24. Januar 2012 nochmals erklärt, welche Angaben und Belege er benötigt.

Nachdem die Klägerin die geforderten Angaben weder im Verwaltungs- noch im Widerspruchsverfahren gemacht hat, war der Beklagte zur Leistungsentziehung berechtigt. Er hat das ihm bei der Entscheidung gemäß § 66 Abs. 1 SGB I eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt.

Zweck des § 66 SGB I ist es, den Mitwirkungsobliegenheiten nach den §§ 60 ff. SGB I Durchsetzungskraft zu verleihen, wenn deren Verletzung dazu führt, dass die weitere Ermittlung des Sachverhalts unverhältnismäßig erschwert wird. Im Rahmen dieser allgemeinen Zielsetzung hat sich grundsätzlich auch die Ermessenausübung zu halten, wobei zu berücksichtigen ist, dass bereits auf der Tatbestandsebene eine Abwägung der wiederstreitenden Interessen stattfindet. Dies lässt für eine Ermessenentscheidung deshalb wenig Raum, weil Gesichtspunkte, die erst die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermessensentscheidung schaffen, nicht (nochmals) als Abwägungsgesichtspunkt in die Ermessensentscheidung einfließen dürfen. Daher verengt sich die nach § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB I zu treffende Ermessensentscheidung bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen – insbesondere bei Mitwirkungsobliegenheitsverletzungen und nicht nachgewiesenem Leistungsanspruch – grundsätzlich auf die Frage, ob die Leistungen (vollständig) entzogen werden sollen, oder es ausnahmsweise geboten oder zweckmäßig ist, die Leistungsvoraussetzungen auf anderem Weg weiter zu ermitteln (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 21. Juni 2016, Az.: L 6 AS 121/13, juris RN 47).

Daran gemessen bestanden im vorliegenden Fall keine Gründe, von der grundsätzlich gebotenen Entziehungsentscheidung abzusehen, denn ein anderer Weg zur Informationsbeschaffung war nicht ersichtlich. Denn wie bereits ausgeführt konnte der Beklagte sich ohne Mitwirkung der Klägerin keine sicheren und genauen Erkenntnisse über die Details des Internethandels verschaffen. Vollständige Aufstellungen der Transaktionen zu den beiden bekannten Ebay-Benutzernamen (mit den gehandelten Gegenständen und Preisen) sowie eine Differenzierung nach eigenen Geschäften und solchen für andere (Eltern, Schwiegereltern), Handel, d.h. An- und Weiterverkauf, und Veräußerung eigenen Vermögens konnte – wegen der unterlassenen gewerblichen Buchführung – nur die Klägerin erstellen.

Daher ist die vollständige Entziehung der Leistungen – bezogen auf die hier allein streitgegenständliche Leistungsgewährung an die Klägerin – nach § 66 Abs. 1 SGB I nicht ermessensfehlerhaft. Insoweit ist auch zu beachten, dass die Klägerin aufgrund des Erwerbseinkommens des Ehemanns nur noch einen relativ geringen ergänzenden Leistungsanspruch (von knapp 170 EUR monatlich) hatte, sodass für sie die Folgen der Entziehung dieser Leistungen nicht so gravierend waren wie für einen Leistungsbezieher, der nicht über weiteres Einkommen verfügt und allein auf die Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts angewiesen ist. Zudem führte bei ihr (wegen der Familienversicherung über den Ehemann) der Wegfall der SGB II-Leistungen nicht zum Verlust der Kranken- und Pflegeversicherung. Eine teilweise Entziehung der Leistungen war daher nicht geboten. Sonstige zwingende Gründe dafür, dass die Abwägungsentscheidung zugunsten der Klägerin hätte anders gewichtet werden müssen, sind weder vorgetragen worden noch für den Senat ersichtlich. Der Beklagte hat das ihm obliegende Ermessen bei Erlass der Entscheidung fehlerfrei ausgeübt. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass er mangels anderer Anhaltspunkte entscheidend darauf abgestellt hat, dass wegen der ungeklärten Einnahmen und der daraus resultierenden ungeklärten Hilfebedürftigkeit die Gefahr des rechtswidrigen Leistungsbezugs bestand. Der mit dem angegriffenen Bescheid verbundene Eingriff wird auch dadurch relativiert, dass nach Nachholung der gebotenen Mitwirkungshandlung gemäß § 67 SGB I nachträglich die ggf. tatsächlich zu beanspruchenden Leistungen erbracht werden können. Insoweit sind Versagung und Entziehung keine endgültigen Entscheidungen; der damit verbundene erhebliche Eingriff kann bei Nachholung der Mitwirkung beseitigt werden. Darauf hat das SG in dem angegriffenen Urteil zu Recht hingewiesen.

Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Urteil, die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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