L 2 U 11/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 10/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 11/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Im Streit ist, ob der Kläger einen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Wegeunfall erlitten hat.

Am 11. August 2015 nahm der am xxxxx 1955 geborene Kläger telefonisch Kontakt zum Unternehmen K. GmbH (im Folgenden: Firma K.) auf, nachdem er in einem Supermarkt einen Aushang gesehen hatte, wonach diese ab sofort einen Lkw-Fahrer suche. Der langjährig als Kraftfahrer tätig gewesene Kläger stand zwar noch in einem bis 31. August 2015 andauerndem Beschäftigungsverhältnis als Hausmeister und Wachmann, war jedoch bereits von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt und arbeitsuchend. Der telefonischen Vereinbarung mit dem Vorarbeiter der Firma K., dem Zeugen H., entsprechend erschien der Kläger noch am selben Tag auf dem Betriebsgelände der Firma und stellte sich persönlich vor. Der Zeuge H. erläuterte ihm gewisse Arbeitsabläufe und das 2-Schichten-System, in dem gearbeitet wurde. Der Kläger berichtete über seine beruflichen Kenntnisse und Vorerfahrungen.

Im Anschluss an das Gespräch fanden am 13. und 17. August 2015 so genannte "Probearbeitstage" statt, in welchen der Kläger jeweils eine komplette Schicht bei einem Angestellten der Firma mitfuhr, um Routen und Arbeitsweisen des Unternehmens kennen zu lernen. Während des ersten Probearbeitstages kam es zu einem kurzen zufälligen Gespräch mit dem Inhaber der Firma, dem Zeugen K1, in dessen Zuge man sich über berufliche Vorerfahrungen, Qualifikation und Gehaltsvorstellungen austauschte. Am 14. August 2015 hatte der Kläger einen Termin beim Betriebsarzt zur Durchführung einer Tauglichkeitsuntersuchung. Für den 1. September 2015 wurde beim Landesbetrieb Verkehr ein Termin zur Eintragung einer Berufsweiterbildung und Führerscheinverlängerung vereinbart.

Am Abend des 17. August 2015 wurde dem Kläger vom Zeugen H. ein Ersatzschlüssel für einen Lkw der Firma K. ausgehändigt, auf dem der Kläger am Folgetag zumindest mitfahren sollte (nach seiner eigenen, von den Zeugen H. und K1 bestrittenen Darstellung sollte er die Tour nach vorherigem Abschluss eines mündlichen Arbeitsvertrages allein machen). Der Kläger sollte jedenfalls unbestritten am Morgen des 18. August 2015 selbstständig und allein die Fahrzeugkontrolle vornehmen, die routinemäßig jeden Tag vor Fahrtbeginn bei jedem LKW durchgeführt wird und unter anderem auch eine Reifenkontrolle beinhaltet. Nach der Darstellung des Zeugen H. war weiter geplant, dass der Kläger an diesem Tag mittags oder nachmittags seine erste Tour selbst mit einem Lkw der Firma fahren sollte, wenn auch zunächst noch in Begleitung; Fahrer dürften erst nach einer umfangreichen Einweisung, die eine, aber auch vier Wochen dauern könne, allein fahren.

Vor dem geplanten Tätigkeitsbeginn am Morgen des 18. August 2015 erlitt der Kläger auf dem Weg von seiner Wohnung zum Betriebsgelände der Firma K. gegen 5.30 Uhr einen schweren Verkehrsunfall, als er auf seinem Motorroller frontal mit einem Kleinlaster zusammenstieß und sich multiple Verletzungen, u.a. eine Schädelbasisfraktur sowie eine Rippenserienfraktur, zuzog.

Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 23. September 2015 ab, Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, weil kein Arbeitsunfall vorgelegen habe. Die Firma K. habe den Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses für den 18. August 2015 nicht bestätigt, sondern angegeben, dass der Kläger lediglich einen Probearbeitstag habe absolvieren sollen. Eine Einstellung sei zu diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen gewesen. Bei einem Probearbeitstag im Rahmen eines laufenden Bewerbungsverfahrens fehle es grundsätzlich an der Eingliederung in das Unternehmen, sodass er zum Unfallzeitpunkt nicht zum Kreis der versicherten Personen gehört habe.

Den dagegen am 9. Oktober 2015 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit am Folgetag abgesandtem Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2015 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 14. Januar 2016 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben. Er habe am 18. August 2015 einen Arbeitsunfall erlitten. Zu diesem Zeitpunkt sei ein Beschäftigungsverhältnis begründet gewesen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) insbesondere im Urteil vom 14. November 2013 – B 2 U 15/12 R – habe kein bloßes Anbahnungsstadium mehr vorgelegen. Es sei unerheblich, dass zum Unfallzeitpunkt möglicherweise noch kein Arbeitsvertrag abgeschlossen gewesen sei, denn die für den Unfalltag vorgesehenen Tätigkeiten des Klägers hätten im Wesentlichen einer fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung gedient. Die Aushändigung des LKW-Schlüssels sei ein Indiz für die Eigenständigkeit der Tätigkeit und die Eingliederung in das Unternehmen.

Die Beklagte hat an ihrer in den angegriffenen Bescheiden zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung festgehalten und sich hierin ebenfalls durch die Rechtsprechung des BSG in der vom Kläger zitierten Entscheidung sowie zum Unfallversicherungsschutz auf Wegen zur Anbahnung eines neuen Arbeitsverhältnisses (Urteil vom 30. Januar 1986 – 2 RU 1/85) bestätigt gesehen. Die Einweisung und Eignungsprüfung des Klägers sei zum Unfallzeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen. Er habe noch keiner Tätigkeit allein und eigenständig nachgehen können. Auf dessen hiervon möglicherweise abweichende subjektive Vorstellung komme es nicht an.

Das SG hat am 9. Februar 2018 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt, in diesem Rahmen Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen H. und K1 sowie schließlich mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 23. Februar 2018 ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden und der Klage stattgegeben. Es hat den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2015 als rechtswidrig aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 18. August 2015 ein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) sei. Der Kläger habe den Arbeitsunfall als Beschäftigter der Firma K. GmbH erlitten, sei somit Versicherter gewesen und habe infolge der versicherten Tätigkeit Gesundheitsschäden erlitten. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII stünden Beschäftigte unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei eine Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Merkmale für die Annahme einer solchen Beschäftigung seien die persönliche und/oder wirtschaftliche Abhängigkeit des Beschäftigten gegenüber seinem Arbeitgeber. Wesentliches Kriterium hierbei sei die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten. Diese äußere sich vornehmlich in der Eingliederung des Arbeitenden in den Betrieb und in dem damit in aller Regel verbundenen Direktions- und Weisungsrechts des Unternehmers hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Dauer der Tätigkeit bzw. der Eingliederung in die Betriebsorganisation. Die Zahlung eines Entgeltes sei hierbei keine notwendige Voraussetzung für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Die wesentlichen Merkmale für die Annahme einer Beschäftigung seien beim Kläger am Unfalltag erfüllt gewesen. Durch die Überlassung des Ersatzschlüssels für den Lkw und die Übertragung einer eigenständig durchzuführenden Aufgabe, der Fahrzeugkontrolle am Morgen des 18. August 2015, sei ab dem Beginn des Weges zur Arbeitsstelle mit Verlassen durch die Außenhaustür von einem den Versicherungsschutz begründenden Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Durch die Aussagen des Zeugen H. im Erörterungstermin sei deutlich geworden, dass die Einarbeitung bzw. das Auswahlverfahren, über eine bloße Hospitation, weiter fortgeschritten und es geplant gewesen sei, dass der Kläger am Unfalltag im Rahmen einer eigenständigen Fahrt unter Aufsicht seine endgültige Eignung und Fähigkeit zum Führen der Lkw der Firma habe unter Beweis stellen sollen. Das Anlernen habe im Hinblick auf den konkreten Einsatz erfolgen sollen. Der Zeuge H. habe weiter angegeben, dass er sich für den Kläger bereits eine Tour überlegt gehabt habe, auf der dieser gesicherte Möglichkeiten gehabt hätte, zu lernen, mit dem Lkw umzugehen. Damit sei die bloße eigenwirtschaftliche Hospitationsphase, die die Beklagte als "Probearbeit" bezeichne, beendet gewesen und in eine versicherte Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII für das Unternehmen übergegangen. Die Kammer folge nicht der Auffassung der Beklagten, wonach die Prüfung einer "fachlichen Eignung" für die Annahme von "unversicherter Probearbeit" spreche und damit regelmäßig die Beschäftigteneigenschaft entfallen lasse. Die Frage nach der abschließenden fachlichen Eignung für eine Tätigkeit bei einem Unternehmen werde in der Regel erst im Rahmen einer arbeitsvertraglichen Probezeit (regelmäßig sechs Monate) geklärt. In solchen Fällen liege bereits ein Arbeitsvertrag vor, sodass sich die Frage nach einem Beschäftigungsverhältnis nicht stelle. Es überzeuge nicht, im vorliegenden Fall aufgrund der noch nicht abgeschlossenen und festgestellten Eignung eine Beschäftigung abzulehnen, wenn ansonsten die Tatsachen das vollständige Bild einer Beschäftigung zeichneten. In diesem Zusammenhang sei auch das Argument kritisch zu sehen, dass ein Beschäftigungsverhältnis abzulehnen sei, wenn der jeweilige Anzulernende noch keine eigenen Arbeitsleistungen erbringe. Dies werde in aller Regel bei Auszubildenden und neuen Arbeitskräften in der Anfangszeit (Probezeit) regelmäßig der Fall sein. Dennoch werde hierbei durch den Arbeitsvertrag ein Beschäftigungsverhältnis bejaht. Auch wenn vorliegend der Kläger im Rahmen einer selbstständigen Fahrt unter Aufsicht oder lediglich als Beifahrer noch keine eigene Arbeitsleistung erbringe, sprächen die wesentlichen Tatsachen für ein Beschäftigungsverhältnis. Der Kläger sei am Unfalltage bereits über das Stadium des "Schnuppertages" hinaus getreten und habe eigenständige Aufgaben – von wirtschaftlichem Wert – für das Unternehmen verrichten sollen. Dass zu diesem Zeitpunkt – gegebenenfalls durch urlaubsbedingte Abwesenheit des Zeugen K1 – noch kein Arbeitsvertrag vorgelegen habe, sei unerheblich. Die Handlungstendenz des Klägers sei unter Berücksichtigung des erhaltenen Schlüssels zum Zeitpunkt des Unfallereignisses und die Übertragung der Vornahme der Abfahrtskontrolle in eigener Regie auch schon auf die Tätigkeit für das fremde Unternehmen gerichtet gewesen. Durch diese Übertragung werde zudem das Weisungsrecht deutlich. Nur der Beschäftigte unterwerfe sich derartigen Weisungen und Arbeitsaufträgen. Ginge es vorliegend um eine bloße Hospitation (einen weiteren Schnuppertag) als "Probe"-verhältnis, wäre es nicht zur Erteilung einer solchen Aufgabe gekommen. Durch den Besitz des Schlüssels sei zudem eine nach außen hin deutlich werdende Unternehmenszugehörigkeit erkennbar. Regelmäßig erhalte nur ein Beschäftigter die Dispositionsbefugnis über Güter des Unternehmens. Die Eingliederung des Klägers in das Unternehmen am Unfalltag werde auch durch die konkrete Arbeitszeit am 18. August 2015 belegt. Der Kläger habe nicht lediglich (stundenweise) einige Angestellte begleiten und sich Touren anschauen oder unverfänglich ein Bild machen sollen, er habe an diesem Tag eigenständig "mehr" machen sollen, als nur hospitieren. Nur ergänzend weise die Kammer darauf hin, dass es nicht darauf ankomme, wie die Beteiligten ein Beschäftigungsverhältnis bezeichneten oder wie ggf. Entgeltansprüche für eine "Probearbeit" bestünden. Es sei jeweils am konkreten Einzelfall zu prüfen, was hinter den gewählten Bezeichnungen "Probearbeitsverhältnis", "Einfühlungsverhältnis" oder auch "Kurzpraktikum/Schnuppertag" bzw. "Trainee" etc. zu verstehen sei. Eine sozialrechtliche Qualität hätten diese Begriffe jedenfalls nicht. Der beispielsweise arbeitsrechtlich geprägte Begriff des "Einfühlungsverhältnisses" oder "Probearbeit" solle insoweit den Zustand beschreiben, dass sich die möglichen/zukünftigen Vertragsparteien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) gegenseitig kennen lernen und dann entscheiden könnten, ob sie einen Arbeitsvertrag schlössen. Der Arbeitnehmer solle dabei das (gesamte) Unternehmen kennen lernen, damit er tatsächlich entscheiden könne, ob er das Arbeitsangebot annehme. Hierbei handele es sich in der Regel um eine Hospitation, ein "bloßes" Ansehen der Betriebsabläufe bei einem potentiellen (neuen) Arbeitgeber, welches noch kein Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis begründe. Eine solche Hospitation (Einfühlungsverhältnis/Schnuppertag) bilde als Vorstufe zu einem Arbeitsverhältnis eine absolute Ausnahme und sei regelmäßig nicht auf "einfache" Tätigkeiten anzuwenden. Denn bei einfachen Tätigkeiten habe der Arbeitnehmer keine Möglichkeit das Unternehmen kennen zu lernen, sondern er solle ausschließlich zeigen, dass er motiviert und in der Lage sei, regelmäßig zur Arbeit zu kommen. Weiter weise die Kammer daraufhin, dass "eigenwirtschaftliche" Tätigkeiten nicht mit unversicherter "Probearbeit/Hospitation" gleichzusetzen seien. Denn es bedeute gerade nicht, dass eine Probearbeit "eigenwirtschaftlich" im Sinne der Kriterien der gesetzlichen Unfallversicherung sei. Jeder Beschäftigte arbeite in der Regel "eigenwirtschaftlich" in dem Sinne, dass er zur Arbeit gehe, damit er ein Entgelt erzielen könne. Auch das Streben nach Selbstwertgefühl und Ähnlichem bei der Arbeit würde die Arbeit dann nach der Auslegung der Beklagten zu einer "eigenwirtschaftlichen" Tätigkeit machen und müsste den Versicherungsschutz ausschließen. Dies sei selbstverständlich nicht der Fall. Es sei demnach am Einzelfall zu prüfen, ob eine persönliche Abhängigkeit bei einer konkret zum Unfallereignis führenden Tätigkeit vorliege. Dies geschehe anhand der Handlungstendenz. Die Handlungstendenz sei beim Kläger am Unfalltag nicht eigenwirtschaftlich geprägt gewesen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, die maßgeblich zum Versicherungsschutz nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII ("Wie"-Beschäftigte) entwickelt worden sei, komme der mit dem – objektiv arbeitnehmerähnlichen – Verhalten verbundenen Handlungstendenz, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 5. März 2002 – B 2 U 9/01 R, SGb 2002, 441), eine ausschlaggebende Bedeutung zu. Verfolge eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnele, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene Angelegenheiten, sei sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern eigenwirtschaftlich tätig und stehe daher auch nicht nach § 2 Abs 2 S. 1 SGB VII wie ein nach Abs. 1 Nr 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (Hinweis auf BSG, Urteile vom 25. November 1992 – 2 RU 48/91, USK 92181 (zu § 539 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung), sowie vom 26. Juni 2007 – B 2 U 35/06 R – und 5. März 2002 – B 2 U 8/01 R, HVBG-Info 2002, 1175 (zu § 2 Abs 2 SGB VII)). Dies gelte erst recht für den Versicherungsschutz auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Entscheidend sei daher, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit habe ausüben wollen und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt werde. Die Kammer schließe sich der Rechtsprechung des BSG an, dass es für den Versicherungsschutz unerheblich sei, aus welchen Motiven oder Beweggründen der Entschluss zum Tätigwerden komme, sondern dass vielmehr auf die mit dem Tun verbundene Handlungstendenz abzustellen sei. Die Handlungstendenz gebe nach objektiven Umständen Aufschluss darüber, welches Unternehmen in erster Linie wesentlich unterstützt werden solle. Bei der zum Unfall führenden Tätigkeit müsse diese Handlungstendenz wesentlich auf die Belange des fremden Unternehmens gerichtet sein, damit die Handlung diesem Unternehmen zugerechnet werden kann. Hierbei sei zu beachten, dass die Bedeutung "wesentlich" nicht im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung zu verstehen sei, denn es gehe nicht um Kausalitätsfragen, sondern um die Zurechnung, den sachlichen Zusammenhang der zu beurteilenden Tätigkeit. Der sozialpolitische Schutzzweck der Norm und die zugrunde liegende Ablösung der Unternehmerhaftpflicht seien in die Wertung mit einzubeziehen (Hinweis auf P. Becker, "Der Arbeitsunfall" in SGb 2007, 721, 724). Nach der Handlungstendenz habe die Tätigkeit des Klägers am Unfalltag nicht im Wesentlichen eigenen Zwecken, der Erlangung eines Arbeitsplatzes, gedient, denn dies sei das Motiv und nicht die Handlungstendenz. Die Behauptung der Beklagten, dass dies eine eigenwirtschaftliche Handlungstendenz sei, sei unzutreffend und ziele auf das unbeachtliche Motiv, den inneren Entschluss zum Tätigwerden ab und übersehe die äußeren objektiven Umstände der Tätigkeit (Handlungstendenz). Der Kläger habe am Unfalltag den Weg zum Lkw angetreten, um die Abfahrtskontrolle auszuführen und seine erste Fahrt im Laufe des Tages zu verrichten. Weiter habe er unmittelbar nach dem Unfallereignis beim Durchgangsarzt angegeben, er sei als "Lkw-Fahrer" beschäftigt gewesen. Einen deutlicheren Ausdruck der objektiven Handlungstendenz könne es nach Auffassung der Kammer kaum geben. Auf den Punkt gebracht bedeute dies, dass die Handlungstendenz des Klägers zum Unfallzeitpunkt auf die Tätigkeit für die Firma K. gerichtet gewesen sei (fremdbestimmt) und mithin ganz deutlich vom Motiv, einen Arbeitsvertrag zu schließen und Entgelt zu bekommen, zu unterscheiden sei. Im Gegensatz zu "Tätigkeiten" innerhalb eines Einstellungs- bzw. Auswahlverfahrens: Hier werde der Bewerber um eine Stelle mit demselben Motiv tätig, habe aber die eigenwirtschaftliche objektive Handlungstendenz, sich selbst so gut wie möglich darzustellen, um den Job zu bekommen (selbstbestimmt). Es werde regelmäßig noch keine echte eingegliederte und weisungsabhängige Arbeit verrichtet. Die Abgrenzung von selbstbestimmten eigenwirtschaftlichen bzw. unternehmerähnlichen Tätigkeiten zu fremdbestimmten versicherten Tätigkeiten habe zusätzlich auch nach dem objektiv zurechenbaren wirtschaftlichen Wert einer Arbeitsleistung zu erfolgen. Eine selbstbestimmte Tätigkeit liege regelmäßig dann vor, wenn durch die Tätigkeit maßgeblich ein eigener wirtschaftlicher Vorteil bezweckt werde. Ein solcher Vorteil sei nicht in der (zukünftigen) Erzielung von Entgelt zu sehen, denn damit würde in der Konsequenz der Versicherungsschutz bei allen Beschäftigten entfallen. Eigenwirtschaftliche Tätigkeiten lägen nur vor, wenn die Verfolgung eigener (wirtschaftlicher) Interessen im Vordergrund stehe und damit die Handlungstendenz wesentlich eigenwirtschaftlich geprägt sei. Wenn aber, wie im Falle des Klägers, sich gerade aus den gesamten Umständen ergebe, dass tatsächlich (objektiv) Arbeitsleistungen in einem Umfang verrichtet worden seien, die teilweise einem echten Beschäftigungsverhältnis entsprächen, sei es bereits aus dem Sinn und Schutzzweck der Norm heraus geboten, hier Unfallversicherungsschutz anzunehmen. Insbesondere liege ein klassischer Fall vor, in dem gerade die Ablösung der Unternehmerhaftung dafür Sorge tragen müsse, dass der Versicherte nicht auf zivilrechtliche Ansprüche verwiesen werde und sich gegen den Unternehmer wenden müsse. Selbst wenn man die Eingliederung in den Betrieb und die Weisungsabhängigkeit verneinen würde, läge jedenfalls Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als "Wie"-Beschäftigter vor. Gegen dieses ihr am 2. März 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. März 2018 eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie im Wesentlichen ihren vorgerichtlichen und erstinstanzlichen Vortrag wiederholt. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt weder als "Arbeitnehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB)" noch "wie ein Arbeitnehmer (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII)" tätig geworden. Insbesondere sei er in den fremden Betrieb nicht eingegliedert gewesen und hätte wie jeder andere Bewerber für eine Arbeitsstelle die Arbeitserprobung jederzeit abbrechen können. Im Übrigen habe er sich zum Unfallzeitpunkt noch in einem anderweitigen Beschäftigungsverhältnis befunden, sodass ein Arbeitsverhältnis frühestens ab dem 2. September 2015 und – wie stets – erst nach Durchführung einer eigenständigen Fahrprobe hätte begonnen werden sollen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. Februar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt ebenfalls schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Den Beteiligten ist mit Schreiben des Berichterstatters vom 5. Juni 2018 mitgeteilt worden, dass der Senat erwäge, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen. Ihnen ist Gelegenheit zur Äußerung bis zum 5. Juli 2018 gegeben worden, wovon die Beklagte Gebrauch gemacht hat.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat weist die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung nach Anhö¬rung der Beteiligten (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG) durch Be¬schluss zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Das Sozialgericht hat der sachgerechterweise als Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 56 SGG) ausgelegten (§ 123 SGG) und als solcher zulässigen Klage zu Recht stattgegeben. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der sich im Wesentlichen in Wiederholungen erschöpfende Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren vermag keine Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu begründen. Insbesondere verkennt die Beklagte nach wie vor, dass der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses nicht identisch mit dem engeren Begriff des Arbeitsverhältnisses ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV: Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.).

Eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter wird verrichtet, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechts- und damit Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl. § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (BSG, Urteil vom 14. November 2013 – B 2 U 15/12 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 27 m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Dabei kann offenbleiben, ob zwischen dem Kläger und der Firma K. vor dem Unfalltag bereits ein (mündlicher) Arbeitsvertrag zustande gekommen ist, wobei tatsächlich das von der Firma K. ausweislich der Zeugenaussagen regelmäßig in vergleichbarer Art und Weise durchgeführte mehrwöchige Prozedere vor Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages weit über das allgemein zur vorvertraglichen Eignungsfeststellung Übliche hinaus geht und einer unentgeltlichen Probezeit vor Beginn der eigentlichen arbeitsrechtlichen sechsmonatigen Probezeit gleichkommt.

Denn abredegemäß sollte der Kläger jedenfalls durch die mithilfe des am Vortag ausgehändigten Lkw-Schlüssels selbstständig durchzuführende Fahrzeugkontrolle vor Fahrtantritt keine im Wesentlichen eigene Angelegenheit, sondern eine ihm übertragene fremdnützige, unmittelbar der Firma K. zum Vorteil gereichende Pflicht erfüllen, um damit die folgende Tour zu ermöglichen, auf der der Kläger zunächst als Beifahrer und dann als begleiteter Fahrer vorgesehen war. Spätestens mit dieser diesbezüglichen Abrede und der Entgegennahme des Lkw-Schlüssels hatte der Kläger sich den Weisungen der Verantwortlichen der Firma K. unterworfen, war in deren Betrieb eingegliedert und hätte sich auch nicht ohne weiteres aus dem eingegangenen Rechtsverhältnis lösen können. Des Weiteren wurde durch die Aushändigung des Schlüssels die Unternehmenszugehörigkeit nach außen dokumentiert. Diese Dokumentation wäre bei der beabsichtigten selbstständigen Durchführung der Fahrzeugkontrolle weiter intensiviert worden, sodass der Kläger auf dem von ihm zum Unfallzeitpunkt zurückgelegten Weg von seiner Wohnung zum Ort der verabredeten und von ihm beabsichtigten Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Schließlich berücksichtigt die Beklagte nicht, dass selbst bei Verneinung eines Beschäftigungsverhältnisses angesichts der zumindest für einen Teil der am Unfalltag geplanten Tätigkeiten bestehenden fremdwirtschaftlichen Handlungstendenz des Klägers unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der gesetzlichen Unfallversicherung jedenfalls Versicherungsschutz als "Wie-Beschäftigter" bestünde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 in Verbindung mit §§ 153 Abs. 4 Satz 3, 158 Satz 3 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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