S 8 KR 540/11

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 KR 540/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 383/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 15/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.808,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2011 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Vergütung für einen stationären Krankenhausaufenthalt der bei der Beklagten krankenversicherten D. D., geboren 1943, im Zeitraum vom 09.12.2010 bis 18.12.2010 in Höhe von 7.808,31 EUR.

Die Klägerin ist Betreiberin des in den Krankenhausplan des Landes Hessen aufgenommenen A. Klinikum in A-Stadt. Die Klägerin stellte der Beklagten mit Rechnung vom 02.01.2011 die Behandlungskosten für die stationäre Behandlung der versicherten D. D. in Höhe von 7.808,31 EUR in Rechnung. Dieser Rechnung lag die DRG F08D (rekonstruktive Gefäßeingriffe ohne Herz-Lungen-Maschine, ohne komplizierende Konstellation, ohne thorakabdominales Aneurysma, mit komplexem Eingriff mit Mehretagen- oder Aorteneingriff oder Reoperation ohne äußerst schwere CC) zugrunde. Diese Rechnung glich die Beklagte nicht aus. Ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) leitete die Beklagte nicht ein.

Am 25.08.2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, die Beklagte sei mit Einwendungen ausgeschlossen, da sie kein MDK-Prüfverfahren innerhalb der Ausschlussfrist von 6 Wochen eingeleitet habe. Das Grundsatzgutachten des MDK aus dem Oktober 2010 sei auch inhaltlich falsch.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.808,31 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt die Beklagte vor, die Klägerin könne die hier erfolgte Behandlung nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen, da sie nicht die in der Qualitätssicherungs-Richtlinie zum Bauchaortenaneurysma festgelegten Anforderungen erfülle. Dies betreffe die personellen und die fachlichen Anforderungen. Die Anforderungen an die Organisation und die Infrastruktur könnten jedoch inzwischen als erfüllt angesehen werden. Jedoch sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht für alle behandelnden Ärzte nachgewiesen, dass diese mit allen gängigen Verfahren zur Behandlung und Operation von Bauchaortenaneurysmen vertraut seien und diese eigenständig durchführen könnten. Auch sei die Sicherstellung der postprozeduralen Versorgung durch Ärzte mit Erfahrung in der Gefäßchirurgie nicht nachgewiesen. § 275 Abs. 1c SGB V finde keine Anwendung, da "Voraussetzungen der Leistung", "Art der Leistung" und "Umfang der Leistung" nicht streitig seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichts- und Beklagtenakte und auf die Patientenakte verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Die Klägerin macht den Anspruch auf Zahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten gegen die Beklagte zu Recht mit der echten Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltend. Die Klage eines Krankenhausträgers (wie der Klägerin) auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen ist und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2008, Az.: B 1 KN 3/08 KR R; BSG Urteil vom 28.09.2006, Az.: B 3 KR 23/05 R, st. Rspr.).

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 7.808,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2011. Rechtsgrundlage des streitigen Vergütungsanspruchs der Klägerin in Höhe von 7.808,31 EUR ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Verbindung mit § 7 Satz 1 Nr. 1 Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen, Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie dem nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen bestehenden Krankenhausbehandlungsvertrag.

Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unabhängig von einer schriftlichen Kostenzusage, die nur als deklaratorisches Schuldanerkenntnis anzusehen ist, unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem wie hier zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert in aller Regel mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Demgemäß müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich alle allgemeinen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie speziell von Krankenhausbehandlungen, insbesondere deren Erforderlichkeit vorliegen. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die zur Krankenbehandlung gehörende Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V) wird gem. § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Der Anspruch ist gerichtet auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V) (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2008, Az.: B 1 KN 3/08 KR R). Dabei richtet sich die Frage, ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist nach medizinischen Erfordernissen (BSG, Großer Senat, Beschluss vom 25.09.2007, Az.: GS 1/06; BSG, Urteil vom 16.12.2008, Az.: B 1 KN 3/08 KR R). Das heißt, die Krankenkasse schuldet eine vollstationäre Krankenhausbehandlung nur, wenn der Gesundheitszustand des Patienten sie aus medizinischen Gründen erfordert. Im vorliegenden Fall besteht kein Streit darüber, dass der Versicherte der stationären Krankenhausbehandlung für den gesamten Zeitraum bedurfte. Auch ist unstreitig, dass die durchgeführte operative Versorgung des Bauchaortenaneurysma medizinisch notwendig war und in der Klinik der Klägerin fachgerecht durchgeführt wurde.

Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser i.S.d. § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze, Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), des KHEntgG und der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze, Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in den zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abgeschlossenen Verträgen beruht. Dabei ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass das von der Klägerin betriebene Krankenhaus in das DRG-Vergütungssystem einbezogen ist (§ 1 BPflV). Auch die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs ist unstreitig. Mithin ist der von der Klägerin geltend gemachte Vergütungsanspruch entstanden.

Dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch stehen auch keine Einwendungen der Beklagten entgegen.

Die Beklagte ist nicht bereits gem. § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V mit Einwendungen ausgeschlossen. Gem. § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bezieht sich auf alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (Beyer in: jurisPK-SGB V, § 275 Rn. 9) und damit auch auf die Krankenhausbehandlung. Im vorliegenden Fall sind jedoch nicht die Voraussetzungen oder Art und Umfang der Leistung streitig. Auch geht es nicht um Auffälligkeiten im Rahmen der Abrechnung, da die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung für die stationäre Versorgung bei der Indikation Bauchaortenaneurysma (QBAA-RL) keine Abrechnungsvorschriften enthält. Die Voraussetzungen der Abrechnungsvorschriften sind im vorliegenden Fall unstreitig gegeben.

Sofern die Erfüllung der Voraussetzungen einer Qualitätsrichtlinie durch den MDK zu überprüfen ist, ist § 275 Abs. 4 SGB V die einschlägige Vorschrift. Gem. § 275 Abs. 4 SGB V sollen die Krankenkassen und ihre Verbände bei der Erfüllung anderer als der in § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den MDK oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, zu Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und zu Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen insbesondere der Prüfungsausschüsse. Bei den in § 275 Abs. 4 SGB V aufgeführten Aufgaben handelt es sich um eine beispielhafte und damit nicht abschließende Aufzählung. Unter § 275 Abs. 4 SGB V fällt z. B. die Qualitätsprüfung im Rahmen von § 137 SGB V. § 275 Abs. 4 SGB V erfasst mithin Aufgaben der Krankenkasse außerhalb der Leistungserbringungen im Einzelfall (vgl. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 275 SGB V Rn. 29).

Der geltend gemachte Anspruch ist nicht aufgrund der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung für die stationäre Versorgung bei der Indikation Bauchaortenaneurysma (QBAA-RL) ausgeschlossen. Bei der QBAA-RL handelt es sich um eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Gem. § 137 Abs. 1 Satz 2 SGB V erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss, soweit erforderlich, die notwendigen Durchführungsbestimmungen und Grundsätze für Konsequenzen insbesondere für Vergütungsabschläge für Leistungserbringer, die ihre Verpflichtungen zur Qualitätssicherung nicht einhalten. Derartige Durchführungsbestimmungen hat der Gemeinsame Bundesausschuss in der QBAA-RL nicht geregelt. Es gibt in der Richtlinie keine Norm, die besagt, ob und in welcher Höhe ein Vergütungsabschlag vorzunehmen ist, wenn die Voraussetzungen der Richtlinie nicht eingehalten sind. Daher kann kein Vergütungsabschlag durch die Beklagte vorgenommen werden. Der Vergütungsanspruch der Klägerin besteht nach wie vor in voller Höhe, unabhängig davon, ob die Anforderungen der QBAA-RL eingehalten wurden oder nicht. Insbesondere dem Wortlaut des § 137 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wonach der Gemeinsame Bundesausschuss Grundsätze für Konsequenzen insbesondere für Vergütungsabschläge erlässt, soweit dies erforderlich ist, kann entnommen werden, dass ohne eine solche Regelung gerade keine Vergütungsabschläge vorgenommen werden können. Die Formulierung "Vergütungsabschläge" in § 137 Abs. 1 Satz 2 SGB V deutet auch darauf hin, dass nicht die komplette Vergütung für einen Klinikaufenthalt gestrichen werden soll, wenn die Voraussetzungen einer Qualitätssicherungsrichtlinie nicht eingehalten wurden. Ohne eine konkrete Regelung über Vergütungsabschläge in der Richtlinie bliebe insbesondere auch der Umfang der Konsequenzen unklar. Eine derart weitreichende Folge wie der Wegfall der ganzen Vergütung in Höhe von ca. 10.000,00 EUR bedarf aber einer konkreten und klaren Regelung, sodass die Konsequenz vorhersehbar ist.

Auch der Vorschrift in § 3 Abs.1 QBAA-RL, wonach die elektive stationäre Versorgung von Patientinnen und Patienten nur in einer Einrichtung erfolgen darf, welche die in dieser Richtlinie festgelegten Anforderungen gem. §§ 4 und 5 erfüllt, kann keine Regelung des Gemeinsamen Bundesausschusses dahingehend entnommen werden, dass die Vergütung der Klinik komplett entfällt, wenn die Anforderungen in §§ 4 und 5 QBAA-RL nicht erfüllt sind. Die Vorschrift hat lediglich Programmcharakter und enthält gerade keine ausdrückliche Regelung zu der Frage, ob der Anspruch der behandelnden Klinik ganz oder teilweise entfällt, wenn die Anforderungen in §§ 4 und 5 QBAA-RL nicht eingehalten wurden.

Der Zinsanspruch der Klägerin seit dem 04.02.2011 folgt aus § 10 des Landesvertrages in Verbindung mit § 288 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
Saved