L 31 AS 1548/18 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 175 AS 6667/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 AS 1548/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Einnahmen sind vorrangig zur Deckung des Lebensunterhaltes und nicht zur Tilgung von Schulden zu verwenden.
Im Rahmen eines Kontokorrentkredits sind noch verfügbare Mittel als bereite Mittel anzusehen.
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. August 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die Antragsteller begehren die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen ab dem 19. Juni 2018.

Dem 1965 geborenen Antragsteller zu 1, der 1976 geborenen Antragstellerin zu 2 und den 2013 und 2015 geborenen Kindern, den Antragstellern zu 3 und 4, hatte der Antragsgegner zuletzt mit Bescheid vom 6. November 2017 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2017 bis 31. Mai 2018 vorläufig Leistungen in Höhe von 494,68 Euro bzw. 490,68 Euro monatlich bewilligt.

Der Antragsteller zu 1 steht seit 2005 im Leistungsbezug. Er betreibt über das Internet einen Autohandel mit Luxuskarosserien. Hierfür hat ihm die Berliner Sparkasse einen Kontokorrentkredit bis zu einem Höchstbetrag von zunächst 50.000 Euro, dann 100.000 Euro und schließlich 150.000 Euro eingeräumt. Sicherheiten wurden ausweislich der zugrunde liegenden Verträge vom 10. Juni 2013, 15. Januar 2014 und 29. Mai 2015 nicht verlangt. Die Zinssätze für den Kontokurrentkredit liegen zwischen 10 und 12,25 Prozent im Jahr. Auf Anfrage des Antragsgegners lehnte die Bank weitere Auskünfte zum Zustandekommen der Kreditverträge oder zu einer Besicherung unter Hinweis auf ihre vertragliche Verschwiegenheitspflicht ab.

In der EKS vom 19. April 2017 hatte der Antragsteller zu 1 monatliche Betriebseinnahmen von 52.500 Euro erklärt, denen Ausgaben in Höhe von 52.100 Euro monatlich entgegenstünden, so dass sich ein monatlicher Gewinn von 400 Euro ergebe. In der EKS vom 3. Juni 2017 werden Betriebseinnahmen von 52.200 Euro im Monat ausgewiesen. Dem sollen Ausgaben von 51.700 Euro entgegengestanden haben, so dass sich ein monatlicher Gewinn von 500 Euro ergebe. In der EKS vom 11. Oktober 2017 wurden 52.000 Euro monatlich als Betriebseinnahmen angegeben, denen Ausgaben in Höhe von 51.100 Euro monatlich entgegenstehen sollen, so dass sich ein Gewinn von 900 Euro monatlich ergebe. Die vorstehenden Angaben betrafen die Prognosen des Antragstellers.

In den EKS vom 8. November 2017 betreffend den Zeitraum vom 1. Juni 2016 bis 31. Mai 2017 für eine abschließende Bewilligung gab der Antragsteller zu 1 das Betriebsergebnis wie folgt an:

Juni 2016 + 19.921,84 Euro Juli 2016 + 3.740,57 Euro August 2016 + 62.833,62 Euro September 2016 - 10.772,64 Euro Oktober 2016 - 1.586,87 Euro November 2016 + 4.417,42 Euro Daraus folgt ein Gewinn von 78.553,94 Euro.

Dezember 2016 - 9.107,60 Euro Januar 2017 + 44.196,46 Euro Februar 2017 - 1.476,74 Euro März 2017 - 10.695,70 Euro April 2017 - 866,89 Euro Mai 2017 - 61.111,82 Euro. Daraus folgt ein Verlust von 34.394,88 Euro.

Die EKS vom 12. April 2018 behauptet für die Monate von Juni bis November 2018 zu erwartende Einnahmen von 22.500 Euro im Monat, denen Ausgaben in Höhe von 21.880 Euro ebenfalls monatlich entgegenstünden. Ein monatlicher Gewinn von 620,- Euro sei zu erwarten.

Mit Bescheid vom 1. Juni 2018 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juni bis 30. November 2018 ab. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit dem Widerspruch und wandte sich unter dem 19. Juni 2018 mit einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an das Sozialgericht Berlin. Der Antragsteller macht geltend, dass er derzeit seine selbständige Tätigkeit nicht ausüben könne, da er keine Fahrzeuge im Bestand habe. Er fügte Kontoauszüge seines Geschäfts sowie seines Privatkontos bei. Der Kontostand des Geschäftskontos betrug am 18. Juni 2018 minus 124.694,78 Euro. Das Privatkonto wies ein Guthaben von 32,06 Euro am 18. Juni 2018 aus.

Der Antragsgegner trug vor, dass sich aus den vorgelegten Kontoauszügen im Zeitraum vom 4. April bis zum 14. Mai 2018 Einzahlungen auf das Geschäftskonto in Höhe von 37.320 Euro ergäben. Damit sei der monatliche Gesamtbedarf der Antragsteller 1 bis 4, den er mit 1.920,48 Euro ermittelt habe, mehr als gedeckt. Der Antragsteller zu 1 habe seine geschäftlichen Einnahmen für die Deckung des Lebensunterhalts und nicht zur Tilgung seines Kontokorrentkredites zu verwenden.

Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 13. August 2018 abgelehnt, da ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht sei. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz habe dem Antragsteller zu 1 aus seinem Kontokurrentkredit noch ein Betrag von 25.305,22 Euro zur Verfügung gestanden. Da der Antragsteller zu 1 auch alleiniger Kontoinhaber sei, komme es auch nicht darauf an, ob er das Konto als Privat- oder Geschäftskonto bezeichne. Vor dem Hintergrund eines verfügbaren Betrages von über 25.000 Euro seien keine Eilbedürftigkeit der Angelegenheit und damit kein Anordnungsgrund gegeben. Die Antragsteller seien mit ihrem Vortrag auf das Widerspruchsverfahren zu verweisen.

Gegen den ihnen am 14. August 2018 zugestellten Beschluss wenden sich die Antragsteller mit ihrer Beschwerde vom 16. August 2018.

Die Antragsteller machen geltend, sie dürften zum Ausschluss von Hilfebedürftigkeit nicht auf Bankkredite verwiesen werden. Dies würde die staatliche Einstandspflicht bei Bedürftigen umgehen.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. August 2018 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig für die Zeit vom 19. Juni 2018 bis 30. Juni 2018 Leistungen in Höhe von 635,47 Euro und für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2018 Leistungen in Höhe von 1.588,68 Euro monatlich zu bewilligen und auszuzahlen sowie ihnen Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen

und bleibt bei seiner Auffassung, dass Einnahmen in Höhe von 37.320 Euro zur Deckung des Lebensbedarfes einzusetzen seien.

Die Antragsteller seien nicht befugt, diesen Betrag zur Tilgung ihres Kontokorrentkredites einzusetzen, um gleichzeitig für den laufenden Lebensunterhalt die staatliche Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen. Die Tilgung des Kredites sei im Verhältnis zur Deckung des Lebensunterhalts nachrangig.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Antragsgegners und den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben bei der Entscheidung des Senats vorgelegen.

Die zulässige Beschwerde (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist unbegründet. Die Antragsteller sind nicht hilfebedürftig im Sinne der §§ 7, 19, 20, 22 Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II), denn der Antragsgegner weist zu Recht darauf hin, dass sie zur Deckung des Lebensunterhalts über bereite Mittel von 37.320 Euro verfügen, die den Bedarf für den hier streitigen Zeitraum vom 19. Juni bis 30. September 2018 bei weitem übersteigen.

Wie sich aus den vorgelegten Kontoauszügen des Antragstellers zu 1 ergibt, hatte er in der Zeit vom 4. April 2018 bis zum 14. Mai 2018 Einnahmen von insgesamt 37.320 Euro auf seinem Geschäftskonto verbucht, knapp 30.000,- Euro als Selbsteinzahlung. Es bedarf daher keiner weiteren ins Einzelne gehenden Berechnung, um festzustellen, dass diese Mittel den monatlichen Bedarf, den der Antragsgegner auch aus der Sicht des Senats zutreffend mit 1.920,48 Euro ermittelt hat, bei weitem übersteigen.

Zutreffend weist der Antragsgegner auch darauf hin, dass diese Einnahmen selbstverständlich zur Deckung des Lebensunterhalts zu verwenden sind und nicht zur Tilgung eines Bankkredites. Denn es ist nicht die staatliche Gemeinschaft, die mit Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Schulden des Antragstellers bei der Bank einstehen muss. Nichts anderes als die Tilgung der Schulden durch die Staatskasse würde es bedeuten, wenn dem Antragsteller zu 1 nachgelassen würde, sämtliche Einnahmen zur Tilgung des Kredites zu nutzen, die laufenden Lebensunterhaltskosten der Bedarfsgemeinschaft aber auf die Staatskasse abzuwälzen. Ein Anspruchsteller ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 29. November 2012, B 14 AS 33/12 R Rn. 13,14) gehalten, den Zufluss von Einnahmen für die Deckung des Lebensunterhalts und nicht für die Tilgung von Schulden zu verwenden. Sollte der Antragsteller zu 1 tatsächlich nicht in der Lage sein, seinen Kontokorrentkredit aus seinem Autohandel zurückzuzahlen, so bleibt ihm das Mittel der (Privat-)Insolvenz, mit der Folge, dass das betroffene Kreditinstitut die gewährten Kreditmittel vermutlich "abschreiben" kann. Eine Tilgung dieser Kreditmittel durch die Staatskasse durch Übernahme der laufenden Lebensunterhaltskosten der Antragsteller kommt nicht in Betracht.

Vorliegend ist auch darauf hinzuweisen, dass es sich bei den genannten Einnahmen von 37.320 Euro zumindest im hier streitigen Umfang von höchstens 2.000,- Euro monatlich tatsächlich noch um bereite Mittel handelt, obwohl diese mit dem Kontokorrentkredit verrechnet wurden. Denn insoweit weist das Sozialgericht zu Recht darauf hin, dass der Antragsteller zu 1 noch einen weiteren Kreditrahmen von rund 25.000 Euro ausnutzen kann. Zum Zeitpunkt der Einreichung der einstweiligen Anordnung war er also in der Tat noch in der Lage, einen großen Teil der Einnahmen von 37.320 Euro aus der ihm anscheinend vorrangig erscheinenden Kredittilgung "zurückzuholen". Dass mit diesen Beträgen die hier im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geltend gemachten Bedarfe bei weitem gedeckt sind, bedarf lediglich einer grob überschlägigen Berechnung. Denn für die geltend gemachten vollen Monate von Juli bis September 2011 fallen knapp 6.000 Euro an, für den teilweise zu deckenden Monat Juni etwa knapp die Hälfte, also insgesamt bestenfalls 7.000 Euro.

Die Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit liegen damit offensichtlich nicht vor.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten waren nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Auch die Beschwerde gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 73 a SGG i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO - ) ist unbegründet, da keine Erfolgsaussicht für das Begehren bestand, denn die bereiten Mittel überstiegen den geltend gemachten Bedarf bei weitem. Deshalb war auch für das Beschwerdeverfahren keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen, es fehlte an der Erfolgsaussicht.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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