L 23 SO 286/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 195 SO 758/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 286/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Arbeitsförderungsgeld gehört nicht zum Entgelt i.S.d. § 82 Abs 3 S 2 SGB 12
Klarstellung zu L 23 SO 1094/15; Urteil vom 28. September 2016 (juris)
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für den gesamten Rechtsstreit nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Gewährung eines höheren Barbetrags zur persönlichen Verfügung nach § 27b Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 29. Februar 2016. Streitig ist die Berechnung des einzusetzenden Einkommens nach § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII.

Die am 1959 geborene Klägerin ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80 und den Merkzeichen G, H und RF. Sie lebt in einer vollstationären Einrichtung des E (E aG). Die Kosten für die Unterbringung in der Einrichtung übernimmt der Beklagte. Die Klägerin erhält hierfür Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII sowie Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für den notwendigen Lebensunterhalt und die Kosten der Unterkunft.

Die Klägerin bezog eine Rente i.H.v. monatlich 527,09 Euro ab 1. Januar 2015 und war beschäftigt in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). Für ihre Werkstatttätigkeit erhielt die Klägerin einen monatlichen Arbeitslohn, der im streitigen Zeitraum insgesamt 105,00 Euro monatlich (75,00 Euro Grundbetrag zuzüglich 30,00 Euro Steigerungsbetrag) betrug. Im Monat Januar 2015 wurde hiervon in der Gehaltsabrechnung ein Betrag von 4,23 Euro ,,Saldo aus Nachberechnung” abgezogen, so dass der Lohn in diesem Monat insgesamt 100,77 Euro betrug. Weiterhin erhielt die Klägerin im streitigen Zeitraum ein Arbeitsförderungsgeld (AFÖG) von 26,00 Euro monatlich, das zusammen mit dem Arbeitslohn monatlich an sie ausgezahlt wurde.

Zusätzlich erhielt die Klägerin von dem Beklagten einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung nach § 27b Abs. 2 SGB XII. Mit Bescheid vom 30. Juni 2014 hatte der Beklagte die Höhe des Barbetrags ab dem 1. August 2014 auf 73,27 Euro festgesetzt; und zwar i.H.v. 105,57 (Grundbarbetrag) zuzüglich 3,21 Euro (Zusatzbarbetrag über Bestandsschutz) und abzüglich anrechenbares Einkommen i.H.v. 35,51 Euro. Bei der Berechnung des anrechenbaren Einkommens hatte er einen Freibetrag nach § 82 Abs. 3 SGB XII berücksichtigt, den er prozentual vom Arbeitslohn – ohne Einbeziehung des AFÖG – berechnete. Mit Bescheid vom 9. Februar 2015 hob der Beklagte den Bescheid vom 30. Juni 2014 mit Wirkung vom 1. Januar 2015 unter Berufung auf § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und bewilligte der Klägerin einen Barbetrag für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis einschließlich 29. Februar 2016 in Höhe von 79,35 Euro für Januar 2015, 76,18 Euro für Februar 2015 und 76,22 Euro ab März 2015. Als Gründe nannte er die Berücksichtigung der geänderten Barbetragshöhe und das geänderte Werkstatteinkommen der Klägerin. Die Berechnungsmethode des Freibetrags nach § 82 Abs. 3 SGB XII im Rahmen der Einkommensanrechnung entsprach der Berechnung in dem Bescheid vom 30. Juni 2014.

Hiergegen erhob die Klägerin durch Ihren Betreuer am 2. März 2015 Widerspruch zu dessen Begründung sie vortrug, dass bei der Berechnung des Freibetrags das AFÖG als Lohnbestandteil hätte berücksichtigt werden müssen. Dies ergebe sich unmittelbar aus der Vorschrift des § 82 Abs. 3 S. 2 SGB XII, die weder durch eine Weisung des Bundesministeriums noch durch eine gemeinsame Arbeitsanweisung des Landes Berlin geändert werden könne.

Mit Änderungsbescheid vom 28. Januar 2016 setzte der Beklagte den Barbetrag für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis 29. Februar 2016 neu fest auf 78,04 Euro. Als Grund der Änderung angegeben wurde die Erhöhung des Grundbarbetrags aufgrund der ab Januar 2016 gültigen Höhe der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII.

Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2016 zurück. Zur Begründung führte er in Bezug auf die strittige Frage der Berücksichtigung des AFÖG bei der Berechnung des Freibetrags aus, dass insoweit eine Änderung der Rechtsprechung stattgefunden habe und das AFÖG danach nicht (mehr) zum Arbeitsentgelt für Beschäftigte in einer WfbM zähle. Dies ergebe sich auch aus einem Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Hiergegen hat die Klägerin am 24. Mai 2016 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren gestützt sowie sich auf eine Entscheidung des Senats vom 28. September 2006 zum Aktenzeichen L 23 SO 1094/05 berufen.

Die Klägerin hat vor dem SG - schriftsätzlich - beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 9. Februar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2016 aufzuheben und die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte hat unter Verweis auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid beantragt, die Klage abzuweisen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 8. September 2016 - im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - abgewiesen.

Der Bescheid des Beklagten vom 9. Februar 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. Januar 2016, der nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden sei, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2016 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Aufhebung des Bescheides vom 30. Juni 2014 mit Wirkung für die Vergangenheit (ab dem 1. Januar 2015) habe der Beklagte auf die Rechtsgrundlage des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X stützen können. Aufgrund des ab dem 1. Januar 2015 geltenden erhöhten Regelsatzes sei eine Änderung der Verhältnisse zugunsten des Betroffenen erfolgt. Der Beklagte habe den Änderungsbescheid vom 9. Februar 2015 erlassen, um den Barbetrag nach der Regelbedarfsstufe 1 der Anlage zu § 28 SGB XII neu zu berechnen. Dadurch habe der Klägerin ein höherer Barbetrag zugestanden.

Der streitgegenständliche Bescheid habe die Leistung des Barbetrags nach § 27b Abs. 2 SGB XII zutreffend festgesetzt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf einen höheren Barbetrag als in dem streitgegenständlichen Bescheid festgesetzt. Insbesondere habe der Beklagte den vom anrechnungsfähigen Einkommen abzuziehenden Freibetrag nach § 82 Abs. 3 S. 2 SGB XII zutreffend berechnet.

Rechtsgrundlage für den Barbetrag sei § 27b Abs. 2 SGB XII (in Verbindung mit § 42 SGB XII). Die Vorschrift gelte trotz der fehlenden Erwähnung in § 42 Nr. 1 SGB XII auch für grundsicherungsberechtigte Menschen im Sinne der §§ 41 ff. SGB XII in Einrichtungen, zu denen die Klägerin zähle (vgl. Thie, in: LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 42, Rn. 5).

Nach § 27b Abs. 2 S. 2 erhielten Leistungsberechtigte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, einen Barbetrag in Höhe von mindestens 27 vom Hundert der Regelbedarfsstufe I nach der Anlage zu § 28. Der Beklagte sei zutreffend von einem Regelbedarf von 399,00 Euro monatlich für das Jahr 2015 und von 404,00 Euro monatlich für das Jahr 2016 ausgegangen. Hiervon habe er 27 % als Barbetragsbedarf berechnet, d.h. für 2015 je 107,73 Euro monatlich und für 2016 je 109,08 Euro monatlich. Zusätzlich habe er berücksichtigt, dass der Bedarf sich aufgrund der Bestandsschutzvorschrift des § 133a SGB XII monatlich um 3,21 Euro erhöht habe.

Diesem Bedarf habe der Beklagte das Einkommen der Klägerin im Sinne des § 82 SGB XII gegenübergestellt, das aufgrund des Vorrangs der Selbsthilfe gem. § 2 Abs. 1 SGB XII den Leistungsanspruch mindere. Die Einkommensberechnung begegne keinen Bedenken. Das Werkstatteinkommen der Klägerin habe im streitigen Zeitraum monatlich 105,00 Euro (abweichend 100,77 Euro im Monat Januar 2015) betragen. Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei daneben das mit dem Arbeitslohn monatlich ausgezahlte AFÖG, welches nach § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII nicht zum Einkommen zähle. Das Einkommen aus der Werkstatttätigkeit habe der Beklagte nicht vollständig angesetzt, sondern hiervon gemäß § 82 Abs. 3 S. 2 SGB XII einen Freibetrag abgezogen.

Nach § 82 Abs. 3 S. 2 SGB XII sei bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen von dem Entgelt ein Achtel der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 zuzüglich 25 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Entgelts abzusetzen.

Da es hier um den Barbetrag als Teil der Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII gehe, sei diese Vorschrift für die Berechnung des Freibetrags maßgeblich und nicht - wie die Berechnungsbögen des Beklagten angäben - die Norm des § 88 Abs. 2 SGB XII. Hinsichtlich der Berechnungsweise ergäben sich keine Unterschiede zwischen den Vorschriften, § 88 Abs. 2 SGB XII sei jedoch anwendbar auf Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel während § 82 Abs. 3 S. 2 SGB XII auf die Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel Anwendung finde (vgl. Schoch, in: LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 88, Rn. 16).

Das AFÖG nach § 43 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) sei bei dieser Berechnung nicht zu berücksichtigen, es sei nicht Bestandteil des in der Werkstatt erzielten ,,Entgelts” im Sinne des § 82 Abs. 3 S. 2 SGB XII. Mit ,,Entgelt” meine die Vorschrift das Arbeits-,,entgelt” der beschäftigten behinderten Menschen im Sinne des § 138 Abs. 2 SGB IX und nicht auch das ausdrücklich neben der Vergütung stehende AFÖG nach § 43 SGB IX.

Es leuchte nicht ein, warum das AFÖG, welches bei der Berechnung des auf die Sozialhilfe anzurechnenden Einkommens keine Berücksichtigung finde, weil es anrechnungsfrei sei und dem behinderten Menschen vollständig verbleibe (vgl. § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XlI), bei der Berechnung des Freibetrags, der das anzurechnende Einkommen noch einmal reduziere, berücksichtigt werden sollte. Damit käme es dem Hilfeempfänger teilweise gewissermaßen doppelt zugute.

Es habe sich beispielhaft für Januar und Februar 2016 folgende Berechnung des Freibetrags nach § 82 Abs. 3 5. 2 SGB XII ergeben: Entgelt aus WfbM (ohne AFÖG): 105,00 Euro Abzüglich 1/8 Eckregelsatz (404,00 Euro): 50,50 Euro Verbleiben: 54,50 Euro Davon abzüglich 25 %: 13,63 Euro Abzüglich Arbeitsmittelpauschale (Werbungskosten): 5,20 Euro Abzüglich Sozialversicherungsbeiträge: 1,42 Euro Freibetrag: 34,26 Euro.

Hinsichtlich der Berechnung für die anderen Monate werde auf die Berechnungsbögen des Beklagten verwiesen.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 26. September 2016 zugestellte Urteil am 20. Oktober 2016 Berufung eingelegt, mit der sie monatlich höhere Leistungen von 10,01 Euro begehrt und zu deren Begründung sie unter anderem auf die Entscheidung des Senats vom 28. September 2006 (L 23 SO 1094/05) verweist. Nach der Rechtsprechung des BSG gelte das Zuflussprinzip, der Berechnung zugrunde zulegen sei also der Betrag, der auf dem Konto des Sozialhilfebeziehers eingehe. Dieses sei das Einkommen, aus dem der Freibetrag zu berechnen sei. Auch der Gesetzgeber gehe in § 43 SGB IX Satz 2 davon aus, dass das AFÖG zum Arbeitsentgelt gehöre.

Der Senat entnimmt dem Vorbringen der Klägerin den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. September 2016 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 9. Februar 2015, in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. Januar 2016, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2016 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 29. Februar 2016 weitere Leistungen in Höhe von monatlich 6,50 Euro zu gewähren.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Berufung bereits nicht für zulässig, da um einen monatlichen Betrag i.H.v. 6,50 Euro gestritten werde. Es könne nicht nachvollzogen werden, dass das AFÖG, das bereits vom Einkommen abzusetzen sei, nochmals, mithin doppelt, bei der Berechnung des Freibetrags, der ebenso das anrechenbare Einkommen mindere, berücksichtigt werden solle. Es sei der neueren Entscheidung des LSG Thüringen, Urteil vom 9. September 2015 (82273/13) und das SG Aachen, Urteil vom 19. Mai 2015 (S 20 SU 36/15), zu folgen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 14. August 2018, Schreiben des Beklagten vom 15. August 2018).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der vorlag und Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 144 Abs. 1 S. 2 SGG statthaft, da um laufende Leistungen für 13 Monate, mithin mehr als ein Jahr, gestritten wird.

Der Senat folgt vollumfänglich den Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht insoweit zunächst von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 154 Abs. 2 SGG).

Soweit die Ausführungen des Senats in seiner Entscheidung vom 28. September 2006 (L 23 SO 1094/05), dass unter Zugrundelegung der "Zuflusstheorie" (vgl. BVerwGE 108, 296, 299) bei der Berechnung nach § 82 Abs. 3 SGB XII vom tatsächlichen Zufluss des Entgelts bei der Klägerin auszugehen sei, so dass nicht auf das in der Gehaltsabrechnung für den jeweiligen Monat ausgewiesene Entgelt abzustellen sei, sondern auf dasjenige, das im jeweiligen Monat dem Konto der Klägerin tatsächlich gutgeschrieben worden war, dahingehend verstanden worden sind, dass der Senat das AFÖG als Bestandteil des Entgelts aus einer Beschäftigung in einer WfbM ansieht, wird klargestellt, dass dies nicht der Fall war und ist.

Vielmehr folgt der Senat der vom Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung zitierten Rechtsprechung, wonach das "Entgelt" bei einer Beschäftigung in eine WfbM in § 138 Abs. 2 SGB IX definiert ist und das Arbeitsförderungsgeld (AFÖG) nach § 43 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch a.F. (SGB IX), nunmehr § 59 SGB IX in der ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung, nicht zum "Entgelt" im Sinne des § 82 Abs. 3 S. 2 SGB XII gehört, sondern lediglich als Leistung des Rehabilitationsträgers durch die Werkstatt an die dort Beschäftigten weitergegeben wird.

Die Frage, ob das AFÖG Bestandteil des "Entgelts" in Sinne von § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII ist, hat der Senat in der Entscheidung vom 28. September 2006 im Verfahren L 23 SO 1094/05 überhaupt nicht thematisiert.

In dem der Entscheidung vom 28. September 2006 zu Grunde liegenden Sachverhalt hatte der dortige Beklagte der Berechnung des Freibetrages für Erwerbstätige nach § 82 Abs. 3 SGB XII das nach § 82 Abs. 2 SGB XII bereinigte Erwerbseinkommen zugrunde gelegt. Dies hat der Senat in der genannten Entscheidung zu Recht gerügt und ausgeführt, dass bei der Berechnung vom unbereinigten Bruttoeinkommen auszugehen sei (a.a.O. juris Rn 34; ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 29.07.2014 - L 8 SO 212/11 - juris Rn. 29 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; a.A. wohl nur Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 17. Juni 2008 – L 9 B 156/08 SO PKH –, Rn. 7, juris).

Die Frage, ob das AFÖG Bestandteil des "Entgelts" in Sinne von § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII ist, hat der Senat in der Entscheidung vom 28. September 2006 hingegen vollständig ausgeklammert (hierauf weist zu Recht kritisch das SG Aachen, im Urteil vom 19. Mai 2015 – S 20 SO 36/15 –, juris Rn. 18, hin). Der Senat hat jedoch - möglicherweise versehentlich - bei seiner Berechnung des Freibetrages das der Klägerin im dortigen Fall gezahlte AFÖG in das Entgelt, von dem aus der Freibetrag errechnen wurde, miteinbezogen. Er hat somit in der genannten Entscheidung - im Ergebnis und ungewollt - den Begriff "Entgelt" i.S.d. § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII bei einer Beschäftigung in einer WfbM mit "Einkommen" i.S.d. § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII gleichgesetzt und hierbei das neben dem Werkstattentgelt gewährte AFÖG als "Entgelt" berücksichtigt. Hieran hält der Senat nicht fest. Er geht vielmehr mit der herrschenden Meinung (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 29.07.2014 - L 8 SO 212/11 - juris Rn 30; Thüringer Landessozialgericht, Urteil v. 9. September 2015, L 8 SO 273/13, juris Rn 75) davon aus, dass das AFÖG nicht zum Arbeitsentgelt im Sinne des § 138 Abs. 2 SGB IX (Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes zzgl. eines leistungsangemessenen Steigerungsbetrages) zählt, sondern vielmehr gemäß § 43 SGB IX vom zuständigen Rehabilitationsträger an die Werkstatt gezahlt und von dieser als besonderer Lohnanreiz nur an den Beschäftigten durchgereicht wird.

Zutreffend weist das auch vom SG in der vorliegend angefochtenen Entscheidung zitierte SG Aachen (Urteil vom 19. Mai 2015 - S 20 SU 36/15 - juris) darauf hin, dass während in Satz 1 des § 82 Abs. 3 SGB XII auf das "Einkommen" als Grundlage der Freibetragsberechnung Bezug genommen wird, das Gesetz in Satz 2 bei einer Beschäftigung in einer WfbM auf das "Entgelt" abstellt. Soweit bei der Anwendung des Begriffs "Einkommen" in Satz 1 noch unklar bleibt, ob damit das (Brutto-)Einkommen ohne Absetzungen (Abs. 1 Satz 1) oder das (Netto-)Einkommen mit Absetzungen (Abs. 2) gemeint ist (nur zu diesem Punkt verhalten sich die Ausführungen des Senats in der Entscheidung vom 28. September 2006), so ist die Begrifflichkeit in Satz 2 des § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII eindeutig. Das "Entgelt" bei einer Beschäftigung in einer WfbM ist in § 138 Abs. 2 SGB IX genau definiert. Danach zahlen die Werkstätten aus ihrem Arbeitsergebnis ein "Arbeitsentgelt, das sich aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit nach den für sie geltenden Vorschriften behinderten Menschen im Berufsbildungsbereich zuletzt leistet, und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammensetzt". Aus dieser Begriffsbestimmung des (Arbeits-)Entgelts bei einer Beschäftigung in einer WfbM wird deutlich, dass das AFÖG, das die Werkstätten gem. § 43 Satz 1 SGB IX von den Rehabilitationsträgern erhalten, nicht zum Entgelt in Sinne des § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII gehört (SG Aachen; LSG Niedersachsen-Bremen; Thüringer Landessozialgericht a.a.O.).

Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird auch aus dem weiteren Wortlaut des § 43 SGB IX erkennbar, dass der Gesetzgeber zwischen dem Arbeitsentgelt und dem AFÖG unterscheidet und das AFÖG nicht Bestandteil des Entgelts aus einer Beschäftigung in einer WfbM ist.

Zutreffend verweist insoweit auch Schmidt (in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 82 SGB XII, Rn. 92) darauf, dass es nicht angezeigt sein dürfte, auf einen besonderen sozialpolitischen Anreiz nochmals einen Anreiz in Form eines Freibetrages aufzubauen.

Die Berechnung des Freibetrages nach § 82 Abs. 3 S. 2 SGB XII und des Barbetrags nach § 27b SGB XII durch den Beklagten ist im Übrigen nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Monate Januar und Februar 2016 wird auf die Berechnungen des SG in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, hinsichtlich der übrigen Monate auf die vom Senat geprüften Berechnungen in den Anlagen zum angefochtenen Bescheid vom 9. Februar 2015.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere besteht keine Divergenz und hat die Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung, ihre Beantwortung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.
Rechtskraft
Aus
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