L 9 KR 239/18 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 210 KR 965/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 239/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juli 2018 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage (S 210 KR 792/18) des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. September 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2018 wird angeordnet. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Eilverfahren bewilligt und Rechtsanwalt B, Berlin, beigeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für das Ausgangsverfahren zu 20 % und für das Beschwerdeverfahren zu 50 % zu erstatten.

Gründe:

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 10. Juli 2018 ist gemäß § 172, § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und teilweise begründet.

Das Sozialgericht hat den am 11. Juni 2018 gestellten und mit der Beschwerde noch weiterverfolgten Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,

1. die Ruhensanordnung für die Kranken- und Pflegeversicherung mit sofortiger Wirkung aufzuheben,

sowie

2. umgehend anzuordnen, dass die Antragsgegnerin das Verrechnungsersuchen gegen seine Rente bei der DRV Rheinland sofort zurücknimmt,

und

3. Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Thomas Buß, Riesaer Straße 89, 12627 Berlin beizuordnen,

teilweise zu Recht (Antrag zu 2.), im Übrigen zu Unrecht abgelehnt (Anträge zu 1. und 3.).

Der Antragsteller hat Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Anordnung des Ruhens seiner Leistungsansprüche und damit auch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Eilverfahren.

II. 1. Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG hat Erfolg, wenn das Aussetzungsinteresse eines Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des streitigen Bescheides überwiegt. Dies wiederum ist der Fall, wenn sich der angegriffene Bescheid bei der Entscheidung über den Antrag als offensichtlich rechtswidrig erweist und dies mit einer subjektiven Rechtsverletzung des oder der Belasteten einhergeht, weil an der sofortigen Vollziehung eines mit der Rechtsordnung nicht im Einklang stehenden Bescheides kein öffentliches Interesse besteht. Umgekehrt überwiegt das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs, wenn gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides offensichtlich keine Bedenken bestehen. In diesem Fall ist die aufschiebende Wirkung in aller Regel nicht anzuordnen. Erweisen sich die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens dagegen als offen, ist bei der Interessenabwägung der gesetzgeberischen Wertung, die zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung durch § 16 Abs. 3a Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. Satz 2 SGB V, § 16 Abs. 2 Satz 4 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) führt, grundsätzlich der Vorrang einzuräumen.

2. Das Begehren des Antragstellers, die Ruhensanordnung für die Kranken- und Pflegeversicherung vom 17. September 2015 aufzuheben, ist, verstanden nach § 123 SGG als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner vor dem Sozialgericht Berlin gegen den Bescheid erhobenen Klage, nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG zulässig. Hätte seine Klage insoweit aufschiebende Wirkung, würde eine Verwirklichungs- und Ausnutzungshemmung für die Ruhensanordnung der Antragsgegnerin vom 17. September 2015 eintreten, mit anderen Worten, die Antragsgegnerin dürfte aus der Ruhensanordnung keine rechtlichen Konsequenzen ziehen (näher Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 86b SGG, Rn. 207). Der Antrag ist – so verstanden – insbesondere statthaft, denn die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Ruhensbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids hat nach § 16 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 SGB V, § 16 Abs. 2 Satz 4 KSVG von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 06/16, § 16 SGB V, Rn. 62d unter Hinweis auf Entscheidungen des BSG). Auf ein besonderes Eilbedürfnis kommt es wegen der belastenden Wirkung der Anordnung über das Ruhen für den Antragsteller nicht an.

3. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin über das Ruhen der Leistungen vom 17. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2018 (S 210 KR 792/18) liegen vor.

Der Bescheid der Beklagten erweist sich bei summarischer Prüfung als derzeit rechtswidrig. Voraussetzung eines rechtmäßigen Bescheides über das Ruhen der Leistungen ist nach § 16 Abs. 3a Satz 2 i.V.m. Satz 1 SGB V, i.V.m. § 16 Abs. 2 KSVG, dass Mitglieder einer gesetzlichen Krankenversicherung mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate im Rückstand sind und trotz Mahnung nicht zahlen.

a. Der Antragsteller hat seit November 2014 keine Beitragsanteile mehr an die Antragsgegnerin entrichtet (dazu b.).

Es ist derzeit offen, ob er Mitglied der Antragsgegnerin und somit auch im Rückstand ist. Insoweit ist anzumerken:

Die Antragsgegnerin geht davon aus, dass der seit 1996 dauerhaft in Spanien lebende Antragsteller ab dem 01. April 2013 im Rahmen der Auffangversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei ihr Mitglied ist. Ob das tatsächlich zutrifft, muss im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Eine notwendige Voraussetzung einer Auffangversicherung ist, dass kein anderweitiger Versicherungsschutz besteht. Nach derzeitigem Stand ist der Antragsteller nicht in der Krankenversicherung der Rentner versichertes Mitglied der Antragsgegnerin, weil es an der erforderlichen Vorversicherungszeit zu fehlen scheint. Eine Familienversicherung nach § 10 SGB V liegt nach summarischer Prüfung ebenfalls nicht (mehr) vor.

Die Auffangversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V setzt voraus, dass sich eine versicherungspflichtige Person im Inland aufhält. Das ergibt sich sowohl aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/3100 S. 1 und S. 94) als auch aus § 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), § 30 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I, Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 3 SGB IV, Rn. 16). Das ist bei dem Antragsteller seit 1996 nicht mehr der Fall, er hat seinen Wohnsitz in Spanien. Allerdings könnte die europarechtskonforme Auslegung deutschen Rechts, konkret § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V i.V.m. § 3 Abs. 2 SGB IV, gebieten, den Antragsteller in die Versicherungspflicht einzubeziehen, weil er nach Europarecht in Spanien Leistungen erhält und die Antragsgegnerin Kosten zu erstatten hat.

Der Antragsteller könnte einen Anspruch auf Krankenversicherungsleistungen in Spanien aufgrund über-, bzw. zwischenstaatlichen Rechts, konkret Europäischen Sekundärrechts, haben. Für Deutsche, die ihren Wohnsitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben und eine Rente beziehen, bestimmt Art. 24 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004):

"Eine Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erhält und die keinen Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates hat, erhält dennoch Sachleistungen für sich selbst und ihre Familienangehörigen, sofern nach den Rechtsvorschriften des für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaates oder zumindest eines der für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaaten Anspruch auf Sachleistungen bestünde, wenn sie in diesem Mitgliedstaat wohnte. Die Sachleistungen werden vom Träger des Wohnorts für Rechnung des in Absatz 2 genannten Trägers erbracht, als ob die betreffende Person Anspruch auf Rente und Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats hätte."

Ausgehend von dieser Kollisionsvorschrift ist der Wohnsitzstaat primär kollisionsrechtlich zuständig und – wenn dieser keinen Anspruch auf Sachleistungen gewährt – an zweiter Stelle der rentengewährende Mitgliedstaat, wenn nach dem Recht dieses Staates ein Anspruch auf Leistungen bei Krankheit gegeben ist (Wohnsitzfiktion, zur Vorgängervorschrift des Art. 28 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 12 KR 8/10 R –, BSGE 113, 134-144, Rn. 22).

Voraussetzung für den Antragsteller ist, dass er im Wohnsitzstaat nach dessen nationalen Rechtsvorschriften keinen Anspruch auf Sachleistungen für das Risiko der Krankheit hat und § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einen solchen Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften des rentengewährenden Mitgliedstaates darstellt, der nur deshalb für den Antragsteller ausgeschlossen ist, weil er seinen Wohnsitz in Spanien hat, so dass nach Art. 24 VO (EG) 883/2004 ein Sachleistungsanspruch in Spanien gemeinschaftsrechtlich besteht.

Nach derzeitigem Stand bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller einen originären Anspruch nach spanischem Leistungsrecht auf Sachleistungen aus der spanischen Krankenversicherung hat.

Ob im Hinblick auf die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ein gemeinschaftsrechtlich begründeter Sachleistungsanspruch für ihn in Spanien besteht und dieser dann ein Versicherungsverhältnis begründet, ist offen.

Im Fall der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) ist anerkannt, dass die Verlegung eines Wohnsitzes z.B. nach Spanien nach deutschem Recht zur Beendigung der Mitgliedschaft (§ 3 Nr. 2 SGB IV) führt, dies aber europarechtlich weiter Leistungsansprüche begründet und im Ergebnis auch ein Versicherungsverhältnis zur Krankenkasse des rentengewährenden Mitgliedstaates. Das BSG begründet dies für Art. 28 EWGV 1408/71 (heute Art. 24 VO (EG) 883/2004) ausdrücklich damit, dass die Wurzel des Versicherungsschutzes im deutschen Recht liegt, weil der dortige Kläger als Rentner die Voraussetzungen für die KVdR erfüllte und nur deshalb keine Leistungsansprüche hatte, weil er seinen Wohnsitz in das EU-Ausland verlegt hat. Er hätte aber Versicherungsschutz, wenn er in Deutschland wohnen würde. Nur wenn das nationale Recht noch strengere Voraussetzungen aufstellte, der Kläger unabhängig von seinem Wohnsitz keinen automatischen Krankenversicherungsschutz hätte, müsse er sich – im Ausland – in eigener Verantwortung versichern (BSG, Urteil vom 16. Juni 1999 – B 1 KR 5/98 R –, BSGE 84, 98-108, Rn. 20; für die Krankenversicherung der Rentner zu Art. 28 EWGV 1408/71 ausgeführt von: BSG, Urteil vom 05. Juli 2005 – B 1 KR 4/04 R –, SozR 4-2400 § 3 Nr 2, Rn. 14 und Rn. 19 zu Art. 24 VO (EG) 883/2004), darauf Bezug nehmend, Urteil des Senates vom 10. Januar 2018 - L 9 KR 149/17 -, nachgehend: BSG, Beschluss vom 14. Juni 2018 - B 12 KR 13/18 B -).

Die europarechtlich begründeten Leistungsansprüche können Rückwirkungen auf ein Mitgliedschaftsverhältnis nach nationalen Vorschriften haben. Geht das Gemeinschaftsrecht, konkret Art. 24 VO (EG) 883/2004), davon aus, dass der Träger von Krankenversicherungsleistungen im rentengewährenden Mitgliedstaat im obigen Fall (KVdR) zur Kostenerstattung der Sachleistungen verpflichtet ist, die nach den Rechtsvorschriften im Wohnsitzstaat von diesem Leistungsträger zu gewähren sind, das maßgebliche deutsche Leistungsrecht auch eine Kostenerstattung aber grundsätzlich nur bei einem bestehenden Versicherungsverhältnis kennt (Ausnahme: § 19 Abs. 2 SGB V), so kann das auch zu einem Versicherungsverhältnis zur Krankenkasse im rentengewährenden Mitgliedstaat führen. Begründet zwar allein die europarechtliche Vorschrift wohl kein eigenständiges europarechtliches Versicherungsverhältnis zur deutschen zuständigen Krankenkasse, muss im Wege der Gesamtbetrachtung geprüft werden, ob und wenn welche wesentlichen Merkmale eines nationalen Versicherungsverhältnisses mit der europarechtlichen Leistungsgewährung erfüllt werden (BSG: Urteil vom 16. Juni 1999 – B 1 KR 5/98 R –, BSGE 84, 98-108, Rn. 13 ff.: der durch das Gemeinschaftsrecht begründete Status erfüllt die wesentlichen Merkmale eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des deutschen Rechts und Rn. 23 und Rn. 24 a.E.).

Ausgehend davon käme nach nationalem Recht, wenn – unabhängig vom Wohnsitz – bereits nach den weiteren Voraussetzungen kein Versicherungsverhältnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 – 11 SGB V möglich ist, sowohl ein Pflichtversicherungsverhältnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V als auch ein freiwilliges Mitgliedschaftsverhältnis in Betracht. Beide führten im Fall des Antragstellers zu einer Beitragspflicht und -erhebung nach § 240 SGB V (ggf. i.V.m. § 227 SGB V).

Erhält der aus Deutschland eine Rente beziehende Antragsteller einen Krankenversicherungsschutz nach allein nationalen Rechtsvorschriften nur deshalb nicht, weil er im Ausland seinen Wohnsitz hat, könnte sein Wohnort eine Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V trotz des Territorialitätsprinzips nicht ausschließen. Dies setzt aber voraus, dass allein der Rentenbezug als ausreichende Wurzel im deutschen Versicherungsrecht auch für die Krankenversicherung angesehen wird. Scheitert hingegen sein Anspruch nach deutschem Recht auch daran, dass er in Spanien bereits nach spanischem Recht wegen des Wohnsitzes einen Anspruch auf Zugang zu den Leistungen des dortigen Krankenversicherungssystems hat, so dürfte die Kollisionsnorm des Art. 24 VO (EG) 883/2004) keine Leistungsverpflichtung des zuständigen deutschen Trägers gemeinschaftsrechtlich begründen.

b. Sprechen nach derzeitigem Stand die überwiegenden Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller Mitglied der Antragsgegnerin ist, so befindet er sich mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für mindestens zwei Monate im Rückstand und hat diese trotz Mahnung bis dato nicht beglichen.

Dabei ergibt sich die Höhe der monatlich geschuldeten Beiträge zunächst aus dem bestandskräftigen Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 03. September 2013, den der Antragsteller gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zur Überprüfung gestellt hat und der auch Gegenstand des angefochtenen Widerspruchsbescheids vom 21. März 2018 ist. Ob dieser Bescheid rechtswidrig ist und der Antragsteller einen Anspruch auf seine Rücknahme hat, lässt sich nicht abschließend beantworten. Nach summarischer Prüfung ist der ausgeworfene Monatsbeitrag zur Krankenversicherung von seinerzeit 63,83 Euro, beruhend auf dem vorgelegten Einkommensnachweis (Rentenbescheid mit einer berücksichtigten Einnahme von monatlich 469,97 Euro) jedenfalls nicht evident rechtswidrig. Selbst wenn der Antragsteller aber einen geringeren Beitrag schuldete, hat er diesen nicht beglichen. Seine letzte Beitragszahlung datiert vom 06. November 2014 (Kontoauszug der Antragsgegnerin vom 10. Oktober 2017). Eine Rechtsgrundlage für eine gänzlich beitragsfreie Mitgliedschaft bei der Antragstellerin existiert nicht.

Dieses Ergebnis ergibt sich bereits aus dem Beschluss des SG Berlin vom 16. Dezember 2015 (S 122 KR 3914/15 ER) und der nachfolgenden Entscheidung des LSG im Beschwerdeverfahren (L 1 KR 67/16 B ER vom 22. März 2016). Auch diese hatten die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den Ruhensbescheid vom 17. September 2015 zum Gegenstand. Ausweislich dieser Entscheidungen war der Antragsteller bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Ruhensbescheides (September 2015) mit Beitragsanteilen für mindestens 2 Monate im Rückstand und hatte die Antragsgegnerin mit mehreren Schreiben, beginnend am 23. Mai 2015, die rückständigen Beiträge angemahnt (dazu bereits Beschluss des SG Berlin vom 16. Dezember 2015, S 122 KR 3914/15 ER, S. 3).

c. Unabhängig von alldem ist die Ruhensanordnung bereits deshalb rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin bis jetzt nicht geprüft hat, ob der Antragsteller hilfebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ist. Nach § 16 Abs. 3a Satz 4 SGB V endet in so einem Fall das Ruhen kraft Gesetzes. Das führt dazu, dass, wenn eine Krankenkasse eine Ruhensanordnung ausspricht, sie dementsprechend prüfen und feststellen muss, dass der betroffene Versicherte nicht hilfebedürftig ist oder dies mit der Ruhensanordnung oder in der Folgezeit wird (BSG Urt. v. 8.3.2016 - B 1 KR 31/15 R -, Rn. 15). Was mit dem Begriff der Hilfebedürftigkeit i.S. des SGB XII gemeint ist, definiert das Gesetz nicht näher. Der Wortlaut "Hilfebedürftigkeit" und der Vergleich mit dem ebenfalls im § 16 Abs. 3a Satz 4 SGB V genannten SGB II gebietet aber, ihn weit auszulegen und als hilfebedürftig, je nach persönlichem Anwendungsbereich, denjenigen zu sehen, der entweder leistungsberechtigt nach § 27 SGB XII oder nach § 41 SGB XII ist (so zutreffend: BeckOK SozR/Harich SGB V § 16 Rn. 29a, beck-online). Bereits das bedingt aber, eine mögliche Hilfebedürftigkeit nicht schon deshalb abzulehnen, weil der Versicherte dauerhaft seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat.

Für die ähnlich formulierte Vorschrift des § 51 Abs. 2 SGB I, wonach eine Aufrechnung u.a. mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte zulässig ist, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch "hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird", ist anerkannt, dass keine Unterscheidung danach zu treffen ist, welcher Nationalität der Sozialleistungsberechtigte ist oder ob er seinen Wohnsitz im In- oder Ausland hat. Maßgebend für die Hilfebedürftigkeit sind die besonderen Verhältnisse im Aufenthaltsland (zur Aufrechnung ausgeführt von: BSG, Urteil vom 12. April 1995 – 5 RJ 12/94 –, SozR 3-1200 § 51 Nr 4, SozR 3-1200 § 54 Nr 2, Rn. 16; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03. Januar 2013 – L 16 R 656/12 WA –, Rn. 26, juris). Ausgehend davon spricht einiges dafür, für Hilfebedürftigkeit des Antragstellers i.S. des § 16 Abs. 3a Satz 4 SGB V auf die Verhältnisse an seinem Wohnort in Spanien abzustellen. Die Antragsgegnerin hat nicht festgestellt, ob der Antragsteller mit dem Zeitpunkt des Ruhens (drei Tage nach Zugang) hilfebedürftig wurde oder es gegenwärtig ist, auch nicht in ihrem Widerspruchsbescheid vom 21. März 2018. Sie ist der Auffassung, für die Prüfung seien die Jobcenter oder Sozialämter zuständig und, da der Antragsteller in Spanien wohne, sei die Prüfung auch diesen nicht möglich.

Der Antragsteller bezieht eine monatliche Bruttorente von 519,53 Euro. Eine Hilfebedürftigkeit ist damit auch in Spanien nicht ausgeschlossen. Der Bescheid über das Ruhen ist derzeit rechtswidrig. Am Sofortvollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht regelmäßig kein öffentliches Interesse.

Aus der aufschiebenden Wirkung folgt ein umfassendes Ausnutzungs- und Verwirklichungsverbot für die Ruhensanordnung.

III. Das Begehren zu 2., gerichtet darauf, dass die Antragsgegnerin ihr Verrechnungsersuchen, gerichtet an die DRV Rheinland, zurücknimmt, hat keinen Erfolg. Handelt es sich bei dem Verrechnungsersuchen um ein Verwaltungsinternum zwischen zwei Sozialleistungsträgern, so könnte ein Antrag des Antragstellers allein nach § 86b Abs. 2 SGG auf eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand bzw. zur vorläufigen Regelung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft sein. Für den Antrag fehlt es allerdings an einem Rechtsschutzbedürfnis in doppelter Hinsicht. Der Antragsteller kann gegen die Verrechnungen durch den Träger der Leistungen der Rentenversicherung, die DRV Rheinland, Rechtsschutz, auch Eilrechtsschutz, suchen und ist darauf zu verweisen. Innerhalb des zulässigen Widerspruchs gegen die Verrechnung werden auch inzident die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Verrechnungsersuchens der Krankenkasse geprüft. Für einen eigenständigen vorgezogenen Rechtsschutz gegen das Verwaltungsinternum des Verrechnungsersuchens besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Zudem hat der Antragsteller nach Mitteilung der Antragsgegnerin vom 05. September 2018 bei der DRV Rheinland bereits Widerspruch erhoben und die DRV behält derzeit keine Beträge aufgrund des Verrechnungsersuchens ein.

IV. Im Hinblick auf die Erfolgsaussicht für den Antrag zu 1., die bereits für den Antrag beim SG bestand, war dem Antragsteller auf seinen Antrag hin Prozesskostenhilfe nach § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) zu bewilligen und der Beschluss des SG auch insoweit aufzuheben.

V. Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.

VI. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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