L 1 AS 3306/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 1763/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 3306/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Tarifliches Sterbegeld ist als laufendes Einkommen auf den grundsicherungsrechtlichen Bedarf anzurechnen.
Landessozialgericht Baden-Württemberg

L 1 AS 3306/16

S 5 AS 1763/14

Im Namen des Volkes
Urteil

Der 1. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2018 für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 29.07.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der SGB II-Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 wegen den Bedarf übersteigenden Einkommens (tarifliches Sterbegeld).

Der Ehemann der 1984 geborenen Klägerin verstarb am 05.12.2013. Am 09.12.2013 überwies der Arbeitgeber des verstorbenen Ehemannes, die K. G. KG in I. auf dessen Girokonto das Arbeitsentgelt für November 2013 in Höhe von 2.271,61 EUR.

Am 18.12.2013 beantragte die Klägerin für sich und ihre drei Kinder SGB II-Leistungen mit Wirkung ab dem 01.01.2014. Ausweislich der von ihr vorgelegten Verdienstbescheinigung (Bl. 14 VA) erzielte sie im Dezember ein monatliches Nettoeinkommen von 344,29 EUR aus versicherungspflichtiger Beschäftigung; das regelmäßige Grundgehalt (ohne die im Dezember ausgezahlte Sonderzuwendung von anteilig 24,10 EUR brutto) betrug brutto 321,32 EUR und netto (nach Abzug des Arbeitnehmerbeitrages zur kirchlichen Zusatzversorgung) 320,71 EUR (Bl. 97 VA). Außerdem bezog sie monatlich 558 EUR Kindergeld. Ab Februar 2014 betrug die Miete für die Familienwohnung insgesamt 640 EUR (491 EUR Kaltmiete zuzüglich 149 EUR Nebenkosten).

Der Beklagte bewilligte der Klägerin und ihren drei in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kindern mit Bescheid vom 20.01.2014 SGB II-Leistungen ab dem 01.01.2014. Ab Februar betrug die Höhe der bewilligten Leistungen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft monatlich insgesamt 1.132,76 EUR (492,76 EUR Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, 640 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU)), davon 587,95 EUR entfallend auf die Klägerin (427,95 EUR Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts inkl. Mehrbedarf für Alleinerziehende, 160 EUR KdU). Vom Regelbedarf für die Klägerin und ihre Kinder von 1.110 EUR zuzüglich Mehrbedarf für Alleinerziehende für die Klägerin in Höhe von 140,76 EUR (Summe: 1.250,76 EUR) und den KdU von insgesamt 640 EUR brachte der Beklagte 758 EUR anzurechnendes Einkommen in Abzug (Kindergeld 558 und Erwerbseinkommen von 350 EUR, letzteres bereinigt um die Freibeträge von insgesamt 150 EUR nach § 11b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB 2 in der Fassung vom 21.03.2013).

Nachdem der Beklagte im Februar 2014 vom Landratsamt R. die Mitteilung erhalten hatte, dass die Klägerin für ihre Kinder ab dem 01.03.2018 laufende Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz von insgesamt 446 EUR monatlich erhalten werde, senkte sie den Bewilligungsbetrag für die Bedarfsgemeinschaft ab dem 01.03.2014 mit Bescheid vom 10.02.2014 um diesen Betrag auf monatlich insgesamt 686,76 EUR ab, davon entfallend auf die Klägerin 535,75 EUR (375,75 EUR Regelleistungen und 160 EUR KdU).

Am 09.04.2014 teilte die Klägerin dem Beklagten unter Vorlage von Kontoauszügen mit, dass der ehemalige Arbeitgeber auf das Girokonto ihres Neffen am 30.01.2014 und 27.02.2104 je 2.536,14 EUR Sterbegeld überwiesen habe, welches dieser ihr jeweils am 01.02.2014 und am 01.03.2014 in bar ausgehändigt habe.

Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 09.04.2014 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für Februar und März 2014 wegen Einkommens ihres verstorbenen Ehemannes gestützt auf § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III auf. Eine Rückforderung der bereits erbrachten Leistungen für Februar 2014 werde geprüft. Für März 2014 erhielten die Klägerin und ihre Kinder keine Leistungen, sondern erst wieder ab dem 01.04.2014 in Höhe von 686,76 EUR.

Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2014 zurück. Vom Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemannes sei noch bis einschließlich Februar 2014 Arbeitseinkommen geleistet worden, welches ihr am 01.02.2014 und 01.03.2014 bar ausgezahlt worden sei. Laufende Einnahmen, zu denen auch laufendes Erwerbseinkommen gehöre, seien in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zuflössen. Das Gesamteinkommen der Klägerin und ihrer Familienangehörigen sei im streitigen Zeitraum höher gewesen als ihr Bedarf von monatlich 1.890,76 EUR, so dass keine Hilfebedürftigkeit bestanden habe.

Hiergegen hat die Klägerin vertreten durch ihren Bevollmächtigten am 16.07.2014 Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter seiner Beiordnung beantragt. Sie hat geltend gemacht, bei dem Sterbegeld handele es sich um eine zweckbestimmte Einnahme; es sei zur Abdeckung der Beerdigungskosten von insgesamt 4.385,54 EUR bestimmt gewesen und dafür von der Klägerin auch verwendet worden. Die Friedhofsgebühren der Stadt R. von 2.025 EUR (Gebührenbescheid vom 08.01.2014) hat die Klägerin durch Überweisung am 23.01.2014 beglichen, die Forderung des Bestattungsunternehmens (Rechnung vom 13.12.2013) von 1.889,54 EUR am 18.02.2014, ebenfalls durch Überweisung. Für Blumenschmuck hat sie 471 EUR aufgewendet (Rechnung vom 02.01.2014).

Der Beklagte hat darauf verwiesen, dass die überzahlten Leistungen für Februar durch Erstattungsleistungen der Unterhaltsvorschusskasse und der Deutschen Rentenversicherung abgedeckt worden seien, so dass von der Klägerin keine Erstattung zu leisten sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.07.2016 hat das SG die Klage abgewiesen und die Gewährung von PKH abgelehnt. Das Sterbegeld sei einzusetzendes Einkommen. Es handele sich nicht um eine Leistung, die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werde und deshalb nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II von der Anrechnung ausgenommen sei. Es handele sich auch nicht um Zuwendungen i.S.d. § 11a Abs. 5 SGB II, die ein anderer erbracht habe, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, sondern eine Leistung aufgrund arbeits- und tarifvertraglicher Vereinbarung, die den ehemaligen Arbeitgeber der Klägerin zur Auszahlung des Sterbegeldes verpflichtet habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 01.09.2016 Berufung eingelegt und die Gewährung von PKH für das Berufungsverfahren beantragt. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen hat sie ausgeführt, auch die Rechnung für Blumenschmuck beglichen zu haben. Sie hat bestätigt, die Auszahlung auf das Konto ihres Neffen selbst veranlasst zu haben, welcher ihr den Betrag jeweils zu Beginn des Folgemonats in bar ausgehändigt habe. Es habe sich bei den Zahlungen um die "tarifvertragliche Leistung Sterbegeld" gehandelt. Die Klägerin ist der Auffassung, nach dem Begriff und dem klar erkennbaren Sinn und Zweck des Sterbegeldes verfolge der Leistungserbringer den Zweck die mit dem Todesfall zusammenhängenden finanziellen Belastungen für den Versicherten abzufangen oder jedenfalls zu mildern. Als Bestattungsverpflichtete sei sie verpflichtet, die überlassenen Mittel auch zweckentsprechend einzusetzen. Sterbegeld sei in der Vergangenheit von der Rechtsprechung auch als zweckbestimmte Einnahme und nicht als Einkommen angesehen worden; hieran könne die Neufassung des § 11a SGB II im Jahr 2011 nichts ändern. Außerdem würden die Sozialämter bei Anträgen auf Bestattungskosten das Sterbegeld anrechnen. Reiche dieses aus, um die Bestattungskosten zu decken, übernehme das Sozialamt diese nicht.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 29.07.2016 und den Bescheid des Beklagten vom 09.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er hat darauf verwiesen, dass das Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin unter Berücksichtigung des Sterbegeldes in den streitigen Monaten deutlich über dem Bedarf gelegen habe. Die für Februar 2014 bewilligten Leistungen in Höhe von 1.132,76 EUR seien nicht zurückgefordert, sondern durch Erstattungsansprüche gegen die Unterhaltsvorschusskasse und gesetzliche Rentenversicherung befriedigt worden. Für März 2014 seien keine Leistungen erbracht worden.

Die K. G. KG hat mit Schreiben vom 08.08.2018 bestätigt, das Sterbegeld an den verstorbenen Ehemann der Klägerin in Höhe von je 2.735,14 EUR im Januar und Februar 2014 auf Grundlage des Rahmentarifvertrages für die Beschäftigten der Steine- und Erdenindustrie in Baden-Württemberg vom 01.05.2005 geleistet zu haben.

Mit Beschluss vom 06.08.2018 hat der Senat die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet.

Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 09.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat die Klage zutreffend abgewiesen. Der Beklagte hat die der Klägerin am 01.02.2014 und am 01.03.2014 zugeflossenen je 2.536,14 EUR Sterbegeld des Arbeitgebers ihres verstorbenen Ehemannes im Ergebnis zu Recht auf den Bedarf ihrer Bedarfsgemeinschaft im Februar und März 2014 von 1.890,76 EUR mit dem Ergebnis des Entfallens eines SGB II-Leistungsanspruchs angerechnet.

Einer vorherigen Anhörung der Klägerin vor Erlass der Aufhebungsentscheidung bedurfte es nicht, denn diese stützte sich auf die von ihr selbst am 09.04.2014 abgegebene Erklärung samt vorgelegter Kontoauszüge (§ 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X). Außerdem wurde eine fehlende Anhörung jedenfalls durch das Widerspruchsverfahren nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 165/11 R = SozR 4-1300 § 50 Nr. 3 Rn. 13 f.)

Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Leistungsbescheide vom 20.10.2014 (Februar 2014) und vom 10.02.2014 (März 2014) ist § 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in der Fassung vom 13.5.2011 (a.F.) und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III in der seit dem 20.12.2011 geltenden Fassung. Hiernach ist, da §§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a.F. i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB II abweichend von dem "Soll-Ermessen" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB II eine Aufhebung durch gebundene Entscheidung anordnen, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit [ ] (3.) nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

Die Klägerin hat im streitigen Zeitraum Einkommen erzielt, das aufgrund seiner Höhe zum Wegfall des SGB II-Anspruchs der Klägerin und der mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder geführt hat (§ 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 SGB II). Wegen des von ihr am 01.02.2014 und am 01.03.2014 in bar von ihrem Neffen erhaltenen Sterbegeldes, einem monatlichen Einkommenszufluss in Höhe von jeweils 2.536,14 EUR, der einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin und ihrer drei Kinder von 1.890,76 EUR gegenüber stand, hatte Klägerin mangels Hilfebedürftigkeit i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB II im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Freibeträge nach § 11b SGB II.

Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 13.05.2011 ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II gilt (im Grundsatz) jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist (BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 71/12 R –, SozR 4-4200 § 9 Nr. 12, Rn. 16).

Bei dem Sterbegeld handelte es sich um Einkommen, nicht um Vermögen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB 2 in der hier anzuwendenden Fassung vom 13.5.2011 (a.F.) sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge. Nicht zu berücksichtigen sind die in § 11a SGB II a.F. genannten Einnahmen. Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Einkommenszurechnung entsprechend der modifizierten Zuflusstheorie auszugehen vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (st. Rspr. seit BSG vom 30.07.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 17 Rn. 23; vgl., auch zum Nachfolgenden, BSG, Urteil vom 25.10.2017 – B 14 AS 35/16 R –SozR 4-4200 § 11 Nr. 82, Rn. 27). Ein solcher Zufluss ergibt sich bei einem Erbfall aus § 1922 Abs. 1 BGB, nach dem mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben übergeht (Gesamtrechtsnachfolge). § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II setzt nicht voraus, dass der Einnahme bereits ein "Marktwert" zukommt. Entscheidend für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist daher, ob der Erbfall jedenfalls vor der (ersten) Antragstellung eingetreten ist (BSG Urteil vom 25.01.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47 Rn. 20 m.w.N., Urteil vom 17.02.2015 – B 14 KG 1/14 R –, SozR 4-4200 § 11 Nr. 69, SozR 4-4200 § 12 Nr. 25, Rn. 17).

Es kann hier offenbleiben, ob - was naheliegt - die Klägerin Erbin ihres verstorbenen Ehemannes geworden ist. Denn das ausgezahlte Sterbegeld war nicht Teil des Erbes, sondern eine tarifvertragliche Leistung, auf die die Klägerin als Ehegattin durch den Arbeitsvertrag ihres verstorbenen Ehemannes in Verbindung mit dem anspruchsvermittelnden Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten der Steine- und Erdenindustrie nach dessen Versterben einen unmittelbaren Anspruch gegen die K. G. KG erworben hat (vgl. etwa zu § 22 Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen vom 29.02.1988: Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 16.01.1991 - 4 AZR 341/90 - NJW 1991, 2100, Rn. 14-16, juris). Ebenso wie ein Individualvertrag zugunsten Dritter kann auch ein Tarifvertrag zugunsten Dritter abgeschlossen werden. Hauptanwendungsbereich ist die Hinterbliebenenversorgung. Tarifverträge können somit auch Sterbebeihilfen für Hinterbliebene regeln (BAG, Urteil vom 04.04.2001 – 4 AZR 242/00 –, Rn. 19, juris).

Der Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten der Steine- und Erdenindustrie, gültig ab 01.05.2005, enthält unter § 12 II. 1. folgende Regelung: "Stirbt der Beschäftigte, so ist an den Ehepartner oder, falls der Beschäftigte am Todestag nicht verheiratet war, an unterhaltsberechtigte Angehörige ein Sterbegeld zu zahlen. Die Feststellung der Anspruchsberechtigung trifft der Arbeitgeber im Einvernehmen mit dem Betriebsrat." Nr. 2 regelt die Höhe des Sterbegeldes, welches nach Nr. 2.1 bei einer Betriebszugehörigkeit am Tage des Todes von mehr als einem Jahr zwei Brutto-Monatslöhne/Gehälter beträgt und nach Nr. 2.2 erst ab einer Betriebszugehörigkeit von mehr als fünf Jahre drei Brutto-Monatslöhne/Gehälter.

Wie nachgezahltes Arbeitsentgelt (vgl. BSG vom 24.04.2015 - B 4 AS 32/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 72 Rn. 14 m.w.N.) und die bei einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung wegen Verlustes des Arbeitsplatzes (BSG vom 03.03.2009 - B 4 AS 47/08 R - BSGE 102, 295 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 24, Rn. 12 ff) ist auch Sterbegeld als einzusetzendes Einkommen zu berücksichtigen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin die Sterbegeldforderung gegen den Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemannes bereits am 05.12.2013 und damit vor Antragstellung erworben hat. Denn nach § 11 SGB II ist im Falle der Erfüllung einer (Geld-) Forderung grundsätzlich nicht deren Schicksal von Bedeutung, sondern es kommt maßgeblich auf die die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert an (BSG, Urteil vom 24. April 2015 – B 4 AS 32/14 R –, a.a.O., Rn. 14).

Es handelte sich um laufende Einnahmen und nicht um eine einmalige Einnahme, weshalb der Beklagte das Sterbegeld im Februar und März 2014 zu Recht angerechnet haben dürfte und nicht gehalten war, die Einnahmen erst ab März 2014 aufgeteilt auf einen Sechsmonatszeitraum anteilig anzurechnen. Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II a.F.). Dasselbe gilt für einmalige Einnahmen nur, wenn für den Monat ihres Zuflusses nicht bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind (§ 11 Abs. 3 Sätze 2 und 3 SGB II a.F.); anderenfalls sind sie erst im Folgemonat zu berücksichtigen. Entfällt bei einmaligen Einnahmen der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II a.F.). Nach der in Rechtsprechung und Schrifttum übereinstimmend vorgenommenen Abgrenzung sind laufende Einnahmen solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden, bei einmaligen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung. Maßgeblich ist nicht die tatsächlich erfolgte Auszahlungsweise, sondern ob Zahlungen aus ihrem Rechtsgrund heraus regelmäßig zu erbringen sind (BSG, Urteil vom 24. April 2015 – B 4 AS 32/14 R –, SozR 4-4200 § 11 Nr. 72, juris, Rn. 16 f. m.w.N.). Das Sterbegeld, das Ende Januar bzw. Ende Februar 2014 auf das gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemannes von der Klägerin als Empfängerkonto angegebene Konto ihres Neffen überwiesen worden ist, knüpfte sowohl zeitlich als auch in Bezug auf die Höhe an das zuvor vom verstorbenen Ehemann erzielte monatliche Gehalt an und wurde von dessen ehemaligem Arbeitgeber in zwei Monatsbeträgen ausgezahlt. Dafür, dass stattdessen eine Auszahlung in einem Betrag geschuldet gewesen wäre, enthält der hier maßgebliche Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten der Steine- und Erdenindustrie, der in § 12 II. 2.1 ausdrücklich die Leistung des Sterbegeldes in Gestalt von zwei Bruttomonatslöhnen bzw.- gehältern vorsieht, und in § 7 II. 1. den Arbeitgeber zur monatlichen Lohn- und Gehaltsabrechnung verpflichtet, keine Anhaltspunkte.

Vorliegend steht einer Anrechnung des Sterbegeldes keine der in § 11a SGB II a.F. normierten Ausnahmen entgegen. § 11a Abs. 1 und Abs. 2 SGB II a.F. sind von vornherein nicht einschlägig; es handelt sich beim Sterbegeld weder um Rentenleistungen nach Bundesversorgungs- oder Bundesentschädigungsgesetz, noch um Schadensersatzleistungen. § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F., wonach Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklichen genannten Zweck erbracht werden, nur so weit zu berücksichtigen sind, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen, greift hier bereits deshalb nicht ein, weil das Sterbegeld von der K. G. KG aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarungen erbracht worden ist und damit nicht von einem Träger öffentlich-rechtlicher Verwaltung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften. Es handelt sich auch nicht um zweckbestimmte Einnahmen i.S. des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Nach der Rechtsprechung des BSG wäre für eine Privilegierung nach dieser Vorschrift erforderlich, dass es sich um eine in ihrer Verwendung (nicht dem Grund der Entstehung) zweckbestimmte Einnahme handelt (BSG, Urteil vom 24.08.2017 – B 4 AS 9/16 R –, SozR 4-4200 § 11b Nr 10, Rn. 26 m.w.N., so schon BVerwG vom 18.02.1999 - 5 C 14/98 - juris Rn. 10; final "zu etwas" zweckbestimmt so: Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a RdNr 126b, Stand VII/17). Eine solche Zweckbestimmung aber kann dem Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten der Steine- und Erdenindustrie im Hinblick auf das Sterbegeld nicht entnommen werden.

Ebenfalls findet § 11a Abs. 4 SGB II a.F. hier keine Anwendung, wonach Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege grundsätzlich nicht als Einkommen anzurechnen sind. Weder das SGB II noch das SGB XII enthalten eine Definition der Freien Wohlfahrtspflege. Die freie Wohlfahrtspflege unterstützt die Sozialhilfeträger durch private Organisationen (nicht als beliehene Träger öffentlicher Verwaltung; BVerfGE 22, 180 ff) bei ihren Aufgaben nach dem SGB XII angemessen, ist in der Gestaltung ihrer Arbeit aber völlig frei. Unter Wohlfahrtspflege ist deshalb eine planmäßige, ohne Gewinnerzielungsabsicht und zum Wohle der Allgemeinheit neben dem Staat und öffentlichen Trägern ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder abhelfende Betreuung und/oder Hilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete, notleidende oder sonst sozial benachteiligte Personen, die auch über die Ziele einer bloßen Selbsthilfeorganisation hinausgeht, zu verstehen (BSG, Urteil vom 28.02.2013 – B 8 SO 12/11 R –, BSGE 113, 86-92, SozR 4-3500 § 84 Nr. 1, juris, Rn. 15). Die K. G. KG ist ein gewinnorientiertes Unternehmen; die von dieser gewährten tarifvertraglichen Leistungen dienen nicht in erster Linie dem Wohl der Allgemeinheit, sondern dem Wohl des Unternehmens und der dort beschäftigten Arbeitnehmer.

Ebenfalls greift § 11a Abs. 5 SGB II a. F. nicht ein, wonach Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, soweit (1.) ihre Berücksichtigung für den Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder (2.) sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Da es sich beim Sterbegeld um eine tarifvertragliche Leistung handelt, ist die Leistung durch die K. G. KG aufgrund einer Rechtspflicht erfolgt.

§ 11 Abs. 3 Nr. 1 a) SGB 2 in der Fassung vom 05.12.2006, auf den die Klägerin sich in ihrer Berufungsbegründung gestützt hat, wonach zweckbestimmte Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen waren, soweit sie einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienten und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussten, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt gewesen wären, kommt hier nicht zur Anwendung. Denn diese Regelung wurde zum 01.04.2011 abgelöst durch § 11a Abs. 5 SGB 2 in der Fassung vom 13.05.2011, die hier Anwendung findet, da streitbefangen der Zeitraum 01.02.2014 bis 31.03.2014 ist. Nach der hier anzuwendenden Gesetzesfassung kommt es nicht mehr darauf an, ob private Zuwendungen zweckbestimmt geleistet worden sind, zugleich sind seit dem 01.04.2011 im Zuge der vom Gesetzgeber intendierten Angleichung der Regelungen von SGB II und SGB XII Zuwendungen nur noch anrechnungsfrei, die ein anderer erbringt, ohne eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 94, Schmidt in: Eicher/Luik, 4. Auflage 2017, § 11a Rn. 40), was beim tarifvertraglich geschuldeten Sterbegeld nicht der Fall ist. Es kommt hiernach auch nicht darauf an, ob die Klägerin, wie sie vorgetragen hat, das Sterbegeld insgesamt oder zumindest erhebliche Teile davon für die Begleichung der aufgrund der Beerdigung ihres verstorbenen Ehemannes entstandenen Forderungen verwendet hat.

Bei den von der Klägerin getragenen Bestattungskosten von insgesamt 4.385,54 EUR handelt es sich im Hinblick auf das hier im Streit stehende tarifliche Sterbegeld auch nicht um mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben i.S.d. § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II. Zwar sind nach Auffassung einiger Landessozialgerichte (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.02.2015 - L 11 AS 1356/14 B ER -, Rn. 12, nach juris und LSG Hamburg, Urteil vom 23.02.2017 - L 4 AS 277/16 - Rn. 34, nach juris) Bestattungskosten von Einkünften aufgrund einer Erbschaft als damit verbundene notwendige Ausgaben abzusetzen, weil nach § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers zu tragen hat. Das der Klägerin am 01.02.2014 und 01.03.2014 zugeflossene Sterbegeld, dessen Anrechnung hier im Streit steht, ist aber nicht Teil der Erbschaft. Der Anspruch darauf findet seinen Rechtsgrund im Arbeitsverhältnis des Verstorbenen (Vertrag zugunsten Dritter); er kann von dem jeweiligen Ehegatten (hier also der Klägerin) gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber des Verstorbenen unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis des Verstorbenen und unabhängig vom Bestehen eines Erbanspruchs geltend gemacht werden.

Soweit das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ((LSG NRW), Beschluss vom 01.12.2010 - L 7 AS 1526/10 B -, Rn. 5, nach juris) eine einkommensmindernde Berücksichtigung von Beerdigungskosten bei Auszahlung einer Lebensversicherung als "unter dem Gesichtspunkt einer besonderen Härte i.S.d. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II gerechtfertigt" angesehen hat, folgt der Senat dem für den vorliegenden Fall nicht. Ausweislich der Gründe des Beschlusses des LSG NRW (a.a.O. Rn. 4, nach juris) hat es sich bei der Lebensversicherung - wie bei dem hier streitbefangenen Sterbegeld auch - um Einkommen und nicht um Vermögen gehandelt, was der Anwendbarkeit von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II hier vorliegend von vornherein entgegen steht.

Ob das Sterbegeld einem Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten durch das Sozialamt nach § 74 SGB XII entgegensteht, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits (vgl. dazu aber Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.09.2013 – L 15 SO 26/11 –, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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