L 2 AL 51/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 16/17
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 51/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über zwei Sperrzeiten wegen Nichtteilnahme an Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung.

Der am xxxxx 1979 geborene Kläger, der zuletzt in einer Werbeagentur tätig war, meldete sich am 15. Dezember 2015 arbeitslos. Mit Bewilligungsbescheid vom 22. Dezember 2015 wurde dem Kläger vorläufig Arbeitslosengeld vom 15. Dezember 2015 bis zum 6. September 2016 in Höhe von kalendertäglich 62,10 Euro bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 8. Februar 2016 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld vom 15. Dezember 2015 bis zum 6. Dezember 2016 in gleicher Höhe bewilligt.

Der Kläger wurde mit Schreiben der Beklagten vom 15. Juli 2016 einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung "Langzeitarbeitslosigkeit vermeiden (LAV)" nach § 45 Abs. 1 S. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) zugewiesen. Die Maßnahme sollte zum 17. August 2016 beginnen und am 11. Oktober 2016 enden. Das Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung, dass eine Sperrzeit eintrete, wenn die Teilnahme an der Maßnahme ohne wichtigen Grund abgelehnt werde. Die Sperrzeit dauere im Falle des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens drei Wochen, im Falle des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens sechs Wochen. Während der Sperrzeit ruhe der Anspruch auf Leistungen. Die Anspruchsdauer mindere sich um die Tage einer Sperrzeit.

Der Kläger trat die Maßnahme nicht an. Die Beklagte hörte ihn daraufhin mit Schreiben vom 23. August 2016 zum Eintritt einer Sperrzeit an.

Mit Schreiben vom 29. September 2016 wies die Beklagte den Kläger erneut der Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung "Langzeitarbeitslosigkeit vermeiden (LAV)" nach § 45 Abs. 1 S. 1 SGB III zu. Die Maßnahme sollte zum 19. Oktober 2016 beginnen und am 6. Dezember 2016 enden. Das Schreiben enthielt die gleiche Rechtsfolgenbelehrung wie das Schreiben vom 15. Juli 2016.

Der Kläger trat die Maßnahme wiederum nicht an. Die Beklagte hörte ihn daraufhin mit Schreiben vom 20. Oktober 2016 zum Eintritt einer Sperrzeit an. Der Kläger teilte mit, dass er sich zum fraglichen Zeitpunkt der Maßnahme in äußerst konkreten Jobverhandlungen und diversen weiteren Personalgesprächen befunden habe. Aus der Anordnung der Maßnahme sei auch nicht hervorgegangen, um welche Kursinhalte es sich handeln würde und inwieweit diese ihm nützlich seien. Da es sich vermutlich um ein allgemeines Bewerbertraining gehandelt habe, sei ihm dieses in seiner Situation auch ungeeignet erschienen, da er in den zurückliegenden 15 Berufsjahren mit ständig steigender Intensität administrative Aufgaben, insbesondere im Personalbereich zu verantworten gehabt habe. Bewerbungen, Bewerbungsgespräche und Mitarbeiterentwicklung seien seine tägliche Arbeit gewesen. Außerdem würden sich Jobanbahnungen in seiner Branche anders darstellen und eher auf informeller Ebene erfolgen. Bewerbungen nach allgemeinen Regeln seien unüblich. Er befinde sich in permanentem Austausch mit potentiellen Arbeitgebern und erbringe gerne entsprechende Nachweise.

Mit Bescheid vom 28. November 2016 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 18. August bis zum 7. September 2016 fest. Dem Kläger sei am 15. Juli 2016 die Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Eingliederung angeboten worden. In dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld werde für diesen Zeitraum ganz aufgehoben. Ein wichtiger Grund für die Nichtteilnahme an der Maßnahme liege nicht vor. Die Sperrzeit dauere drei Wochen, weil es sich um das erste versicherungswidrige Verhalten gehandelt habe. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 21 Tage.

Mit weiterem Bescheid vom 28. November 2016 stellte die Beklagte den Eintritt einer weiteren Sperrzeit für die Zeit vom 20. Oktober 2016 bis zum 30. November 2016 fest. Dem Kläger sei am 29. September 2016 die Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Eingliederung angeboten worden. In dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld werde für diesen Zeitraum ganz aufgehoben. Ein wichtiger Grund für die Nichtteilnahme an der Maßnahme liege nicht vor. Die Sperrzeit dauere sechs Wochen, weil es sich um das zweite versicherungswidrige Verhalten gehandelt habe. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 42 Tage.

Mit Änderungsbescheid vom 28. November 2016 setzte die Beklagte die Sperrzeiten um und erließ am 28. November 2016 einen Erstattungsbescheid, mit dem sie Arbeitslosengeld für die Zeit vom 18. August 2016 bis zum 7. September 2016 in Höhe von 1.242 Euro erstattet verlangte.

Der Kläger legte gegen die Bescheide vom 28. November 2016 jeweils Widerspruch ein und berief sich auf seine Begründung im Anhörungsverfahren. Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2016 zurück. Die Sperrzeiten seien rechtmäßig festgesetzt worden. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar. Die Teilnahme sei insbesondere deshalb zumutbar, weil der Kläger von Langzeitarbeitslosigkeit bedroht gewesen sei und die angebotene Maßnahme zur Unterstützung zwecks Arbeitsaufnahme gedient habe. Der Kläger hätte sich im Übrigen mit der Beklagten in Verbindung setzen können, um seine Bedenken zu äußern und die Inhalte der Maßnahme zu besprechen. Der Arbeitslosengeldbescheid sei auch nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) abzuändern gewesen. Der Kläger habe eine Belehrung über mögliche Rechtsfolgen erhalten. Diese Belehrung sei vollständig und verständlich gewesen. Es liege somit grobe Fahrlässigkeit vor, weil der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe. Deshalb sei der Bewilligungsbescheid zwingend ab der Änderung der Verhältnisse aufzuheben gewesen. Bereits gezahlte Leistungen seien nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Die Beklagte sei daher berechtigt gewesen, für den Zeitraum vom 18. August 2016 bis 7. September 2016 Leistungen erstattet zu verlangen.

Der Kläger hat hiergegen am 10. Januar 2017 Klage erhoben. Die Klagebegründung hat im Wesentlichen der Begründung im Widerspruchsverfahren entsprochen. Des Weiteren hat der Kläger seine E-Mail-Korrespondenz zu seinen Bemühungen um eine neue Beschäftigung für die Zeit vom 7. Juli 2015 bis 30. November 2016 vorgelegt. Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, dass die Beklagte nicht dargelegt habe, wie die angebotene Maßnahme ihm hätte dienen können. Der Kläger habe in den vorangegangen 15 Berufsjahren administrative Aufgaben insbesondere im Personalbereich gehabt und Personalverantwortung für 60 bis 80 Mitarbeiter wahrgenommen.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass dem Kläger die Teilnahme an der Maßnahme durchaus zumutbar gewesen sei, weil der Kläger von Langzeitarbeitslosigkeit bedroht gewesen sei und die angebotene Maßnahme der Arbeitsaufnahme gedient habe. Im Übrigen wäre es dem Kläger auch durchaus zumutbar gewesen, das Gespräch mit der Beklagten zu suchen, soweit Bedenken hinsichtlich der Maßnahme generell und deren Inhalten speziell bestanden hätten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. August 2017 abgewiesen. Der Kläger sei zum Zeitpunkt, als ihm die erste Maßnahme angeboten worden sei, bereits über ein Jahr beschäftigungslos gewesen. An der Sinnhaftigkeit einer Teilnahme an der Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung "Langzeitarbeitslosigkeit vermeiden" könne daher nicht ernsthaft gezweifelt werden. Es sei auch nicht plausibel, dass die vom Kläger vorgenommenen Eigenbemühungen einer Teilnahme an der Maßnahme entgegengestanden hätten. E-Mails könnten jederzeit geschrieben werden und seien vom Kläger auch meist nach 17 Uhr geschrieben worden. Die vom Kläger vorgetragenen Erfahrungen im Personalbereich hätten über ein Jahr nicht zu einer erfolgreichen Bewerbung geführt, so dass durchaus Handlungsbedarf bestanden habe.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat gegen den ihm am 5. September 2017 zugegangenen Gerichtsbescheid vom 30. August 2017 am 5. Oktober 2017 Berufung eingelegt. Die Beklagte hätte dem Kläger Informationen zu Inhalt und Umfang der Maßnahme zukommen lassen müssen. Außerdem habe das Gericht nicht hinreichend die Lebenswirklichkeit in der Branche des Klägers berücksichtigt. Es sei dort durchaus üblich, dass sich Jobanbahnungen über Wochen und Monate erstreckten, so dass in der speziellen Situation des Klägers kein Bedarf bestanden habe, einer Langzeitarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Zudem habe der Kläger durch seine Eigenbemühungen am 1. Januar 2017 eine neue Beschäftigung aufgenommen. Jedenfalls die zweite Sperrzeit sei ungerechtfertigt, weil eine zweite Sperrzeit erst festgestellt werden könne, wenn bereits eine erste Sperrzeit festgestellt worden sei. Dies ergebe sich zwar nicht aus dem Wortlaut, aber aus dem Sinn und Zweck der Norm.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 30. August 2017 und die Bescheide vom 28. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ihrerseits verweist auf entgegenstehende Rechtsprechung hinsichtlich des Erfordernisses der Feststellung einer ersten Sperrzeit.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift vom 29. August 2018 sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Verwaltungsakte.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG), aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide vom 28. November 2016 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die Beklagte hat zu Recht mit einem der Bescheide vom 28. November 2016 eine Sperrzeit gegen den Kläger für die Zeit vom 18. August 2016 bis zum 7. September 2016 festgestellt. Nach § 159 Abs. 1 SGB III ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach Satz 2 Nr. 4 vor, wenn der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung im Sinne des § 45 SGB III teilzunehmen. Der Kläger hat die Maßnahme "Langzeitarbeitslosigkeit vermeiden (LAV)" nach § 45 SGB III nicht angetreten. Er beruft sich u. a. darauf, dass die Maßnahme nicht bestimmt genug gewesen sei. Die Anforderungen an die Bestimmtheit dürfen jedoch nicht überspannt werden. Der Kläger hat weder die Möglichkeit genutzt, sich bei der Beklagten noch beim Träger nach den genauen Inhalten der Maßnahme zu erkundigen. Zudem argumentiert der Kläger damit, dass er die Maßnahme nicht gebraucht habe, weil er sich allgemein im Personalbereich und insbesondere mit Bewerbungen sehr gut auskenne. Dies spricht jedoch dafür, dass der Kläger sehr wohl in der Lage war, sich auch unter dem pauschalen Thema der Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit konkrete Inhalte vorzustellen. Die Maßnahme war auch zumutbar. Der Kläger war zu Beginn der Maßnahme im August 2016 bereits seit 9 Monaten arbeitslos. Dies spricht nicht dafür, dass er über ausreichend Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt hat, um schnell eine neue Beschäftigung zu finden, und zwar auch außerhalb der von ihm gewünschten Branche. Soweit der Kläger auf seine große Erfahrung im Personalbereich mit Bewerbungen, Bewerbungsgespräche und Mitarbeiterentwicklung verweist, betont er jedoch gleichzeitig, dass sich in seiner Branche Bewerbungen ganz anders als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt darstellen würden. Bewerbungen nach allgemeinen Regeln seien unüblich. Auch aus diesem Grund dürfte ein Bewerbungstraining durchaus sinnvoll gewesen sein. Dies bestätigt sich auch darin, dass der Kläger erst nach über einjähriger Arbeitslosigkeit eine neue Beschäftigung gefunden hat. Eine Förderung der Maßnahme durch Weiterzahlung des Arbeitslosengeldes wurde schriftlich zugesagt. Die Zuweisung in die Maßnahme enthielt auch eine ordnungsgemäße Belehrung über die Rechtsfolgen der Nichtteilnahme an der Maßnahme. Einen wichtigen Grund für den Nichtantritt der Maßnahme hat der Kläger ebenfalls nicht mitgeteilt. Hinsichtlich des Beginns der Sperrzeit am Tag nach Nichtantritt der Maßnahme am 18. August 2016 sowie der Dauer der Sperrzeit für 3 Wochen bestehen keine Bedenken. Auch die Minderung der Anspruchsdauer um 21 Tage ist nach § 148 Abs. 1 Nr. 3 SGB III rechtmäßig.

Die Beklagte hat auch zu Recht mit Bescheid vom 28. November 2016 eine Sperrzeit wegen des Nichtantritts der Maßnahme am 19. Oktober 2016 festgestellt. Hinsichtlich der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Sperrzeit wird auf die obigen Ausführungen zur ersten Sperrzeit verwiesen, die die inhaltsgleiche Maßnahme betraf. Es durfte auch eine Sperrzeit von sechs Wochen zugrunde gelegt werden. Nach § 159 Abs. 4 S. 1 SGB III beträgt die Dauer der Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme im Fall des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art drei Wochen und im Fall des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art sechs Wochen. Umstritten ist, ob ein zweites versicherungswidriges Verhalten erst dann vorliegen kann, wenn das erstmalige versicherungswidrige Verhalten zuvor durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist (befürwortend Sächsisches LSG, Urteil vom 5. Februar 2016 – L 3 AL 199/15, juris; SG Kassel, Urteil vom 7. November 2012 – S 7 AL 214/10, juris; Vagolio, in: Hauck/Noftz, SGB III, Stand: September 2014, § 159 Rn. 481; Karmenski, in: Brand, SGB III, 7. Aufl., § 159 Rn. 167; Winkler, in: Gagel SGB II/SGB III, Stand: März 2018, § 159 SGB III Rn. 369; ablehnend Hessisches LSG, Urteil vom 5. August 2015 – L 6 AL 6/13, juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Mai 2011 – L 2 AL 20/09, juris). Nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 159 Abs. 4 S. 1 SGB III ist eine vorherige Feststellung einer Sperrzeit durch Bescheid nicht erforderlich. Es genügt ein erstmaliges und sodann ein zweites versicherungswidriges Verhalten. Die Gegenauffassung lehnt sich an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an, wonach es zu einer (weiteren) Absenkung des Arbeitslosengeldes II bei wiederholten Meldeversäumnissen im Sinne des § 31 Abs. 3 Satz 3 SGB II a. F. mit einem jeweils erhöhten Absenkungsbetrag einer vorangegangenen entsprechenden Feststellung eines ggf. weiteren Meldeversäumnisses mit einem Absenkungsbetrag der niedrigeren Stufe bedürfe (BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 27/10 R, SozR 4-4200 § 31 Nr. 6). Zwar ergebe sich dies nicht bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift; jedoch sprächen der systematische Zusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung dafür, eine jeweils (weitere) wiederholte Pflichtverletzung mit einem erhöhten Absenkungsbetrag nur dann anzunehmen, wenn eine vorangegangene Pflichtverletzung jeweils mit einem Absenkungsbescheid der niedrigeren Stufe sanktioniert und dem Hilfebedürftigen zugestellt worden sei (BSG, a.a.O.). Der Gesetzgeber hat das Erfordernis der vorherigen Feststellung der Minderung in § 31a Abs. 1 S. 4 SGB II mit Gesetz vom 24. März 2011 (BGBl. I, S. 453) ausdrücklich normiert. Im § 159 SGB III wurde bei der Neufassung vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2854) eine entsprechende Regelung jedoch gerade nicht aufgenommen. Zudem hat der Gesetzgeber auch nur für den Fall des Erlöschens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in § 161 Abs. 1 Nr. 2 SGB III das Erfordernis normiert, dass der Arbeitslose einen schriftlichen Bescheid über den Eintritt der Sperrzeit erhalten hat. Eine entsprechende Regelung ist in § 159 Abs. 3 Nr. 2 b) dagegen gerade nicht vorgesehen (vgl. Hessisches LSG, a.a.O.). Aufgrund der Anhörung zur ersten Sperrzeit war der Kläger auch bereits vor Zuweisung in die zweite Maßnahme hinreichend gewarnt, dass die Beklagte in Betracht zieht, eine Sperrzeit wegen eines ersten versicherungswidrigen Verhalten festzustellen.

Der Änderungsbescheid vom 28. November 2016, mit dem die Sperrzeittatbestände umgesetzt worden sind, ist ebenfalls rechtmäßig. Eine Aufhebung konnte gemäß §§ 48 SGB X, 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse erfolgen, weil der Kläger aufgrund der vorherigen Rechtsfolgenbelehrung zumindest hätte wissen müssen, dass eine Sperrzeit eintritt, wenn er die angebotenen Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nicht antritt. Der Erstattungsbescheid vom gleichen Tag ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Frage, ob die Rechtmäßigkeit der Feststellung einer zweiten Sperrzeit voraussetzt, dass zuvor ein Bescheid über die Feststellung der vorausgegangenen Sperrzeit ergangen ist, ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt und wurde im Verfahren B 11 AL 2/17 R ausdrücklich vom Bundessozialgericht offengelassen.
Rechtskraft
Aus
Saved