S 17 AY 42/18 ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 17 AY 42/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 10. September 2018 wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Prozesskostenhilfeantrag vom 10. September 2018 wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller machen im Rahmen vorläufigen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) geltend.

Der Antragsteller zu 1) ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger Burkina Fasos, reiste 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 5. August 2016 zugleich für den am 20. Dezember 2015 geborenen Antragsteller zu 3) Asylanträge. Ausgereist sei er am 10. Januar 2013, zunächst über Benin nach Nigeria. Dort habe er seine Frau, die Antragstellerin zu 2) kennengelernt. Nigeria habe er am 1. Januar 2014 wieder verlassen, sei über Niger weiter gereist nach Libyen, wo er sich drei Monate aufgehalten habe. Er sei allein, ohne seine Frau mit einem Boot nach Italien gelangt, wo er auch einen Asylantrag gestellt habe und seine Asylgründe habe vortragen können. Die Antragstellerin zu 2) ist nach eigenen Angaben nigerianische Staatsangehörige, die im November 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei und am 8. August 2016 Asylanträge gestellt habe. Die Antragsteller zu 1) und 2) sind die Eltern der Antragsteller zu 3) und 4).

Erstmals mit Bescheid vom 4. Dezember 2015 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern zu 1) und 2) Leistungen nach dem AsylbLG, zunächst aufgrund von § 3 AsylbLG. Mit Änderungsbescheid vom 21. April 2016 setzte der Antragsgegner die Höhe der monatlichen Leistungen wegen Änderung der Leistungssätze rückwirkend ab dem 17. März 2016 neu fest. Den Antragstellern zu 3) und 4) gewährt der Antragsgegner jeweils seit deren Geburt Leistungen nach dem AsylbLG, dem Antragsteller zu 3) mittels Bescheides vom 23. Dezember 2015 und dem am ... 2017 in Halle (Saale) geborenen Antragsteller zu 4) mittels Bescheides vom 6. Juni 2017.

Mit Bescheid vom 28. September 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Anerkennung der Anträge der Antragsteller zu 1) und 3) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich begründet unbegründet ab. Des Weiteren wurden auch die Anträge auf Asylanerkennung und subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) wurden nicht festgestellt. Die Antragsteller zu 1) und 3) hätten unaufgefordert die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Falls die Ausreisefrist nicht eingehalten werde, finde die Abschiebung nach Burkina Faso statt.

Mit Änderungsbescheid vom 16. März 2017 setzte der Antragsgegner die Leistung für den Monat März 2017 für die Antragsteller zu 1) bis 3) auf 1457,53 EUR fest. Als Begründung für die Änderung gab der Antragsgegner an, nach 15-monatigem Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG seien die Antragsteller nunmehr leistungsberechtigt nach § 2 AsylbLG. Insofern sei das SGB XII analog ab dem 1. März 2017 anwendbar. Wegen der Geburt des Antragstellers zu 4) erging der Änderungsbescheid vom 6. Juni 2017 (s.o.), wobei die monatlichen Leistungen für die Antragsteller ab Juni 2017 insgesamt 1625,00 EUR betrugen.

Mit Schreiben vom 24. Mai 2017 forderte Antragsgegner den Antragsteller zu 1) zur Passvorlage und -beschaffung bzw. Vorlage von Urkunden, die der Klärung seiner Identität und Staatsangehörigkeit dienen, auf. Zur Beibringung der erforderlichen Nachweise setzte das Ausländeramt eine Frist bis zum 4. Juli 2017 und wies zugleich auf die Möglichkeit von Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG hin, wie auch auf den möglichen Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 AsylbLG.

Mit Bescheid vom 3. August 2017 lehnte das BAMF die Anträge der Antragsteller zu 2) und 4) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab, ebenso die Anträge auf Asylanerkennung und subsidiären Schutz. Des Weiteren wurde festgestellt, dass ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliege. Die Antragsteller zu 2) und 4) wurden schließlich aufgefordert die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Zugleich wurden die Antragsteller darauf hingewiesen, nach Nigeria abgeschoben zu werden, falls sie die Ausreisefrist nicht einhalten würden.

Mit Schreiben vom 1. September 2017 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zu 2) auf, bis zum 12. September 2017 einen Reisepass oder Passersatz bzw. einen Nachweis über die Beschaffungsbemühungen vorzulegen. Zugleich wies der Antragsgegner Sie darauf hin, dass nach Ablauf der Frist geltend gemachte Umstände und beigebrachte Nachweise unberücksichtigt bleiben könnten und eine Kürzung der Sozialleistungen nach § 1a AsylbLG die Folge sein könne. Mit Schreiben vom 17. April 2018 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zu 2) unter Fristsetzung zum 17. Mai 2018 erneut auf, einen gültigen Reisepass vorzulegen oder sich unverzüglich um die Ausstellung eines Passes oder Passersatz Papiers zu bemühen; ihre Identität sei ungeklärt.

Mit Schreiben vom 5. September 2017 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zu 1) zu einer beabsichtigten auf § 1a Abs. 3 AsylbLG gestützten Leistungsbeschränkung an. Mit Schreiben vom 12. September 2017 widersprach der Rechtsanwalt ... namens der Antragsteller zu 1) und 2) den beabsichtigten Leistungskürzungen. In zwei weiteren Schriftsätzen vom 12. September 2017 teilte der Rechtsanwalt mit, der Antragsteller zu 1) sei nach dessen Erinnerung 1993 in dem Ort ... /Burkina Faso geboren, die Antragstellerin zu 2) in ... /Nigeria. Mit Änderungsbescheid vom 20. September 2017 setzte der Antragsgegner die Leistungen für den Antragsteller zu 1) für den Zeitraum vom 1. Oktober 2017 bis 31. März 2018 auf 165,54 EUR in Form von Wertgutscheinen für Nahrung, alkoholfreie Getränke, Gesundheitspflege und Energie, und in Höhe von 103,75 EUR für Miete, Nebenkosten und Heizung fest. Die Entscheidung beruhe auf § 1a Abs. 3 iVm. § 1a Abs. 2 AsylbLG. Mit Schreiben vom 7. November 2017 legte Rechtsanwalt namens des Antragstellers zu 1) Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. September 2017 ein. Mit Bescheid vom 6. Dezember 2017 änderte der Antragsgegner die Leistungsbewilligung für die Monate Januar bis September 2017 zugunsten der Antragsteller wegen Gewährung eines Mehrbedarfs für die Warmwasserbereitung, wobei die den Antragstellern monatlich bewilligten Leistungen von Juni bis September 2017 insgesamt 1645,72 EUR betrugen. Mit einem weiteren Bescheid vom 6. Dezember 2017 änderte die der Antragsgegner die monatlich bewilligten Leistungen für die Monate Oktober und November 2017, sowie ab dem Monat Dezember 2017 auf insgesamt 1.443,17 EUR ab und verwies zur Begründung des Inhalts und der Höhe der Leistungen auf die nach § 1a Abs. 3 iVm. § 1 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG eingeschränkte Leistungsberechtigung des Antragstellers zu 1). Mit Schreiben vom 7. März 2018 hörte der Antragsgegner die Antragsteller zu 1) und 2) zu einer beabsichtigten weiteren Leistungskürzung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG für die Zeit ab dem 1. April 2018 für weitere sechs Monate an. Mit Änderungsbescheid vom 20. März 2018 setzte der Antragsgegner die monatlichen Leistungen für den Antragsteller zu 1) für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2018 auf 135,24 EUR in Form von Wertgutscheinen für Nahrung, alkoholfreie Getränke, Gesundheitspflege und Energie und in Höhe von 316,33 EUR für Miete, Nebenkosten und Heizung fest. Mit Änderungsbescheid vom 4. April 2018 berücksichtigte der Antragsteller im April 2018 eine Betriebskostennachforderung aus dem Jahr 2017 und forderte die Antragsteller zugleich auf, die kalten Betriebskosten zu senken. Wegen beabsichtigter, auf § 1 a Abs. 3 AsylbLG gestützter Leistungskürzungen nach ab dem 1. Juli 2018 hörte der Antragsgegner die Antragsteller zu 1) und 2) mit Schreiben vom 14. Mai 2018 an.

Am 26. Juni 2018 ist in der Verwaltungsakte des Antragsgegners durch die Sachbearbeiterin vermerkt, die Antragstellerin zu 2) habe bei dem Antragsgegner um Hilfe nach gesucht, weil ihr Mann sie "wohl" schlage. Sie habe den Wunsch auszuziehen. Das Frauenschutzhaus sei informiert worden. Die Antragstellerin zu 2) hätte dort vorstellig werden können, was jedoch laut Vermerk vom 27. Juni 2018 nicht geschah.

Mit Änderungsbescheid vom 28. Juni 2018 setzte der Antragsgegner die Leistungen für die Antragsteller zu 1) bis 4) für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2018 auf monatlich insgesamt auf 660,62 EUR in Form von Wertgutscheinen für Nahrung, alkoholfreie Getränke, Gesundheitspflege und Energie und in Höhe von 540,85 EUR für Miete, Nebenkosten und Heizung fest. Die Entscheidung beruhe auf § 1a Abs. 3 iVm. § 1a Abs. 2 Satz 2 AsylbLG. Mit Schreiben vom 6. August 2018 beantragten die Antragsteller zu 1) bis 4) durch ihren Prozessbevollmächtigten die Abänderung bzw. Überprüfung nach § 44 SGB X des Bescheides vom 4. April 2018.

Am 10. September 2018 haben die Antragsteller durch ihren Prozessbevollmächtigten bei dem erkennenden Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung haben sie vorgetragen: Gegen den Bescheid vom 28. Juni 2018 sei zwar kein Widerspruch eingelegt, aber mit Schreiben vom 18. September 2018 die Überprüfung nach § 44 SGB X beantragt worden. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die vom Antragsgegner vorgenommene Leistungsbeschränkung nach § 1a Abs. 2, 3 AsylbLG lägen nicht vor. Die Antragsteller hätten Nachweise zu ihrer Staatsangehörigkeit nicht verweigert. Sie besäßen keine Passdokumente; diese würden offensichtlich auch von Seiten der Botschaft mangels Vorliegen von Identitätsnachweisen nicht ausgestellt. Im Heimatland verfügten die Antragsteller über keine Angehörigen oder Bekannte, die bei der Beschaffung von Identitätsdokumenten, wie auch immer dies überhaupt vonstattengehen solle, behilflich sein könnten. Sofern der Antragsgegner meine, die eigenen Angaben der Antragsteller seien unzutreffend, so möge er dies belegen. Die Antragsteller zur 1) und 3) hielten sich derzeit geduldet iSd. § 60a AufenthG im Bundesgebiet auf die. Das eingeleitete Asylklageverfahren der Antragsteller 2) und 4) sei noch nicht abgeschlossen. Es könne dahinstehen, dass den Antragstellern zu 1) und 3) im Falle des Klageerfolgs der Antragsteller 2) und 4) ein Rechtsanspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte zustünde. Der Aufenthalt der Antragsteller im Bundesgebiet sei bereits zur Wahrung der Familieneinheit gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG iVm. Art. 6 GG erforderlich. Der Antragsteller zu 1) sei Staatsangehöriger der Republik Burkina Faso, die Antragstellerin zu 2) Staatsangehörige der Bundesrepublik Nigeria. Die Regelung des § 1a Abs. 3 iVm. Abs. 2 AsylbLG sei verfassungswidrig. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, insbesondere sei keine ausreichende Versorgung mit witterungsgemäßer Kleidung in den zur Verfügung stehenden Märkten möglich. Der Leistungsanspruch sei durch Geldzahlungen zu erfüllen. Er richte sich nach § 2 AsylbLG iVm. §§ 27a, 30 Abs. 7, 35 SGB XII und betrage für die Antragsteller zu 1) und 2) monatlich je 502,67 EUR sowie für die Antragsteller zu 3) und 4) monatlich je 361,98 EUR.

Die Antragsteller haben beantragt,

den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern unter Abänderung des Bescheides vom 4. April 2018 sofort Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Gestalt von Geldleistungen für die Zeit ab 10. September 2018 vorläufig zu gewähren, für den Monat September 2018 in Höhe von 1.210,51 EUR, im Übrigen in Höhe von 1.729,30 EUR monatlich jeweils zum ersten eines Monats zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung hat er vorgetragen: Der Bescheid vom 4. April 2018 sei aufgehoben, der Bescheid vom 28. Juni 2018 nicht angefochten worden. Allerdings liege ein Überprüfungsantrag vom 18. September 2018 bezüglich des Bescheides vor. Die Antragsteller hielten sich ledig geduldet im Bundesgebiet auf. Zwar sei über die Asylklage der Antragsteller zu 2) und 4) gegen den Bescheid des BAMF noch nicht entschieden, diese habe jedoch keine aufschiebende Wirkung, weil die Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden seien. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei nicht beantragt worden. Die Informationen zur Identität, wie zu den Staatsangehörigkeiten der Antragsteller beruhten nach wie vor allein auf deren eigenen Angaben. Dem Begehren nach vorläufigem Rechtsschutz fehle es bereits an einem Anordnungsgrund; massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse seien nicht dargelegt worden. Eine ausreichende Versorgung der Antragsteller mit Kleidung sei in den zur Verfügung stehenden Märkten möglich; dies sei in den großen Warenkaufhäusern mit Non-Food Abteilungen, wie etwa Kaufland, Edeka und real möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Leistungsakte des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, insbesondere sind die Antragsteller iSd. entsprechend anwendbaren § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. § 86b Rn. 9b) hinreichend bezeichnet.

Die Beteiligten sind so eindeutig zu benennen, dass Verwechselungen oder Unklarheiten aller Voraussicht nach nicht auftreten können und das Gericht aus den Angaben unschwer die Identität der Beteiligten feststellen kann (vgl. Jaritz in Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, 1. Auflage, § 92 Rn. 22). Identität ist die Gesamtheit der eine Person kennzeichnenden und als Individuum von allen anderen unterscheidenden Merkmalen. Hierzu gehören insbesondere Herkunft, Alter und Name. Diese Merkmale müssen in Bezug auf die Person eine völlige Übereinstimmung aufweisen. Im Bestreitensfall sind die die Identität der Antragsteller bestimmenden Merkmale von diesen auch zu beweisen. Das entspricht den allgemeinen Grundsätzen über die Verteilung der Beweislast.

Die Identitäten der Antragsteller zu 1) und 2), insbesondere was deren Herkunft angeht, stehen zwar letztlich nicht fest, mit der Folge, dass dies auch für die Identitäten der Antragsteller zu 3) bis 4) gilt. Jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind die Behauptungen der Antragsteller bezüglich ihrer Identität im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ausnahmsweise ausreichend, wenn sich wie hier, keine konkreten Anhaltspunkte für unwahre Angaben seitens der Antragsteller finden.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist aber unbegründet. Eine vorläufige Regelung des umstrittenen Anspruchs auf Leistungen nach § 2 AsylbLG durch gerichtliche Anordnung hat sich als nicht erforderlich erwiesen. Der Antragsgegner hat bereits bestandskräftig über Anspruchseinschränkungen nach § 1a Abs. 3 AsylbLG entschieden.

Der prozessuale Anspruch (Streitgegenstand) ist nach dem Inhalt des Antrages vom 10. September 2018 und der Antragsbegründung auf die vorläufige Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG ab dem 10. September 2018 bis 31. Dezember 2018 gerichtet. Das ergibt die Auslegung des Rechtsschutzbegehrens. Dieses ist im Kern veranlasst durch die bis zum 31. Dezember 2018 befristeten Anspruchseinschränkungen nach § 1a Abs. 3 AsylbLG, über die der Antragsgegner bereits mit Änderungsbescheid vom 28. Juni 2018 bestandskräftig entschieden hat. Die Antragsteller haben allerdings gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG iVm. § 44 SGB X die Überprüfung des Bescheides mit Schreiben vom 18. September 2018 beantragt.

Der vom Antragsteller nachgesuchte vorläufige Rechtsschutz beurteilt sich nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Was den Bescheid vom 28. Juni 2018 angeht, fehlt es an einem mit Widerspruch oder Anfechtungsklage angefochtenen Eingriff in bestehende Rechtspositionen, so dass sich das vorliegende Rechtsschutzgesuch nicht nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG richten kann.

Der Widerspruch seitens des Rechtsanwalts ... vom 7. November 2017, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden ist, richtet sich ausschließlich und allein gegen den Bescheid vom 20. September 2017. Regelungsgegenstand des Bescheides ist die auf den Zeitraum 1. Oktober 2017 bis 31. März 2018 befristete Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG zulasten des Antragstellers zu 1). Der Änderungsbescheid vom 6. Dezember 2017 bezüglich der Leistungsbewilligung ab Oktober 2017 wurde gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden, weil er den angefochtenen Änderungsbescheid vom 20. September 2017 wegen Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die Warmwasserbereitung abänderte. Die Bescheide vom 20. März 2018, 4. April 2018 und 28. Juni 2018 wurden dagegen nicht, auch nicht in analoger Anwendung des § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens (vgl. zur Problematik BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8 AY 11/07 R –, Rn. 10, juris). Sie betreffen Folgezeiträume nach dem 31. März 2018, und zwar erneut mit befristeten Leistungseinschränkungen (§ 14 AsylbLG), zunächst nur zulasten des Antragstellers zu 1) und danach zulasten aller Antragsteller (Bescheid vom 28. Juni 2018) ab dem 1. Juli 2018. Insofern liegt weder eine Änderung noch eine Ersetzung des mit Widerspruch angefochtenen Bescheides vom 20. September 2017 iSd. § 86 SGG nicht vor. Verfahrensökonomische Erwägungen veranlassen hier wegen der Befristung der Anspruchseinschränkungen keine analoge Anwendung des § 86 SGG.

Wegen der Bestandskraft der Bescheide vom 20. März, 4. April und 28. Juni 2018 fehlt es somit an einer Anfechtung des Eingriffs in bestehende Rechtspositionen durch Widerspruch oder Anfechtungsklage.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Anordnung kann erlassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund).

Einen Anordnungsanspruch haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.

Dabei kann offen bleiben, ob die Antragsteller im streitgegenständlichen Zeitraum noch die Voraussetzungen für die Bewilligung von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen würden. Zwar würde die Rücknahme des Bescheides vom 28. Juni 2018 mit der befristeten Anspruchseinschränkung die auf § 2 AsylbLG beruhende Leistungsbewilligung vor der ersten Anspruchseinschränkung (Änderungsbescheid vom 20. September 2017 im Falle des Antragstellers zu 1) und Änderungsbescheid vom 6. Dezember 2017 im Falle der Antragsteller zu 2) bis 4) wieder aufleben lassen. Allerdings ergibt sich schon nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung kein Anspruch der Antragsteller nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG iVm. § 44 SGB X auf Rücknahme des Bescheides vom 28. Juni 2018.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt nach § 44 Abs. 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Gemäß § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG haben Leistungsberechtigte, die eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzen, oder die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist, und bei denen aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, nur noch Anspruch auf Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege. Sofern die Gründe, die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entgegenstehen, in der Person des Leistungsberechtigten liegen, ist er beweispflichtig dafür, dass er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Zu den Tatsachen, die Voraussetzungen für die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen sind, gehören insbesondere die Merkmale, die die Identität des Leistungsberechtigten kennzeichnen und deren Nachweis die Bedingung für die Beschaffung von Passdokumenten des Herkunftslandes sind. Diese Merkmale können die Behörden und Gerichte ohne entsprechende Nachweise nicht kennen. Sie sind deshalb vom Leistungsberechtigten nachzuweisen. Ist der Leistungsberechtigte ohne Passdokumente in die Bundesrepublik eingereist, hat er damit zugleich die Grundbedingung dafür gesetzt, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, solange über die Identität keine Nachweise vorliegen und keine Reisedokumente beschafft werden können.

Die Antragsteller sind vollziehbar ausreisepflichtig, weil die Versagung des Aufenthaltstitels durch die Bescheide des BAMF vom 28. September 2016 und 3. August 2017 vollziehbar iSd. § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist. Das gilt auch soweit über die Klage der Antragsteller zu 2) und 4) gegen den Bescheid des BAMF vom 3. August 2017 noch nicht entschieden worden ist, denn gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG haben Widerspruch und Klage im Falle der Ablehnung von Aufenthaltstiteln keine aufschiebende Wirkung. Die Versagung von Aufenthaltstiteln ist nach § 84 Abs. 1 AufenthG sofort vollziehbar.

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen können nicht vollzogen werden, weil die Antragsteller nach Aktenlage nicht im Besitz von Identitätsdokumenten des Herkunftslandes sind. Dies haben sie mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11. Oktober 2018 vortragen lassen.

Es sind keine Tatsachen ersichtlich, die den rechtlichen Schluss zulassen, dass die Gründe dafür nicht von den Antragstellern zu 1) und 2) zu vertreten sind. Bereits die Behauptung, deren Herkunftsländer seien Burkina Faso (Antragsteller zu 1) und Nigeria (Antragstellerin zu 2), ist nicht nachgewiesen. Das gilt ebenso für die Behauptung, sie verfügten im Heimatland über keine Angehörigen oder Bekannte, die bei der Beschaffung von Identitätsdokumenten, wie auch immer dies überhaupt vonstattengehen soll, behilflich sein könnten. Diese Angaben sind weder durch den Antragsgegner noch durch das Gericht überprüfbar. Die mangelnde Überprüfbarkeit und die fehlenden Beweise gehen nicht zulasten des Antragsgegners, weil die Kenntnis von den entsprechenden Tatsachen allein bei den Antragstellern zu 1) und 2) liegt.

Ob die Antragsteller zu 1) und 2) unerlaubt iSd. § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG eingereist sind, oder ob die Passpflicht unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 AsylG entfallen war, kann dabei offen bleiben.

Sofern sich die Antragsteller darauf berufen, dass die die Herstellung der Familieneinheit in einem der Herkunftsländer nicht möglich sei und sich daraus aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK (vgl. zur Erteilung von Aufenthaltstiteln BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 – 1 C 3/08 –, Rn. 13, juris) inlandsbezogene Abschiebungshindernisse ergeben sollen, können sie damit nicht gehört werden, weil mangels Identitätsnachweisen überhaupt nicht gesichert ist, dass die Antragsteller aus unterschiedlichen Herkunftsländern stammen.

Abgesehen davon bestehen Zweifel, ob die Fortsetzung der Familieneinheit mit der Antragsteller zu 1) im Inland seitens der Antragstellerin zu 2) tatsächlich gewollt ist. Nach Aktenlage suchte die Antragstellerin zu 2) bei dem Antragsgegner um Schutz vor gewalttätigen Übergriffen durch den Antragsteller zu 1) nach.

Für die Antragsteller zu 3) und 4) ergeben sich die Anspruchseinschränkungen aus § 1a Abs. 3 Satz 3 AsylbLG.

§ 1a Abs. 3 AsylbLG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urteil vom 12. Mai 2017 – B 7 AY 1/16 R –, juris, Rn. 27 ff.).

Darüber hinaus haben die Antragsteller auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Soll ein bestandskräftig gewordener Bescheid zurückgenommen werden, ist es dem Antragsteller im Regelfall zuzumuten, die Entscheidung im dafür vorgesehenen Verfahren nach § 44 SGB X, d.h. im Verwaltungs- und gegebenenfalls in einem anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren, abzuwarten (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Januar 2008 – L 2 B 96/07 AS ER –, Rn. 26, juris). Wird daneben eine vorläufige Regelung durch gerichtliche Anordnung angestrebt, sind besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zu stellen, und es ist erforderlich, dass massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse dargelegt werden (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt aaO.; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 14. September 2011 – L 10 AL 434/10 ER –, Rn. 33, juris).

Die Antragsteller haben keine massiven Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse dargelegt und glaubhaft gemacht. Weder die befristeten Anspruchseinschränkungen nach § 1a Abs. 3 AsylbLG noch die in Wertgutscheinen gewährten Leistungen für Nahrung, alkoholfreie Getränke und Gesundheitspflege ergeben massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz, die es rechtfertigen würden, außerhalb eines Verfahrens nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG iVm. § 44 SGB X eine vorläufige Regelung durch gerichtliche Anordnung zu treffen. Dabei kann offen bleiben, ob die Ermessensausübung der Behörde nach § 1a Abs. 3 iVm. Abs. 2 Satz 3 AsylbLG wegen der Ausstrahlungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10) dahingehend eingeschränkt ist, dass in der Regel mindestens Leistungen im Umfang von § 3 Abs. 1 AsylbLG zu gewähren sind. Selbst eine daran gemessene Unterdeckung führt zwar zu einer Einschränkung der Lebensverhältnisse, wenn Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts nicht angeschafft werden können. Jedoch ist dies nicht so schwerwiegend, dass von Gefährdung der sozialen und wirtschaftlichen Existenz gesprochen werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

III.

Hinreichende Erfolgsaussichten iSd. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm. § 114 Abs. 1 ZPO sind nicht zu bejahen.

Hinreichende Erfolgsaussichten sind zu bejahen, wenn die im Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach und eindeutig zu beantworten sind (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 4.2.2004, 1 BvR 596/03 – nach juris). Abzustellen ist auf den Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung. Im Hinblick auf die Ausführungen unter I. und II. der Entscheidungsgründe sind die aufgeworfenen tatsächlichen und rechtlichen Fragen zulasten der Antragsteller beantwortet worden. Danach besteht für das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller keinerlei Erfolgsaussicht, also auch keine iSd. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm. § 114 Abs. 1 ZPO.
Rechtskraft
Aus
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