L 19 AS 1434/18 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AS 1984/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 1434/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 19.07.2018 geändert. Die Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vom 09.05.2018 bis zum 31.12.2018 vorläufig Leistungen nach § 3 AsylbLG nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu erbringen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Beigeladene hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin U aus L beigeordnet.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 19.07.2018 ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Das Sozialgericht hat zwar den Antrag auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners bzw. der Beigeladenen zur vorläufigen Erbringung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bzw. dem SGB XII zu Recht abgelehnt. Jedoch war der Antrag insofern begründet, als die Beigeladene einstweilen zur vorläufigen Erbringung von Leistungen nach dem AsylbLG zu verpflichten ist.

Der Antrag der anwaltlichen Bevollmächtigten des Antragstellers, hilfsweise der Beigeladenen im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren, ist unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16.02.2012 - B 4 AS 14/11 R, Rn. 19 m.w.N.) dahingehend auszulegen, dass davon ebenfalls der Antrag auf Verpflichtung der Beigeladenen zur Erbringung von Leistungen nach dem AsylbLG umfasst ist. Denn das Begehren des Antragstellers ist darauf gerichtet, existenzsichernde Leistungen zu erhalten. Bei verständiger Würdigung ist dieses Begehren im Hinblick auf die Beigeladene nicht nur auf die Leistungen nach dem SGB XII beschränkt, sondern umfasst ebenso die Leistungen nach dem AsylbLG, für die sie ebenfalls zuständig ist.

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung BSG, Beschlüsse vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B und vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B; Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R).

Der Antragsteller hat weder hinsichtlich der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II (dazu unter 1.) noch hinsichtlich der Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (dazu unter 2.) einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der Leistungen nach dem AsylbLG besteht sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund (dazu unter 3.).

1. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II sind nicht erfüllt (dazu unter a). Zudem ist der Antragsteller nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen (dazu unter b).

a) Der Antragsteller hat keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II).

Nach § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er sich an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 SGB I). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen (BSG, Urteil vom 29.05.1991 - 4 RA 38/90). Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik soll - auch im Sinne einer Missbrauchsabwehr - ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz im Wesentlichen nur formal zur Erlangung von Sozialleistungen begründet, dieser jedoch tatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll (BSG, Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rn. 18 m.w.N.).

Eine fehlende Dauerhaftigkeit des Aufenthalts im Sinne einer nicht vorhandenen Zukunftsoffenheit liegt bei Unionsbürgern regelmäßig nur dann vor, wenn ihr Aufenthalt nach einer bereits vorliegenden Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde auflösend befristet oder auflösend bedingt ist. Das Freizügigkeitsrecht von Unionsbürgern ergibt sich unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht, der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004. Diese Richtlinie ist in Deutschland durch das FreizügG/EU umgesetzt worden. Der Aufenthalt von Unionsbürgern kann daher nur unter den Voraussetzungen der § 5 Abs. 4, §§ 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts, also nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens, beendet werden (BSG, Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rn. 20 m.w.N.).

Diese Voraussetzung eines zukunftsoffenen Aufenthalts erfüllt der Antragsteller nicht, da diesem die wirksame Feststellung über den Verlust des Freizügigkeitsrechts im Bundesgebiet entgegensteht.

Mit Verfügung vom 22.05.2017 hat die Beigeladene den Verlust des Rechts des Antragstellers auf Freizügigkeit nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU festgestellt und ihn aufgefordert, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Verfügung zu verlassen. Für den Fall, dass er dieser Ausreisepflicht nicht nachkomme, hat sie seine Abschiebung nach Rumänien angedroht.

Diese Ordnungsverfügung der Beigeladenen über die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts ist dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 24.05.2017 zugestellt und damit wirksam geworden (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW). Da sie seitdem weder zurückgenommen oder aufgehoben wurde noch sich auf sonstige Weise erledigt hat, ist sie auch weiterhin wirksam (§ 43 Abs. 2 VwVfG NRW).

Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Antragsteller am 22.06.2017, also innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO, bei dem Verwaltungsgericht Köln einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Ordnungsverfügung der Beigeladenen gestellt hat. Selbst wenn das Verwaltungsgericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligte, er sodann die angekündigte Klage erhöbe und das Verwaltungsgericht ihm - auf einen entsprechenden Antrag hin - hinsichtlich der versäumten Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO gewährte, beseitigte der durch die Klageerhebung nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO eingetretene Suspensiveffekt nicht die Wirksamkeit der Ordnungsverfügung und damit das Bestehen der Ausreisepflicht des Antragstellers (vgl. ebenso Dienelt in Bergmann/Dienelt, FreizügG/EU, 12. Aufl. 2018, § 7 Rn. 18).

Sind die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen oder liegen diese nicht vor, kann durch die Ausländerbehörde der Verlust der Freizügigkeitsberechtigung durch Verwaltungsakt festgestellt werden (Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 S. 1 FreizügG/EU). Diese förmliche Verlustfeststellung - wie hier - nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU bzw. § 6 Abs. 1 FreizügG/EU beendet den rechtmäßigen Aufenthalt (Dienelt, a.a.O., § 7 Rn. 18), widerlegt also die Freizügigkeitsvermutung und begründet nach § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU die sofortige Ausreisepflicht. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass die Verlustfeststellung wirksam geworden ist. Dies ist - wie festgestellt - hier der Fall.

Um diese Rechtsfolgen auszulösen, muss die Verlustfeststellung hingegen nicht vollziehbar, also weder bestandskräftig noch für sofort vollziehbar erklärt worden sein. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 7 Abs. 1 FreizügG/EU. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU i.d.F. des Gesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950) waren Unionsbürger ausreisepflichtig, wenn die Ausländerbehörde unanfechtbar festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht. Mit dem Gesetz vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) wurde in § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU mit Wirkung zum 28.08.2007 das Wort "unanfechtbar" gestrichen. In den Materialien wurde hierzu ausgeführt, dass die Ausreisepflicht nicht erst dann entsteht, wenn die Ausländerbehörde unanfechtbar festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht, sondern grundsätzlich bereits mit der bloßen Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts (BT-Drucks. 16/5065, S. 211; BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, Rn. 55 m.w.N.; ebenso Dienelt, a.a.O., § 7 Rn. 21; Kurzidem in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, § 11 FreizügG/EU Rn. 6).

Legt also der Unionsbürger gegen eine nicht für sofort vollziehbar erklärte Verlustfeststellung und Ausreiseaufforderung Klage ein, hat dies lediglich zur Folge, dass aufschiebende Wirkung eintritt (§ 80 Abs. 1 S. 1 VwGO) und die Ausreisepflicht nicht - etwa durch Abschiebung - vollzogen werden darf. Der Suspensiveffekt der Klage lässt zwar den rechtmäßigen Aufenthalt nicht mehr aufleben, er führt aber dazu, dass die Durchsetzung der Ausreisepflicht durch Abschiebung unzulässig ist (Dienelt, a.a.O., § 7 Rn. 22). Dass die Regelungen des § 84 Abs. 1 S. 1 AufenthG auf die Verlustfeststellung entsprechende Anwendung finden sollen, kann § 11 Abs. 2 FreizügG/EU nicht ausreichend deutlich entnommen werden (vgl. Dienelt, a.a.O., § 7 Rn. 22). Sind die Verlustfeststellung und die Ausreiseaufforderung für sofort vollziehbar erklärt worden, gilt das Verbot der Vollstreckung durch Abschiebung nur, falls ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt wurde (vgl. § 7 Abs. 1 S. 4 FreizügG/EU).

Somit wirkt schon die Feststellung des Verlusts der Freizügigkeitsberechtigung durch die damit eintretende Ausreisepflicht einer Zukunftsoffenheit des Aufenthalts des Antragstellers entgegen. Für den Bereich des Rechts der Grundsicherung für Arbeitsuchende hat damit bereits der wirksame Erlass einer Verlustfeststellung zur Folge, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet nicht mehr besteht.

b) Aufgrund der Feststellung des Verlusts der Freizügigkeitsberechtigung ist der Antragsteller zudem nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a) und 3 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Denn er hat zum einen kein Aufenthaltsrecht mehr (1) und ist zum anderen nach § 1 AsylbLG leistungsberechtigt (2).

(1) Der Antragsteller ist nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a) SGB II ausgeschlossen.

Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist anwendbar. Zwar hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass er seit mindestens fünf Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat (§ 7 Abs. 1 S. 4 Halbs. 1 SGB II). Aufgrund der Feststellung des Verlusts der Freizügigkeitsberechtigung kann jedoch der Aufenthalt nicht mehr als verfestigt i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II angesehen werden (so auch BT-Drucks. 18/10211 S. 14: "Sollte die Ausländerbehörde allerdings feststellen, dass ein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU nicht (mehr) besteht, ist der Aufenthalt nicht mehr verfestigt"; vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.05.2017 - L 15 AS 62/17 B ER, Rn. 12 m.w.N.).

Nach den oben gemachten Ausführungen hat der Antragsteller aufgrund der wirksamen Verlustfeststellung kein Aufenthaltsrecht mehr i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a) SGB II, da diese den rechtmäßigen Aufenthalt des Unionsbürgers beendet und diese Wirkung auch nicht durch ein gegen die Ordnungsverfügung eingelegtes Rechtsmittel beseitigt wird.

Hat die zuständige Ausländerbehörde eine Verlustfeststellung erlassen und ist diese wirksam, ist den Sozialleistungsträgern wie auch den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eine eigenständige Prüfung der materiellen aufenthaltsrechtlichen Lage verwehrt. Denn den Verwaltungsakten der Ausländerbehörden über die Feststellung des Bestehens wie des Verlusts der Freizügigkeitsberechtigung und über die Feststellung der Ausreisepflicht verbunden mit einer Abschiebungsandrohung kommt Tatbestandswirkung zu, so dass diese ohne Rücksicht auf ihre materielle Richtigkeit bindende Wirkung entfalten. Dies gilt jedenfalls auf der Grundlage des § 7 Abs. 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 22.12.2016 (BGBl. I S. 3155), in dessen S. 4 nun ausdrücklich hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthalts und der Leistungsberechtigung auf den bloßen Erlass einer Verlustfeststellung abgestellt wird (vgl. zur Tatbestandswirkung von Aufenthaltserlaubnissen BSG, Urteil vom 02.12.2014 - B 14 AS 8/13 R, Rn. 12 m.w.N., wonach die Leistungsträger nicht zur Überprüfung und ggf. Nichtbeachtung aufenthaltsrechtlicher Statusentscheidungen befugt sind).

(2) Der Antragsteller ist zudem nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II ausgeschlossen. Aufgrund des Bestehens der Ausreisepflicht und den insofern möglicherweise durch die noch zu erhebende Klage vor dem Verwaltungsgericht eintretenden Suspensiveffekt hat der Antragsteller einen Anspruch auf Verfahrensduldung für die Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht. Damit hat er Anspruch auf Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG (Dienelt, a.a.O., § 7 Rn. 23).

Entgegen dem Vortrag der Beigeladenen kann es insofern keinen Unterschied machen, ob der Ausreisepflichtige unmittelbar eine Klage gegen die Ordnungsverfügung erhebt, wodurch sofort aufschiebende Wirkung eintritt, oder ob er, da er nach seinen persönlichen Verhältnissen die Kosten des Rechtsstreits nicht aufbringen kann, zunächst einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellt und nur für den Erfolgsfalle eine Klageerhebung ankündigt. Auch bereits für die Dauer des Verfahrens zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe muss dem Ausreisepflichtigen ein vergleichbarer Rechtsschutz zukommen. Soweit die Beigeladene die Auffassung vertritt, dass der Antragsteller gegen die Verlustfeststellung bedingt Klage erhoben habe und die Klage damit unzulässig sei, ist darauf hinzuweisen, dass der Suspensiveffekt auch bei einer unzulässigen Klage eintritt.

2. Der Antragsteller ist nach § 23 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII von Leistungen nach dem SGB XII, insbesondere den Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ausgeschlossen. Insofern kann auf die oben gemachten Ausführungen Bezug genommen werden.

Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII sind nicht Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, da der Antragsteller die Bewilligung laufender Grundsicherungsleistungen begehrt, und es sich bei dem Anspruch auf Überbrückungsleistungen im Verhältnis zu dem Anspruch auf laufende Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II oder SGB XII um ein aliud handelt. Denn der Bezug der Überbrückungsleistungen ist - anders als bei laufenden Leistungen - auf den Zeitraum von einem Monat beschränkt und er dient der Vorbereitung der Ausreise aus dem Bundesgebiet (vgl. Beschluss des Senats vom 16.03.2017 - L 19 AS 190/17 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.05.2017 - L 15 AS 62/17 B ER, Rn. 22 m.w.N.).

3. Nach den oben gemachten Ausführungen hat der Antragsteller gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG ab dem 09.05.2018. Er hat insoweit einen Anordnungsanspruch und -grund glaubhaft gemacht.

Er gehört zu dem nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG leistungsberechtigten Personenkreis. Danach sind leistungsberechtigt Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist. Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller (vgl. hierzu unter 1. b) (2)).

Hinsichtlich des Umfangs der Leistungen ist zu berücksichtigen, dass Kosten für Unterkunft und Heizung dem derzeit obdachlosen Antragsteller nicht entstehen.

Für die Erbringung dieser Leistungen ist die Beigeladene örtlich zuständig. Nach § 10a Abs. 1 S. 1 AsylbLG ist für die Leistungen nach dem AsylbLG die nach § 10 AsylbLG bestimmte Behörde örtlich zuständig, in deren Bereich der Leistungsberechtigte nach dem Asylgesetz oder Aufenthaltsgesetz verteilt oder zugewiesen worden ist oder für deren Bereich für den Leistungsberechtigten eine Wohnsitzauflage besteht. Ist der Leistungsberechtigte von einer Vereinbarung nach § 45 Absatz 2 AsylG betroffen, so ist die Behörde zuständig, in deren Bereich die nach § 46 Absatz 2a AsylG für seine Aufnahme zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt (S. 2). Nach S. 3 ist im Übrigen die Behörde zuständig, in deren Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält.

Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerdeschrift glaubhaft gemacht, dass er sich derzeit in L tatsächlich aufhält i.S.d. § 10a Abs. 1 S. 3 AsylbLG. Dass er dort noch nicht gemeldet ist, ist entgegen der Auffassung der Beigeladenen für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit irrelevant. Insoweit hat der Antragsteller durch die im Verfahren vorgelegte Bescheinigung vom 16.02.2018 glaubhaft gemacht, dass er beim Bürgeramt Innenstadt der Beigeladenen zwecks Anmeldung vorgesprochen hat.

Die Voraussetzungen für eine Einschränkung des Leistungsanspruchs nach § 1a Abs. 1 AsylbLG liegen nicht vor. Danach erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG, die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, die Leistungen nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Voraussetzung für die Anwendung dieser Leistungseinschränkung wäre, dass der Zweck, Sozialleistungen zu erlangen, den Einreiseentschluss geprägt hat (vgl. BSG, Urteile vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R, vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R und vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R). Wie das Bundesverwaltungsgericht dies bereits zu der wortgleichen Vorschrift des § 120 Abs. 3 S. 1 BSHG entschieden hat, bezeichnet schon die Konjunktion "um ( ) zu ( )" ein ziel- und zweckgerichtetes Handeln und damit eine Zweck-Mittel-Relation, in der die Einreise das Mittel und die Inanspruchnahme von Sozialhilfe den mit ihr verfolgten Zweck bildet (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.06.1992 - 5 C 22/87). Diese Zweck-Mittel-Relation ist auch gegeben, wenn die Einreise des Ausländers auf verschiedenen Motiven beruht, der Zweck der Inanspruchnahme für den Einreiseentschluss jedoch von prägender Bedeutung gewesen, also nicht nur neben vorrangigen anderen Zwecken billigend in Kauf genommen worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen bei dem Antragsteller erfüllt sind, sind nicht ersichtlich.

Für den Zeitraum vom 09.05.2018 bis zum 31.12.2018 liegt auch ein Anordnungsgrund vor, da der Antragsteller, wie sich aus seiner - strafbewehrten (§ 156 StGB) - eidesstattlichen Versicherung vom 09.05.2018 ergibt, mittellos ist.

Aufgrund der Dauer des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hat der Senat den Geltungszeitraum der Regelungsanordnung abweichend von der sonst üblichen Praxis nicht auf die Dauer von sechs Monaten begrenzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO liegen vor. Die Rechtsverfolgung bietet nach den obigen Ausführungen hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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