S 22 KR 410/17

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 22 KR 410/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheids vom 24.5.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 9.8.2017 dem Kläger für den Zeitraum vom 20.4.2017 bis 16.5.2017 Krankengeld zu bewilligen.

Die Beklagte erstattet dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Krankengeld unter dem Gesichtspunkt des Ruhens aufgrund nicht rechtzeitiger Anzeige des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum vom 20.04. bis 16.05.2017.

Der am ... 1955 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Mitglied mit Krankengeldanspruch gesetzlich krankenversichert.

Er war seit dem 15.01.2016 arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte bewilligte laufend Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 45,61 EUR. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte jedenfalls bis zum 12.07.2017.

Die Folgebescheinigung zur Feststellung von Arbeitsunfähigkeit vom 19.04.2017 für den Zeitraum vom 15.03. bis 13.05.2017 ging bei der Beklagten zunächst nicht ein.

Mit Bescheid vom 24.05.2017 wies die Beklagte darauf hin, dass für den Zeitraum vom 20.04. bis 16.05.2017 kein Krankengeld gezahlt werden könne, da für diesen Zeitraum nicht lückenlos Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, in dem er darauf verwies, dass er die AU-Bescheinigung übersandt habe. Beigefügt war die Kopie der Ausfertigung für den Versicherten.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14.06.2017 die Zahlung von Krankengeld für den streitigen Zeitraum erneut ab und verwies nunmehr darauf, die Bescheinigung über die weitergehende Arbeitsunfähigkeit sei erst am 12.06.2017 und damit nicht innerhalb einer Woche eingegangen. Daher könne kein Krankengeld gezahlt werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger ebenfalls Widerspruch, in dem er ausführte, es sei erkennbar, dass er die AU-Bescheinigungen stets pünktlich eingereicht habe. Auch die streitige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er fristgemäß zur Post gebracht, sie sei zeitgleich an den Arbeitgeber versandt worden, wo sie angekommen sind.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dort wird ausgeführt:

"Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit, aber abschnittsweiser Krankengeldbewilligung bzw. -zahlung sind die Voraussetzungen für jeden Bewilligungs- bzw. Zahlungsabschnitt eigenständig zu prüfen und zu erfüllen und der Krankenkasse rechtzeitig zu melden. Für eine ununterbrochene Zahlung des Krankengeldes ist es deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit innerhalb von einer Woche nach dem zuletzt vom Arzt bestätigten voraussichtlichen Bis-Datum der Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse gemeldet wird. Diese Grundsätze hat das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung aufgestellt ( ).

Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist Pflicht des Versicherten. Die Gefahr des Nichteingangs oder des nicht rechtzeitigen Eingangs der Meldung trägt der Versicherte, er hat also dafür zu sorgen, dass die Meldung die zuständige Kasse auch zuverlässig erreicht. Das hat zur Folge, dass die Ruhensvorschrift auch dann durchgreift, wenn die rechtzeitig zur Post gegebene Meldung dort verloren geht und der Versicherte unverzüglich nach Kenntnis von dem Verlust die Meldung nachgeholt (vgl. Urteil des BSG vom 24.06.1969, BSGE 29,63).

Die Arbeitsunfähigkeit ist der Krankenkasse grundsätzlich von ihrem Beginn an binnen einer Woche zu melden. Da die Meldefrist von einer Woche vorliegend überschritten worden ist - insoweit wird auf die Ausführungen der Sachverhaltsdarstellung verwiesen - konnte eine Krankengeldzahlung für den oben genannten Zeitraum nicht erfolgen. Der Anspruch auf Krankengeld ruhte wegen der Spätmeldung.

Sie geben an, dass Sie die ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in einen Briefkasten eingeworfen haben. Wie zuvor dargestellt, haftet die ... für Postlaufzeiten nicht. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist an keine bestimmte Form gebunden. Sowohl eine telefonische Meldung der Arbeitsunfähigkeit oder eine E-Mail wäre zur Fristwahrung möglich und ausreichend gewesen.

Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht und uns Ihre Argumente sehr genau angesehen. Die Rechtslage zwingt uns jedoch zu einer für sie unbefriedigenden Entscheidung ..."

Mit seiner am 24.08.2017 beim Sozialgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Ablehnungsbescheides und die Zahlung von Krankengeld in dem streitigen Zeitraum. Er meint, aufgrund der rechtzeitigen Absendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei ihm der Verlust auf dem Postweg nicht zuzurechnen.

Es sei ein bekannter Umstand, dass bei öffentlichen Leistungsträgern in erheblich höherem Umfang Post abhanden kommt, als dies in anderen Bereichen der Gesellschaft üblich sein möge.

Die Klägerin beantragt,

den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 24.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.08.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen dem Klägerin für den Zeitraum vom 20.4.2017 bis 16.05.2017 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids und geht davon aus, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei ihr nicht eingegangen sei.

Sie schildert die Postbearbeitung in den in den Dienstleistungszentren in ... und ... stattfinde.

Die vorgeschriebene Meldung der Arbeitsunfähigkeit stelle eine Obliegenheit der Versicherten dar. Sie solle vermeiden, dass die Krankenkassen die Voraussetzungen eines verspätet geltend gemachten Krankengeldanspruchs im Nachhinein aufklären müssen. Die Arbeitsunfähigkeit solle zeitnah durch den MDK überprüft werden können. Mögliche Härten für den Versicherten habe der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, weswegen die Ruhensregelung des § 49 Abs. Nr. 5 (es ist Nr. 6) SGB V strikt zu handhaben sei. Dabei handele es sich um die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Auch habe das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 11.5.2017 unter engen Voraussetzungen im Verhältnis zur bisherigen Rechtsprechung diese weiter entwickelt. Eine grundsätzliche Abkehr von den bisherigen Rechtsgedanken sei jedoch nicht gewollt gewesen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 24.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.08.2017 verletzt den Kläger in seinen Rechten und ist daher aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum vom 20.4.2017 bis 16.05.2017 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Kläger hat als mit Krankengeldanspruch pflichtversichertes Mitglied der Beklagten Anspruch auf Zahlung von Krankengeld, wenn er arbeitsunfähig erkrankt ist. Das ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Der Anspruch ruhte hier jedoch im streitigen Zeitraum auch nicht.

Kein Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld besteht, wenn der an sich gegebene Anspruch nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 SGB V ruhte, weil die Arbeitsunfähigkeit nicht gemeldet wurde. Erforderlich ist dazu die Mitteilung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit, es bedarf grundsätzlich nicht der Übersendung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. insbesondere B 1 KR 11/99 R, zitiert nach juris) handelt es sich dabei um eine Obliegenheit des Versicherten, die den Anspruch ausschließt. Das BSG führt aus:

"Dementsprechend muss die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse erneut gemeldet werden, wenn nach einer vorübergehenden leistungsfreien Zeit wieder Krankengeld gezahlt werden soll ... Dasselbe hat auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug zu gelten, wenn wegen der Befristung der bisherigen Krankschreibung über die Weitergewährung des Krankengeldes neu zu befinden ist. Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig vor Fristablauf ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wenn er das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden will.

(18) Bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Dem LSG ist auch darin beizupflichten, dass die Ausschlussregelung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V strikt anzuwenden ist. Sie soll die Krankenkasse davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet angemeldeten Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen, und ihr die Möglichkeit erhalten, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den MDK überprüfen zu lassen, um Leistungsmißbräuchen entgegentreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können. Das BSG hat deshalb in ständiger Rechtsprechung die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben waren und dem Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung zur Last gelegt werden konnte (vgl. etwa: BSGE 29, 271, 272 = SozR Nr. 8 zu § 216 RVO - Verlust einer rechtzeitig aufgegebenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf dem Postweg; SozR Nr. 11 zu § 216 RVO - Unterbleiben der Meldung, weil der gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen von dessen Arbeitsunfähigkeit keine Kenntnis hatte; BSGE 38, 133, 135 = SozR 2200 § 182 Nr. 7 S 8 - unverschuldetes Unterlassen der Meldung nach Unterbrechung des Krankengeldbezugs; SozR 2200 § 216 Nr. 7 - Unkenntnis des Meldeerfordernisses bei Beginn einer neuen Blockfrist; BSG SozR 2200 § 216 Nr. 11: Meldeversäumnis wegen Beantragung einer konkurrierenden Sozialleistung).

19 Von der Ausschlusswirkung der Ruhensregelung hat die Rechtsprechung aber trotz der strikten Handhabung Ausnahmen anerkannt. Das Ruhen darf dem Anspruch nicht entgegengehalten werden, wenn die Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert wurde, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind."

Dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgt die Kammer nicht.

Die Ruhensregelung soll vermeiden, dass die KK die Voraussetzungen eines verspätet geltend gemachten KrG-Anspruchs im Nachhinein aufklären muss; die AU soll zeitnah durch den MDK überprüft werden können. Daher wird eine bestimmte Form nicht verlangt; es genügt die schriftliche, aber auch die mündliche oder fernmündliche Mitteilung. Nach dem Wortlaut ("gemeldet wird") und dem Normzweck ist nicht zwingend, dass der Versicherte die Meldung selbst vornimmt; die Mitteilung muss aber dem Versicherten zugerechnet werden können. Daher genügt es, wenn die Meldung durch den Arzt oder eine Klinik erfolgt und dem Versicherten bekannt ist (BSG, Urt. v. 12.11.1985 – 3 RK 35/84, SGb 1986, 18).

Das allerdings ist den Versicherten grundsätzlich nicht bekannt, sie gehen, wie auch der Kläger, davon aus, dass die AU-Bescheinigung übersandt werden muss, was für den Nachweis der AU ja auch zutreffend ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Gewährung von Krg daher bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft. Andererseits führt das BSG (Entscheidung vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R) aus:

"So kann sich beispielsweise die Kasse nicht auf den verspäteten Zugang der Meldung berufen, wenn dieser auf von ihr zu vertretenden Organisationsmängeln beruht und der Versicherte hiervon weder wusste noch wissen musste (BSG SozR 2200 § 216 Nr. SOZR 2200 § 5) ...Hat der Versicherte - wie hier der Kläger - (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er (2.) daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (z. B. durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK), und macht er (3.) - zusätzlich - seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Absatz 1 Nummer 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen. Unter diesen engen Voraussetzungen kann die Unrichtigkeit der ärztlichen Beurteilung ggf. auch durch die nachträgliche Einschätzung eines anderen ärztlichen Gutachters nachgewiesen werden und der Versicherte ausnahmsweise rückwirkend Krg beanspruchen."

Die Frage des Ruhens wird vom BSG mithin immer im gleichen Atemzug mit der fehlenden Ausstellung der AU-Bescheinigung gewertet, was nach Ansicht des Gerichts schon eine nicht zulässige Gleichsetzung der Tatbestände ist, weil die Feststellung der AU im Fall des Ruhens tatsächlich erfolgt ist und es nur darum gehen kann, ob die Kasse diese Feststellung durch den MDK überprüfen lassen möchte, weil sie sie für unzutreffend hält.

Es muss vielmehr auch für den Fall des Ruhenstatbestandes so sein, dass, wenn der Versicherte alles ihm Mögliche getan hat, um die AU-Bescheinigung so auf den Weg zu bringen, dass sie innerhalb der Wochenfrist bei der Kasse eingeht, er so gestellt werden muss, dass sein Krankengeldanspruch erhalten bleibt.

Hier hat der Kläger dies getan, er hat die Bescheinigung nach seinen Angaben, an denen keine vernünftigen Zweifel bestehen, zeitnah zur Post gegeben.

Der 5. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 18.02.2016, V ZB 126/15, zitiert nach juris) hat darauf verwiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofes und der anderen obersten Gerichtshöfe dem Bürger Verzögerungen der Briefbeförderung oder der Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden dürfen. Der Bürger dürfe grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden.

Das Gericht ist seit einer Prüfung des Bundesversicherungsamtes, das die Kassen auf die Einhaltung der Ruhensvorschrift prüft, von einer Vielzahl von Verfahren überzogen, die zum Teil verlängerte Postlaufzeiten, zum anderen nie angekommene Bescheinigungen betreffen und in denen das Gericht keine Zweifel hat, dass die Versicherten ihrer Obliegenheit zur rechtzeitigen Anzeige der Fortdauer der AU durch Übersendung der AU-Bescheinigung nachkommen wollten. Es ist bei den Versicherten, die nicht technikaffin sind, noch nicht verbreitet, dass die Kassen, wie auch die Beklagte Apps anbieten, mit denen man die AU-Bescheinigung nur fotografieren muss und durch Übersendung des Fotos der Obliegenheit nachkommt.

Gerade die modernen Postbearbeitungssysteme bei den Krankenkassen (Scan-Zentren) und die erheblichen Verzögerungen bei der Übermittlung von Briefpost, die von der Deutschen Post AG weiterhin als Ausnahmen bezeichnet werden, können nicht zu Lasten der Versicherten gehen, die darauf keinen Einfluss haben.

Aus der Bearbeitung von Verfahren aus dem Bereich des SGB II, die bereits von Beginn an durch schlecht bearbeitete Massenverfahren auffielen, ist bekannt, wie oft Poststücke fehlsortiert werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass dies bei den Krankenkassen und ihren Postverteilzentren anders geschieht, so dass von einer durchaus gegebenen Fehlerquote auszugehen ist, die nicht zur Vernichtung von Ansprüchen der Versicherten führen darf.

Gerade im vorliegenden Fall ergibt sich weder ein Anhaltspunkt dafür, dass die Kasse eine Prüfung durch den MDK hätte veranlassen wollen, da die Schultererkrankung des Klägers sich als langwierige Erkrankung darstellt, noch dass der Kläger die AU-Bescheinigung nicht übersandt hat.

Daher geht das Gericht davon aus, dass hier die Ruhensvorschrift begrenzt werden muss. Der 3. Senat des BSG führt insoweit im Leitsatz der Entscheidung vom 11.05.2017 (B 3 KR 22/15 R, zitiert nach juris) aus:

"Trotz des grundsätzlich fehlenden verfassungsrechtlichen Anspruchs auf bestimmte Leistungen der GKV müssen gesetzliche bzw. auf dem Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen ebenso wie die nachteilige Auslegung und Anwendung von Regelungen des Leistungsrechts der GKV durch die Fachgerichte stets daran gemessen werden, ob sie im Rahmen des Art 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt sind, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen; das gilt insbesondere für diejenigen Personen mit mittlerem oder niedrigem Einkommen, die in der GKV pflichtversichert sind und denen die Möglichkeit einer davon abweichenden Absicherung nicht offen steht (vgl. BVerfG vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 = BVerfGE 115, 25, 42ff = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr 20ff)."

In den Gründen (Rn 28) führt das BSG aus:

"In Anbetracht des Umstandes, dass das Gesetz die Versagung von Leistungsansprüchen aus dem Recht der GKV bei unstreitiger Krankheit und ansonsten gegebenen Anspruchsvoraussetzungen nur unter qualifizierten Anforderungen ermöglicht (vgl. §§ 52, 52a SGB V ("Leistungsbeschränkung bei Selbstverschulden"), auch § 146 Abs. 1 S 1 SGB III zur Alg-Fortzahlung im Krankheitsfall), erschiene es unverhältnismäßig, einem Versicherten, der alle sonstigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, die wegen derselben Krankheit für die Dauer von 78 Kalenderwochen innerhalb eines Dreijahreszeitraums in Betracht kommenden Krg-Ansprüche (vgl. § 48 Abs. 1 SGB V) selbst bei einer nur einen Tag lang dauernden Lücke bei den AU-Feststellungen uneingeschränkt zu versagen (vgl. auch Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des GKV-VSG, BT-Drucks 18/4095 S 80 f Zu Nummer 15 Zu Buchst b: die Rechtslage sei "nicht sachgerecht" und "in der Praxis gelangen Versicherte oftmals unverschuldet und ohne genaue Kenntnis über die Rechtslage in diese Situation"; ). Dem Versicherten darf insoweit bei der unterbliebenen ärztlichen AU-Feststellung nicht mehr entgegengehalten und abverlangt werden als in dem Fall, dass ein in die vertragsärztliche Versorgung eingebundener ärztlicher Leistungserbringer, der zur Prüfung und Konkretisierung von Leistungsansprüchen auf Seiten der Krankenkassen mit berufen ist (zu diesem Gesichtspunkt vgl. bereits BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr. 1, RdNr 26), die medizinische Notwendigkeit der Ausstellung einer AU-Bescheinigung fehlerhaft unterlässt."

Zwar hat das BSG in der Entscheidung im Übrigen auch die altbekannten Textbausteine verwendet, unter Anwendung der Rechtsgedanke in den Leitsätzen kann jedoch nur eine einschränkende Auslegung der Ruhensregelung angenommen werden.

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG folgt der Entscheidung der Hauptsache.

Die Berufung wurde nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen, weil das Gericht von der Rechtsprechung des BSG abweicht. Daher wurde auch der konkrete Betrag des streitigen Krankengeldes nicht ermittelt.
Rechtskraft
Aus
Saved