S 14 AS 1723/16

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 14 AS 1723/16
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für Oktober 2016 weitere Leistungen in Höhe von 2,85 EUR zu zahlen.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die (vollständige) Auszahlung von bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Der Kläger stand jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitraum bei dem Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 1. Juli 2016 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2016 Leistungen in Höhe von monatlich je 404,00 EUR. Für Oktober 2016 gelangten – im Rahmen einer Scheckzahlung – 401,15 EUR zur Auszahlung.

Hiergegen hat der Kläger am 9. Oktober 2016 Klage erhoben: Soweit der Kläger von dem bewilligten Betrag in Höhe von 404,00 EUR einen Abzug von 2,85 EUR vornehme, sei dies unrechtmäßig. Insbesondere könne sich der Beklagte nicht auf etwaige Arbeitsanweisungen der Bundesagentur beziehen; diese stellten keine Rechtsgrundlage für einen Abzug dar. Zwar seien die durch die Übermittlung der Leistung veranlassten Kosten grundsätzlich abzugsfähig. Vorliegend habe der Kläger einen Barscheck erhalten, wodurch keine – über die durch die Überweisung hervorgerufenen hinausgehenden – weiteren Kosten entstünden. Allenfalls hätte der Beklagte gegebenenfalls eine (konkrete) Kostenaufstellung der (tatsächlichen) Übermittlungsaufwendungen vorlegen können, etwa das Porto für die Übersendung des Schecks unter "Gegenrechnung" der ersparten Bankausführungskosten.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 2,85 EUR für Oktober 2016 aus dem Bewilligungsbescheid vom 1. Juli 2016 an den Kläger auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, der Abzug finde seine Rechtsgrundlage in § 42 Abs. 3 Satz 2 SGB II. Der Kläger sei in dem bestandskräftigen Bescheid vom 1. Juli 2016 selbst auf den Zahlungsweg "kostenpflichtiger Scheck" hingewiesen worden. Für diese Auszahlungsvariante sei in den verbindlichen fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit der Abzug von Kosten in Höhe von pauschal 2,85 EUR vorgesehen. Dies entspreche der gesetzlichen Grundlage gemäß § 42 Abs. 3 SGB II. Der Kläger habe im Übrigen mit seiner Unterschrift unter ein entsprechendes Merkblatt bestätigt, dass ihm der Abzug von 2,85 EUR für die Auszahlung per Scheck bekannt sei. Mithin könne er sich nunmehr nicht auf eine diesbezügliche Unkenntnis berufen.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 15. August 2017 hat der Kläger sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mitgeteilt. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15. August 2017 mitgeteilt, er habe keine Einwände gegen eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte die Kammer gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die weitere Auszahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Bewilligungsmonat Oktober 2016 in Höhe von 2,85 EUR.

Der Kläger hat in zulässiger Weise nach der Vornahme eines Abzugs von 2,85 EUR bei der Auszahlung der Leistungen durch den Beklagten unmittelbar eine Leistungsklage erhoben. Anders als in den Konstellationen etwa einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. § 78 Abs. 1 SGG) bedarf es dabei nicht der Durchführung eines Vorverfahrens. Ein Verwaltungsakt, gegen den zunächst Widerspruch zu erheben wäre, steht vorliegend nicht in Streit. Denn der hier maßgebliche Bewilligungsbescheid vom 1. Juli 2016 ist bestandskräftig geworden. Der Kläger begehrt nunmehr – jedenfalls im hiesigen Verfahren – nicht etwa eine höhere Leistungsbewilligung als im Bescheid (Verwaltungsakt) verfügt, sondern (unmittelbar und ausschließlich) die vollständige Auszahlung der eben dort gewährten Leistungen.

Der Kläger macht zu Recht die Auszahlung des zunächst vom Beklagten in Abzug gebrachten Betrages von 2,85 EUR geltend.

Zwar verweist der Beklagte grundsätzlich zu Recht auf die Regelung des § 42 Abs. 3 Satz 2 SGB II. Danach sind in den Fällen, in denen anstelle der Überweisung auf ein Konto gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 SGB II die Übermittlung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten erfolgt, die dadurch veranlassten Kosten abzuziehen. Dies wäre prinzipiell im Hinblick auf die Kosten einer hier in Rede stehenden Barschecküberweisung einschlägig. Zur Überzeugung der Kammer folgt aus der gesetzlichen Regelung des Abzuges der "veranlassten Kosten" indes, dass es ausschließlich um tatsächlich veranlasste, also wirklich angefallene Kosten geht. Diese wären vom auszahlenden Leistungsträger konkret darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen. Auch auf den entsprechenden Einwand des Klägers ist eine solche spezifizierte Aufstellung der tatsächlich entstandenen Kosten allerdings nicht erfolgt, auch nicht bezüglich etwaiger Portokosten. Der Beklagte hat auf die Einräumung der Möglichkeit zur Stellungnahme auf den klägerischen Hinweis zur Aufstellung der konkreten Kosten der Übermittlungsaufwendungen lediglich pauschal auf die bisherigen Ausführungen Bezug genommen, ohne eine spezifische Darstellung der ihm entstandenen Kosten vorzunehmen. Auf die Frage, ob – und gegebenenfalls inwieweit – dann wiederum denkbare Kosten "gegenzurechnen" wären, die der Beklagte auf der anderen Seite bei einer nach dem Gesetz prinzipiell vorgesehenen Banküberweisung gehabt hätte, kommt es somit nicht mehr an. Damit stehen etwaige konkrete Kosten, die über § 42 Abs. 3 Satz 2 SGB II von dem auszuzahlenden Leistungsbetrag in Abzug gebracht werden könnten, nicht fest.

In diesem Zusammenhang ist zur Überzeugung der Kammer insbesondere keine Rechtsgrundlage für die vom Beklagten angenommene "Pauschalierung" der abzuziehenden Aufwendungen gegeben. Diese ist auch nicht in den vom Beklagten in Bezug genommenen fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu sehen. Hierbei handelt es sich lediglich um interne Verwaltungsvorschriften der Behörde, also nicht um Rechtsvorschriften die auch unmittelbar "im Außenverhältnis" zum Bürger Geltung beanspruchen könnten. Vielmehr ist aus ihnen im Grundsatz lediglich zu entnehmen, welche Auslegung der maßgeblichen rechtlichen Regelungen die Mitarbeiter der Behörden aufgrund interner Weisungen zugrunde zu legen haben. Hieraus ergibt sich indes nicht, dass diese von den Behörden zu Grunde gelegten Interpretationen zwingend korrekt sein müssten: Mangels Rechtsnormqualität enthalten solche internen Verwaltungsvorschriften weder gegenüber den Leistungsempfängern noch gegenüber den Gerichten eine Bindungswirkung. Vielmehr haben die Gerichte selbstständig die Auslegung und Anwendung des geltenden Rechts zu prüfen, ohne insoweit an interne Weisungen eines Verfahrensbeteiligten gebunden zu sein. Die Kammer kann eine hinreichende gesetzliche Grundlage für den Ansatz von Pauschalkosten in Höhe von 2,85 EUR nicht erkennen. Weder ist dies in § 42 Abs. 3 SGB II so geregelt, noch ist eine entsprechende Verordnungsermächtigung erkennbar. Die Kammer vermag auch nicht festzustellen, dass stets und ohne Weiteres davon ausgegangen werden könnte, es würden tatsächlich in jedem Falle – generell – Übermittlungskosten in Höhe von (mindestens) 2,85 EUR entstehen. Demgemäß kann dahinstehen, ob ein solcher (hier nicht einschlägiger) Gesichtspunkt die Darlegung der konkreten Kosten im Einzelfall entbehrlich machen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Berufung war durch das Sozialgericht nicht zuzulassen. Gemäß § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung – wenn sie nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft – der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Der Kläger begehrt die Auszahlung weiterer 2,85 EUR. Die Klage betrifft mithin eine Geldleistung in dieser Höhe, so dass sich der Wert des Beschwerdegegenstandes auf diesen Betrag beläuft. Die Voraussetzungen der Zulassung der Berufung durch das Sozialgericht gemäß § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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