L 9 SO 150/18 B ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 12 SO 21/18 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 150/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Kein Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII als Darlehen gegeben, weil die Antragstellerin ihren notwendigen Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen bestreiten kann.

2. Die den angemessenen Umfang übersteigenden Aufwendungen der Antragstellerin für ihre Unterkunft sind auch nicht wegen Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung als Bedarf anzuerkennen. Die Antragstellerin ist umzugsfähig, aber nicht umzugswillig.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 20. Juli 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Angemessenheit von Kosten für Unterkunft und Heizung und die Gewährung eines Darlehens.

Die 1956 geborene Antragstellerin lebte bis Ende Mai 2016 in Berlin, dann zog sie nach A in Schleswig-Holstein. Seit dem 1. Oktober 2016 wohnt die Antragstellerin in K im Kreis Nordfriesland in einer 85 qm großen Einzimmerwohnung zur Miete. Die Miete beträgt monatlich 460,00 EUR nettokalt zzgl. Nebenkosten in Höhe von monatlich 120,00 EUR. Die Antragstellerin erhält eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hat einen Grad der Behinderung von 80 und das Merkzeichen G.

In der Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. Mai 2017 bezog die Antragstellerin vom Antragsgegner Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII) unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Unterkunftskosten. Mit Schreiben vom 7. November 2016 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass ihre Unterkunftskosten zu hoch seien und noch bis zum 31. Mai 2017 in tatsächlicher Höhe berücksichtigt werden könnten. Für eine Ein-Personen-Bedarfs¬gemeinschaft seien am Wohnort der Antragstellerin 343,00 EUR Bruttokaltmiete angemessen.

Ab dem 1. Juni 2017 berücksichtigte der Antragsgegner im Rahmen der Bedarfsberechnung nur noch die seiner Auffassung nach angemessenen Unterkunftskosten (monatlich 343,00 EUR nettokalt); seither bezieht die Antragstellerin wegen eines bedarfsdeckenden Einkommens (Erwerbsminderungsrente) keine Sozialhilfeleistungen mehr. Gegen diese Entscheidung (Bewilligungsbescheid vom 7. November 2016; Änderungsbescheid vom 15. November 2016; Widerspruchsbescheid vom 17. März 2017) erhob die Klägerin Klage, die noch rechtshängig ist (Az. S 12 SO 51/17). Ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das Sozialgericht Schleswig mit Beschluss vom 10. Oktober 2017 ab (Az. S 12 SO 51/17 ER). Ihre dagegen eingelegte Beschwerde wies das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht mit Beschluss vom 21. März 2018 zurück (Az. L 9 SO 201/17 B ER).

Am 27. Oktober 2017 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner Hilfe zum Lebensunterhalt "als Darlehen § 38"; sie warte auf die beantragte Unfallrente.

Mit Bescheid vom 2. November 2017 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Die Antragstellerin decke ihren laufenden monatlichen Bedarf in Höhe von 831,53 EUR (409,00 EUR Regelleistung; 69,53 EUR Mehrbedarf "Merkzeichen G"; 353,00 EUR angemessene Kosten der Unterkunft) bereits mit ihrer Erwerbsminderungsrente (ca. 972,00 EUR). Somit ergebe sich kein ergänzender Sozialhilfebedarf.

Dagegen legte die Antragstellerin am 16. November 2017 Widerspruch ein. Sie leide an einer fortschreitenden Verschlechterung ihrer Lungenfunktion und sei seit Januar 2017 nicht umzugsfähig. Sie reagiere allergisch auf diverse Wohngifte, könne wegen Luftnot nur noch 35 Meter ohne längere Pause laufen und leide an großer allgemeiner Schwäche und chronischer Müdigkeit, außerdem an Verstopfung und Durchfällen mehrmals täglich und habe daher – wie bei einer Diagnose Colitis ulcerosa – Anspruch auf das Merkzeichen aG. Es sei ihr nicht möglich gewesen, eine Wohnung für monatlich 353,00 EUR Warmmiete zu finden, mit z. B. einem Fußbodenbelag, der allergische Asthmaanfälle nicht begünstige. Außerdem müsse sie Akten aus 42 Jahren vorrätig halten, um ihren Anspruch auf Unfallrente gegen die für sie zuständige Berufsgenossenschaft (außer-)gerichtlich zu realisieren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2018 wies der Antragsgegner den Widerspruch gegen seinen Bescheid vom 2. November 2017 zurück. Durch das Schreiben vom 7. November 2016 und das anhängige Klagverfahren sei der Antragstellerin hinreichend bekannt, dass die von ihr zu zahlenden Unterkunftskosten unangemessen hoch seien und insofern bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB XII nur in angemessener Höhe Berücksichtigung finden könnten. Bis einschließlich Dezember 2017 sei ein Bedarf in Höhe von monatlich 883,53 EUR zu berücksichtigen (409,00 EUR Regelleistung; 69,53 EUR Mehrbedarf "Merkzeichen G"; 355,00 EUR angemessene Kosten der Unterkunft; 50,00 EUR angemessene Heizkosten), ab Januar 2018 in Höhe von monatlich 891,72 EUR (416,00 EUR Regelleistung; 70,72 EUR Mehrbedarf "Merkzeichen G"; 355,00 EUR angemessene Kosten der Unterkunft; 50,00 EUR angemessene Heizkosten). Dieser Bedarf werde durch das anrechenbare Einkommen (972,00 EUR Erwerbsminderungsrente abzgl. 12,79 EUR Versicherungsbeiträge) gedeckt, so dass der Antragstellerin kein Darlehen zu gewähren sei. Außerdem sei eine Darlehensgewährung nach § 38 SGB XII bei Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung grundsätzlich nicht vorgesehen; ein solches Darlehen könnten nur leistungsberechtigte Personen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII erhalten. Auch rechtfertigten die von der Antragstellerin genannten Erkrankungen weiterhin keine Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Unterkunftskosten. Soweit die Antragstellerin darauf verweise, weder in Nordfriesland noch in Berlin eine Wohnung in Höhe der angemessenen Aufwendungen zu finden, gehe er – der Antragsgegner – davon aus, dass die Antragstellerin durchaus umzugsfähig sei.

Dagegen hat die Antragstellerin am 29. März 2018 Klage erhoben und zugleich um Eilrechtsschutz nachgesucht.

Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Sie befinde sich in akuter Notlage, müsse die "Tafeln" aufsuchen und überlebe nur durch die finanzielle Hilfe von Freunden und Nachbarn. Ihr drohe Obdachlosigkeit. Es sei unzutreffend, dass sie umzugsfähig sei und ihre Wohnungssuche auch auf Berlin ausgeweitet habe; vor 2016 habe sie erfolglos in Berlin beginnend nach bezahlbaren Wohnungen mit Bodenfliesen gesucht. Sie suche keine Wohnung in Berlin oder halte sich dort auf; sie habe dort lediglich im April und September 2017 Fachärzte aufgesucht. Der Antragsgegner möge ihr die Verfügbarkeit einer (wegen ihrer Gehbehinderung) im Erdgeschoss gelegenen oder mit Fahrstuhl erreichbaren Wohnung mit Bodenfliesen (wegen ihrer Allergien) und Platz für ihr Aktenarchiv zu einer Warmmiete in Höhe von monatlich 353,00 EUR nachweisen. Sie selbst habe Umzugsbemühungen krankheitsbedingt nicht entfalten können; sie benötige auch Schlaf. Ihre Erkrankungen (Fleckfieber, Strongyloidiasis) begünstigten sich gegenseitig und hätten aktuell zu einem Hyperinfektionssyndrom geführt, das lebensbedrohlich sei. Für einen Umzug könne sie nicht auf die Hilfe von Verwandten zurückgreifen; sie habe keinen großen Verwandtenkreis, und ihre beiden Kinder seien durch Studium und Arbeit verhindert.

Die Antragstellerin hat sinngemäß beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab Antragstellung in Höhe von 114,67 EUR monatlich zu zahlen, hilfsweise als Darlehen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Seiner Ansicht nach stünden nur monatlich 107,51 EUR im Streit (175,00 EUR Differenz der tatsächlichen zu den angemessenen Unterkunftskosten abzgl. des im Widerspruchsbescheids vom 1. März 2018 festgestellten Einkommensüberhangs in Höhe von monatlich 67,49 EUR). Die Unterkunftskostenobergrenze sei schlüssig ermittelt. Umzugsbemühungen habe die Antragstellerin nicht entfaltet, weil sie der Auffassung sei, nicht zum Umzug verpflichtet zu sein. Der zuständige Amtsarzt habe ihm – dem Antragsgegner – am 17. März 2018 bestätigt, dass der Antragstellerin ein Umzug medizinisch zumutbar sei. Sie müsse diesen auch nicht selbst durchführen, sondern könne auf professionelle Hilfen oder Hilfen ihrer Verwandten zurückgreifen. Sie könne sich nach eigenen Angaben von Nordfriesland nach Berlin begeben, folglich könne sie sich auch von K aus in eine neu zu beziehende Wohnung begeben. Nach dem Antragsschriftsatz habe er – der Antragsgegner – zudem den Eindruck, dass sich die Antragstellerin seit September 2017 in Berlin bei ihren Kindern aufhalte; das spreche gegen die Annahme einer Eilbedürftigkeit. Die Grunderkrankung der Antragstellerin sei auch im Jahr 2016 schon vorhanden gewesen und habe sie nicht an einem Umzug gehindert. Dass seither eine Verschlimmerung der Erkrankung eingetreten sei, durch die ein Umzug nicht mehr möglich sei, habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.

Mit Beschluss vom 20. Juli 2018 hat das Sozialgericht Schleswig den Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin habe zwar einen Anordnungsgrund, aber keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie sei zwar wegen ihrer dauerhaften Erwerbsminderung dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, habe aber keinen Leistungsanspruch, weil sie ihren notwendigen Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen bestreiten könne. Ihr Bedarf belaufe sich auf monatlich 891,72 EUR, ihr einzusetzendes Einkommen auf monatlich 959,21 EUR (vgl. die Berechnung im Widerspruchsbescheid vom 1. März 2018); dies ergebe einen Einkommensüberhang von monatlich 67,49 EUR. Die Antragstellerin habe keine höheren Bedarfe für Unterkunft glaubhaft gemacht. Sie berichte zwar über gravierende gesundheitliche Beschwernisse, habe jedoch die Unmöglichkeit eines Umzugs nicht glaubhaft gemacht. Es fehle an einer Darlegung, weshalb ihr ein Umzug nicht mit fremder Hilfe möglich sein solle, welches Volumen an Akten bei ihr vorhanden sei und weshalb diese nicht auf 50 qm unterzubringen seien. Der Antragsgegner verlange von ihr auch nicht, den Umzug in Eigenregie durchzuführen. Ein Umzug sei auch mithilfe von Bekannten, Freunden und Verwandten oder ein Umzugsunternehmen durchführbar, und das dies unmöglich sein solle, sei nicht erkennbar. Vielmehr berichte die Antragstellerin, dass ihre Prioritätensetzung aktuell anders liege; eine Unmöglichkeit im rechtlichen Sinne sei dies nicht.

Gegen den ablehnenden Beschluss hat die Antragstellerin am 20. August 2018 Beschwerde erhoben.

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Sie sei durchaus umzugsunfähig. Die Verschlechterung ihrer Lungenkapazität seit Januar 2017 sei durch Feststellungen des Landesamtes für soziale Dienste Schleswig-Holstein (LAsD) vom 25. Mai 2018 bewiesen. Am 8. Juni 2018 habe sie einen dritten Herzinfarkt erlitten. Aus ihrer behindertengerechten Wohnung, die auch ausreichend Platz für ihre Akten biete, ausziehen zu müssen, stelle eine unzumutbare soziale Härte dar. Sie setze keine Prioritäten, sondern ihre Infektionskrankheiten diktierten ihr ein erhöhtes Schlafbedürfnis. Bei einem Umzug könnten ihr weder ihre Kinder helfen, noch habe ihr die evangelische Kirchengemeinde Umzugshelfer vermitteln können. Der sie erst seit Januar 2018 behandelnde Hausarzt habe ihr mitgeteilt, zurzeit noch keine ärztliche Stellungnahme abgeben zu können. Sie beantrage die Beiziehung diverser Akten.

Zur Glaubhaftmachung hat die Antragstellerin unter anderem die Ablichtung einer gutachtlichen Stellungnahme des LAsD vom 25. Mai 2018 zu den Akten gereicht. Daraus ergibt sich unter anderem die Feststellung eines Gesamt-GdB von (unverändert) 80, eines Teil-GdB für "Bronchialasthma, COPD" von 70 ("Eine Verschlechterung der Lungenfunktion wird in 4/18 belegt, eine respiratorische Insuffizienz wird nicht belegt") sowie das Merkzeichen G. Das Merkzeichen aG wurde nicht festgestellt; eine außergewöhnliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit werde "nicht belegt, zufriedenstellender Allgemeinzustand, Wegstrecke im Antrag mit bis zu 100 Metern angegeben".

In der Sache beantragt die Antragstellerin sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 20. Juli 2018 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab Antragstellung Leistungen der Sozialhilfe in Höhe von 114,67 EUR monatlich (ausdrücklich) "auf Darlehensbasis" zu zahlen

sowie ihr die Jahresprämie ihrer Hausratversicherung in Höhe von 67,94 EUR zu erstatten, die sie am 1. Oktober 2018 überwiesen habe.

Der Antragsgegner hat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen und die Gründe des angefochtenen Beschlusses. Eine darlehensweise Bewilligung von laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt sehe das Gesetz nur im Ausnahmefall vor. Ein solcher sei nicht gegeben, denn der laufende Bedarf sei durch die Einkünfte der Antragstellerin gedeckt. Die Antragstellerin sei weiterhin als umzugsfähig anzusehen. Wenn ihr die Mühen eines Umzugs persönlich nicht zumutbar seien, könnten ihr solche Tätigkeiten (Heben, Räumen, Tragen, Organisieren) auch abgenommen werden. Hingegen fehle jeder Anhaltspunkt, dass die Antragstellerin gesundheitlich gerade auf die aktuell bewohnte Wohnung angewiesen sei.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Soweit die Antragstellerin erstmals im Beschwerdeverfahren die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, ihr die Jahresprämie ihrer Hausratversicherung in Höhe von 67,94 EUR zu erstatten, ist die Beschwerde bereits unzulässig. Eine Erweiterung des Antrags im Beschwerdeverfahren ist nicht zulässig, weil das Beschwerdegericht nicht das zuständige Prozessgericht der Hauptsache ist (vgl. Karl in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 172 Rn. 143).

Die im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Antragstellerin hat insoweit keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Zutreffend hat das Sozialgericht die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dargestellt und diese verneint. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

In Betracht kommende Anspruchsgrundlagen sind nur solche, die eine Gewährung von Leistungen des SGB XII als Darlehen vorsehen; denn die Antragstellerin hat mehrfach ausdrücklich erklärt, vom Antragsgegner Leistungen in Höhe von 114,67 EUR monatlich nur "auf Darlehensbasis" erhalten zu wollen. Somit kommt eine Prüfung, ob die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch auf Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII als Zuschuss (d. h. nach § 35 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Satz 2 SGB XII) glaubhaft gemacht hat, im Beschwerdeverfahren nicht mehr in Betracht.

Eine vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der beantragten einstweiligen Anordnung kann die Antragstellerin nicht erreichen, da die Voraussetzungen keiner der denkbaren Anspruchsgrundlagen erfüllt sind.

Nach § 36 Abs. 1 SGB XII können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist (Satz 1). Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden (Satz 3). Ein Anordnungsanspruch nach dieser Vorschrift kommt nicht in Betracht, da ein Anspruch nach § 36 Abs. 1 SGB XII Hilfebedürftigkeit voraussetzt (vgl. Nguyen in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 36 SGB Rn. 17), die bei der Antragstellerin nicht gegeben ist (wird ausgeführt). Außerdem kommt im Rahmen des § 36 Abs. 1 SGB XII nur die Übernahme von bestehenden Schulden in Betracht, die in der Vergangenheit begründet und fällig wurden, nicht hingegen für die aktuellen tatsächlichen (laufenden) Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (vgl. Nguyen in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 36 SGB Rn. 21 f. m. w. N.), wie sie die Antragstellerin geltend macht.

Ein Darlehen nach § 37 Abs. 1 SGB XII kommt nicht in Betracht, denn danach sollen nur notwendige Leistungen für von den Regelbedarfen umfasste und nach den Umständen unabweisbar gebotene Bedarfe, die im Einzelfall auf keine andere Weise gedeckt werden können, als Darlehen erbracht werden. Abgesehen davon, dass es sich bei den Bedarfen für Unterkunft und Heizung nach den §§ 35 und 36 SGB XII nicht um einen von den Regelbedarfen umfassten Bedarf handelt (vgl. § 27a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 SGB XII), sind Bedarfe, die keine einmalige Bedarfsspitze darstellen, sondern dauernd oder regelmäßig wiederkehren, einer Deckung durch ein ergänzendes Darlehen nach § 37 Abs. 1 SGB XII nicht zugänglich (vgl. Becker in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 37 Rn. 21 m. w. N.).

Auch ein Darlehen bei vorübergehender Notlage nach § 38 Satz 1 SGB XII kommt nicht in Betracht, denn danach können Geldleistungen als Darlehen (gemeint: nur) gewährt werden, wenn Leistungen nach § 27a Absatz 3 und 4, der Barbetrag nach § 27b Absatz 2 sowie nach den §§ 30, 32, 33 und 35 voraussichtlich nur für kurze Dauer zu erbringen sind. Dies ist bei einem Bedarf aufgrund einer laufend zu erbringenden Miete regelmäßig nicht der Fall. Auch bestehen im konkreten Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Gegenteil, insbesondere nicht dafür, dass die Antragstellerin die von ihr beantragte Unfallrente – mit der sie die Unterkunftskostendifferenz begleichen könnte – in naher Zukunft laufend erhalten wird.

Ein Darlehen nach § 73 Satz 2 SGB XII ist ebenfalls ausgeschlossen. Danach können Geldleistungen auch in sonstigen Lebenslagen als Darlehen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Die Leistungen nach § 73 SGB XII sind subsidiär zu den anderen Leistungen des SGB XII. Kennzeichen einer "sonstigen Lebenslage" im Sinne der Norm ist es, dass die jeweilige Bedarfssituation nicht bereits von anderen Anspruchsgrundlagen des SGB XII erfasst ist (vgl. Böttiger in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 73 Rn. 21 m. w. N.). Das ist bei dem von der Antragstellerin geltend gemachten Bedarf nicht der Fall; er wird bereits als Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 35 SGB XII erfasst.

Auch die Voraussetzungen des § 91 Satz 1 SGB XII liegen nicht vor, denn danach soll die Sozialhilfe als Darlehen geleistet werden, soweit nach § 90 für den Bedarf der nachfragenden Person Vermögen einzusetzen ist, jedoch der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich ist oder für die, die es einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde; der Leistungsanspruch der Antragstellerin scheitert jedoch nicht an einem zu großen Vermögen.

Ausgeschlossen ist auch ein Darlehen nach § 35 Abs. 2 Satz 5 2. Halbsatz SGB XII (Darlehen für Mietkautionen), § 37 Abs. 2 SGB XII (Darlehen für die Zuzahlungen zur gesetzlichen Krankenversicherung), § 37a Abs. 1 SGB XII (Darlehen bei am Monatsende fälligen Einkünften), § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (Darlehen für Auszubildende) oder § 23 Abs 3a Satz 3 SGB XII (Darlehen für Ausländerinnen und Ausländern). Andere denkbare Anspruchsgrundlagen sind nicht erkennbar.

Letztendlich teilt der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage im Beschlussverfahren die Einschätzung des Sozialgerichts, dass die Antragstellerin keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII hat – auch nicht nur darlehensweise –, weil sie ihren notwendigen Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen bestreiten kann. Wegen der Einzelheiten der Bedarfsberechnung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Der Bedarfsberechnung sind auch nicht aus anderen Gründen die tatsächlichen Aufwendungen der Antragstellerin für ihre Unterkunft zugrunde zu legen.

Zum einen hat der Senat nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen reduzierten Prüfungsdichte – auch mangels eines entsprechenden und belastbaren Vorbringens der Antragstellerin – gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür, dass die Angemessenheitsgrenze des Antragsgegners für Kosten der Unterkunft und Heizung eines Einpersonenhaushalts am Wohnort der Antragstellerin nicht den Anforderungen des Bundessozialgerichts an eine schlüssige Ermittlung genügt.

Zum anderen hat bereits das Sozialgericht Schleswig im angefochtenen Beschluss sorgfältig und zutreffend begründet, dass die tatsächlichen, den angemessenen Umfang übersteigenden Aufwendungen der Antragstellerin für die Unterkunft aktuell auch nicht wegen einer Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung als Bedarf anzuerkennen sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Eine davon abweichende rechtliche Einordnung ist auch nicht im Hinblick auf das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorzunehmen.

Die Zumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen im Sinne von § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII setzt voraus, dass tatsächlich eine Kostensenkungsmöglichkeit etwa durch Untervermietung oder in Form des Umzugs in eine andere Wohnung besteht. Hierbei sind grundrechtsrelevante Sachverhalte oder Härtefälle zu berücksichtigen, sodass ein Umzug beispielsweise aus schweren gesundheitlichen Gründen unzumutbar sein kann. Zu unterscheiden ist dabei einerseits die Durchführung des Umzugs, für den notwendige Leistungen gewährt werden können, wenn etwa aus gesundheitlichen Gründen der Umzug nicht in eigener Regie durchgeführt werden kann, und andererseits die Unzumutbarkeit des Unterkunftswechsels an sich, etwa bei schweren psychischen Erkrankungen (vgl. Nguyen in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 35 SGB Rn. 99 m. w. N.). Besondere Umstände kommen außerdem in Betracht bei behinderten oder kranken bzw. in der Mobilität eingeschränkten oder pflegebedürftigen Menschen. Das Bundessozialgericht (BSG) erkennt zudem bei älteren Menschen an, dass sie typisierend immobiler als der Durchschnitt der Bevölkerung sind, weil mit zunehmendem Alter die Anpassungsfähigkeit weiter ab- und die Anfälligkeit für Erkrankungen zunehme, und dass wegen des erfahrungsgemäß veränderten Aktionsradius die Wohnung und Wohnumgebung für das körperliche und psychische Wohl des alten Menschen immer mehr an Bedeutung gewännen (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2010 – B 8 SO 24/08 – juris Rn. 20). Im Einzelfall wurde deshalb ein Recht auf Verbleib im sozialen Umfeld bejaht bei einem Alter von 77 Jahren, einer langen Wohndauer bei älteren Menschen bzw. einer Wohndauer von mehr als zehn Jahren sowie besonderer Integration in das soziale Umfeld (vgl. Nguyen in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 35 SGB Rn. 99 m. w. N.). Allein der Wunsch, sich örtlich nicht zu verändern oder seine Wohnung nicht aufzugeben, genügt dagegen auch bei älteren Menschen nicht (vgl. BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 106/10 R – juris Rn. 38). Vielmehr gilt im Regelfall, dass jeder Umzug in gewissem Maße mit einer Veränderung des unmittelbaren sozialen Umfelds einhergeht, die das Gesetz für zumutbar erachtet. Zu berücksichtigen ist ferner das selbst bei Annahme von Unzumutbarkeit bzw. Unmöglichkeit nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes eine Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten über einen Zeitpunkt von sechs Monaten hinaus nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz SGB XII).

Dass eine derartige besondere Fallgestaltung bei der Antragstellerin vorliegt, ergibt sich schon nicht aus ihrem eigenen Vortrag. Ihr ist weder die Durchführung eines Umzugs noch ein Unterkunftswechsel an sich unzumutbar.

In Bezug auf die Durchführung eines Umzugs hat die Antragstellerin trotz ihrer Ausführungen im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass sie einen Umzug nicht entweder mithilfe von Freunden oder Verwandten – insbesondere ihren beiden erwachsenen Kindern – in eigener Regie oder mithilfe professioneller Umzugshelfer durchführen könnte. Der Antragsgegner hat zuletzt im Beschwerdeverfahren erneut erklärt, dass der Antragstellerin bestimmte Umzugstätigkeiten (Heben, Räumen, Tragen, Organisieren) auch abgenommen werden könnten, wenn ihr diese persönlich nicht zumutbar seien. Insofern führt auch die Angabe eines dritten Herzinfarkts und einer Verschlechterung der Lungenfunktion nicht dazu, dass von einer Unzumutbarkeit der Durchführung eines Umzugs auszugehen ist.

Auch in Bezug auf einen Unterkunftswechsel an sich hat die Antragstellerin weiterhin nicht glaubhaft gemacht, dass ihr ein solcher unzumutbar ist. Die von der Antragstellerin geklagten gesundheitlichen Beschwerden machen einen Verbleib in der aktuellen Wohnung nicht zwingend erforderlich. Dass diese Wohnung die einzige ist, in der die Antragstellerin ohne gesundheitliche Gefährdung wohnen kann, hat sie – auch unter Berücksichtigung der von ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen – nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin könnte auch eine andere, günstigere allergenarme und barrierefreie Wohnung bewohnen. Dass eine solche nicht verfügbar ist, hat sie nicht glaubhaft gemacht. Angesichts der vollständig fehlenden Umzugsbemühungen der Antragstellerin liegt es auch nicht im Verantwortungsbereich des Antragsgegners, die grundsätzliche Verfügbarkeit einer geeigneten Alternativwohnung nachzuweisen.

Sonstige Gründe der Unzumutbarkeit sind nicht ersichtlich. An einer schweren psychischen Erkrankung, die der Zumutbarkeit eines Unterkunftswechsels entgegenstehen könnte, leidet die Antragstellerin nicht. Sie ist auch nicht pflegebedürftig oder besonders alt. Eine enge Anbindung an das unmittelbare soziale Umfeld ihrer derzeitigen Wohnung etwa aufgrund einer langen Wohndauer besteht nicht. Die Antragstellerin ist vielmehr erst vor etwa zwei Jahren an ihren gegenwärtigen Wohnort umgezogen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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