L 6 AS 764/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 24 AS 323/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 764/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.03.2016 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger auch im Berufungsverfahren Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Übernahme einer im März 2015 fälligen Heiz- und Betriebskostennachforderung für die Zeit vom 01.09.2013 bis 31.08.2014 für die Wohnung, in welcher die Kläger bis zum 30.05.2015 lebten.

Die 1981 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1) stand mit ihren beiden minderjährigen Kindern, den Klägern zu 2) und 3), im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Zuletzt bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 12.03.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 in Höhe von 1272,16 EUR monatlich. Hierbei berücksichtigte er Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 386,40 EUR Grundmiete, 90,00 EUR Betriebskosten und 110,00 EUR Heizkosten. Die tatsächliche Grundmiete belief sich auf 416,19 EUR. Die Klägerin zu 1) nahm am 01.07.2014 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung als Omnibusfahrerin auf. Zum 01.09.2014 schied die Bedarfsgemeinschaft aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II aus (Bescheid vom 10.09.2014). Als monatliches Einkommen stand den Klägern in der Folgezeit das schwankende Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1), Kindergeld für die Kläger zu 2) und 3) in Höhe von jeweils 184 EUR, Kinderzuschlag in Höhe von 270,00 EUR und Wohngeld in Höhe von 87,00 Euro EUR zur Verfügung.

Am 16.03.2015 beantragte die Klägerin zu 1) die Übernahme der Forderung aus einer Heiz- und Betriebskostenabrechnung ihres Vermieters vom 31.01.2015 für die Zeit vom 01.09.2013 bis 31.08.2014 über 730,43 EUR, die ihr nach eigenen Angaben im März zugegangen war. Mit Bescheid vom 16.03.2015, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 31.03.2015, lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten mit der Begründung ab, die Kläger hätten im Zeitpunkt der Erteilung der Abrechnung und der Fälligkeit der Nachzahlungsforderung nicht mehr im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II gestanden, sie seien nicht hilfebedürftig gewesen.

Als Klägerin der am 15.04.2015 beim Sozialgericht Aachen erhobenen Klage ist zunächst nur die Klägerin zu 1) geführt worden; im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht in allseitigem Einvernehmen auch die Kinder als Klägerin zu 2) und Kläger zu 3) in das Rubrum aufgenommen.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 16.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2015 zu verurteilen, ihnen für den Zeitraum 01.03.2015 bis 31.03.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB II zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 14.03.2016 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten dazu verpflichtet, den Klägern im Monat März 2015 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Der Klägerin zu 1) stehe für den Zeitraum 01. bis 31.03.2015 ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II in Höhe von 390,08 EUR, den Klägern zu 2) und 3) in Höhe von jeweils 156,14 EUR zu. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die Heiz- und Hausnebenkostennachforderung in Höhe von 730,43 EUR nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigen. Der Vermieter habe um Zahlung im März 2015 gebeten; damit seien die nach der Abrechnung anfallenden Kosten als einmalige Kosten der Unterkunft im Monat März anzusehen. In diesem Monat habe die Klägerin zu 1) auch den Antrag auf Leistungsgewährung bei dem Beklagten gestellt, der nach § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II auf den Monatsersten zurückwirke. Der Anerkennung als Bedarf stehe der Umstand nicht entgegen, dass die Kläger nicht im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II standen. Nach § 9 SGB II werde die Hilfebedürftigkeit nicht durch einen fortlaufenden Leistungsbezug, sondern durch eine Gegenüberstellung von Grundsicherungsbedarf und Einkommen bzw. Vermögen ermittelt. Diese Ermittlung erfolge monatsweise. Deshalb könne ein zusätzlicher singulärer Bedarf außerhalb eines laufenden Leistungsbezugs Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 7 SGB II auslösen. Die Annahme, dass die Anerkennung einmaliger Bedarfe eine laufende über mehrere Monate bestehende Hilfebedürftigkeit voraussetze, erweise sich nicht nur als zirkelschlüssig, sondern würde letztlich eine Ablehnung der Anerkennung der Nachforderung als grundsicherungsrechtlich relevanten Bedarf darstellen. Wenn damit kurzfristige Wechsel zwischen den Sozialleistungssystemen verbunden seien, sei das zwar nicht wünschenswert, ändern könne dies aber nur der Gesetzgeber durch Einführung entsprechender Verteilregelungen.

Das Gericht erkenne die tatsächlichen Kosten der Unterkunft bei der Berechnung an. Neben der (Nach-)Forderung des Vermieters seien hier ein Heiz- und Nebenkostenabschlag in Höhe von 200,00 EUR sowie die Grundmiete in Höhe von 416,19 EUR zu Grunde zu legen. Zwar habe der Beklagte mitgeteilt, dass er die Kläger aufgefordert habe, die tatsächlichen Kosten auf angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung zu senken. Allerdings habe er trotz gerichtlicher Nachfrage nicht den diesen Sachverhalt betreffenden Band II des Verwaltungsvorgangs vorlegen können. Daher sei dem Gericht die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer etwaigen Absenkung nicht möglich. Auf Grund der aufgetretenen Lücke im Leistungsbezug und Würdigung der Umstände des Einzelfalls dürfte eine Kostensenkungsaufforderung wohl auch im März 2015 nicht mehr fortwirken. Dieser Bedarf an Kosten der Unterkunft sei um die Regelbedarfe (399,00 EUR für die Klägerin zu 1) und jeweils 267,00 EUR für die Kläger zu 2) und 3)) und einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung in Höhe von 143,64 EUR zu ergänzen, so dass sich ein Gesamtbedarf in Höhe von 2.423,25 EUR ergebe. Davon seien das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1) in Höhe von 995,90 EUR (1.325,89 EUR netto abzüglich 330,00 EUR Freibetrag), das Wohngeld in Höhe von 87,00 EUR sowie Kindergeld und Kinderzuschlag (jeweils 319,00 EUR für die Kläger zu 2) und 3)) vom Bedarf abzuziehen. Hieraus ermittele sich ein Restanspruch nach dem SGB II in Höhe von 702,36 EUR, welcher entsprechend dem prozentualen Anteil am Gesamtbedarf zu 390,08 EUR auf die Klägerin zu 1) und zu jeweils 156,14 EUR auf die Kläger zu 2) und 3) entfalle.

Gegen das am 23.03.2016 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20.04.2016 die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, er sehe weiterhin die Fälligkeit der Nachforderung im März 2015 nicht als erwiesen an. Naheliegend sei angesichts des Datums der Abrechnung eine Fälligkeit vor März 2015. Die Rechtsauffassung des Gerichts im Übrigen führe zu häufigen ungewollten Systemwechseln. Bezieher von Kinderzuschlag könnten zwar den eigenen Lebensunterhalt, nicht jedoch den der Kinder sicherstellen. Es handele sich demzufolge um Familien, die unter Einbeziehung von Kinderzuschlag i.d.R. nur knapp über der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II lägen. In solchen Fällen genügten schon kleinste Veränderungen auf der Einkommens- oder Bedarfsseite, um einen Trägerwechsel zu bewirken. Der Gesetzgeber sehe Kinderzuschlag und Alg II aber nicht als Wahl- oder Wechsel-, sondern als Ausschlussleistung. Die Inanspruchnahme von Kinderzuschlag habe Vorrang. Die (temporäre) Aufstockung des Kinderzuschlags durch Alg II, wie sie vorliegend vom Gericht de facto bestimmt werde, sei nicht vorgesehen. Das BSG habe bei seiner Auffassung, Betriebs- und Heizkostennachforderungen seien im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit als Bedarf zu berücksichtigen, nur die Fälle des laufenden Bezuges von Alg II im Blick gehabt. Folge man der Auffassung des Sozialgerichts, ergäben sich große Gestaltungsmöglichkeiten zu Ungunsten der Solidargemeinschaft und auch Ergebnisse, die nicht nur systemwidrig, sondern auch unbillig wären. Denn es würde vielfach Hilfebedürftigkeit kurzzeitig, z.B. für die Dauer eines Monats eintreten, wenn Bedarfe geschickt verteilt würden. Bewusst niedrig angesetzte Vorauszahlungen könnten zu hohen Nachforderungen führen und Hilfebedürftigkeit sogar bei Personen bedingen, die in guten Einkommensverhältnissen lebten. Manipulierbar seien nicht nur Nachforderungen, sondern beispielsweise auch Heizenergiekosten bei Immobilieneigentum, Sonderbedarfe für die Reparatur einer alten Heizungsanlage, die Neueindeckung eines Daches uvm. Derartige Fehlleistungen an nicht dauernd Hilfebedürftige würden verhindert, wenn der Grundsatz einer auf Dauer angelegten Leistungsgewährung fruchtbar gemacht würde. Dadurch würde nicht auf die (nicht typischen) Verhältnisse in einem Monat, sondern zumindest in einem Bewilligungszeitraum abgestellt werden. Aus seiner, des Beklagten Sicht erscheine es einzig sachgerecht, nicht auf den Aspekt der Hilfebedürftigkeit allein im Fälligkeitsmonat abzustellen, sondern auf den des Leistungsbezuges (nach dem SGB II). Alg II diene der laufenden Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe des gesetzlich definierten Existenzminimums. Es diene jedoch seinem Charakter nach nicht dazu, einzelne Ausgabenbelastungen auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Hierbei sei dem im SGB II verankerten allgemeinen Leistungsgrundsatz Rechnung zu tragen, wonach jeder Bürger zunächst seine Selbsthilfemöglichkeiten nutzen müsse und in diesem Rahmen auch gehalten sei, Ansparungen für Aufwendungen zu bilden, die nicht regelmäßig aufträten (vgl. § 2 Abs. 1 S 1, Abs. 2 S 1 SGB II). Dies gelte auch für die hier in Rede stehende Nachforderung. Solche Forderungen seien realistisch und nicht ungewöhnlich; insofern müsse Vorsorge getroffen werden, die hier möglich gewesen wäre.

Im Übrigen sei die Klägerin zum 01.04.2012 in die Wohnung, für die die Übernahme der Nachzahlung begehrt werde, umgezogen. Dieser Umzug sei grundsicherungsrechtlich nicht erforderlich gewesen. Die zu berücksichtigenden Kosten seien daher zu begrenzen gewesen. Die Klägerin habe durchgehend zu hohe Leistungen bekommen. Für eine Berücksichtigung weiterer Bedarfe sei daher kein Raum. Die entsprechende Leistungsakte, aus der sich dieser Sachverhalt ergebe, könne allerdings nicht mehr aufgefunden werden.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.03.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger und Berufungsbeklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die vom Senat in der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2017 angehörte Klägerin zu 1) hat u.a. erklärt, sie habe kein anderes Einkommen als das aus ihrer Beschäftigung als Busfahrerin erzielt. Sie habe auch kein Vermögen gehabt. Sie habe einen Pkw VW Golf, Baujahr 1999, besessen. Die Kläger zu 2) und 3) hätten Sparbücher mit einem Guthaben von etwa 800 bis 900 EUR gehabt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, den Klägern für den Monat März 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu gewähren. Die Ablehnung von Leistungen für diesen Zeitraum ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).

Angefochtenen ist der Bescheid vom 16.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2015, mit dem der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Heiz- und Betriebskostennachforderung vom 13.03.2015 abgelehnt hatte. Der Bescheid ist adressiert allein an die antragstellende Klägerin. Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin die Übernahme der gesamten Nachforderung beantragt hatte, die als Teil der KdU von jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geltend zu machen wäre, der Beklagte diesen erhobenen Anspruch ebenso vollständig - wegen mangelnder Hilfebedürftigkeit - abgelehnt hat, kann der Bescheid von der Klägerin nur so verstanden werden, dass ihr gegenüber der Anspruch auch mit Wirkung für und gegen ihre Kinder als die von ihr vertretenen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft abgelehnt wird (§ 38 Abs. 1 SGB II).

Das Sozialgericht hat zu Recht nicht nur die Klägerin zu 1), sondern auch deren (minderjährige) Kinder als Kläger angesehen und diese in das Rubrum aufgenommen. Zwar lässt sich der Klageschrift nicht eindeutig entnehmen, dass die Klägerin zu 1) das Rechtsmittel auch im Namen der Kläger zu 2) und 3) einlegen wollte, zumal der von ihr wie bisher als Vertreterin der Bedarfsgemeinschaft gestellte Antrag auch nur ihr gegenüber beschieden worden war (s.o.). Die Auslegung des Klageantrags nach Maßgabe des so genannten Meistbegünstigungsprinzips führt jedoch dazu, auch die Kinder von Anfang als Kläger in das Verfahren einzubeziehen. Nach diesem Prinzip (siehe dazu etwa BSG, Urteil vom 04.02.1999 - B 7 AL 120/97 R - juris RdNr 13; BSG, Urteil vom 10.03.1994 - 7 RAr 38/93 - juris RdNr 15; BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - juris RdNr 11, jeweils mit weiteren Nachweisen) ist der Antrag unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens so auszulegen (§ 123 SGG), dass das Begehren des Klägers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (BSG, Urteil vom 27.09.2011 - B 4 AS 160/10 R - juris RdNr 14). Das Klageziel ist vollständig hier nur bei einer Klageerhebung durch alle drei Kläger zu erreichen. Bei den Ansprüchen auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch handelt es sich um Individualansprüche, bei denen Anspruchsinhaber jeweils alle einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind; wegen der horizontalen Einkommensverteilung wird das Einkommen auch auf die Ansprüche der Kläger zu 2) und 3) angerechnet. Zur Abgabe prozessrechtlicher Erklärungen für ihre Kinder war die allein sorgeberechtigte Klägerin zu 1) als gesetzliche Vertreterin gem. § 1629 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berechtigt (vgl. LSG NRW Beschluss vom 20.05.2014 - L 2 AS 2105/13 B - juris RdNr 18 f). Weder dem Wortlaut noch den Umständen lässt sich entnehmen, dass eine Erklärung im Namen des Klägers zu 2) und 3) nicht gewollt war.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Leistungsvoraussetzungen in der Person der Kläger für den Monat März 2015 als erfüllt angesehen. Die Klägerin zu 1) als Vertreterin der Bedarfsgemeinschaft hat am 16.03.2015 den erforderlichen Leistungsantrag (§ 38 Abs. 1 S. 1 SGB II) gestellt, der auf den 01.03.2015 zurückwirkt (§ 38 Abs. 2 S. 2 SGB II). Die Kläger erfüllen - dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig - die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 2 und 4 SGB II. Entgegen der Auffassung des Beklagten sind sie auch hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II. Denn nach Gegenüberstellung von Bedarf und zu berücksichtigendem Einkommen und Vermögen verbleibt ein ungedeckter Bedarf im März 2015 von jedenfalls 702,36 EUR.

Der Bedarf der Kläger im März 2015 belief sich auf 2.423,25 EUR. Er setzt sich zusammen aus dem Regelbedarf i.H.v. 399,00 EUR und einem Mehrbedarf wegen Alleinerziehung i.H.v. 143,64 EUR für die Klägerin zu 1) und jeweils 267,00 EUR für die Kläger zu 2 und 3). Als KdU sind die tatsächlich angefallenen Kosten anzusetzen (Grundmiete 416,19 EUR; Heiz- und Nebenkostenabschlag 200,00 EUR), darüber hinaus die Nachforderung über 730,43 EUR. Als Einkommen zu berücksichtigen ist das der Klägerin zu 1) in diesem Monat zugeflossene Erwerbseinkommen (1.325,89 EUR netto abzüglich 330,00 EUR Freibetrag) i.H.v 995,90 EUR, das Wohngeld (87,00 EUR) sowie Kindergeld und Kinderzuschlag (jeweils 319,00 EUR für die Kläger zu 2) und 3)).

Die danach die Hilfebedürftigkeit i.S.d. § 9 SGB II begründende Einbeziehung der Nachforderung beim Bedarf (KdU) ist zutreffend im März 2015, dem Monat der Antragstellung, erfolgt.

Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Bestimmung erfasst nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten der Unterkunft und Heizung (BSG Urteil vom 06.04.2011 - B 4 AS 12/10 R; Urteil vom 16.12.2008 - B 14/7b AS 58/06 R). Einmalig anfallende Kosten werden nicht auf längere Zeiträume verteilt, sondern sind im Monat der Fälligkeit als aktueller Bedarf zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 22.03.2010 - B 4 AS 62/09 R; Urteil vom 16.12.2008 - B 14/7b AS 58/06 R).

Der Vortrag der Beteiligten und der Akteninhalt bieten keinen Anlass, die Berechtigung der Nachforderung gegenüber der Klägerin und/oder deren Höhe in Zweifel zu ziehen. Die Nachforderung wurde bezogen auf den Abrechnungszeitraum 9/2013 bis 8/2014 von einer Fachfirma erstellt, bietet ausweislich der Abrechnung keine Besonderheiten und ist schlüssig und nachvollziehbar.

Die Nachforderung aus der Abrechnung vom 31.01.2015 ist nach den Angaben der Klägerin zu 1), auf die der Senat sich stützt, im März 2015 fällig geworden. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass das Rechnungsdatum eine Fälligkeit der Nachforderung bereits im Februar 2015 nahe legt. Allerdings handelt es sich um eine mit der Einzelkostenabrechnung verbundene Aufstellung auch der Gesamtkosten der ganzen Immobilie, die von einem Dritten, der Firma U, erstellt wurde. Vor diesem Hintergrund sind die Angaben der Klägerin glaubhaft, dass der Vermieter die Abrechnung wie bereits in den Jahren zuvor mit einer zeitlichen Verzögerung an sie weitergeleitet und um Zahlung im März 2015 gebeten habe. Sie - die Klägerin zu 1) - habe unmittelbar nach Erhalt der Abrechnung bei dem Beklagten vorgesprochen. Der Senat hält diese Darstellung der Klägerin auch nach dem persönlichen Eindruck, den er von ihr im Termin gewonnen hat, für zutreffend; entscheidend stellt er auf den die Fälligkeit begründenden Erhalt der Rechnung im März 2015 ab. Er sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser nachvollziehbare, plausible Ablauf sich anders dargestellt haben sollte, zumal die unvertretene und rechtsunkundige Klägerin zu 1) um die rechtliche Bedeutung des Geschehensablaufs nicht wusste. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes in diesem Punkte hat er sich nicht gedrängt gesehen.

Ausgehend von der Fälligkeit der Nachforderung im März 2015 waren die Kläger in diesem Monat hilfebedürftig und erfüllten damit die Voraussetzungen für den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der allein für März ausgewiesene ungedeckte Bedarf begründet einen Leistungsanspruch nach dem SGB II nur für diesen Monat auch außerhalb eines laufenden/mehrmonatigen Leistungsbezugs; dies gilt nach Auffassung des Senats jedenfalls dann, wenn die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (Eltern/Elternteil, Kind(er)) durch den Bezug von Kinderzuschlag nach § 6a BKGG aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende als Leistungssystem ausgeschieden sind.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Erweiterung der Leistungsvoraussetzungen um das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des "dauernden Leistungsbezugs" weder möglich noch geboten. Denn nach § 9 Abs. 1 SGB II wird die Hilfebedürftigkeit grundsätzlich durch die Gegenüberstellung von Bedarf einerseits sowie Einkommen und Vermögen andererseits ermittelt; auch bei einem bestehenden Bedarf ist hilfebedürftig nur, wer die notwendige Hilfe nicht von anderer Seite erhält (§ 11 Abs. 4 SGB II). Die Gegenüberstellung erfolgt sowohl bei laufenden als auch bei einmaligen Einnahmen monatlich (§ 11 Abs. 2, 3 SGB II). Die Leistungen sind monatlich im Voraus fällig (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II aF; § 41 SGB I; s auch Conradis in LP-SGB II 6. Aufl. 2017 § 41 Rdnr 7), die Leistungsdauer bestimmt sich grundsätzlich nach Monaten (§ 41 Abs. 3 SGB II).

Eine von diesem im Wege der grammatikalischen und systematischen Auslegung gewonnenen Ergebnis der auf den Monat bezogenen Hilfebedürftigkeit und Gewährung von Leistungen nach dem SGB II bedarf keiner Ergänzung in dem Sinne, hilfebedürftig sei nur oder Leistungen erhalte nur, wer in einem dauernden Leistungsbezug stehe. Für eine solche Erweiterung bietet auch eine teleologische Auslegung keinen Raum; sie widerspricht dem gesetzgeberischen Anliegen aber jedenfalls im Falle des Bezugs von Kinderzuschlag nach § 6a BKGG.

Der Auffassung des Beklagten ist schon im Ansatz deshalb nicht zu folgen, weil es sich bei Regelleistung und Kosten der Unterkunft um aktuelle Bedarfe handelt, die unter dem Blickwinkel des Art. 1 Abs. 1 GG aktuell zu befriedigen sind. Vor diesem Hintergrund kennt und nutzt der Gesetzgeber sehr wohl Instrumente, um Bemessungsgrundlagen für mehrere Monate zu schaffen (s. etwa § 11 Abs. 3 SGB II). Er wendet Verteilmechanismen aber lediglich auf der Einkommensseite an, die Verteilung von einmalig entstehendem Bedarf findet nicht statt (aA anscheinend LSG Baden-Württemberg Urteil vom 24.04.2009 - L 12 AS 4195/08).

Eine dem Verteilmechanismus auf Bedarfsseite ähnelnde Regelung liegt in der Pauschalierung der Regelleistung mit der damit verbundenen Absicht, die Leistungsberechtigten sollten sich mit Ansparungen auf größere Anschaffungen vorbereiten. Das Ansparmodell ist aber sinnfällig nicht zu Beginn eines kurzen Leistungsbezugs und für eine Dauer von einem Monat fruchtbar zu machen. Eine relevante Ansparmöglichkeit hatten/haben die Kläger aufgrund ihres ergänzenden Bezuges von Wohngeld und Kinderzuschlag gerade nicht.

Soweit der Beklagte meint, es sei in diesem und in vergleichbaren Fällen auf den laufenden Leistungsbezug als zusätzliche Voraussetzung abzustellen, um Mitnahmeeffekte zu verhindern, die durch eine geschickte Steuerung von Bedarfen begünstigt würden, folgt der Senat dem nicht. Für ein Abweichen vom Monatsprinzip (s.o.), bietet das Gesetz keine ausreichende Grundlage. Jedenfalls ist für das Erfordernis eines über einen Zeitraum von einem Monat hinausgehenden Bewilligungszeitraums aber bei Beziehern von Leistungen nach § 6 a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) kein Raum. Anders als in den vom Beklagten genannten Urteilen des SG Dresden und des LSG Baden-Württemberg (SG Dresden Urteil vom 16.02.2015 - S 48 AS 6069/12; LSG Baden-Württemberg vom 24.04.2009 - L 12 AS 4195/08) konnten die Kläger die Fälligkeit der Nachzahlungsforderung nicht steuern und so nicht ihre Hilfebedürftigkeit willkürlich herbeiführen, da sie im Grunde bereits hilfebedürftig waren. Ohne die Zahlung des Kinderzuschlags wären die Kläger als Bedarfsgemeinschaft weiterhin auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II angewiesen gewesen. Sie gehörten zu der Zielgruppe, die der Gesetzgeber mit der Gewährung des Kinderzuschlages in den Blick genommen hatte. Denn diese Leistung wurde eingeführt, um zu verhindern, dass Familien lediglich aufgrund ihrer Unterhaltsbelastung für ihre Kinder auf den Bezug von Alg II bzw. Sozialgeld angewiesen sind. Zudem sollte ein Arbeitsanreiz durch gezielte Förderung einkommensschwacher Familien erreicht werden (BT-Drs.15/1516, S. 2). Wenn die Kläger hier aufgrund dieser sozialpolitischen Entscheidung zur Förderung von Familien nur über die Zahlung einer anderen Sozialleistung aus dem SGB II-Bezug ausscheiden, blieben sie "im Hintergrund" hilfebedürftig nach dem SGB II und bedürftig nach Maßgabe des § 6a BKGG.

Mit diesem durch die Zuerkennung des Kinderzuschlags gewollten Systemwechsel war eine Besserstellung von hilfebedürftigen Leistungsberechtigten mit Kindern beabsichtigt. Die Rechtsauffassung des Beklagten widerspricht diesem gesetzgeberischen Anliegen, denn hier würden ("eigentlich") hilfebedürftige Eltern/Kinder bei einer Nachforderung aus der Zeit des SGB II-Leistungsbezugs schlechter gestellt als Berechtigte ohne Kinder, die im SGB II-Leistungsbezug verbleiben. Dies wird von den beteiligten Leistungsträgern anscheinend ebenso gesehen. In der Durchführungsanweisung der Direktion der Familienkasse zum Kinderzuschlag (Stand Juli 2015 - DA106a.142 Hilfebedürftigkeit) heißt es etwa: "Die Gewährung einmaliger Leistungen nach § 22 SGB II ist möglich, auch wenn die vorrangigen Leistungen Kinderzuschlag und Wohngeld bezogen werden". Auch die Bundesagentur für Arbeit führt zur Bevorratung mit Heizmaterial in ihrem WDB Beitrag Nr. 121006 aus: "Soweit ein entsprechender Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt wird und der kommunale Träger zu dem Ergebnis kommt, dass die Heizkosten als einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung gem. § 22 SGB II im Monat der Bevorratung zu berücksichtigten sind, ist für diesen Monat zu prüfen, ob Hilfebedürftigkeit i.S.v. § 9 SGB II vorliegt. Hierbei sind KIZ und Wohngeld als Einkommen nach § 11 SGB II auf den Bedarf anzurechnen. Liegt Hilfebedürftigkeit vor, sind Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen."

Kurzfristige Wechsel zwischen den Sozialleistungssystemen mögen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und praktischen Handhabbarkeit nicht wünschenswert sein. Sie stellen aber, wie die Arbeitsanweisungen nahe legen, jedenfalls kein unzumutbares Hindernis dar, um eine (ungewollte) Schlechterstellung von Familien mit Kindern zu vermeiden.

Für die vom Beklagten gewünschte entsprechende Anwendung von Verteilmechanismen auch auf der Bedarfsseite fehlt es jedenfalls an einer planwidrigen Gesetzeslücke. Wie der Beklagte zutreffend vorträgt, können schon relativ geringfügige Veränderungen in den Einkommensverhältnissen dazu führen, dass eine Familie (wieder) leistungsberechtigt nach dem SGB II würde/wird. Dem Gesetzgeber war die Problematik aber ausweislich der in § 22 Abs. 3 SGB II getroffenen Regelung durchaus bewusst. Denn wenn Regelungen zur Berücksichtigung von Guthaben getroffen werden, kann er das Phänomen "Nachforderung" nicht übersehen haben. Bedarfsspitzen durch Nachforderungen und einmalige Zahlungsverpflichtungen sind gerade bei den Kosten der Unterkunft häufig anzutreffen. Wenn er - zumal vor dem Hintergrund der o.a. einschlägigen Rechtsprechung zum Bedarf bei Nachforderungen - keine Regelung zur Bedarfsbestimmung in diesen Fällen trifft, hat er das bestehende Instrumentarium für ausreichend, eine Änderung jedenfalls nicht für erforderlich erachtet. Eine Bestimmung wie § 11 Abs. 3 SGB II für die Einkommensanrechnung stellt bereits eine Ausnahme dar, sie ist jedenfalls nicht auf den Sachverhalt der Bedarfsverteilung übertragbar.

Den - durch die Nachforderung entstandenen - ungedeckten Bedarf hat der Beklagte als tatsächliche Kosten zu übernehmen. Soweit er vorträgt, der Umzug in die Wohnung, für die die Berücksichtigung der Heiz- und Nebenkostennachforderung begehrt werde, sei grundsicherungsrechtlich nicht erforderlich gewesen und daher hätten die Kläger schon zu viel Leistungen erhalten, kann dieser Vortrag hier, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, keine Beachtung finden. Dem Senat ist es aufgrund der fehlenden Aktenteile nicht möglich festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine Kostenabsenkung vorlagen. Die Nichterweislichkeit dieses Umstandes geht hier zu Lasten des Beklagten, so dass, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, die tatsächlichen laufenden Kosten der Unterkunft für den Monat März 2015 und auch die Nachforderung in tatsächlicher Höhe zugrunde zu legen ist.

Die Höhe der jeweiligen Ansprüche ist vom Sozialgericht zutreffend berechnet worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat sieht die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG als erfüllt an.
Rechtskraft
Aus
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