L 21 AS 959/18 B ER und L 21 AS 960/18 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 37 AS 1321/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 AS 959/18 B ER und L 21 AS 960/18 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 15.5.2018 geändert: Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig verpflichtet, den Antragsstellern zu 1, 2, 4 und 5 für die Zeit ab dem 1.6.2018 bis zum 8.10.2018 Regelleistung bzw. Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Anrechnung des bereinigten Einkommens des Antragstellers zu 1 zu gewähren. Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1, 2, 4 und 5 für das Beschwerdeverfahren dem Grunde nach zu 1/2; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Antragsteller begehren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.

Die gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässigen Beschwerden der Antragsteller sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen sind sie unbegründet.

1) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs voraus, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen - § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 -, Rn. 26, juris ).

Der Beginn des Zeitraums, über welchen der Senat in diesem Beschwerdeverfahren zu entscheiden hatte, ergibt sich aus dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im erstinstanzlichen Verfahren. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens werden Leistungen für die Zeit vor Antragstellung bei Gericht regelmäßig nicht zugesprochen, weil solche Leistungen nicht dazu dienen, den gegenwärtigen Bedarf des Leistungsempfängers zu decken (siehe beispielsweise LSG NRW, 24.1.2012 - L 12 AS 1773/11 B ER -, Rn. 15, juris; 7.4.2009 - L 19 B 114/09 AS ER -, Rn. 8, juris). Das Ende ergibt sich hier aus folgenden Erwägungen: Die Antragsteller haben am 9.10.2018 einen weiteren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt (SG Dortmund, S 37 AS 5034/18 ER). Den Zeitraum ab diesem (neuen) Antrag hat der Senat seiner Entscheidung vom heutigen Tag über das Beschwerdeverfahren in dieser Angelegenheit (L 21 AS 1850/18 B ER) berücksichtigt.

a) Die Antragstellerin zu 3 konnte einen Leistungsanspruch bereits deshalb nicht glaubhaft machen, weil es Anhaltspunkte dafür, dass sie in dem Haushalt der Antragsteller zu 1 und 2 lebt, nicht gibt; Nachfragen des Senats dazu wie auch zu dem Verwandtschaftsverhältnis blieben unbeantwortet.

b) Die Antragsteller zu 1, 2, 4 und 5 haben für die Zeit vom 13.3.2018 bis zum 31.5.2018 einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte greift zu Ungunsten der Antragsteller der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ein.

aa) Die Antragsteller haben ein materielles Freizügigkeitsrecht nach §§ 2, 3, 4, 4a FreizügG/EU nicht glaubhaft gemacht.

(1) Eine Bescheinigung nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU über ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU haben die Antragsteller nicht vorgelegt; das Vorliegen der Voraussetzungen eines Daueraufenthaltsrechtes sind darüber hinaus weder ersichtlich noch ist dazu vorgetragen. Der Antragsteller zu 1 ist erst am 5.1.2014 eingereist, so dass bereits der fünfjährige ständige Aufenthalt nicht vorliegt. Die Antragstellerin zu 2 ist zwar bereits am 4.10.2012 eingereist, es liegen aber mehrere An- und Abmeldungen vor; zudem fehlt es von Seiten der Antragstellerin an einem Vortrag zu dem ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt i.S.d. § 4a Abs. 1 FreizügG/EU.

(2) Die Antragsteller haben für die Zeit vom 13.3.2018 bis zum 31.5.2018 ein Beschäftigungsverhältnis nicht glaubhaft gemacht. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bestehen erhebliche Zweifel, ob der Antragsteller zu 1 in dieser Zeit Arbeitnehmer war.

Abzustellen ist auf den unionsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers i.S.v. Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Dieser darf nicht eng ausgelegt werden und ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen. Allein von einer bestimmten geringen Wochen- oder Monatsarbeitszeit oder einem nicht existenzsichernden Lohn kann noch nicht auf eine völlig untergeordnete oder unwesentliche Tätigkeit geschlossen werden (EuGH vom 23.03.1982 - C-53/81; EuGH vom 14.12.1995 - C-444/93). Das wesentliche, anhand objektiver Kriterien zu bestimmende Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Dabei bleiben (nur) Tätigkeiten außer Betracht, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Ob der Betreffende Arbeitnehmer ist, bedarf einer Gesamtbeurteilung, die anhand aller ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Aspekte zu treffen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, 9.5.2018 - L 19 AS 2370/17 B ER mit Verweis auf BSG, 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R; BVerwG, 19.04.2012 - 1 C 10/11; EuGH, 4.2.2010 C-14/09 - Genc).

Nach dem Vortrag des Antragsgegners, belegt durch Auszüge aus dem Handelsregister, ist die Gesellschaft, bei welcher der Antragsteller zu 1 zunächst beschäftigt war, am 25.4.2017 aufgelöst worden. Der Aufforderung des Senats vom 9.7.2018, eine geordnete Aufstellung über die Beschäftigungsverhältnisse vorzulegen und nachzuweisen, dass die Beschäftigungen tatsächlich ausgeübt wurden, sind die Antragsteller für die Zeit vor dem 1.6.2018 nicht nachgekommen.

Eine Beschäftigung der Antragstellerin zu 2 ist weder vorgetragen noch erkennbar.

(3) Aus diesem Grund konnten die Antragsteller auch nicht glaubhaft machen, dass ein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU während des o.g. Zeitraums mit der Folge einer Nachwirkung bestand. Den Leistungsakten lässt sich entnehmen, dass der Antragsteller zu 1 einen Arbeitsvertrag mit der M Dienstleistungs GmbH geschlossen hat, dass am 31.7.2016 eine Kündigung erfolgte, am 1.1.2017 sodann ein neuer Arbeitsvertragschluss, zum 31.1.2017 wiederum eine Kündigung, zum 1.4.2017 ein Arbeitsvertragschluss und zum 1.3.2018 wieder eine Kündigung. Bereits der Arbeitsvertrag ist allerdings widersprüchlich. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 8-10 Stunden und einem vereinbarten Stundenlohn von 8,70 EUR ergäbe sich ein Monatslohn zwischen (gerundet) 300 und 375 EUR; vertraglich vereinbart waren 450 EUR, ausbezahlt worden sind, soweit Quittungen vorgelegt wurden, ca 205 EUR. Zudem hat der Antragsgegner dargelegt, dass eine Auflösung der Gesellschaft am 25.4.2017 erfolgte. Die Antragsteller haben trotz Aufforderung durch den Senat die Umstände des Arbeitsverhältnisses bzw. der Arbeitsverhältnisse nicht erläutert. Sie konnten daher nicht die Voraussetzungen einer Nachwirkung gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU glaubhaft machen.

(4) Die Antragsteller können sich im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht auf die Vermutung eines Freizügigkeitsrechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU berufen. Zwar muss aufgrund der generellen Freizügigkeitsvermutung der Aufenthalt eines EU-Ausländers zumindest so lange als rechtmäßig angesehen werden, bis die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts festgestellt und die sofortige Ausreisepflicht begründet hat; diese generelle Freizügigkeitsvermutung allein eröffnet indes weder einen Zugang zu Leistungen nach dem SGB II noch steht sie einem Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II entgegen (BSG, 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R -, Rn. 23 , juris; 9.8.2018 - B 14 AS 32/17 R - Rn. 20, juris).

bb) Ein Schulbesuch, welcher dem Lebensalter nach nur für den Antragsteller zu 4 in Betracht käme, ist bereits nicht vorgetragen. Aus einem möglichen Aufenthaltsrecht nach Art. 10 Verordnung (EU) Nr. 492/2011 vom 5.4.2011 (Freizügigkeitsverordnung) folgt aber gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 c SGB II kein Leistungsanspruch; hinsichtlich der Frage einer Europarechtswidrigkeit verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 14.9.2017 - L 21 AS 1460/17 B ER, juris.

cc) Die Antragsteller können sich auch nicht auf die Rückausnahme in § 7 Abs. 1 Satz 4 bis 6 SGB II berufen. Danach erhalten - abweichend von Satz 2 Nr. 2 - Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügigG/EU festgestellt wurde.

Für den Antragsteller zu 1 fehlt es bereits an einem fünfjährigen Aufenthalt. Die Antragstellerin zu 2 ist zwar bereits am 4.10.2012 eingereist, bei ihr wurde aber mit Bescheid vom 16.11.2017, zugestellt am 22.11.2017, der Verlust des Freizügigkeitsrechts nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU festgestellt. Systematische Überlegungen sprechen dafür, dass bereits die Feststellung durch die Ausländerbehörde genügt und es insoweit auf die formell Bestandskraft des Bescheides (§ 77 SGG) nicht ankommt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU besteht bereits mit der Feststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU die Ausreisepflicht. Nach der Gesetzesbegründung (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Anspru&776;chen ausla&776;ndischer Personen in der Grundsicherung fu&776;r Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwo&776;lften Buch Sozialgesetzbuch, BT-Drucks. 587/16, S. 8) ist Hintergrund von § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II, dass nach Ablauf von fünf Jahren von einer Verfestigung des Aufenthaltes auszugehen sei; die Verfestigung trete allerdings nicht ein oder entfalle, wenn Unionsbürgerinnen und Unionsbürger zur Ausreise verpflichtet sind, weil die Ausländerbehörde den Verlust des Freizügigkeitrechts festgestellt hat. So liegt es hier.

dd) Die Antragsteller sind gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII auch von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausgeschlossen (zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des SGB XII siehe BSG, 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R -, Rn.36 ff., juris). Nach dieser Vorschrift erhalten Ausländer und ihre Familienangehörigen keine Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Der Senat konnte daher von einer Beiladung des Trägers der Sozialhilfe im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens absehen.

Es war auch nicht darüber zu entscheiden, ob ein Anspruch der Antragsteller auf Überbrückungsleistungen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII besteht. Nach dieser Vorschrift werden hilfebedürftigen Ausländern, die dem Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII unterfallen, bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken. Der Anspruch stellt im Verhältnis zu dem Anspruch auf laufende Leistungen nach dem SGB XII einen eigenständigen Streitgegenstand dar. Das Begehren des Antragstellers erstreckt sich erkennbar nicht auf diesen Anspruch. Im Übrigen zeigt die spätere Beschäftigungsaufnahme, dass dies gerade nicht dem Willen der Antragsteller entsprechen würde.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Leistungsausschlüsse nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII und § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II hat der Senat nicht. Auch vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG) ist er nicht von der Verfassungswidrigkeit überzeugt (Beschluss des Senates vom 27.7.2017, L 21 AS 782/17 B ER; zuvor bereits LSG NRW, 5.7.2017, L 9 SO 213/17 B ER, L 9 SO 314/17 B). Es ist verfassungsrechtlich insbesondere nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber mit einem Leistungsausschluss für Unionsbürger, die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten oder die über kein materielles Aufenthaltsrecht verfügen, den Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Denn diese Personen können darauf verwiesen werden, Leistungen ihres Heimatlandes zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes in Anspruch zu nehmen oder von ihrem Freizügigkeitsrecht innerhalb des Hoheitsgebiets der EU Gebrauch zu machen (LSG NRW, a.a.O., m.w.N.). Mithin besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, einen Aufenthalt des Hilfebedürftigen im Bundesgebiet trotz einer ihm möglichen Rückkehr in sein Herkunftsland durch die Gewährung von Sozialleistungen zu ermöglichen, wenn der Hilfebedürftige über gar kein Aufenthaltsrecht oder nur über ein solches verfügt, dessen Gewährung der nationale Gesetzgeber originär - europarechtlich zulässig (vgl. dazu EuGH, 15.9.2015 - C 67/14 - Alimanovic) - mit der Versagung von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums verknüpft hat (LSG NRW, a.a.O.).

b) Für die Zeit vom 1.6.2018 bis zum 8.10.2018 haben die Antragsteller zu 1, 2, 4 und 5 hingegen einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

aa) Der Antragsteller zu 1 hat einen Leistungsanspruch für die streitgegenständliche Zeit glaubhaft gemacht. Er erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. bb) Der rumänische Antragsteller zu 1 ist auch nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ausgeschlossen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen

1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,

2. Ausländerinnen und Ausländer

a) die kein Aufenthaltsrecht haben,

b) deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder

c) die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten,

und ihre Familienangehörigen,

3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hat der Antragsteller zu 1 ein Beschäftigungsverhältnis für die streitgegenständliche Zeit bis zum 10.10.2018 glaubhaft gemacht, so dass ein anderes als das in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b SGB II genannte Aufenthaltsrecht besteht.

Der Senat hat in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren keine Zweifel an einer Beschäftigung - in dem oben dargestellten europarechtlichen Sinne des Antragstellers zu 1 - bei X Service vom 1.6. bis 6.6.2018 und bei B Personal vom 11.6.2018 bis zum 10.10.2018. Sofern der Antragsgegner im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verlangt, es müsste dargelegt werden, bei welchen Kunden bzw. an welchen Einsatzorten der Personalverleiher den Antragsteller zu 1 eingesetzt habe, mag der Antragsgegner in dem Hauptsacheverfahren zunächst einmal darlegen, woraus sich seine durchgreifenden Bedenken gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ergeben und sodann, inwiefern die geforderten weiteren Informationen erforderlich sind. Es führt nicht weiter, wenn der Antragsgegner darauf verweist, eine Meldung bei der Sozialversicherung sei in der Software eSolutions nicht erkennbar; für eine solche Meldung ist der Arbeitnehmer nicht verantwortlich. Zwar kann man sich berechtigt fragen, warum eine Meldung in dem System nicht abgebildet ist; dies bleibt aber dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

cc) Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und des Antragsgegners ergibt sich aus dem Leistungsanspruch des Antragstellers zu 1 auch der Leistungsanspruch der Antragsteller zu 2, 4 und 5.

(1) Nach § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II erhalten Leistungen auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Die Antragsteller sind, wie in diesem Beschwerdeverfahren dargelegt wurde, eine Bedarfsgemeinschaft; der Antragsteller zu 1 ist der Partner der Antragstellerin zu 2 und Vater der Antragsteller zu 4 und 5.

(2) Es fehlt für die Antragsteller zu 2, 4 und 5 nicht an einer anspruchsbegründenden Voraussetzung.

Entgegen der von dem Sozialgericht vertreten Auffassung fehlt es bei den Antragstellern zu 2, 4 und 5 nicht an einem gewöhnlichen Aufenthalt. Zwar wurde bei den Antragstellern zu 2, 4 und 5 mit Bescheid vom 16.11.2017, zugestellt am 22.11.2017, der Verlust des Freizügigkeitsrechts nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU festgestellt. Die Anfechtungsklage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht ist noch anhängig. Ein ebenfalls erhobenes einstweiliges Rechtsschutzverfahren blieb ohne Erfolg, dies lässt aber - jedenfalls vorliegend - den gewöhnlichen Aufenthalt nicht entfallen.

Mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II hat der Gesetzgeber ausdrücklich auf den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in § 30 Abs. 1 SGB I Bezug genommen. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Eine Verrechtlichung des Begriffes des gewöhnlichen Aufenthaltes, insbesondere hinsichtlich aufenthaltsrechtlicher Fragen, ist abzulehnen (BSG, 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R -, Rn. 19, juris; zum Gesamten Becker, in: Eicher/Luik -Hrsg.- SGB II, 2017 § 7 Rn. 21 ff.). Bereits insofern bestehen Zweifel, ob der gewöhnliche Aufenthalt mit der Begründung verneint werden kann, der Aufenthalt der Antragsteller sei nicht zukunftsoffen; dies führt nämlich im Ergebnis zu der unzulässigen "Verrechtlichung". Der Antragsgegner möchte mit dem Hinweis auf die Erfolglosigkeit des gegen die Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU erhobenen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens wohl zum Ausdruck bringen, es sei überwiegend wahrscheinlich, dass die Verlustfeststellung rechtmäßig sei. Dies ist aber nicht der Fall, wie sich der Ausländerakte ohne weiteres entnehmen lässt, wie aber auch die Antragsteller ohne weiteres hätten vortragen können. Der Antrag i.S.d. § 80 Abs. 5 VwGO hatte allein deshalb keinen Erfolg, weil die Ausländerbehörde es versäumt hat, die sofortige Vollziehung anzuordnen und der Anfechtungsklage daher bereits der mit dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren beabsichtigte Erfolg innewohnte; in dem Beschluss des VG Arnsberg vom 4.1.2018, 3 L 3116/17 heißt es wörtlich: "Kommt damit der in der Hauptsache gegen die Verlustfeststellung erhobenen Anfechtungsklage ohnehin nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu, fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis für die insoweit mit dem vorliegenden Antrag begehrte Anordnung." Die aufgrund der ausländerbehördlichen Anordnung bestehende Ausreisepflicht der Antragsteller zu 2, 4 und 5 ist nicht vollziehbar, weil die erhobene Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung entfaltet (Dienelt, in Bergmann/Dienelt - Hrsg.-, FreizügG/EU, 2018, § 7, Ziffer 7.1.1.2, beck-online).

Insofern unterscheidet sich das vorliegende Verfahren vom der vom Antragsgegner zitierten Entscheidung LSG NRW, 6.10.2017 - L 19 AS 1761/17 B ER; dort wurde darauf abgestellt, der Aufenthalt müsse zukunftsoffen sein. Selbst wenn man dieses Kriterium für maßgeblich hielte, fehlt es an einer "Zukunftsoffenheit" hier aus den o.g. Gründen nicht. Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass es nicht ganz fernliegend ist, dass die Ausländerbehörde die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht nachgeholt hat, weil aufgrund der inzwischen vorgelegten Nachweise zur Ehe bzw. Vaterschaft und der zwischenzeitlich aufgenommenen Beschäftigung des Antragstellers zu 1 die Frage der materiellen Freizügigkeit zumindest offen ist und die Ausländerbehörde daher zunächst den Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abwartet, wie sie dem Antragsgegner bestätigt.

Die Leistungsvoraussetzung des gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist daher auch für die Antragstellern zu 2, 4 und 5 glaubhaft gemacht.

(3) Es liegt auch keine gesetzliche Anordnung eines Leistungsausschlusses vor.

(a) Eine (positivrechtliche) Ausnahmevorschrift zu § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II, nach welchem die Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU den Leistungsanspruch entfallen lässt, gibt es nicht.

(b) Entgegen der Auffassung des Antragsgegner enthält § 7 Abs. 1 Satz 7 SGB II, wonach aufenthaltsrechtliche Bestimmungen unberührt bleiben, keinen solchen Ausschluss. Die Regelung findet sich seit Inkrafttreten des SGB II am 1.1.2006 in § 7 Abs. 1 SGB II (ursprünglich Satz 3). Sie bedeutet gerade nicht, dass in Fällen, in denen ein Aufenthaltsrecht nicht besteht, kein Leistungsanspruch bestehen kann; er bedeutet allein, dass das Bestehen (oder Nicht-Bestehen) eines Leistungsanspruchs keine Auswirkungen auf die ausländerrechtliche Beurteilung hat; dies ergibt sich aus dem Wortsinn von "bleiben unberührt" ohne Weiteres (siehe dazu auch die Begründung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes fu&776;r moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks. 15/1516, S. 52 "In diesem Zusammenhang ist klargestellt, dass aufenthaltsrechtliche Bestimmungen und darauf beruhende Entscheidungen der Innenbehörden durch den Bezug der neuen Leistung unberührt bleiben, so dass der Bezug der neuen Leistung aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht hindern kann.").

(c) Ausführungen der Beteiligten zu § 7 Abs. 1 Satz 4 bis 6 SGB II sind für das vorliegende Verfahren ohne Belang. Es handelt sich dabei um eine Rückausnahme zu dem Leistungsausschluss in § 7 Abs. 2 Nr. 2 SGB II (siehe zu diesem Charakter als Rückausnahme Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Anspru&776;chen ausla&776;ndischer Personen in der Grundsicherung fu&776;r Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwo&776;lften Buch Sozialgesetzbuch, BT-Drucks. 587/16, S. 5, 8 und 9 ausdrücklich; G. Becker, in: in: Eicher / Luik -Hrsg.-, SGB II, 2017, § 7 Rn. 52). Es liegt aber bereits dem Grunde nach - wegen der Beschäftigung des Antragstellers zu 1 und dem nachwirkenden Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU - kein Leistungsausschluss nach § 7 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vor; für eine Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 4 bis 6 SGB II besteht daher kein Raum.

(d) Auch aus systematischen Erwägungen ergibt sich kein Leistungsausschluss. Bereits vorab ist darauf hinzuweisen, dass Leistungsausschlüsse bei existenzsichernden Leistungen eng auszulegen sind und im Grundsatz der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers vorbehalten bleiben (siehe zu Voraussetzungen und zu einer Ausnahme BSG, 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R -, Rn. 19 ff., juris). Soweit der Antragsgegner sich darauf beruft, der Verlust der Freizügigkeit müsse mit einem Verlust des Leistungsanspruchs einhergehen, lässt sich dies als generelle Ausnahme aus dem Gesetzestext oder dem Gesetzeszusammenhang nicht ableiten. Der Antragsgegner macht sich auch nicht die Mühe, dies herzuleiten oder mit einer Quelle zu belegen; es ist daher keine systematische Erwägung, sondern bleibt eine Behauptung. Der Antragsgegner setzt sich nicht mit der Frage der Planwidrigkeit und Lückenhaftigkeit der Vorschrift, nicht mit einem möglichen Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG oder mit der Frage der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers zu 1 auseinander.

dd) Durchgreifende Zweifel an der Hilfebedürftigkeit i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II bestehen für den o.g. Zeitraum nicht. Fehlende Buchungen von Miet- und Energiekosten sprechen, anders als der Antragsgegner meint, nicht zwingend gegen eine bestehende Hilfebedürftigkeit; sie lassen zunächst darauf schließen, dass diese Kosten nicht beglichen wurden, was auch in der Mittellosigkeit der Antragsteller begründet sein könnte, wofür die vorliegenden Mahnungen und Kündigungen der Vermieter und Energieversorger sprechen.

d) Angesichts der glaubhaft gemachten Mittellosigkeit ist auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Dies gilt allerdings nicht hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II. In Verfahren des Eilrechtsschutzes ist zu den Kosten der Unterkunft auch unter Berücksichtigung der Zielsetzung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu prüfen, welche negativen Folgen im konkreten Einzelfall drohen. Relevante Nachteile können hierbei nicht nur in einer Wohnungs- beziehungsweise Obdachlosigkeit liegen. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gibt vielmehr die Übernahme der "angemessenen" Kosten vor und dient im Zusammenwirken mit anderen Leistungen dazu, über die Verhinderung der bloßen Obdachlosigkeit hinaus das Existenzminimum sicherzustellen (vgl. BVerfGE 125, 175 (228)). Dazu gehört es, den gewählten Wohnraum in einem bestehenden sozialen Umfeld nach Möglichkeit zu erhalten (so BVerfG, 1.8.2017 - 1 BvR 1910/12 -, Rn. 16, juris, unter Verweis auf BSG, 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn. 21, juris). Daher ist bei der Prüfung, ob ein Anordnungsgrund für den Eilrechtsschutz vorliegt, im Rahmen der wertenden Betrachtung zu berücksichtigen, welche negativen Folgen finanzieller, sozialer, gesundheitlicher oder sonstiger Art ein Verlust gerade der konkreten Wohnung für die Betroffenen hätte (BVerfG, a.a.O., Rn. 16, juris). Wegen des Räumungsurteils vom 5.10.2018 (Amtsgericht Witten, 2 C 348/18) kann das Mietverhältnis trotz Zusprechens von Leistungen nicht erhalten werden; es würde daher nur noch darum gehen, Ansprüche des Vermieters zu sichern. Insbesondere sind die Voraussetzungen von § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr erfüllt. Daher fehlt es insofern an einem Anordnungsgrund für die Kosten der Unterkunft (dazu etwa LSG NRW, 6.12.2017 - L 7 AS 2132/17 B ER -, Rn. 16, juris; 27.7.2018 - L 21 AS 2387/17 B ER -, Rn. 43, juris).

2) Die Beschwerde der Antragsteller wegen der Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ist unbegründet. Das erstinstanzliche Verfahren endete am 15.5.2018; hinreichende Erfolgsaussichten bestanden bis dahin, mangels Glaubhaftmachung eines Beschäftigungsverhältnisses, nicht.

3) Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.

4) Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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