L 2 AS 860/18 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 18 AS 2341/18 ER
Datum
-
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 860/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum 1. Juli bis zum 31. Dezember 2018.

Der am ... 1995 geborene Antragsteller zu 1. und die am ... 1997 geborene Antragstellerin zu 2. leben zusammen mit ihren Kindern, dem am ... 2011 geborenen Antragsteller zu 3., dem am ... 2014 geborenen Antragsteller zu 4. und dem am ... 2017 geborenen Antragsteller zu 5. in H ...

Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige. Die Antragsteller zu 1. und 2. reisten nach ihren Angaben im Oktober 2011 nach Deutschland ein. Der Antragsteller zu 1. hat ein Gewerbe als Altmetallhändler angemeldet und ist nach seinen Angaben als solcher selbständig tätig. Die Antragsteller bezogen bis einschließlich Oktober 2017 zeitweilig ergänzende Leistungen nach dem SGB II von dem Eigenbetrieb für Arbeit – Jobcenter Saalekreis (zuletzt nach dem Bescheid vom 26. April 2017 Leistungen in Höhe von 1.151,34 EUR monatlich für Mai bis September 2017 und in Höhe von 1.162,14 EUR für Oktober 2017; hierbei legte das Jobcenter ein monatliches Einkommen in Höhe von 230,83 EUR zugrunde). Im November 2017 zogen die Antragsteller nach H. in die E.-K.-Str. in den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Die Antragsteller zu 3. und 4. sind in Deutschland geboren, der Antragsteller zu 5. in Rumänien.

Die Antragsteller stellten am 28. November 2017 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beim Antragsgegner. Der Antragsteller zu 1. hatte sein Gewerbe in B. D. zum 12. Dezember 2017 abgemeldet. Die Antragsteller gaben im Leistungsantrag an, dass ein PKW vorhanden sei. Der Antragsteller zu 1. gab an, aus einem selbständigen Gewerbe Einkommen zu erzielen. Er sei in Rumänien 4 Jahre und 6 Monate zur Schule gegangen, ohne dabei einen Abschluss erzielt zu haben und verfüge über "vollumfängliche Deutschkenntnisse". Das Gewerbe bestehe seit Mai 2017. Nach den abschließenden Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielte er im August 2017 Betriebseinnahmen in Höhe von 56,67 EUR, im September 2017 in Höhe von 133,09 EUR und im Oktober 2017 in Höhe von 114,23 EUR. Der Antragsteller zu 1. gab an, keine Ausgaben zu haben. Er gab auch keine Beiträge für eine KfZ-Haftpflichtversicherung an. Zum Beleg für die Einnahmen fügte er Wägescheine über den Bareinkauf von Metallen der Firma M. R. GmbH in W. an (im Folgenden: Firma M.). Des weiteren gab er in einer vorläufigen EKS an, voraussichtlich 200 EUR monatlich Einnahmen zu erzielen. Dem stünden voraussichtlich keine Ausgaben gegenüber. Der Antragsteller zu 1. fügte weitere Wägescheine der Firma M. über Verkäufe von Schrott über 106,05 EUR und 105 EUR jeweils am 29. November 2017 an. Darin wird der Antragsteller zu 1. als Verkäufer mit einer Anschrift in Rumänien genannt. Weiter fügte er eine Anzeige von Sammlern, Beförderern, Händlern und Maklern von Abfällen nach § 53 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) bei, wofür er 50 EUR bezahlt hatte. Zum Ablauf seiner Tätigkeit gab der Antragsteller zu 1. an, er übe seine Tätigkeit an fünf Tagen die Woche 7 Stunden täglich aus. Weiter führte er aus: "Ich laufe durch die Straße und suche Sperrmüll. Wenn ich Altmetall finde, nehme ich es mit und verkaufe es weiter". Er verfüge über einen Führerschein, besitze aber keinen PKW/LKW/Transporter. Sein Cousin helfe ihm einmal pro Woche (Fragebogen vom 18. Dezember 2017, Bl. 73 VA). Mit Bescheid vom 27. Dezember 2017 lehnte der Antragsgegner die Leistungsbewilligung ab: Die selbständige Tätigkeit werde nicht ernsthaft und in nennenswertem Umfang ausgeübt. Es errechne sich ein durchschnittliches monatliches Einkommen in Höhe von 128,76 EUR (einschließlich November 2017). Zudem habe der Antragsteller angegeben, nicht über ein Auto zu verfügen und keine andere Ausrüstung zum Schrottsammeln zu besitzen. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller am 16. Januar 2018 Widerspruch ein. Der Antragsteller zu 1. gab an: Er sei nicht richtig verstanden worden, er habe einen Transporter. Dieser sei seit dem 20. Dezember 2017 auf die Antragstellerin zu 2. zugelassen. Für den Zeitraum August bis Oktober 2017 sei er mit seinem Onkel (V. C., geb. am ... 1986) mitgefahren, da er kein Geld habe und seine Kinder ernähren müsse. In einer weiteren vorläufigen EKS gab der Antragsteller zu 1. nunmehr an, voraussichtlich Einnahmen in Höhe von 300 EUR monatlich zu erzielen. Ausgaben fielen in Höhe von 2 x 20 EUR für "EKS Ausfüllung" an. Er laufe nicht durch H., sondern fahre mit seinem Transporter und suche bzw. hole Schrott ab. Er übe seine Selbständigkeit tatsächlich aus. Zum Beleg für das Fahrzeug hat er einen Zulassungsschein auf den Namen der Antragstellerin zu 2. über einen Opel Movano (LKW geschl. Kasten), Erstzulassung 9. April 2000 mit dem Kennzeichen ... (Bl. 94 VA) vorgelegt. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller hat hervorgehoben, dass die selbständige Tätigkeit mit einem Gewinn von durchschnittlich 280 EUR monatlich nicht untergeordnet sei. Hierzu hat der Antragsteller zu 1. weitere Belege über Metallverkäufe vorgelegt (15. Januar 2018 bei der D. D. Erz und Metallunion in Höhe von 78 EUR, bei der S. Recycling GmbH am 4. Dezember 2017 über 188,71 EUR und am 1. Dezember 2017 über 9,75 EUR sowie drei weitere Wägescheine für den 29. November 2017 über 89,88 EUR, 73,82 EUR und 73,43 EUR, am 26. Oktober 17 über 133,36 EUR, am 25. Oktober 2017 über 114,23 EUR und am 29. September 17 über 181,80 EUR von der Firma M ...

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2018 wies der Antragsgegner den Widerspruch der Antragsteller mit der Begründung zurück, das Sammeln von Sperrmüll sei keine legale Tätigkeit.

Bereits am 16. Februar 2018 hatten die Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Halle (SG) gestellt (S 28 AS 485/18 B ER). Der Antragsteller zu 1. legte eine Gewerbeanmeldung vom 7. Dezember 2017 rückwirkend zum 1. Mai 2017 und eine Anmeldebescheinigung über eine Wohnung in S. OT W. vom 6. Oktober 2011 vor. Die Antragsteller legten eine eidesstattliche Versicherung vor, wonach sie zuerst (2011) in der W ...str ... in S., wo das erste Kind zur Welt gekommen sei, gelebt hätten, von dort seien sie im September 2012 in die B.straße nach M. gezogen. Hier hätten sie drei Jahre bis zum Sommer 2015 gewohnt, dann seien sie in die D ...str. in M. umgezogen, wo das zweite Kind geboren worden sei. Bis dahin hätten sie mit den Eltern zusammen gewohnt. Im April 2016 hätten sie die erste eigene Wohnung in der "J.-S.-Str. " in B. D. bezogen, wo das jüngste Kind zur Welt gekommen sei. Ende 2017 sei dann der Umzug nach H. erfolgt (Bl. 15 GA in S 28 AS 485/18 B ER).

Aus den behördlichen Angaben der Stadtverwaltungen M. und H. ergab sich am 1. Oktober 2011 ein Zuzug von der O. Str. in M. in die W ...str. in S, wo die Antragsteller bis zum 20. November 2011 gemeldet waren (Abmeldung von Amts wegen nach unbekannt). Seit dem 1. September 2012 (Ast zu 2.) bzw. 1. Oktober 2012 (Ast. zu 1.) waren die Antragsteller in der B ...str. in M. gemeldet (Zuzug aus Rumänien). Zum 16. Februar 2015 erfolgte eine Ummeldung in die D ...str. in M. von wo sie am 25. Oktober 2015 sich ins Ausland abmeldeten ("Wegzug Ausland"). Ab dem 12. April 2016 waren die Antragsteller in der R. B. Str. in B. D. gemeldet, von wo sie sich am 27. Juni 2016 in die die J.-S.-Str. in B. D. ummeldeten. Hier blieben sie bis zum Umzug nach H. am 31. Oktober 2017 gemeldet.

Das SG hat den Antrag der Antragsteller und einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für das einstweilige Rechtsschutzverfahren mit Beschlüssen vom 14. März 2018 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Tätigkeit des Antragstellers zu 1. stelle keine selbständige Tätigkeit im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes dar. Der Antragsteller habe nach eigenen Angaben keine legale Tätigkeit ausgeübt, weil das Einsammeln von Schrott aus bereitgestelltem Sperrmüll fremdes Eigentum missachte. Beruhe das Geschäftsmodell aber im Kern in Handlungen, die Ordnungswidrigkeiten darstellten, so könne es nicht durch die Rechtsordnung als aufenthaltsrechtbegründend akzeptiert werden. Dass der Antragsteller daneben Altmetall "einfach so findet" erscheine dem Gericht nicht glaubhaft. Ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht komme nicht in Betracht. Die Antragsteller haben sich auch nicht fünf Jahre ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Ein etwaiger vorheriger Aufenthalt wurde durch die Ausreise im Oktober 2015 beendet. Die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz griffen die Antragsteller nicht an. In der Hauptsache ist ein Klageverfahren beim SG unter dem Aktenzeichen S 18 AS 2374/18 anhängig. Gegen den separaten Beschluss über die Ablehnung des Antrages auf Prozesskostenhilfe haben die Antragsteller Beschwerde eingelegt, welche beim Senat unter dem Aktenzeichen L 2 AS 282/18 B geführt wird.

Zum 1. Juli 2018 stellten die Antragsteller einen neuen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bei dem Antragsgegner. Sie legten eine Bescheinigung über die Schulzugehörigkeit des Antragstellers zu 3. zu der ersten Klasse vor. Die Gesamtmiete einschließlich Heizung betrage 425,00 EUR monatlich, ein Anspruch auf die Kosten der Unterkunft sei an die Vermieterin abgetreten. Kindergeld werde monatlich für die Antragsteller zu 3. und 4. in Höhe von 194 EUR und für den Antragsteller zu 5. in Höhe von 200 EUR gezahlt. Für den Antragsteller zu 5. bewilligte der Landkreis Saalkreis Basiselterngeld bis zum 18. August 2018 in Höhe von monatlich 300 EUR. In der beigefügten abschließenden EKS gab der Antragsteller zu 1. Einnahmen in Höhe von 355 EUR monatlich an. Die Firma M. bestätigte ihm Barverkäufe in Höhe von 1.065,86 EUR vom 9. April 2018 bis zum 9. Juli 2018. In dem von dem Antragsteller am 30. Juli 2018 ausgefüllten Fragebogen zur selbständigen Tätigkeit gab er an, an fünf Tagen die Woche sieben Stunden täglich 100 km von H. aus zu fahren und auf Dörfern nach Schrott zu fragen. Er besitze kein Fahrzeug. Als mithelfender Familienangehöriger sei V. V. tätig. Der Antragsteller zu 1. könne jederzeit einen Mercedes Sprinter von seinem Freund benutzen.

Mit Bescheid vom 21. August 2018 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Leistungsgewährung ab: Der Antragsteller zu 1. nutze den Transporter eines Bekannten in der Form, dass er diesen bei dessen Sammeltouren begleite. Es sei daher davon auszugehen, dass ihm ein zielgerichtetes und eigenverantwortliches Agieren unter marktüblichen Bedingungen nicht möglich sei. Zudem verfüge er über keinen Außenauftritt. Er sei von den Touren des Bekannten abhängig. Hiergegen legten die Antragsteller Widerspruch ein, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2018 zurückwies.

Bereits am 28. August 2018 haben die Antragsteller beim SG den streitgegenständlichen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und diesen wie folgt begründet: Neben dem Freizügigkeitsrecht aufgrund der selbständigen Tätigkeit hätten die Antragsteller auch ein Freizügigkeitsrecht aufgrund eines Daueraufenthaltes von über fünf Jahren. Als Beleg für Barverkäufe des Antragstellers zu 1. haben die Antragsteller eine Bescheinigung der Firma M. beigefügt. Danach hat er im Zeitraum 19. Februar 2018 bis zum 22. August 2018 Altmetall in Höhe von 2.810,28 EUR an die Firma M. verkauft (durchschnittlich 468,38 EUR monatlich). Für die genaue Aufstellung wird auf Bl. 25 der Gerichtsakte verwiesen. Für ein Daueraufenthaltsrecht müsse keine lückenlose Wohnsitzdokumentation vorliegen. Auf das Bestehen eines materiellen Aufenthaltsrechts während des Fünfjahreszeitraumes komme es nicht an, ebensowenig schadeten Unterbrechungen des Aufenthaltes.

Zum 16. Oktober 2018 sind die Antragsteller in eine Wohnung in der S ...straße in H. umgezogen. Hierfür betrage der Gesamtmietzins 380 EUR monatlich.

Der Antragsteller zu 1. hat noch eine Quittung über einen Bareinkauf in Höhe von 399,32 EUR am 8. Oktober 2018 und über 433,20 EUR am 1. November 2018 von der Firma M. vorgelegt (Bl. 85, 86 GA).

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2018 hat das SG den Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Es bestehe kein Freizügigkeitsrecht für die Antragsteller. Ein Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 1. als niedergelassener selbständig Tätiger sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Sei eine selbständige Tätigkeit von vornherein lediglich auf ein Einkommen ausgelegt, welches nicht ansatzweise reiche, um die Bedarfe zu decken, so werde von vornherein deutlich, dass ein Aufenthalt in Deutschland fast ausschließlich durch staatliche Leistungen finanziert werden solle. Hierbei handele es sich nur um eine scheinbar formale wirtschaftliche Betätigung, um die Anspruchsvoraussetzungen für Sozialleistungen zu erfüllen. Die Vorlage der Barquittungen ermögliche auch nicht die Prüfung der Vollständigkeit der Einkünfte. Die Antragsteller verfügten auch nicht über ein Daueraufenthaltsrecht. Hierfür müssten durchgehend die Freizügigkeitsvoraussetzungen erfüllt sein.

Hiergegen haben die Antragsteller am 22. Dezember 2018 Beschwerde eingelegt: Das Gericht verkenne, dass der Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes nicht das Existenzminimum decken müsse. Die Antragsteller hätten hier ein Einkommen in Höhe von 400 EUR monatlich glaubhaft gemacht, dies sei nicht als ein marginales geringfügiges Einkommen anzusehen. Zudem fehlten Ausführungen zu einem Daueraufenthaltsrecht.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 13. Dezember 2018 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragstellern bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die den Beschluss tragenden Gründe.

Auf Anforderung des Berichterstatters hat der Antragsgegner ein Gesprächsprotokoll über eine Vorsprache des Antragstellers zu 1. bei dem Mitarbeiter des Antragsgegners am 25. Juli 2018 vorgelegt. Hierin heißt es auszugsweise "(Nach eigenen Angaben) NeA verfüge er über einen FS (Führerschein) und könne sich bei Bedarf des KfZ eines heute nicht näher bezeichneten Bekannten ausleihen. Den Namen des Bekannten sowie das KfZ kennzeichen vermag Herr D. heute nicht zu benennen. ( ) NeA werden die umliegenden Gemeinden auf der Suche nach entsprechenden Wertstoffen abgefahren" (Bl. 127 GA).

Auf die schriftliche Frage des Berichterstatters, von wann bis wann der PKW Opel Movano auf die Antragstellerin zu 2. zugelassen gewesen sei, hat der Antragsteller zu 1. über seinen Prozessbevollmächtigten nach einer Vorsprache bei diesem am 20. Januar 2019 geantwortet, dass ihm ein PKW Opel Movano nicht bekannt. Auf die Fragen nach dem Namen des Freundes mit einem PKW, wieviele Personen ab Juli 2018 bei der Sammlung des Schrottes beteiligt gewesen seien und wie die Aufteilung des gesammelten Schrottes auf den Antragsteller und die anderen Personen vorgenommen worden sei und werde, hat der Antragsteller zu 1. nicht geantwortet. Vielmehr hat der Antragsteller zu 1. vorgetragen, nunmehr auch über das Internet Altmetall zu suchen. Über entsprechende Portale werde nach der kostenlosen Abgabe recherchiert. Ebenso verwende er jetzt Flyer, in denen nach abzugebendem Altmetall gefragt werde. Eine zeitnahe Übersendung entsprechender Nachweise sage er zu (Bl. 132 GA). Nach den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten könnten Missverständnisse aufgrund von Sprachproblemen nicht ausgeschlossen werden.

Auf Nachfrage hat der Landkreis Saalekreis – Eigenbetrieb für Arbeit – Jobcenter Saalekreis mitgeteilt, dass die Antragsteller im Zeitraum 1. Oktober 2015 bis 30. April 2016 keine Leistungen bezogen hatten (rechtskräftiger Widerspruchsbescheid vom 6. August 2015 für den Leistungszeitraum 1. Juni bis 30. November 2015).

Für weitere Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten des Antragsgegners sowie die Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Akten S 28 485/18 B ER verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§§ 173, 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt den Berufungswert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG i.H.v. 750 EUR, denn die Antragsteller begehren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2018.

Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das Sozialgericht Halle hat zu Recht entschieden, dass die Antragsteller insgesamt mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg haben können.

Die Voraussetzungen für die begehrte einstweilige Anordnung liegen nicht vor.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs (der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und eines Anordnungsgrunds (der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile).

Für die von den Antragstellern begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II fehlt es an der Glaubhaftmachung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs.

Die Antragsteller verfügen – sofern überhaupt davon ausgegangen werden kann, dass sie in der Bundesrepublik Deutschland ernsthafte Anstrengungen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entfaltet haben oder entfalten werden – allein über ein Freizügigkeitsrecht zur Arbeitsuche, weshalb sie vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind (dazu 1.). Es liegen auch die Voraussetzungen der Rückausnahme vom Leistungsausschluss wegen eines fünfjährigen gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II nicht vor (dazu 2.). Die Antragsteller können auch nicht mit Erfolg geltend machen, wegen des Gegenstands des Verfahrens 1 BvL 4/16 beim Bundesverfassungsgericht müssten ihnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II erbracht werden (dazu 3.). Die Antragsteller können auch keinen Anspruch aus § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII und der hierzu ergangenen Rechtsprechung zur früheren Gesetzesfassung herleiten (dazu 4.). Schließlich haben die Antragsteller auch keinen Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 23 Abs. 3 SGB XII geltend gemacht, weshalb der örtliche Träger der Leistungen der Sozialhilfe nicht als leistungspflichtig in Betracht kam (dazu 5.).

1. Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weil sie aller Voraussicht nach vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,

2. erwerbsfähig sind,

3. hilfebedürftig sind und

4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen. Entscheidend im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Die Antragsteller halten sich nach den bisherigen Erkenntnissen tatsächlich nicht nur vorübergehend mit zukunftsoffenem Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland auf.

Der Antragsteller zu 1. gehört zu dem Personenkreis, der vom Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1. Satz 1 Nr. 2b SGB II (in der seit dem 29. Dezember 2016 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016, BGBl. I S. 3155) erfasst ist. Nach dieser Vorschrift sind Ausländerinnen und Ausländer, die zwar die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen, deren Aufenthaltsrecht sich aber allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, vom Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ausgenommen.

Dem Antragsteller zu 1. steht kein Recht auf Freizügigkeit nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU zu. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige).

Wie der Senat bereits entschieden hat, macht die Legaldefinition in § 2 Abs. 2

Nr. 2 FreizügG/EU deutlich, dass es nicht allein auf die Berechtigung zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit ankommt. Vielmehr muss – abgesehen von den Fällen des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU – die selbständige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt werden (vgl. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004, Amtsblatt der Europäischen Union L 158, 77). Selbständig ist eine Tätigkeit, wenn sie nicht im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses in Bezug auf die Wahl dieser Tätigkeit, die Arbeitsbedingungen und das Entgelt, in eigener Verantwortung und gegen ein Entgelt, das dem Tätigen vollständig und unmittelbar gezahlt wird, ausgeübt wird (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), Urteil vom 20. November 2001 in der Rechtssache Jany u.a. - C-268/99 - juris, Rn. 71; vgl. auch Senatsbeschluss vom 24. Mai 2016 - L 2 AS 182/16 B ER - juris; Senatsbeschluss vom 29. September 2016 - L 2 AS 495/16 B ER - nicht veröffentlicht). Niedergelassen sind Selbständige, wenn die Möglichkeit besteht, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als ihres Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. März 2010 in der Rechtssache Attanasio Group - C-384/08 - juris, Rn. 36). Wegen der unterschiedlichen wirtschaftlichen Risiken, die Arbeitnehmer und Selbständige mit ihrer Tätigkeit eingehen, muss es bei der Prüfung der wirtschaftlichen Relevanz der Tätigkeit eines Selbständigen nicht allein auf den Umfang der Einnahmen ankommen. Zu berücksichtigen sein können auch die von ihm im Zusammenhang mit der Aufnahme der Tätigkeit eingegangenen Verpflichtungen gegenüber anderen. Dabei kann es sich um Risiken handeln, denen sich der selbständig tätige Unionsbürger gegenüber Trägern öffentlicher Verwaltung aussetzt (z.B. gegenüber den Trägern der Sozialversicherung bei Beschäftigung Dritter), aber auch um gegenüber Privaten eingegangene Verbindlichkeiten (z.B. bei Leasing eines Firmenfahrzeugs, Anmietung von Geschäftsräumen). Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass nicht mit jedem Gewerbe die regelhafte Eingehung auf eine gewisse Dauer angelegter Verpflichtungen verbunden sein muss (vgl. Reisegewerbe). Je geringer eingegangene wirtschaftliche Risiken sind, desto eher gleicht sich die Selbständigkeit in ihrer Bedeutung für die Teilnahme des Unionsbürgers am Wirtschaftsleben der Arbeitnehmertätigkeit an. Andererseits kann in diesen Fällen – ebenso wie bei einem Arbeitnehmer – verstärktes Gewicht auf die Regelmäßigkeit der Ausübung der Tätigkeit zu legen sein. In diesem Sinne kann zum Beispiel die nur gelegentliche Erbringung handwerklicher Leistungen Anhaltspunkt für eine fehlende wirtschaftliche Relevanz der Tätigkeit sein (vgl. Hailbronner, AuslR, Kommentar, Stand Einzellieferung April 2013, § 2 FreizügG/EU, Rz. 52).

Der Antragsteller zu 1. hat nicht glaubhaft gemacht, dass er die Anforderungen an eine tatsächliche Ausübung der selbständigen Tätigkeit erfüllt.

Der Senat folgt der bereits in den Entscheidungen vom 19. Dezember 2018 – L 2 AS 88/18 B ER und vom 7. Januar 2019 – L 2 AS 533/18 B ER), dass alleine die Vorlage von Nachweisen über erzielte Einkünfte aus Schrottverkäufen nicht ausreicht, um eine selbständige Tätigkeit als Schrotthändler nachzuweisen. Allein die Vorlage der Bescheinigungen über die Abgabe von Metallschrott auf den Namen des Antragstellers zu 1. reicht hierfür nicht aus. Eine solche Quittung sagt alleine nichts darüber aus, welche Personen auf welche Weise (ob legal oder illegal) den Schrott gesammelt bzw. erworben haben und ob der Antragsteller zu 1. hierbei selbständig gehandelt, für einen anderen tätig war oder ob der Schrott von Personen des erweiterten Familienverbundes gesammelt wird und jeweils von der Person eingeliefert wird, für die es leistungsrechtlich aktuell von Bedeutung ist, eine selbständige Tätigkeit nachzuweisen (Konkretisierung der bisherigen Rechtsprechung des Senates z. B. Beschluss vom 5. April 2016 – L 2 AS 102/16 B ER – zitiert nach juris oder Beschluss vom 5. März 2018 – L 2 AS 790/17 B ER – nicht veröffentlicht). Auch die Vorlage von Anmeldungen nach § 53 KrWG usw. reicht hierfür wohl nicht aus. Hierbei handelt es sich um "Formalpapiere" (vgl. BFH, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – X B 23/16 – Rn. 26, zitiert nach juris) bei denen keine gesonderte Prüfung der tatsächlichen Ausübung der selbständigen Tätigkeit erfolgt.

Auch ein Kleingewerbe im Bereich des Metallhandels erfordert gewisse Mindestvoraussetzungen für eine ernsthafte Teilnahme am Wirtschaftsleben. Weil an die organisatorische Verfestigung der Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland bei fehlender grenzüberschreitender wirtschaftlicher Betätigung des Unionsbürgers geringe Anforderungen zu stellen sind, ist ein Ladenlokal, ein Lagerraum oder eine Werkstatt nicht unbedingt erforderlich (vgl. hierzu Beschluss des Senates vom 5. April 2016 – L 2 AS 102/16 B ER). Es bedarf einer nachvollziehbaren legalen Geschäftsidee, der tatsächlichen Ausübung dieser Tätigkeit und der erforderlichen Ausrüstung, um eine solche selbständige Tätigkeit durchzuführen. Es kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, inwieweit das Sammeln von Schrott aus dem Sperrmüll eine legale Tätigkeit darstellt (hierzu näher, aber offen gelassen in dem Senatsbeschluss vom 7. Januar 2019 - L 2 AS 533/18 B ER), welche Anforderungen an die nachvollziehbare Geschäftsidee und welche Anforderungen an die Durchführung dieser Tätigkeit zu stellen sind.

Trägt der "Schrottsammler" vor, als "Einzelunternehmer" mit einem Fahrzeug Baustellen oder Straßen abzufahren und das gesammelte Metall nicht auf einem dafür vorgesehenen Lagerplatz, sondern im Fahrzeug zu lagern, kommt der eigenverantwortlichen Nutzung des Fahrzeuges eine besondere Bedeutung zu. Die nachvollziehbare uneingeschränkte Nutzung eines geeigneten Transportfahrzeuges ist dann eine der Mindestvoraussetzungen für eine stabile kontinuierliche gewerbliche Tätigkeit im Bereich des Schrotthandels (Konkretisierung der bisherigen Rechtsprechung des Senates z. B. Beschluss vom 5. April 2016 – L 2 AS 102/16 B ER – zitiert nach juris oder Beschluss vom 5. März 2018 – L 2 AS 790/17 B ER – nicht veröffentlicht). Sei es, dass das Fahrzeug im Eigentum des Selbständigen steht, von diesem gemietet, geleast oder anders nachvollziehbar in seinem ständigen Besitz ist. Zudem muss der "Schrotthändler" entweder über einen Führerschein verfügen oder auf andere Weise (z. B. Anstellung eines Fahrers) nachweisen, dass er die Transporte eigenverantwortlich durchführen kann. In dieser Konstellation, bei der das Fahrzeug Transportmittel, Lagerstätte usw. ist, dürfte es in der Regel ausgeschlossen sein, dass verschiedene einzelunternehmerisch tätige "Selbständige" auf das gleiche Fahrzeug Zugriff nehmen können.

Der Antragsteller – der nach eigenen Angaben über gewisse Deutschkenntnisse (von ihm als "vollumfängliche" Deutschkenntnisse bezeichnet) verfügt und sich bei Vorsprachen verständigen kann – hat sowohl in seiner Einlassung bei den Angaben im Fragebogen vom 30. Juli 2018, bei der Vorsprache am 25. Juli 2018 als auch bei der schriftlichen Befragung durch den Berichterstatter (Antwort vom 20. Januar 2019) den Besitz eines Fahrzeuges verneint und nur eine Nutzungsmöglichkeit eines nicht namentlich benannten Bekannten mit einem nicht näher beschriebenen Fahrzeug (keine Angabe eines Kennzeichens) dargestellt. Damit hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, über das Fahrzeug uneingeschränkt zu verfügen und seinen Einsatz eigenverantwortlich planen und steuern zu können. Es kann nicht geprüft werden, ob der Antragsteller bei einem anderen (dem Eigentümer oder Mieter o. ä.) des Fahrzeuges mitfährt (wovon der Antragsgegner auszugehen scheint) und nur im Rahmen einer familienhaften Mithilfe tätig ist oder von wievielen Personen das Fahrzeug noch genutzt wird. Ein plausibler Vortrag für eine eigenverantwortliche selbständige Tätigkeit liegt damit nicht vor.

Im Ergebnis hat der Antragsteller zu 1. weder ein Freizügigkeitsrecht als selbständiger Erwerbstätiger noch ein anderes Freizügigkeitsrecht außer dem zur Arbeitsuche glaubhaft gemacht. Mangels eines Freizügigkeitsrechts des Antragstellers zu 1. können auch die anderen Antragsteller kein Freizügigkeitsrecht als Familienangehörige nach § 3 FreizügG/EU mit Erfolg geltend machen.

2. Es liegen auch die Voraussetzungen der Rückausnahme zu den Leistungsausschlüssen nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II nicht vor. Entgegen der Darstellung der Antragsteller besteht kein Anspruch der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes aufgrund eines mindestens fünfjährigen gewöhnlichen Aufenthaltes im Bundesgebiet. Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach dem SGB II, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben, solange nicht der Verlust des Freizügigkeitsrecht festgestellt wurde. Die Frist beginnt dabei mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde (§ 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II). Zutreffend verweisen die Antragsteller darauf, dass dieser Anspruch unabhängig von dem durchgehenden Vorliegen einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU besteht, solange keine Verlustfeststellung durch die Ausländerbehörde vorliegt. Dies ergibt sich aus der Gesetzessystematik mit dem Verweis auf die Verlustfeststellung und wird in den Materialien zur Gesetzesbegründung ebenfalls hervorgehoben (vgl. BT-Drs. 18/10211 S. 14).

Ein gewöhnlicher Aufenthalt von mindestens fünf Jahren ist jedoch nicht glaubhaft gemacht. Die Antragsteller waren nicht durchgehend bei den Meldebehörden gemeldet und haben keinen Vortrag glaubhaft gemacht, aus denen sich entgegen der Abmeldung ein andauernder gewöhnlicher Aufenthalt auch für die Zeit vom 25. Oktober 2015 bis zum 12. April 2016 ergeben hätte.

Zutreffend verweisen die Antragsteller darauf, dass nicht jeder kurze Heimatbesuch für den durchgehenden gewöhnlichen Aufenthalt schädlich ist. Anders ist dies aber bei einer wesentlichen Unterbrechung (vgl. Gesetzesbegründung BT 18/10211 S. 14).

Eine solche wesentliche Unterbrechung liegt hier durch die Abmeldung ins Ausland ab dem 25. Oktober 2015 und die neuerliche Anmeldung erst über fünf Monate später vor, ohne nachvollziehbaren Vortrag, weshalb gleichwohl der gewöhnliche Aufenthalt im Bundesgebiet fortgesetzt wurde. Es kann insoweit offen bleiben, ob allein schon die eigene Abmeldung bei der Meldebehörde direkt die Voraussetzung für den Lauf der Frist nach Satz 4 wieder entfallen lässt (noch weitergehend, wonach viel dafür spricht, dass es nicht auf eine einmalige Anmeldung, sondern auf die fortwährende Anmeldung während der Dauer der Fünfjahresfrist ankommt: Schleswig Holsteinisches LSG, Beschluss vom 4. Mai 2018 – L 6 AS 59/18 B ER – zitiert nach juris). Hierfür spricht die Formulierung in der Gesetzesbegründung: "Durch die verpflichtende Meldung bei der Meldebehörde dokumentieren die Betroffenen ihre Verbindung zu Deutschland, die Voraussetzung für die Aufenthaltsverfestigung ist" (BT-Drs. 18/10211 S. 14). Dann spricht viel dafür, dass jedenfalls die eigene Abmeldung "ins Ausland" diese Aufenthaltsverfestigung wieder entfallen lässt. Aber letztlich kann dies dahin stehen, selbst wenn der Auffassung zu folgen wäre, dass die Dauer des Aufenthalts in jedem Fall auch auf andere Weise als durch eine melderechtliche Anmeldung belegt werden kann (so LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 6. Juni 2017 - L 15 SO 112/17 B ER – hier zu § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII, zitiert nach juris), ist ein solcher Sachverhalt nicht glaubhaft gemacht. Die Abmeldung ins Ausland stellt dann zumindest ein starkes Indiz für eine Beendigung des zukunftsoffenen Verbleibs im Bundesgebiet dar. Es bedarf insoweit eines ausführlichen plausiblen Vortrages, weshalb sich die Antragsteller ab- und wieder angemeldet haben und doch gleichwohl ohne Unterbrechung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatten. Ein Vortrag in der Sache hierzu fehlt, obwohl sowohl der Antragsgegner als auch das SG auf die Abmeldung zum 25. Oktober 2015 abgestellt haben. Die Antragsteller haben erst mit der Wiederanmeldung am 12. April 2016 ihren gewöhnlichen Aufenthalt dokumentiert. Die Antragsteller haben sich am 25. Oktober 2015 bei den Meldebehörden abgemeldet, wegen: "Wegzug ins Ausland". Anders als im Jahr 2011 ist hier keine Abmeldung von Amts wegen dokumentiert. Erst am 12. April 2016 erfolgte ein erneuter Zuzug aus dem Ausland. Die Dauer der Unterbrechung von über fünf Monaten ist als erheblich einzustufen. Der Aufenthalt der Antragsteller zu 1. und 2. seit 2011 wurde damit unterbrochen. Entgegenstehende Indizien sind nicht zu erkennen. Die Antragsteller haben in dem betreffenden Zeitraum Oktober 2015 bis April 2016 auch keine SGB II-Leistungen bezogen. Allein ein Leistungsbezug in dieser Zeit bei dem Jobcenter Saalekreis würde ohnehin die Abmeldung bei den Meldebehörden noch nicht erklären.

3. Die Antragsteller können auch nicht mit Erfolg geltend machen, wegen des Gegenstands des Verfahrens 1 BvL 4/16 beim Bundesverfassungsgericht müssten ihnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II erbracht werden. Denn dieses Verfahren bezieht sich auf die frühere und nicht auf die aktuelle Rechtslage (vgl. hierzu weitere Ausführungen des Senates in L 2 AS 575/17 B ER – zitiert nach juris).

4. Die Antragsteller können auch keinen Anspruch aus der zu § 23 Abs. 1

Satz 3 SGB XII in der bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Fassung ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (u.a. Urteile vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 43/15 R - und - B 4 AS 44/15 R - juris, Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris) herleiten. Aus diesem Grund war der örtliche Träger der Sozialhilfe nicht beizuladen. Denn nachfolgend ist mit dem Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 neben der Ergänzung der Ausschlusstatbestände im SGB II deren Anpassung auch im SGB XII erfolgt. Durch die neue Formulierung in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII: "Ausländer und ihre Familienangehörigen erhalten keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn sie weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr. 1), sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Nr. 2), sie ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Nummer 2 aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist (Nr. 4), ableiten oder sie eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen (Nr. 4)." werde klargestellt, dass den ausgeschlossenen Personen weder ein Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 1 zusteht, noch dass ihnen Leistungen im Ermessenswege gewährt werden. (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/10211, S. 16). Einer Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Rechtslage sind damit durch den Wortlaut der Vorschrift, den in der Begründung des Gesetzentwurf niedergelegten Sinn und Zweck der Regelung sowie den Gesetzesmaterialien eindeutige Grenzen gesetzt. Auch die Rechtsprechung des Senates zu der früheren Rechtslage kann nicht zur Begründung eines Anspruches nach der aktuellen Rechtslage herangezogen werden.

5. Leistungen zur Unterstützung bei der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland nach § 23 Abs. 3 Satz 3 bis 6 SGB XII haben die Antragsteller nicht geltend gemacht, so dass diese nicht geprüft werden müssen. Es bedurfte daher keiner Beiladung des Sozialhilfeträgers.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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