S 7 AS 1912/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Heilbronn (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 1912/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid des Beklagten vom 23.1.2017 und der Änderungsbescheid vom 16.5.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.5.2017 und der Bescheid vom 9.2.2018 werden abgeändert und der Beklagte verurteilt, den Klägerinnen für den Zeitraum 1. Juni bis 31. August 2017 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung einer monatlichen Bruttokaltmiete von 578,60 EUR zu gewähren. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen begehren im Rahmen ihres Leistungsbezuges beim Beklagten die Anerkennung höherer Kosten der Unterkunft.

Die XX und XX geborenen Klägerinnen standen beim Beklagten im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und lebten zusammen in einer Mietwohnung in der XX Heilbronn. Die Klägerin zu 1 ist die Mutter der Klägerin zu 2. Die Wohnfläche umfasste ca. 67 Quadratmeter. Die tatsächliche Bruttokaltmiete inklusive des Nutzungsentgelts für eine Einbauküche belief sich auf insgesamt 587 EUR (530 EUR Kaltmiete, 50 EUR Kosten Einbauküche, 7 EUR kalte Nebenkosten). Die Klägerin zu 2 zog zwischenzeitlich im Laufe des Monats Juni 2017 aus der Mietwohnung in der XX aus, zog aber am 6. Oktober 2017 dort wieder ein.

Durch Bescheid vom 23. Januar 2017 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen vorläufig für den Zeitraum März bis Mai 2017 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 552,84 EUR und für Juni bis August 2017 i.H.v. 485,84 EUR. Hierbei legte der Beklagte seiner Berechnung in den Monaten März bis Mai 2017 eine Bruttokaltmiete von 537 EUR (530 EUR Kaltmiete, 7 EUR kalte Nebenkosten) und in den Monaten Juni bis August 2017 eine Bruttokaltmiete von 470 EUR (463 EUR Kaltmiete, 7 EUR kalte Nebenkosten) zu Grunde.

Hiergegen legten die Klägerinnen Widerspruch ein. Zur Begründung führte die Klägervertreterin aus, dass auch die Kosten für die Einbauküche in Höhe von monatlich 50 EUR zumindest für sechs Kalendermonate im Rahmen der Leistungsberechnung zu beachten seien, was dann noch für März bis Mai 2017 gelte. Hinsichtlich der Monate Juni, Juli und August 2017 sei zu berücksichtigen, dass nur eine Nettokaltmiete i.H.v. 463 EUR zugrunde gelegt worden sei. Diese sei nicht rechtmäßig ermittelt worden. Das sogenannte schlüssige Konzept der Stadt Heilbronn, auf welches die Verwaltungsentscheidung gestützt werde, genüge nicht den Anforderungen der Rechtsprechung, da das Datenmaterial nicht ausreichend valide sei. Infolgedessen sei auf § 12 WoGG zurückzugreifen. Der sich aus dieser Tabelle ergebende Betrag samt Sicherheitszuschlag in Höhe von 10 Prozent ergebe eine abstrakt angemessene Bruttokaltmiete i.H.v. 578,60 EUR.

Durch Änderungsbescheid vom 16. Mai 2017 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen vorläufig für die Monate März bis Mai 2017 unter Berücksichtigung des Nutzungsentgelts für die Einbauküche (monatlich 50 EUR) einen monatlichen Gesamtbetrag von 602,84 EUR.

Dem Widerspruch gab der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2017 teilweise statt und bezog sich hierbei auf den Änderungsbescheid vom 16. Mai 2017. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er unter anderem aus, dass hinsichtlich der Monate Juni bis August 2017 die zugrunde gelegte Nettokaltmiete i.H.v. 463 EUR rechtmäßig ermittelt worden sei und bezog sich hierbei auf das durch die XX , erstellte Konzept zur Ermittlung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft (Methodenbericht August 2016) der Stadt Heilbronn (Bl. 51/76 d.A.).

Hiergegen richtet sich die am 16. Juni 2017 zum Sozialgericht Heilbronn erhobene Klage.

Durch Bescheid vom 9. Februar 2018 hat der Beklagte die SGB II-Leistungen der Klägerinnen für den Zeitraum März bis August 2017 endgültig festgesetzt und hierbei für Juni bis August 2017 weiterhin eine Bruttokaltmiete von 470 EUR (463 EUR Kaltmiete und 7 EUR kalte Nebenkosten) zugrunde gelegt.

Das Gericht hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 7. März 2018 erörtert und den zuständigen Mitarbeiter der XX zur Datengrundlage des Konzepts als Zeugen befragt. Wegen des Inhalts wird auf Bl. 46/50 d.A. der Sitzungsniederschrift verwiesen. Im Nachgang zum Erörterungstermin hat das Gericht dem Beklagten aufgegeben, folgende Themenbereiche zu erläutern und Fragen zu beantworten:

– Wie stellt sich die Verteilung der 1201 vollgültigen, in die Berechnung mit einbezogenen Mietwerte hinsichtlich der örtlichen Verteilung im Vergleichsraum dar (vor und nach Extremwertkappung)?

– Die durch die Mieterbefragung erhobenen Werte wurden durch Datensätze aus dem Jobcenter ergänzt. Hierbei ist noch völlig unklar, nach welchen Parametern die Datensätze des Jobcenters ausgewählt worden sind. Des Weiteren ist unklar, ob durch den Beklagten die von den Leistungsbeziehern tatsächlich gezahlte Miete oder die vom Beklagten als angemessen angesehene Miete an XX übermittelt worden ist. Des Weiteren ist nicht klar, welcher Stichtag hinsichtlich der zu zahlenden Miete zugrunde gelegt worden ist.

– Da die vom Zeugen auf Seite 16 des Konzepts genannten 65 Wohnangebote zum Thema Angebotsmiete nicht im Original, also weder als Ausdruck, Screenshot oder Kopie vorliegen, wird der Zeuge zumindest die von der XX GmbH in eine Datenbank aufgenommenen Daten an das Gericht übermitteln.

– Da eine solche Gegenüberstellung bislang nicht vorgenommen worden ist, wird der Beklagte eine Aufstellung der Anzahl der Haushalte der SGB II- und SGB XII-Bezieher, welche, das derzeitige Konzept zugrunde gelegt, in Zweipersonenhaushalten in unangemessenem Wohnraum wohnen, vorlegen.

– Da die Parameter, welche hinsichtlich der kalten Betriebskosten im an XXX übermittelten SGB II-Datensatz des Jobcenters bislang nicht klar sind, wird der Beklagte den Modus darstellen, nach welchem letztendlich die Betriebskosten innerhalb des Jobcenters ermittelt wurden.

– Wie stellt sich die Verteilung der in die Berechnung mit einbezogenen Mietwerte hinsichtlich der Verteilung auf das Stadtgebiet Heilbronn dar (vor und nach Extremwertkappung)?

Der Beklagte hat im Anschluss unter anderem eine Liste der Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaften übermittelt, denen nicht die tatsächliche Bruttokaltmiete bewilligt werden (ab Bl. 88/90 d.A.). In der sechsseitigen Tabelle sind insgesamt 214 Bedarfsgemeinschaften aufgelistet. Des Weiteren hat der Beklagte mitgeteilt, dass eine Nachfrage beim Amt für Familie, Jugend und Senioren der Stadt Heilbronn ergeben habe, dass im Bereich des SGB XII 94 Haushalte hinsichtlich der Kosten der Unterkunft über den Richtwerten lägen. Hierbei handele es sich ganz überwiegend um Ein- bis Zwei-Personenhaushalte. Eine genauere Aufteilung sei nicht möglich.

Des Weiteren hat der Beklagte eine Excel-Tabelle über die Angebotsmieten, die Bestandsmieten vor Extremwertkappung sowie die Betriebs- und Heizkosten vorgelegt.

Des Weiteren ist die Suchmaske der XX hinsichtlich der Angebotsmieten übermittelt worden (Bl. 87 d.A. Rückseite).

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 9. Mai 2018 unter anderem mitgeteilt, dass aufgefallen sei, dass die ganz überwiegende Mehrzahl der Angebotsmieten scheinbar aus den Immobilienanzeigen der Heilbronner Stimme zu stammten. Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2018 hat der Beklagte auch die Wohnungsangebote aus dem Immobilienteil der Heilbronner Stimme übermittelt, soweit diese als Angebotsmieten aufgenommen worden seien (Bl. 91/132 d.A.). In den Wohnungsanzeigen finden sich durch den Beklagten vorgenommene Markierungen.

Das Gericht hat den Rechtsstreit in einem weiteren Termin am 12. Dezember 2018 erörtert (Bl. 165/166 d.A.).

Die Klägervertreterin trägt zuletzt insbesondere vor, dass die Recherche des Beklagten als äußerst kritisch anzusehen sei. Wohnungen im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten seien angeboten, aber nicht berücksichtigt worden. Angebote, die Verbrauchern oder Leistungsempfänger nach dem SGB II bzw. SGB XII von vornherein verschlossen seien, seien in die Bewertung ohne Einschränkung eingeflossen. Angebote, die auch einen Autoabstellplatz, Garage, Carport o.ä. umfassten, würden auch berücksichtigt, obwohl die Leistungsempfänger nach dem SGB II bzw. SGB XII sich diese Kosten finanziell nicht leisten könnten und der Beklagte diese Beträge auch nicht übernehme. All dies zeige, dass die Datenerhebung zu den Angebotsmieten unzureichend sei. Es bleibe daher festzuhalten, dass das Konzept nicht auf validem und repräsentativem Datenmaterial beruhe.

Die Klägervertreterin beantragt sinngemäß:

Der Bescheid des Beklagten vom 23.1.2017 und der Änderungsbescheid vom 16.5.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.5.2017 und der Bescheid vom 9.2.2018 werden abgeändert und der Beklagte verurteilt, den Klägerinnen für den Zeitraum 1. Juni bis 31. August 2017 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung einer monatlichen Bruttokaltmiete von 578,60 EUR zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten das hierzu erforderliche Einverständnis erteilt haben. Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid vom 9. Februar 2018 ist gem. § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten. Die Klägerinnen haben einen Anspruch auf Berücksichtigung einer angemessenen monatlichen Bruttokaltmiete i.H.v. 578,60 EUR bei der Gewährung ihres Leistungsanspruchs im Zeitraum 1. Juli bis 31. August 2017.

Dies folgt aus § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Hiernach werden im Rahmen des SGB II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

Hinsichtlich der Kriterien der Angemessenheitsprüfung gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II wird auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verwiesen, nach welcher ein durch den Beklagten erstelltes "schlüssiges Konzept" zur Begrenzung der tatsächlichen Aufwendungen erforderlich ist (vgl. hierzu und im Folgend BSG, Urteil vom 10.09.2013 -B 4 AS 77/12 R- Rn. 19 ff. in juris):

"Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. [ ] Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist. [ ] Eine pauschale bundeseinheitliche Grenze (Quadratmeterpreis) scheidet hierbei aus. Es ist auf die konkreten Verhältnisse abzustellen. Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. [ ] Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind:

• Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,

• es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

• Angaben über den Beobachtungszeitraum,

• Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),

• Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

• Validität der Datenerhebung,

• Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung

• Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze)."

Darüber hinaus ist und muss zentraler Punkt bei der Prüfung der abstrakten Angemessenheitsgrenze von Unterkunftsbedarfen das Bestreben sein, dass mit den maximal zu gewährenden Leistungen für die Bruttokaltmiete tatsächlich auch eine Wohnung konkret angemietet werden kann (vgl. Knickrehm, SGb 05.17, S. 249).

Diesen Anforderungen genügt das Konzept des Beklagten nicht, da die Datenerhebung in wesentlichen Teilen nicht valide und hinsichtlich der vom Beklagten angesetzten Bruttokaltmiete in Höhe von 469,80 EUR für Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaften im Wohnsegment von 45 bis ca. 60 Quadratmeter im Vergleichsgebiet nicht ausreichend Wohnraum vorhanden ist.

Unabhängig davon, dass die Klägerin zu 2 zwischenzeitlich nicht in der Wohnung XX wohnte, ist diese für die Berechnung der angemessenen Bruttokaltmiete im streitigen Zeitraum trotzdem als Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft anzusehen, da der Zeitraum Juni bis 6. Oktober 2017 nicht länger als sechs Monate ist. Wird die Unterkunft beim Auszug eines Mitbewohners oder wegen einer Ortsabwesenheit nur von den verbleibenden Mitgliedern einer bestehenden Bedarfsgemeinschaft allein weiter genutzt, ist für die Aufteilung der Unterkunftskosten anteilig pro Kopf jedenfalls dann kein Raum, wenn die Ortsabwesenheit des anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft auf unter sechs Monate beschränkt ist. Für die Ermittlung der angemessenen Wohnungsgröße bleibt dann vorübergehend die Anzahl der Mitbewohner inklusive des vorübergehend Abwesenden (z.B. wegen Freiheitsentzug oder Auslandsaufenthalt) maßgeblich. Den verbleibenden Bewohnern ist aber die volle Miete zu bewilligen (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22, Rn. 77; BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 28/12 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 67).

Zu beanstanden ist, dass die XX die Wohnungsanzeigen nicht im Original archiviert hat, sondern über die XX mit einem automatischen Computerprogramm Wohnungsdaten maschinell extrahiert und in eine Datenbank aufgenommen hat, ohne einen Screenshot oder dergleichen von den Wohnungsanzeigen zu fertigen. Betrachtet man die verwendete Suchmaske (Bl. 87 d.A.) so wird deutlich, dass für potenzielle Mieter relevante Daten hier nicht aufgenommen werden können. Beispielhaft sei hierfür angeführt, dass Vermieter teilweise nur bereit sind an eine einzelne Person zu vermieten oder die Wohnung nur gegen die Zahlung einer Ablösesumme etwa für eine Einbauküche bereitsteht. Dementsprechend sind die so erhobenen Datenbestände nicht valide, da retrospektiv nicht gesagt werden kann, ob sonstige für Leistungsbezieher relevante Vermietungshindernisse vorliegen.

Es bestehen darüber hinaus aber auch erhebliche Zweifel daran, wie die vom Beklagten angegebenen Zahlen hinsichtlich der Angebotsmieten für Zwei-Personen-Haushalte zustande gekommen sind. Insoweit existieren bereits zur Quelle der Daten widersprüchliche Angaben. Im Konzept selbst wird folgende Datengrundlage genannt: Immobilienscout 24 (Internet-Immobiliensuchportal), Immonet (Internet-Immobiliensuchportal), Immowelt (Internet-Immobiliensuchportal), örtliche Tagespresse, Anzeigenblätter sowie Internetseiten der großen Wohnungsanbieter in der Stadt Heilbronn. In seinem Schreiben vom 9. Mai 2018 hat der Beklagte ausgeführt, dass aufgefallen sei, dass die ganz überwiegende Zahl aus den Immobilien an zeigen der Heilbronner Stimme zu stammen scheinten. Schon diese Formulierung zeigt, dass der Beklagte letztendlich die Quelle nicht mit der erforderlichen Sicherheit benennen kann, was eine Nachprüfbarkeit unmöglich macht.

Diese Erwägungen dürften auf die übrigen Ein- bzw. Mehrpersonenhaushalte des Konzepts übertragbar sein.

Unabhängig von der Validität der vermeintlich einbezogenen Anzeigen liegen dem Konzept demnach im Wesentlichen Bestandsmieten zu Grunde, unter anderem aus Datensätzen der eigenen Leistungsempfänger. Bei dieser Sachlage müssen auch Angebotsmieten in die Berechnung einbezogen werden (vgl. hierzu und im Folgenden BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 45/14 R –, Rn. 22, juris).

Unterstellt man nun – ohne auf die Frage der Validität einzugehen –, dass dem Konzept des Beklagten tatsächlich im Wesentlichen die übermittelten Wohnungsanzeigen der Heilbronner Stimme als berücksichtigte Angebotsmieten zugrunde liegen, genügt diese Datenerhebung nicht dem Erfordernis der Verfügbarkeit ausreichenden Wohnraums. Dies wird aus den vorgelegten Anzeigen selbst deutlich. Denn eine genaue Durchsicht dieser Anzeigen zeigt, dass – gerade diese zugrundegelegt – Leistungsempfänger keine ernsthaft in Betracht zu ziehende Möglichkeit haben, zur vom Beklagten angesetzten Bruttokaltmiete i.H.v. 469,80 EUR Wohnraum zu finden. Besonders deutlich wird dies, wenn eine vergleichende Gegenüberstellung der tatsächlich Wohnungsuchenden mit dem tatsächlich vorhandenen Wohnraum erfolgt.

Nach Angaben des Beklagten existieren im Zuständigkeitsbereich des Beklagten 214 Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaften, denen nicht die tatsächliche Bruttokaltmiete bewilligt wird. Dazu kommen nach der Auskunft des Beklagten 94 Haushalte aus dem SGB XII-Bereich, deren Kosten der Unterkunft über den Richtwerten liegen. Im Bereich des SGB XII war eine Aufteilung nach Ein- und Zwei-Personen-Haushalte nach der Auskunft des Beklagten nicht möglich, weshalb zu Gunsten der Leistungsbezieher diese Anzahl im Folgenden bei den streitgegenständlichen 2-Personen-Haushalten mit einbezogen wird. Es existieren demnach 308 Zwei-Personen-Haushalte aus dem Bereich des SGB II und SGB XII, die um den Wohnraum von 45-60 Quadratmeter zu einer Bruttokaltmiete von 469,80 EUR konkurrieren. In dieser Zahl völlig außer Acht gelassen sind die übrigen Bevölkerungsgruppen, die in diesem Bereich auf Wohnungssuche sind, wie beispielsweise Auszubildende, Studenten, Wohngeldbezieher oder Wochenendpendler, die sich lediglich aufgrund ihrer Arbeit werktags im Vergleichsraum aufhalten.

Legt man nun das Konzept zugrunde, stehen dem 65 Angebotsmieten im Erhebungszeitraum des Konzepts von November 2015 bis April 2016 gegenüber, wobei der Zeuge XXX im Erörterungstermin vom 7. März 2018 angegeben hat, dass der Ersteller des Konzepts davon ausgeht, dass 15 Prozent dieser 65 Angebote auf Bedarfsgemeinschaften entfallen können (Bl. 49 d.A.). Dies sind 9,75 Wohnungsangebote. Stellt man nun mindestens 308 Zwei-Personen-Haushalte, die im vom Beklagten als angemessen erachteten Segment suchen, dem gegenüber, so liegt auf der Hand, dass bei 9,75 in Betracht kommenden freien Wohnungsangeboten pro Halbjahr die Möglichkeit angemessenen Wohnraum zu finden nahezu ausgeschlossen ist. Verschärfend kommt hinzu, dass diese Berechnung noch die oben genannten übrigen Bevölkerungsgruppen, wie Auszubildende, Studenten, Wohngeldbezieher oder Wochenendpendler außer Acht lässt, die im selben Segment nach Wohnraum suchen. Selbst wenn man nicht, wie der Beklagte dies selbst macht, 15 Prozent von 65 Angeboten ansetzt, sondern die vollen 65 Wohnungsangebote zugrunde legt, wäre dies nicht ausreichend.

Sofern auf Seite 16 des Konzepts (Bl. 60 d.A.) im letzten Absatz ausgeführt wird, dass tatsächlich ein wesentlich größeres Wohnungsangebot unterhalb der Angemessenheitsrichtwerte respektive in Höhe der Rechtswerte zur Verfügung stehe, so bewegt sich dieser Ansatz ohne Benennung eines überprüfbaren statistischen Anknüpfungspunktes im Bereich der Vermutung. Diese Vermutung genügt nicht den Anforderungen einer kontrollierten Methodenvielfalt und ist – ohne tatsächliche ausgewiesene Datengrundlage – oder Benennung eines konkreten Faktors schlichtweg nicht überprüfbar und deshalb bei der Frage der tatsächlichen Verfügbarkeit von Wohnraum nicht zu berücksichtigen. Um tatsächlich vorhandenen Wohnraum im Rahmen eines Konzepts berücksichtigen zu können, ist es gerade erforderlich, dass dieser auf dem allgemeinen Markt angeboten wird. Nur so werden Leistungsbezieher in die Lage versetzt, diesen auch anmieten zu können. Dieses tatsächliche Anbieten geeigneten Wohnraums muss der Verwender des Konzepts für das Gericht nachvollziehbar und nachprüfbar dokumentieren, was nicht geschehen ist.

Betrachtet man nun die vorgelegten Wohnungsangebote aus der Heilbronner Stimme aus dem dem Konzept zugrundeliegenden Erhebungszeitraum November 2015 bis April 2016 (Bl. 91/132 d.A.), so verdeutlichen diese gerade, dass im Erhebungszeitraum nicht ausreichend Wohnungen zu einer als vom Beklagten erachteten angemessenen Bruttokaltmiete auf dem Wohnungsmarkt vorhanden waren.

Die auf Bl. 93 d.A. markierte 2-Zimmer-Wohnung wird zu einer Kaltmiete von 470 EUR zzgl. 70 EUR Nebenkostenangebot angeboten, was deutlich über der Angemessenheitsgrenze des Konzepts des Beklagten liegt. Die ebenfalls auf Bl. 93 d.A. markierte Dreizimmerwohnung ist 70 Quadratmeter groß und wird zu einer Kaltmiete von 550 EUR + 120 EUR Nebenkosten angeboten. Die auf Bl. 92 d.A. markierten Wohnungen sind zum einen relevant deutlich größer als 60 Quadratmeter und werden darüber hinaus zu einer höheren Bruttokaltmiete als 469,80 EUR angeboten. Die Wohnung auf Bl. 93 d.A. (erste Spalte rechts, zwölfte von oben) wird zu einer Kaltmiete von 550 EUR angeboten. Die direkt darunter befindliche Wohnung (13. von oben) wird für insgesamt 890 EUR angeboten, wobei ein Putzservice inklusive ist und diese als ideal für leitende Angestellte oder Ingenieure ausgewiesen wird. Eine nähere Differenzierung findet nicht statt. Eine weitere Wohnung (16. von oben) wird zwar zu einer Kaltmiete von 360 EUR angeboten, Ausführungen zu den Nebenkosten finden sich hier jedoch nicht. Auf Bl. 94 d.A. finden sich keine Wohnungsangebote, die den Vorgaben des Beklagten entsprechen. Auf Bl. 95 d.A. (erste Spalte links, vierte Wohnung von oben) wird zwar eine Kaltmiete von 350 EUR angegeben, Angaben zu den Nebenkosten finden sich nicht. Eine weitere Wohnung auf Bl. 95 d.A. (erste Spalte links, zweite von unten) wird zu einer Kaltmiete von 450 EUR, zzgl. 110 EUR pro Monat angeboten. Hierbei wird nicht ausgeführt, wofür genau diese 110 EUR anfallen. Die auf Bl. 95 d.A. (zweite Spalte von links, dritte Wohnung von oben) befindliche Wohnung wird zu einer Kaltmiete von 380 EUR angeboten. Angaben zu den Nebenkosten finden sich nicht. Darüber hinaus ist eine Vermietung nur an Nichtraucher beabsichtigt. Auf Bl. 96 d.A. finden sich keine Wohnungsangebote, die den Vorgaben des Beklagten entsprechen. Die auf Bl. 97 d.A. angebotene Wohnung (dritte Spalte von rechts, elfte Wohnung von unten) wird zu einer Kaltmiete von 460 EUR angeboten. Ausführungen zu den Nebenkosten werden nicht gemacht. Die direkt darunter befindliche Wohnung wird zu 385 EUR + 15 EUR Kabelanschlussgebühren +30 EUR Nebenkosten pro Person angeboten und bewegt sich damit grundsätzlich im Richtwert des Beklagten, wobei keine Tiere erwünscht und nur Nichtraucher vermietet wird. In der zweiten Spalte von rechts auf Bl. 97 d.A. (zehnte Wohnung von oben) wird eine Kaltmiete von 450 EUR zuzüglich Nebenkosten angeboten, wobei nicht ausgeführt wird, wie hoch die Nebenkosten sind. Auf Bl. 113 d.A. wird eine Wohnung für 260 EUR angeboten (vierte Spalte von rechts, vierte Wohnung von unten), wobei ausgeführt wird, dass diese Wohnung ideal für eine Person sei und keine Tiere erwünscht seien. Die Wohnung auf Bl. 114 d.A. (erste Spalte von links, achte Wohnung von oben) wird für 380 EUR zusätzlich 50 EUR Nebenkosten angeboten, jedoch nur an Einzelpersonen. Über diese beispielhaft angeführten Wohnungen hinaus, sind sämtliche vom Beklagten markierte Wohnungsangebote entweder schon hinsichtlich der Kaltmiete über der Angemessenheitsgrenze des Konzepts, es sind keine Nebenkosten oder überhaupt keine Mietkosten angegeben oder die Wohnungsgröße ist nach dem Konzept des Beklagten zu klein für eine Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft und daher ohne statistisch relevanten Wert.

Die Klägerinnen haben einen Anspruch auf die Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Kosten der Unterkunft, soweit diese angemessen sind. Das Konzept des Beklagten ist nicht schlüssig und daher nicht anzuwenden.

Deshalb bilden die Tabellenwerte zu § 12 WoGG eine Angemessenheitsobergrenze im Sinne einer Deckelung (BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R Rn. 20; der im zitierten Urteil angesprochene § 8 WoGG entspricht nach aktueller Rechtslage § 12 WoGG):

"Wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten (vgl. § 5 Abs 1 WoGG aF bzw. nunmehr § 9 Abs 1 WoGG) nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen. Der Sicherheitszuschlag ist im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich. Denn es kann beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist. Bei der Bestimmung des Zuschlages ist daher zu beachten, dass es sich nicht um eine einzelfallbezogene Anwendung auf einen konkreten, tatsächlichen Sachverhalt, die dem LSG unter Beachtung der Verhältnisse des regionalen Wohnungsmarktes obliegt, handelt. Vielmehr ist er unter Berücksichtigung genereller, abstrakter Kriterien festzulegen. Ein Rückgriff auf die regionalen Verhältnisse kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil gerade erst der Ausfall der Erkenntnismöglichkeiten im räumlichen Vergleichsgebiet zur Anwendung von § 8 WoGG führt. Bereits durch die jeweiligen im WoGG verankerten Mietenstufen fließen regionale Unterschiede in die Bestimmung der zu übernehmenden KdU ein. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 8 WoGG (rechte Spalte) einen Zuschlag in Höhe von 10 % als angemessen, aber auch ausreichend."

Unter Zugrundelegung der dargestellten Berechnungsmethode liegt die Angemessenheitsgrenze für die Brutto-Kaltmiete (Kaltmiete plus kalte Nebenkosten, wobei das Nutzungsentgelt für die Einbauküche in Höhe von monatlich 50,00 EUR als Teil der Bruttokaltmiete nach § 22 Absatz ein S. 1 SGB II zu sehen ist (BSG, Urteil vom 07. Mai 2009 – B 14 AS 14/08 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 20, Rn. 19)) im Zeitraum vom 1. Juni bis 31. August 2017 vorliegend bei 578,60 EUR pro Monat. Dies folgt aus der der Mietstufe 4 für die Stadt Heilbronn (vgl. Anlage zu § 1 Abs. 3 WoGV in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung) bei zwei Haushaltsmitgliedern (§ 12 WoGG), woraus sich ein Betrag von 526 EUR ergibt, der mit einem Sicherheitszuschlag von 10 % zu versehen ist, was zur maximal angemessenen Bruttokaltmiete von 578,60 EUR im vorliegenden Fall führt. Die Berücksichtigung einer darüber liegenden Bruttokaltmiete machen die Klägerinnen mit ihrem Klageantrag nicht geltend.

Nach alledem war der Klage mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge vollständig zu entsprechen.

Sofern der Beklagte mit Schriftsatz vom 7. Februar 2019 geltend macht, dass das Gericht im Falle von Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit der ermittelten gegenständlichen Wohnkosten, dem Beklagten die Gelegenheit geben müsse, dies durch weitere Stellungnahmen und Ermittlungen auszuräumen, so war dem nicht zu folgen. Im Rahmen der in diesem Verfahren bereits umfangreich durchgeführten Ermittlungen, bei denen dem Beklagten ausreichend Gelegenheit zur Nachbesserung des Datenmaterials gegeben worden ist, ist nicht ersichtlich, inwieweit weitere Stellungnahmen von Beklagtenseite über bloße Rechtsmeinungen hinausgehen würden. Darüber hinaus sind die Erkenntnisquellen an den obigen Ausführungen gemessen ausgeschöpft.

Die Berufung war zuzulassen (§ 144 SGG). Die Kammer misst der Frage der Schlüssigkeit des vom Beklagten angewandten Konzepts grundsätzliche Bedeutung zu

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstr. 5, 70190 Stuttgart - Postfach 10 29 44, 70025 Stuttgart -, schriftlich, als elektronisches Dokument oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Eine Einlegung per E-Mail ist nicht zulässig. Wie Sie bei Gericht elektronisch einreichen können, wird auf www.ejustice-bw.de beschrieben.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Heilbronn, Paulinenstr. 18, 74076 Heilbronn, schriftlich, als elektronisches Dokument oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

XX

Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
Rechtskraft
Aus
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