L 4 AS 691/18 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 14 AS 312/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 691/18 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Erinnerung des Antragstellers gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und Erinnerungsführer (im Weiteren: Antragsteller) wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2012 hat das Jobcenter Dessau-Roßlau den Antragsteller im Wege der Erbenhaftung für gegenüber seinem Vater erbrachte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 20. November 2013 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau die dagegen gerichtete Klage des Antragstellers überwiegend abgewiesen (S 14 AS 312/12).

Am 7. Januar 2014 hat der Antragsteller dagegen Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt (L 4 AS 14/14). Dieses Verfahren ist mittlerweile durch die Annahme des vom Jobcenter Dessau-Roßlau abgegebenen Anerkenntnisses beendet worden.

Am 30. Mai 2014 hat der Antragsteller für das Berufungsverfahren die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten Rechtsanwältin H. beantragt. Mit Beschluss des Senats vom 25. August 2014 ist die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für den Prozesskostenhilfeantrag auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des LSG übertragen worden.

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2014 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass er Mitglied einer Gewerkschaft sei und diese seine rechtliche Vertretung prüfe. Am 15. Oktober 2014 hat die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) gegenüber dem Kläger Rechtsschutz für das Berufungsverfahren abgelehnt, da dieser nicht vor Einleitung des Berufungsverfahrens beim zuständigen Bezirk beantragt worden sei. Eine nachträgliche Rechtsschutzgewährung für bereits anhängige Verfahren oder bereits in Anspruch genommene anwaltliche Tätigkeit sei grundsätzlich ausgeschlossen. Da er im Berufungsverfahren bereits anwaltlich vertreten werde, sei eine nachträgliche Rechtsschutzgewährung nicht möglich. Das Schreiben hat der Kläger zu den Akten gereicht.

Mit Beschluss vom 15. September 2014 hat der Senat durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt. Der Antragsteller habe seinen Anspruch auf gewerkschaftlichen Rechtsschutz nicht wahrgenommen. Dieser Anspruch stelle ein vermögenswertes Recht im Sinne des § 115 Abs. 3 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) dar. Dem Antragsteller sei es zumutbar gewesen, den ihm zum Zeitpunkt der Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags (noch) zustehenden kostenlosen gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Gegen den Beschluss könne innerhalb eines Monats das Gericht angerufen werden, welches endgültig entscheide.

Am Montag, den 19. Januar 2015, hat der Antragsteller gegen den ihm am 18. Dezember 2014 zugestellten Beschluss "den Rechtsbehelf nach § 73a Abs. 8 Sozialgerichtsgesetz (SGG)" eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, er sei irrig davon ausgegangen, dass die IG BCE lediglich in Rechtsstreitigkeiten des Arbeitsrechts Rechtsschutz übernehme. Sie habe ihn nicht darüber aufgeklärt, dass sie auch für sozialrechtliche Streitigkeiten Rechtsschutz übernehme. Daher habe er von Anfang an anwaltlichen Beistand gesucht. Die IG BCE habe mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 nachträglichen Rechtsschutz versagt. Er habe daher davon ausgehen dürfen, dass sie auch eine anfängliche Übernahme des Mandats abgelehnt hätte.

II.

Die Erinnerung hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt. Die Erinnerungsfrist von einem Monat gemäß § 73a Abs. 8 SGG ist gewahrt. Die gegen den am 18. Dezember 2014 zugestellten Beschluss am Montag, den 19. Januar 2015, eingelegte Erinnerung ist gemäß § 64 Abs. 1, 3 SGG fristgerecht.

Sie ist auch statthaft. Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist gemäß § 73a Abs. 8 SGG allein die Erinnerung der statthafte Rechtsbehelf (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 5. Juli 2018, L 11 AS 535/18 B PKH, juris Rn. 6).

Die Erinnerung ist jedoch unbegründet und daher zurückzuweisen.

Zwar hätte die Urkundsbeamtin mangels Zuständigkeit nicht (mehr) über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entscheiden dürfen. Mit Änderung des § 73a SGG (in der Fassung vom 31. August 2013) bestand ab dem 1. Januar 2014 die Möglichkeit, das Verfahren zur Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach Abs. 4 dieser Norm auf den Urkundsbeamten zu übertragen. Hiervon hat der Senat mit Beschluss vom 25. August 2014 Gebrauch gemacht. In § 3a des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt (AG SGG LSA, in der Fassung vom 5. Dezember 2014) hat der Landesgesetzgeber jedoch mit Wirkung ab dem 12. Dezember 2014 bestimmt, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des Landes Sachsen-Anhalt nicht anzuwenden sind (sog. negative Länderöffnungsklausel nach § 73a Abs. 9 SGG). Mangels Übergangsvorschriften für bereits auf den Urkundsbeamten übertragene Verfahren durfte die Urkundsbeamtin am 15. Dezember 2014 formal nicht mehr über Prozesskostenhilfe entscheiden.

Gleichwohl ist die Erinnerung unbegründet, denn auch nach Auffassung des Senats, welcher für die sowohl für die Entscheidung nach § 73a Abs. 8 SGG als auch für die Entscheidung über Prozesskostenhilfe zuständig ist, ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H ...

Nach § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 Abs. 3 ZPO u.a. sein Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist.

Zum Vermögen eines Antragstellers gehört auch ein satzungsmäßiger Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch eine Gewerkschaft oder einen Verband (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 12. März 1996, 9 RV 24/94, juris). Denn Prozesskostenhilfe stellt eine besondere Art der Sozialhilfe auf dem Gebiet des gerichtlichen Rechtsschutzes dar mit der Folge, dass ein Antragsteller wegen des für die Sozialhilfe und die Prozesskostenhilfe gleichermaßen geltenden Subsidiaritätsprinzips verpflichtet ist, die dem Justizfiskus durch Prozesskostenhilfe entstandenen Ausgaben gering zu halten. Die Möglichkeit, gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, stellt so lange Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO dar, wie die Gewerkschaft Rechtsschutz nicht abgelehnt hat oder es als sicher erscheint, dass dies geschehen wird. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch stand noch nicht fest, ob gewerkschaftlicher Rechtsschutz gewährt werden würde. Erst mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 hat die IG BCE die nachträgliche Rechtsschutzübernahme abgelehnt, weil der Antragsteller für den begehrten Rechtszug bereits anwaltliche Tätigkeit in Anspruch genommen hatte. Hieraus ergibt sich, dass sie zu Beginn des Berufungsverfahrens (ohne anwaltliche Beauftragung) grundsätzlich Rechtsschutz gewährt hätte. Entgegen der pauschalen Behauptung des Antragstellers kann von Gewissheit der Ablehnung gerade nicht die Rede sein.

Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Antragsteller die Inanspruchnahme gewerkschaftlichen Rechtsschutzes als Vermögenseinsatz nicht zumutbar gewesen wäre. Eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen der IG BCE und ihm als Mitglied ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Allein sein Irrtum über diese Rechtsschutzmöglichkeit bei Einlegung der Berufung reicht für die Annahme von Unzumutbarkeit nicht aus, zumal er trotz ausdrücklichen Hinweises im Prozesskostenhilfeformular auf eine mögliche Verfahrensübernahme durch eine Gewerkschaft keine Prüfung vorgenommen hat.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO) und ist endgültig (§ 73a Abs. 8 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved