S 29 AS 4963/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 4963/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheids vom 17.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.12.2016 verurteilt, der Klägerin höhere Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Januar 2017 bis Dezember 2017 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von monatlich weiteren 35,84 EUR zu zahlen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft.

Die am 00.00.1954 geborene Klägerin stand im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die Klägerin bewohnte eine Wohnung in der Xstraße in L. Die Kaltmiete betrug zunächst 263,00 EUR. Zum 01.05.2015 erhöhte der Vermieter der Klägerin die Kaltmiete auf 272,60 EUR. Mit Schreiben vom 16.05.2016 erfolgte eine weitere Mieterhöhung zum 01.08.2016 auf 315,84 EUR monatlich. Die monatlichen Betriebskosten betrugen 93,40 EUR, die monatlichen Heizkosten 41,00 EUR.

Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom 16.06.2016 an, ab dem 01.01.2017 nur noch angemessene Kaltmietkosten in Höhe von 280,00 EUR zu berücksichtigen.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 17.11.2016 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Januar 2017 bis Dezember 2017. Er berücksichtigte eine Kaltmiete in Höhe von 280,00 EUR monatlich. Betriebs- und Heizkosten berücksichtigte er in tatsächlicher Höhe.

Mit Schreiben vom 22.11.2016 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.11.2016. Das Mieterhöhungsverlangen sei nicht zu beanstanden. Ein Umzug sei unverhältnismäßig.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2016 zurück. Die Kostensenkung sei rechtmäßig.

Dagegen hat die Klägerin am 29.12.2016 Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor, dass das Konzept des Beklagten zur angemessenen Miete nicht schlüssig sei und daher keine Begrenzung der Unterkunftskosten zulässig sei.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 17.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.12.2016 der zu verurteilen, ihr höhere Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Januar 2017 bis Dezember 2017 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von monatlich weiteren 35,84 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass das Konzept des Beklagten schlüssig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Gerichtsakte zum Verfahren S 29 AS 1734/16 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 17.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.12.2016 im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Denn der Bescheid ist teilweise rechtswidrig. Die Klägerin hat für den Zeitraum von Januar 2017 bis Dezember 2017 einen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 35,84 EUR monatlich.

Der Streitgegenstand wurde in zulässigerweise auf die Unterkunftskosten beschränkt (vgl. zur Zulässigkeit der Beschränkung: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 04.06.2014, B 14 AS 42/13 R).

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nach §§ 7, 19, 20, 22 SGB II. Sie erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 SGB II.

Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Die Klägerin war im streitigen Zeitraum 62 bzw. 63 Jahre alt, erwerbsfähig, hilfebedürftig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Bei der Klägerin sind monatlich 409,24 EUR Bruttokaltmiete nebst Heizkosten in Höhe von 41,00 EUR als Bedarfe für Unterkunft und Heizung anzuerkennen.

Gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Angemessen sind Aufwendungen, wenn sie eine durch ein schlüssiges Konzept ermittelte abstrakte Angemessenheitsgrenze nicht überschreiten oder – bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts und bei fehlender Nachbesserungsmöglichkeit – wenn sie die Werte der Wohngeldtabelle nebst Sicherheitszuschlag nicht überschreiten.

Ein schlüssiges Konzept liegt nicht vor. Zu prüfen ist zunächst für den Zeitraum von Januar 2017 bis Juni 2017 das von der Empirica AG erstellte Konzept zur Herleitung von Mietobergrenzen für angemessene Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II und § 35 SGB XII für die Stadt L vom 14.08.2014. Das Konzept vom 14.03.2017 wird vom Beklagten erst ab dem 01.07.2017 angewandt und ist daher für den Zeitraum von Juli 2017 bis Dezember 2017 zu prüfen. Dies gilt unabhängig davon, ob das Konzept vom 14.03.2017 bereits bei Erlass des ursprünglichen Bewilligungsbescheids existierte oder nicht. Denn es ist dem Beklagten bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung unbenommen, sein Konzept nachzubessern.

Ein schlüssiges Konzept befasst sich mit der Ermittlung der abstrakten Angemessenheitsgrenze. Sie ist nach der sogenannten Produkttheorie durch Multiplikation der abstrakt angemessenen Wohnfläche mit der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete je Quadratmeter im örtlichen Vergleichsraum zu ermitteln (BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R). Für einen Ein-Personen-Haushalt in Nordrhein-Westfalen (NRW) ist nach Nr. 8.2 der insoweit maßgeblichen (BSG, Urteil vom 16.05.2012, B 4 AS 109/11 R) Wohnraumnutzungsbestimmungen eine Wohnfläche von 50 m² abstrakt angemessen. Der abstrakt angemessene Quadratmeterpreis soll den Preis wiedergeben, den ein Leistungsberechtigter auf dem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufwenden muss (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R). Das Bundessozialgericht hat Verfahrensregeln für das methodische Vorgehen zur Ermittlung des abstrakt angemessenen Quadratmeterpreises entwickelt, ohne eine bestimmte Methode der Ermittlung vorzugeben. Es hat Mindestanforderungen an die empirische Ableitung der angemessenen Bruttokaltmiete definiert, die sicherstellen sollen, dass die ermittelten Daten die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes tatsächlich wiedergeben. Die Ermittlung der regional angemessenen Unterkunftskosten muss danach auf der Grundlage eines überprüfbaren, schlüssigen Konzepts zur Datenerhebung und -auswertung unter Einhaltung anerkannter mathematisch-statischer Grundsätze erfolgen. Der kommunale Grundsicherungsträger muss im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn gleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall, planmäßig vorgehen (BSG, Urteil vom 16.06.2015, a.a.O. m.w.N.). Schlüssig ist das Konzept, wenn es gewisse Mindestanforderungen hinsichtlich der Datenerhebung und -auswertung sowie der Folgerichtigkeit erfüllt. Es muss ein Vergleichsraum genau eingegrenzt werden. Die Datenerhebung darf ausschließlich in diesem Vergleichsraum erfolgen. Sie muss sich über den gesamten Vergleichsraum erstrecken. Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (Art der Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete, Vergleichbarkeit, Differenzierung nach Wohnungsgröße). Der Beobachtungszeitraum ist anzugeben. Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel) sind festzulegen. Die Datenerhebung muss valide sein, die einbezogenen Daten müssen repräsentativ sein. Das Konzept muss Angaben zu den gezogenen Schlüssen enthalten (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze). Anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze sind bei der Datenauswertung einzuhalten. Es handelt sich um verallgemeinerbare (d.h. nicht von den jeweiligen Wohnungsmärkten abhängige) und entwicklungsoffene Grundsätze bzw. Prüfungsmaßstäbe, die Raum für die Berücksichtigung regionaler Bedingungen lassen; sie eröffnen dem Grundsicherungsträger eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Methodenfreiheit bei Methodenvielfalt. Bei der Prüfung eines schlüssigen Konzepts sind die mit Wirkung zum 01.04.2011 eingefügten Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II zu beachten. Denn die Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wird durch das Regelungssystem der §§ 22a bis 22c SGB II gesetzlich begrenzt (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15; BSG, Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R).

Das Konzept ist nicht bereits deshalb unschlüssig, weil Zweifel an der Unabhängigkeit des mit der Erstellung beauftragten Unternehmens bestünden. Denn unabhängig davon, ob Zweifel bestehen oder nicht, muss ein mit der Erstellung eines Konzepts beauftragtes Unternehmen nicht unabhängig sein. Es ist die originäre Aufgabe des Beklagten bzw. dessen kommunalen Trägers, ein schlüssiges Konzept zu erstellen. Sich zur Erfüllung dieser Aufgabe der Hilfe eines Drittanbieters zu bedienen ändert nichts an der Aufgabenwahrnehmung durch den Beklagten.

Das streitige Konzept aus 2014 wählt das gesamte Stadtgebiet L als Vergleichsraum. Es begegnet seitens des Gerichts keinen Bedenken, das gesamte Stadtgebiet L als homogenen Wohn- und Lebensraum zu betrachten.

Der Beobachtungsgegenstand ist definiert. Das Konzept berücksichtigt nur die Nettokaltmiete. Zu ermitteln ist jedoch die Bruttokaltmiete (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R). Eine Nachbesserung und Erweiterung des Konzepts durch Berücksichtigung von Betriebskostenspiegelwerten wäre möglich. Darauf kommt es jedoch nicht an, weil das Konzept des Beklagten auch im Übrigen nicht schlüssig ist.

Der Wohnungsstandard als Beobachtungsgegenstand ist definiert. Es wird der gesamte Wohnungsmarkt ermittelt und durch einen Bruchteil davon wird das einfache Segment dargestellt. Die Datenerhebung erfolgt differenziert nach den Wohnungsgrößen. Dabei wird für jede Wohnungsgrößenklasse (50 qm, 65 qm, 80 qm ...) der Bereich von +/- 5 qm berücksichtigt. Der Beobachtungszeitraum ist mit dem Zeitraum von Januar 2013 bis Dezember 2013 angegeben.

Die Art und Weise der Datenerhebung ist festgelegt. Es handelt sich um ein reines Angebotsmietenkonzept. Erkenntnisquellen sind die Empirica-Preisdatenbank, die öffentlich im Internet inserierte Angebote verschiedener Portale enthält sowie die Daten des Wohnungsunternehmens Wohnstätte L AG. Das Konzept verzichtet ausdrücklich auf eine Auswertung von Bestandsmieten.

Ein reines Angebotsmietenkonzept genügt nicht den Anforderungen an eine realitätsnahe Ermittlung des gesamten Wohnungsmarkts (vgl. Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.05.2018, L 8 SO 193/13; entgegen LSG NRW, Urteil vom 12.10.2017, L 19 AS 502/16).

Die Methodenfreiheit für den Grundsicherungsträger besteht nur innerhalb der für schlüssige Konzepte aufgestellten Grundsätze (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R).

Bei der Ermittlung der erforderlichen Miete für eine abstrakt angemessene Wohnung ist nicht nur auf die tatsächlich am Markt angebotenen Wohnungen abzustellen, sondern auch auf vermietete Wohnungen (BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 24). Normativer Anknüpfungspunkt für die Notwendigkeit der Auswertung auch von Bestandsmieten ist § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R, Rn. 22). Nach § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II sollen in die Datenauswertung sowohl Neuvertrags- als auch Bestandsmieten einfließen. Diese Norm gilt zwar nur unmittelbar für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten durch Satzung gem. § 22a SGB II. Die Regelungen der §§ 22a bis c SGB II sind jedoch auch bei der Auslegung der Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15, Rn. 17).

Es ist auch kein überzeugender Grund ersichtlich, weshalb ausnahmsweise auf eine Datenauswertung von Bestandsmieten verzichtet werden dürfte. Das LSG NRW stellt in seiner Entscheidung vom 12.10.2017, L 19 AS 502/16, darauf ab, dass Angebotsmieten im Mittel meist höher als der Mittelwert von repräsentativ erhobenen Neuvertragsmieten liegen. Diese Annahme ist jedoch nicht zwingend (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.05.2018, L 8 SO 193/13, Rn. 52). Sie kann auch keine Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. Für den hier streitigen Vergleichsraum zum streitigen Erhebungszeitpunkt ist in keiner Weise verifiziert oder mit verhältnismäßigem Aufwand verifizierbar, ob die Angebotsmieten über den Neuvertragsmieten oder Bestandsmieten liegen. Nur ein Abgleich mit repräsentativ erhobenen Neuvertrags- bzw. Bestandsmieten im Vergleichsraum zum Erhebungszeitpunkt könnte einen entsprechenden Schluss zulassen. Diese Erhebung hat nicht stattgefunden. Eine vollständige Datenerhebung und –auswertung unter Berücksichtigung auch der Bestandsmieten wird nicht durch eine (womöglich häufig) zutreffende Vermutung obsolet. Die Einbeziehung sowohl von Neuvertrags- als auch Bestandsmieten zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen ist auch sachgerecht, weil die Daten von Bestandsmieten geeigneter sind, den Gesamtbestand von preiswertem Wohnraum und damit auch die Nachfragekonkurrenz realitätsnah abzubilden (LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O. m.w.N.). Nur die Betrachtung der verfügbaren Angebote ohne realitätsnahe Abbildung der Nachfrageseite überschreitet die Grenzen der Methodenfreiheit.

Eine Nachbesserung scheidet aus, da keine repräsentativen Bestandsmieten erhoben worden sind oder auf andere Weise verfügbar wären.

Auch das ab Juli 2017 von dem Beklagten angewandte Konzept ist nicht zur Nachbesserung geeignet. Der dortige Erhebungszeitraum liegt zwar vor dem hier streitigen Zeitraum, so dass die dort erhobenen Daten für den streitigen Zeitraum - auch unter Berücksichtigung einer etwaigen angespannteren Wohnungsmarktlage durch Migration - aktuell wären. Gleichwohl ist das dortige Konzept ebenfalls nicht schlüssig. Ausgangslage des dortigen Konzepts ist wie im vorherigen Konzept die Ermittlung angemessener Nettokaltmieten anhand von Angebotsmieten. Zusätzlich wurden Bestandsmieten erhoben. Erkenntnisquellen für die Angebotsmieten sind die Empirica-Preisdatenbank, die öffentlich im Internet inserierte Angebote verschiedener Portale enthält sowie die Daten des Wohnungsunternehmens Wohnstätte L AG. Die Bestandsmietdaten werden aus dem Datenbestand des Beklagten zum SGB II-Bezug erhoben.

Obgleich das Konzept vom 14.03.2017 Bestandsmieten darstellt, handelt es sich konzeptionell um ein Angebotsmietenkonzept.

Das Konzept des Beklagten sieht vor, die aus den Angebotsmieten ermittelten Werte mit den Bestandsmieten zu vergleichen. Es handelt sich lediglich um eine deskriptive und komparative Darstellung der Bestandsmietdaten, ohne dass konzeptionell eine Rückkoppelung zwischen beiden Datensätzen definiert wäre.

In der Stellungnahme der Empirica AG vom 05.06.2018 führt das Unternehmen aus, dass die Angemessenheitsgrenze grundsätzlich ohne Betrachtung der Bestandsmieten festgelegt wird, die zentrale Auswertungsgrafik im streitigen Konzept sei daher allein Abbildung 1. Abbildung 1 zeigt allein die Auswertung der Angebotsmieten. Das Unternehmen empfiehlt, auf das Bestandsmietenkapitel im Konzept komplett zu verzichten. In der weiteren Stellungnahme der Empirica AG vom 05.06.2018 zum Verfahren S 29 AS 1734/16 wird ausgeführt, dass das entsprechenden Kapitel des Konzepts zu den Bestandsmieten methodisch überflüssig sei. Der Vergleich der Bestandsmieten zu den Angebotsmieten solle nur zeigen, dass vermietete Wohnungen im Vergleich zu den am Markt angebotenen Wohnungen günstiger seien.

Das Konzept ist zusammengefasst von der Ansicht getragen, dass sich im Vergleich beider Datenquellen nur zeigt, wie viele Leistungsempfänger unangemessen teuer wohnen. Einen definierten Mechanismus für einen Rückschluss von den Bestandsmieten auf die Festlegung der angemessenen Mietkosten gibt es nicht. Es besteht zwar Methodenfreiheit, aber diese beinhaltet nicht, dass ein Teil der notwendigerweise erhobenen Daten keinen entscheidenden Einfluss auf die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze haben kann.

Ein reines Angebotsmietenkonzept genügt nicht den Anforderungen an eine realitätsnahe Ermittlung des gesamten Wohnungsmarkts (s.o.). Auch eine Plausibilisierung der aus den Angebotsmieten erhobenen Daten mithilfe der Bestandsdaten aus dem SGB II-Leistungsbezug ohne definierte Rückkoppelung gelingt dem Beklagten nicht.

Die aus den beiden Datenquellen erhobenen Mietwerte lassen sich nicht einfach vergleichen. Die aus dem SGB II-Bezug gewonnen Daten sind nicht repräsentativ für den gesamten Wohnungsmarkt. Sie stellen allenfalls das einfache Segment dar (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R). Damit wären diese Daten vom Beobachtungsgegenstand her nicht kongruent mit dem Beobachtungsgegenstand dieses Konzepts, das den gesamten Wohnungsmarkt abbilden möchte. Soweit also der Beklagte ausführt, dass der Median der erhobenen Bestandsmieten niedriger sei als der Median der Angebotsmieten, so trifft dies zu. Es lässt sich daraus aber keineswegs schlussfolgern, dass aus diesem Grund die maßgebliche Auswertung der Angebotsmieten im Vergleich zu den Bestandsmieten lediglich vorteilhaft für den Leistungsempfänger wäre, denn der eine Median soll sich auf den gesamten Wohnungsmarkt beziehen und der andere Median bezieht sich nur auf das einfache Segment.

Der Umstand, dass rund 28% der Wohnungen im Leistungsbezug um 50 qm nach dem Konzept des Beklagten unangemessen teuer sein sollen, ist angesichts dessen, dass die Daten der Leistungsempfänger bereits das untere Wohnsegment abbilden, bedenklich. Es trifft zwar zu, dass es theoretisch möglich ist, dass 28% der Leistungsempfänger unangemessen teuer wohnen. Ein solcher Wert sollte jedoch Anlass geben, an der bisher ermittelten Angemessenheitsgrenze durch die Angebotsmieten zu zweifeln. Das Ergebnis wird auch nicht dadurch unzweifelhaft, dass es sein kann, dass mehrere Personen im Leistungsbezug zusammen eine zu kleine Wohnung (um 50 qm) bewohnen, die dann aber einen höheren qm-Preis hat.

Auch die Gegenüberstellung der Anzahl der Fälle, in denen tatsächlich eine Kostensenkung durchgeführt wird mit der Anzahl der als angemessen erachteten Wohnungsangebote, führt nicht zu einer Plausibilisierung des Konzepts. Nach Angaben des Beklagten stünden hier 285 Wohnungsangebote für 50 qm- Wohnungen innerhalb eines Jahres 221 Fällen gegenüber, bei denen die Unterkunftskosten nicht anerkannt sind.

Die Gegenüberstellung überzeugt in mehreren Punkten nicht. Die Angebote wurden aus vier Quartalen addiert, die Kostensenkung obliegt den Betroffenen jedoch grundsätzlich binnen zwei Quartalen. Bei den 285 Wohnungsangeboten aus den Daten der Empirica Preisdatenbank und dem Angebot von Wohnungsunternehmen konnte keine Doppelbereinigung vorgenommen werden, so dass nicht bekannt ist, ob es nicht tatsächlich deutlich weniger als 285 Wohnungsangebote sind. Weiterhin ist nicht berücksichtigt, dass und in welchem Umfang eine erhebliche Nachfragekonkurrenz um günstigen Wohnraum besteht. Es ist zwar auch so, dass die berücksichtigten Angebote nicht alle zur Verfügung stehenden Wohnungen darstellen, da nicht alle Angebote öffentlich inseriert werden oder von Wohnungsbauunternehmen stammen. Jedoch ändert dies nichts daran, dass der Vergleich nicht schlüssig und überzeugend darlegen kann, dass für jeden von der Kostensenkung Betroffenen in angemessener Zeit eine verfügbare Wohnung am Markt vorhanden gewesen wäre.

Außerdem muss zuerst eine schlüssige angemessene Miete ermittelt werden. Jedem Betroffenen mit gesenkten Kosten eine verfügbare Wohnung nachzuweisen und damit die Senkung zu legitimieren, entspräche nicht einem planmäßig Vorgehen, wie es für das schlüssige Konzept notwendig ist.

Mangels repräsentativ erhobener Bestandsmietdaten liegt sowohl für den Zeitraum bis Juni 2017 als auch für den Zeitraum ab Juli 2017 ein Erkenntnisausfall vor. Im Falle eines Erkenntnisausfalls sind zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) nebst Sicherheitszuschlag in Höhe von 10% im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt (BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 87/12 R m.w.N.).

Für die Stadt L war im streitigen Zeitraum die Mietstufe IV zu berücksichtigen. Für eine Person lag die Bruttokaltmietobergrenze daher bereits ohne Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags bei 434,00 EUR monatlich und damit oberhalb der tatsächlichen Bruttokaltmietkosten der Klägerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Die Berufung wird zugelassen. Die Berufung bedarf gem. § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Vorliegend übersteigt der Wert der Beschwer 750,00 EUR nicht. Es sind auch keine laufenden Leistungen von mehr als einem Jahr betroffen.

Die Berufung ist gem. § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Das hiesige Urteil divergiert von dem Urteil des LSG NRW vom 12.10.2017, L 19 AS 502/16, hinsichtlich der Schlüssigkeit reiner Angebotsmietenkonzepte und beruht auf dieser Abweichung.
Rechtskraft
Aus
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