S 4 KR 200/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 KR 200/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 224/19
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Auswahl der Hauptdiagnose zur DRG-Bestimmung setzt nicht voraus, dass die mit dieser Diagnose beschriebene Krankheit bereits im Aufnahmezeitpunkt in irgendeiner Weise, etwa durch aufgetretene Beschwerden, symptomatisch war. Es kommt allein darauf an, dass Erkrankung als solche bei der Aufnahme in der Person des Versicherten vorlag (Fortführung von SG Fulda, Urt. v. 25.9.2018 – S 4 KR 172/16 – juris).
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.546,29 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juni 2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin behandelte in dem von ihr betriebenen Medizinischen Zentrum A. die bei der Beklagten krankenversicherte und im Zeitpunkt der Aufnahme 88 Jahre alte D. D. (im Folgenden nur: Versicherte) in der Zeit vom 20. April bis 20. Mai 2015 im Rahmen eines stationären Aufenthalts. Mit Datum vom 28. August 2015 stellte sie der Beklagten für diese Behandlung auf der Basis der DRG G02B einen Gesamtbetrag von 15.753,41 EUR in Rechnung. Die Beklagte glich den Rechnungsbetrag zunächst aus, verrechnete aber am 6. Juni 2016 einen Teilbetrag in Höhe der hiesigen Klageforderung mit einer anderen Vergütungsforderung der Klägerin. Dies basierte auf der Einschätzung des von der Beklagten beauftragten MDK, dass für die Ermittlung der abzurechnenden DRG anstelle der von der Klägerin verschlüsselten Hauptdiagnose (HD) C18.7 ICD-10 bösartige Neubildung: Colon sigmoideum die HD S72.04 ICD-10 Schenkelhalsfraktur: mediozervikal hätte kodiert werden müssen.

Mit Schriftsatz vom 23. August 2016, der am selben Tag bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen ist, hat die Klägerin Klage erhoben und verfolgt ihr Vergütungsbegehren weiter. Zur Begründung führt sie aus, dass die die Aufnahme der Versicherten nach Verlegung erfolgt sei zur weiteren Therapie in der Geriatrie des klägerischen Krankenhauses, nachdem die Klägerin wegen einer Schenkelhalsfraktur zuvor im Klinikum Eschwege operativ prothetisch versorgt worden sei. In der Geriatrie sei die Versicherte 14 Tage behandelt worden, während dessen sich eine gastrointestinale Blutung entwickelt habe. Daraufhin sei am 7. Mai 2015 eine laparoskopische Sigmaresektion erfolgt, wonach der histopathologische Befund ein Sigmakarzinom ergeben habe. Die am Ende des stationären Aufenthalts zu bestimmende HD führe zum Sigmakarzinom, das unbestreitbar im Aufnahmezeitpunkt vorgelegen und das Behandlungsgeschehen maßgeblich beeinflusst habe.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.546,29 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juni 2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich zunächst auf die ursprüngliche vorprozessuale gutachterliche Stellungnahme des MDK. Zudem hat sie weitere Stellungnahmen des MDK zur Akte gereicht vom 5. und 17. Juli 2017. Darin führt der MDK aus, dass die Aufnahme das klägerische Krankenhaus eindeutig zur geriatrischen Weiterbehandlung wegen der Folgen der Schenkelhalsfraktur stattgefunden habe. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass das Sigmakarzinom zweifelsfrei auch schon im Zeitpunkt der Verlegung in das Krankenhaus der Klägerin bestanden habe; der diesbezügliche Befund sei jedoch weder bei der Erstaufnahme noch im Verlegungszeitpunkt in irgendeiner Form klinisch manifest oder relevant gewesen. Ein Zusammenhang mit der traumatisch entstandenen Schenkelhalsfraktur bestehe insoweit nicht.

Auf der Basis dessen ist die Beklagte der Auffassung, dass der Hinweis in den DKR, dass die festgestellte Hauptdiagnose nicht der Aufnahme- oder Einweisungsdiagnose entsprechen müsse, dahingehend zu verstehen sei, dass man bei einer entsprechenden Symptomatik eben unterschiedliche Diagnosen stellen könne. Diese könnten sich im Verlaufe und nach Analyse wandeln, aber (zumindest) eine Symptomatik bezüglich der möglichen Hauptdiagnose müsse bei Aufnahme entsprechend vorgelegen haben. Hierfür spreche auch das Beispiel 1 in den Kodierrichtlinien zur Hauptdiagnose.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 12. Februar 2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet; die Klägerin hat Anspruch auf die weitere geltend gemachte weitere Vergütung.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 S.3 SGB V i. V. m. § 7 S. 1 Nr. 1 KHEntgG sowie der Vertrag über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen. Nach Rechtsprechung des BSG in früheren Jahren entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1, BSGE 90, 1, 2 = SozR 3.2500 § 112 Nr. 3). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser i. S. des § 109 Abs. 4 S. 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung festgelegt wird. Die Höhe der einem Krankenhaus zustehenden Vergütung wird durch die abzurechnende DRG (Fallpauschale) bestimmt, die wiederum von den zu kodierenden Diagnosen abhängig ist (zu den Einzelheiten s. BSG, SozR 4 2500 § 109 Nr. 11, sowie Urteil v. 25.11.2010 – B 3 KR 4/10 R – juris Rn. 13).

Vorliegend steht zentral im Streit, welche Hauptdiagnose für den streitgegenständlichen Aufenthalt zutreffenderweise zu kodieren war. Der hierfür maßgebliche Abschnitt D002f der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) lautet (Hervorhebungen auch im Original):

»Hauptdiagnose

Die Hauptdiagnose wird definiert als: "Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist.”

Der Begriff "nach Analyse” bezeichnet die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war. Die dabei evaluierten Befunde können Informationen enthalten, die aus der medizinischen und pflegerischen Anamnese, einer psychiatrischen Untersuchung, Konsultationen von Spezialisten, einer körperlicher Untersuchung, diagnostischen Tests oder Prozeduren, chirurgischen Eingriffen und pathologischen oder radiologischen Untersuchungen gewonnen wurden. Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingehen, sind für die Kodierung heranzuziehen. Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose muss nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen.«

Hieraus lassen sich zunächst zwei unmittelbare Erkenntnisse gewinnen, nämlich dass einerseits diejenige Diagnose, die zur Einweisung führte oder bei der Aufnahme zunächst als Auslöser für die stationäre Behandlung angesehen wurde, keineswegs zwingend die Hauptdiagnose sein muss. Insofern kann der letztlich durchaus zutreffende Hinweis der Beklagten, dass sowohl bei der Aufnahme der Versicherten in das erste Klinikum wie auch im Zeitpunkt der Verlegung in das klägerische eindeutig allein die (Weiter )Behandlung des unfallbedingt entstandenen Schenkelhalsbruchs im Raum stand, der Klageforderung nicht durchgreifend entgegengehalten werden.

Andererseits kommen nur solche Diagnosen als Hauptdiagnose in Betracht, die im Zeitpunkt der Aufnahme selbst vorlagen und nicht erst später als Krankheiten entstanden sind. Darüber hinaus sind bei der für die HD-Bestimmung notwendigen "Analyse" auch die Untersuchungsbefunde und durchgeführten Therapien zu berücksichtigen.

Vorliegend stellt sich die Situation zunächst so dar, dass die Versicherte am 20. April 2015 wegen zur geriatrischen Weiterbehandlung nach operativer Therapie eines Schenkelhalsbruchs im klägerischen Krankenhaus aufgenommen worden war. Irgendwelche onkologischen Bezüge waren in diesem Zeitpunkt nicht bekannt, jedenfalls sind sie nicht aktenkundig. Aufgrund einer inneren Blutung, die während der geriatrischen Behandlung festgestellt worden war, ergaben sich diagnostische Maßnahmen der Klägerin, die letztlich zu einer Sigmaresektion führten und dem Nachweis eines Sigmakarzinoms.

Zur Bestimmung der Hauptdiagnose ist daher eine Subsumtion unter die DKR erforderlich und eine Entscheidung zu treffen zwischen der Schenkelhalsfraktur als eigentlichem "Auslöser" dafür, dass die Versicherte in das Krankenhaus der Klägerin verlegt wurde, und dem sodann festgestellten Tumor, der (auch) behandelt wurde. Nach Überzeugung der Kammer ist dies zu Gunsten des Sigmakarzinoms, also der Diagnose C18.7 ICD-10 bösartige Neubildung: Colon sigmoideum zu entscheiden.

Zunächst geht die Kammer davon aus, dass der Tumor schon im Zeitpunkt der Aufnahme bestanden hat, auch wenn zuvor ärztlicherseits keine entsprechende Feststellung oder gar Diagnose erkannt worden war. Dies hat auch der MDK in seiner Stellungnahme vom 5. Juli 2017 ausdrücklich so angenommen.

Folglich ist zu bewerten, welche der beiden streitigen Diagnosen "hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich" war. Dabei sind alle gewonnenen Ergebnisse aus Untersuchungen oder Therapien miteinzubeziehen. Dies interpretiert die Kammer dahin, dass ex post zu bewerten ist, was den streitgegenständlichen Krankenhausaufenthalt in seiner konkreten Ausgestaltung, also unter Berücksichtigung der Gesamtheit der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, "hauptsächlich" veranlasst hat. Es ist daher diejenige Diagnose zu bestimmen, die für die durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sowohl in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht überwiegend ursächlich war und die insoweit dem Aufenthalt bei einer Gesamtbetrachtung das wesentliche Gepräge verliehen hat. Dies ist vorliegend das operativ behandelte Karzinom (= C18.7 ICD-10). Denn diesbezüglich gehen aus der Krankenakte deutlich umfangreichere und zeitaufwendigere Untersuchung- und Behandlungsmaßnahmen hervor, als sie für die (bloße) geriatrische Nachbehandlung notwendig waren. Im Übrigen haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, dass insoweit der höhere Ressourcenverbrauch klar bezüglich der Behandlung des Karzinoms erfolgt ist.

Dieses Ergebnis steht im Übrigen auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG, dass im Urteil vom 21. April 2015 (– B 1 KR 9/15 R –, juris Rn. 15) ausgeführt hat:

"Hauptdiagnose im Sinne der DKR (2005) D002d als Teil der Allgemeinen Kodierrichtlinien ist die Diagnose, die bei retrospektiver Betrachtung objektiv nach medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis die Aufnahme zur stationären Behandlung erforderlich machte. Es ist für die Bestimmung der Hauptdiagnose ohne Belang, wenn innerhalb eines abrechenbaren Behandlungsfalls nach der Aufnahme ins Krankenhaus weitere Krankheiten oder Beschwerden auftreten die ebenfalls für sich genommen stationäre Behandlung bedingen, selbst wenn die stationäre Behandlungsbedürftigkeit aufgrund der ersten Diagnose wegfällt. Bestehen bei der Aufnahme ins Krankenhaus zwei oder mehrere Krankheiten oder Beschwerden, die jeweils für sich genommen bereits stationärer Behandlung bedurften, kommt es darauf an, welche von ihnen bei retrospektiver Betrachtung objektiv nach medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis hauptsächlich die stationäre Behandlung erforderlich machte. Das ist die Diagnose mit dem größten Ressourcenverbrauch."

Hieraus ergibt sich zunächst, dass überhaupt nur dann eine Entscheidung zwischen mehreren Diagnosen als Hauptdiagnose zu treffen ist, wenn schon im Aufnahmezeitpunkt (mindestens) zwei Diagnosen vorliegen, die ihrerseits jede für sich eine stationäre Behandlung bedingen. So war es vorliegend, da sowohl der Schenkelhalsbruch der Versicherten wie auch (erst recht) der bis zur Aufnahme allerdings unbekannt gebliebene Tumor eine stationäre Behandlung notwendig machten und im Aufnahmezeitpunkt vorlagen.

Zugleich hat das BSG an der zitierten Stelle gerade nicht ausgeführt, dass eine Diagnose als Hauptdiagnose (auch) dann ausscheidet, wenn sie erst innerhalb eines stationären Aufenthalts "entdeckt" oder "diagnostiziert" wird. Vielmehr kommen Diagnosen nur dann nicht als Hauptdiagnose in Betracht, wenn sie als solche "nach der Aufnahme ins Krankenhaus ( ) auftreten".

Soweit die Beklagte demgegenüber die Auffassung vertritt, dass eine Erkrankung nicht schon dann als Hauptdiagnose in Betracht kommt, wenn sie eine im Aufnahmezeitpunkt bestehende Krankheit beschreibt, sondern zusätzlich erforderlich ist, dass diese Krankheit im Aufnahmezeitpunkt auch in irgendeiner Form symptomatisch gewesen sein muss, kann ihr darin nicht gefolgt werden. Hiergegen spricht zunächst schon, dass in der zuvor zitierten Kodierrichtlinie zunächst in ihrem zentralen Wortlaut allein eine "Diagnose" vorausgesetzt wird, nicht aber Symptomatik oder Beschwerdenmanifestation. ("Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist.”). Sodann wird im Folgetext erläutert, wie der Begriff der "Analyse" zu verstehen ist, nämlich dahingehend, dass eine "Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes" erfolgen muss, "um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war". Auch hier fehlt es an jeglichem sprachlichen Anknüpfungspunkt, der eine Krankheitsmanifestation als Voraussetzung der Bestimmung der Hauptdiagnose nahelegen könnte. Vielmehr dient die Analyse dazu, eine bestimmte "Krankheit" zu identifizieren, nicht etwa eine "Beschwerdeursache" oder einen "Grund" für Beschwerden, die die stationäre Krankenhausbehandlung ausgelöst haben. Auch das BSG spricht in der zuvor wiedergegebenen Urteilspassage von "mehreren Krankheiten oder Beschwerden", ohne das Erfordernis einer diesbezüglichen Manifestation im Aufnahmezeitpunkt zu thematisieren oder gar als zwingende Voraussetzung zu konstatieren.

Richtig ist zwar, dass nach dem zitierten Wortlaut in D002f diejenige Krankheit festzustellen ist, "die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war". Hieraus ließe sich unter Hervorhebung des Begriffs der "Veranlassung" argumentieren, dass nur solche Diagnosen als Hauptdiagnose in Betracht kommen, die den stationären Aufenthalt "veranlasst" im Sinne von "ausgelöst" haben. Aus einem solchen Begriffsverständnis könnte sodann abgeleitet werden, dass tatsächlich nur solche Diagnosen als Hauptdiagnose verschlüsselt werden dürfen, im Aufnahmezeitpunkt als Anlass und damit zumindest an Symptomen erkennbar gewesen sind. Dem schließt sich die Kammer jedoch nicht an.

Schon die ausdrückliche Formulierung der Kodierrichtlinie, dass die Hauptdiagnose "nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen" müsse, spricht gegen ein solches Begriffsverständnis. Vor allem aber die Vorgaben der DKR für den Fall mehrere in Betracht kommende Hauptdiagnosen lässt eine solche Interpretation im Sinne der Beklagtenauffassung nicht zu. Hiernach gilt:

"Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zu Aufnahme, Untersuchungsbefunden und/oder der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen und ICD-10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, muss vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnose-Definition entspricht. Nur in diesem Fall ist vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat. Hierbei ist es unerheblich, ob die Krankheiten verwandt sind oder nicht."

Es ist retrospektiv und objektiv zu klären, welche der Diagnosen hauptsächlich die stationäre Behandlung erforderlich gemacht hat, was anhand des diagnosebezogenen Ressourcenverbrauch zu klären sein soll. Ausdrücklich wird insoweit klargestellt, dass die zur Entscheidung stehenden Krankheiten nicht notwendig "verwandt" sein müssen. Wäre die Auffassung der Beklagten zutreffend, müssten im Falle fehlender "Verwandtschaft" unterschiedliche körperliche oder psychische Beschwerden vorliegen, um überhaupt zu einer Wahlentscheidung zwischen mehreren optionalen Hauptdiagnosen zu gelangen. Aber auch ungeachtet dessen fehlt auch hier ein sprachlicher Anhalt dafür, dass es für die Auswahl einer Diagnose als Hauptdiagnose auch darauf ankommt, dass im Aufnahmezeitpunkt symptomatisch war. Zwar wird in der zuvor zitierten Kodierrichtlinie auch die "Aufnahme" als Bezugspunkt für den Vergleich zweier oder mehrerer möglicher Hauptdiagnosen benannt. Dieses ist jedoch nur einer von mehreren Kriterien, das weder allein noch stets vorrangig zu beachten ist.

Nach alledem verbleibt es für die Kammer dabei, dass für die Bestimmung der Hauptdiagnose jede Krankheit in Betracht kommt, die im Aufnahmezeitpunkt tatsächlich bei einem Versicherten bestanden hat. Es ist insoweit nicht erforderlich, dass diese Erkrankung aufgrund einer Beschwerdesymptomatik oder irgendeiner anderen Manifestation dem Versicherten selbst oder einem behandelnden Arzt – sei es auch im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung – erkennbar ist.

Somit kommt es vorliegend (nur) darauf an, ob die Behandlung des Sigmakarzinoms gegenüber der geriatrischen Nachbehandlung des Schenkelhalsbruchs zu einem größeren Ressourcenverbrauch geführt hat. Dies ist nach Einschätzung der Kammer und auch gemäß der übereinstimmenden Erklärung der Beteiligten der Fall. Die Klägerin hat daher zu Recht die Diagnose C18.7 ICD-10 mit Hauptdiagnose kodiert. Sie hat aufgrund des dadurch ausgelösten Grouping-Ergebnisses Anspruch auf die gesamte Vergütung gemäß der streitgegenständlichen Rechnung vom 28. August 2015.

Der Zinsanspruch folgt aus § 10 Abs. 5 des Vertrages über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 197a SGG.
Rechtskraft
Aus
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