B 12 KR 1/04 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 16 RA 115/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 169/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 1/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei untertariflicher Bezahlung sind Versicherungspflicht wegen Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze und Beitragshöhe nach dem tariflich zustehenden und nicht lediglich nach dem zugeflossenen Arbeitsentgelt zu beurteilen (Fortführung von BSG vom 30.8.1994
12 RK 59/92 = BSGE 75 61 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5).
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten um die Versicherungs- und Beitragspflicht bei untertariflicher Bezahlung.

Die Klägerin betreibt ein Baugeschäft. Darin beschäftigte sie von Juli 1997 bis März 1998 und von Dezember 1998 bis März 1999 einen Aushilfsarbeiter zwischen 42 und 49 Stunden im Monat. Das mit ihm vereinbarte und ausgezahlte monatliche Arbeitsentgelt von zunächst 610 DM und ab Dezember 1998 von 620 DM überschritt die jeweilige Entgelt-Geringfügigkeitsgrenze von einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nicht. Diese lag 1997 bei 610 DM, 1998 bei 620 DM und 1999 bei 630 DM. Der gezahlte Stundenlohn schwankte zwischen 12,45 DM und 14,76 DM. Die Klägerin ging davon aus, der Arbeitnehmer sei geringfügig beschäftigt, sodass keine Pflichtbeiträge zu entrichten seien.

Auf Grund einer Betriebsprüfung setzte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit Bescheid vom 18. September 2000 und Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2001 Gesamtsozialversicherungsbeiträge von 4.016,78 DM und Umlagen von 57,13 DM (zusammen: 4.073,91 DM) für die Zeiten von Juli 1997 bis März 1998 und von Dezember 1998 bis März 1999 fest. Im Geschäftsbereich der Klägerin bestünden für allgemeinverbindlich erklärte Mindestlohntarifverträge des Baugewerbes. Bei Berücksichtigung des tariflichen Mindest-Stundenlohnes (17 DM bis August 1997 und 16 DM ab September 1997) sei der Beschäftigte nicht versicherungsfrei, sondern wegen Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze versicherungspflichtig gewesen. Aus dem tariflich zustehenden Mindestlohn seien Beiträge zu entrichten, auch soweit der Mindestlohn nicht gezahlt worden sei.

Die Klägerin hat Klage erhoben. Sie habe in Unkenntnis der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge untertariflichen Lohn gezahlt. Für die Frage der Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit der Beschäftigung komme es wie auch für die Ermittlung der Beitragshöhe auf das gezahlte und nicht auf ein tariflich geschuldetes Arbeitsentgelt an. Die Klägerin hat ein Gutachten ihres Prozessbevollmächtigten vom 3. Juni 2002 zur Frage der Beitragserhebung bei untertariflicher Bezahlung vorgelegt. Das Sozialgericht (SG) hat den Beschäftigten (Beigeladener zu 1) sowie die Innungskrankenkasse (Beigeladene zu 2) beigeladen und mit Urteil vom 1. Juli 2002 den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben. Es könne dahingestellt bleiben, ob das Entstehungsprinzip oder das Zuflussprinzip gelte. Die Klägerin habe dem Beigeladenen zu 1) das tarifliche Mindestentgelt nicht geschuldet. Der Wortlaut der Tarifverträge sei hinsichtlich seines persönlichen Geltungsbereichs nicht eindeutig. Es sei fraglich, ob sie auch auf den Beigeladenen zu 1) anzuwenden seien, der vertraglich als geringfügig Beschäftigter eingestellt worden sei. Diese Unklarheit gehe zu Lasten der Beklagten.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat zusätzlich beigeladen: Die Bundesanstalt für Arbeit (jetzt Bundesagentur für Arbeit (BA) Beigeladene zu 3), die Pflegekasse (Beigeladene zu 4) und die Landesversicherungsanstalt (LVA) (Beigeladene zu 5). Es hat mit Urteil vom 30. Oktober 2003 das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen. Die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge erfassten auch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Bei der gebotenen vorausschauenden Betrachtungsweise habe Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) bestanden. Der Beitragserhebung sei nicht das tatsächlich zugeflossene, sondern das tariflich mindestens geschuldete Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen, das die Geringfügigkeitsgrenze überschritten habe. Es komme nicht darauf an, ob sich der Arbeitnehmer um die Durchsetzung seines Anspruchs bemüht habe. Die Klägerin sei auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes von der Beitragsschuld freizustellen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt. Der Beigeladene zu 1) sei geringfügig beschäftigt und daher versicherungs- und beitragsfrei gewesen. Entgegen der Ansicht des LSG habe das SG zutreffend entschieden, dass die tarifliche Regelung für geringfügig Beschäftigte nicht gelte. Außerdem habe der Gesetzgeber das steuerrechtliche Zuflussprinzip in das Beitragsrecht der Sozialversicherung übernommen und in § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) das Arbeitsentgelt als das erzielte, dh dem Beschäftigten zugeflossene Arbeitsentgelt bezeichnet. Das Bundessozialgericht (BSG) habe sich in seinem einzigen zur untertariflichen Bezahlung ergangenen Urteil vom 25. November 1964 (BSGE 22, 106 = SozR Nr 12 zu § 160 Reichsversicherungsordnung (RVO)) ausdrücklich zum Zuflussprinzip bekannt. Davon habe es sich später nur in Einzelfällen gelöst. Eine rückwirkende Beitragserhebung verstoße auch gegen Treu und Glauben. Die Klägerin habe im Vertrauen auf den Wortlaut des § 14 SGB IV, die bisherige Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis der Versicherungsträger keine Beiträge für den Beigeladenen zu 1) entrichtet.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 30. Oktober 2003 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 1. Juli 2002 zurückzuweisen.

Die Beklagte und die beigeladene LVA beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend.

Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt. Die BA hält das Urteil des LSG ebenfalls für zutreffend.

II

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das LSG das Urteil des SG zu Recht aufgehoben hat und der angefochtene Bescheid vom 18. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2001 rechtmäßig ist. Die beklagte BfA war im Rahmen der Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV befugt, die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, der Pflege- und der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung durch Verwaltungsakt festzustellen. Sie hat diese Feststellung zu Recht getroffenen, soweit die Versicherungspflicht wegen Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze von einem Siebtel der Bezugsgröße angenommen worden ist. Hingegen fehlt für eine abschließende Entscheidung noch die Beurteilung der Frage, ob der beigeladene Beschäftigte auch die Geringfügigkeitsgrenze von einem Sechstel des Gesamteinkommens überschritten hatte.

1. Der Beigeladene zu 1) war in den Zeiten seiner Beschäftigung bei der Klägerin (Juli 1997 bis März 1998 und Dezember 1998 bis März 1999) grundsätzlich versicherungs- und beitragspflichtig. Er war nicht wegen Geringfügigkeit seiner Beschäftigung versicherungs- und beitragsfrei, weil sein Arbeitsentgelt ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nicht überstiegen hätte. Der Beurteilung dieser versicherungs- und beitragsrechtlichen Fragen ist nicht nur das gezahlte, sondern das tariflich geschuldete Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen.

a) Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, waren während der genannten Zeiten in der Krankenversicherung (§ 5 Abs 1 Nr 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)), in der Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI)) und in der Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI)) versicherungspflichtig. Nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III)) waren sie dieses seit 1998 ebenfalls und in der Zeit vorher nach § 168 Abs 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) beitragspflichtig.

b) Versicherungsfreiheit bestand in allen genannten Versicherungszweigen ausnahmsweise bei einer geringfügigen Beschäftigung (§ 7 Abs 1 SGB V, § 5 Abs 2 Nr 1 SGB VI, § 27 Abs 2 Satz 1 SGB III). Dieses richtet sich für die Zeit von Juli 1997 und März 1999, auf die es hier ankommt, nach § 8 SGB IV idF des Art 2 Nr 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuchs vom 13. Juni 1994 (BGBl I 1229). Die Vorschrift kam (nach Aufhebung der zusätzlichen Kurzzeitigkeitsgrenze des § 102 AFG aF) ab 1. April 1997 auch im Recht der Arbeitsförderung zur Geltung (vgl § 169a Abs 1 AFG idF des Art 11 Nr 35, Art 83 Abs 3 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594). Geringfügigkeit kann dabei nur nach Nr 1 des § 8 Abs 1 SGB IV vorliegen. Danach war eine geringfügige Beschäftigung gegeben, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als fünfzehn Stunden in der Woche ausgeübt wurde und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (§ 18), bei höherem Arbeitsentgelt ein Sechstel des Gesamteinkommens nicht überstieg. Das maßgebende Siebtel der Bezugsgröße war beim beigeladenen Beschäftigten zwar nicht mit dem gezahlten, wohl aber mit dem geschuldeten Arbeitsentgelt überschritten (zum Sechstel des Gesamteinkommens unten 8.). Entscheidend ist sowohl für die Versicherungspflicht als auch für die Beitragshöhe das geschuldete Arbeitsentgelt.

2. Für die Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht und der Beitragshöhe gilt das Entstehungsprinzip und nicht das Zuflussprinzip.

a) Schon das Reichsversicherungsamt (RVA) hat mit Beschlüssen vom 29. Oktober 1930 (Amtliche Nachrichten für Reichsversicherung (AN) 1931 IV 34), vom 22. April 1936 (AN 1936 IV 275) und vom 9. März 1938 (AN 1938 IV 193) entschieden, dass für die Berechnung der Beiträge nicht lediglich das tatsächlich ausgezahlte Monatsgehalt, sondern das Gehalt maßgebend war, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit der Beiträge ein Rechtsanspruch bestand (Fälligkeitsprinzip). Dieses wurde ausdrücklich auch für eine untertarifliche Bezahlung bestätigt, und zwar selbst dann, wenn der Arbeitnehmer mit ihr einverstanden gewesen war. Denn in diesen Fällen sei der Arbeitgeber von vornherein verpflichtet, dem Arbeitnehmer den vertraglichen Lohn zu zahlen und den entsprechenden gesetzlichen Beitrag zur Sozialversicherung zu entrichten. Von dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtung sei auch der Arbeitgeber nicht befreit, welcher in Verkennung seiner vertraglichen Pflichten oder gar in bewusstem Gegensatz dazu ein geringeres als das vereinbarte Gehalt bezahle. Sonst würden gerade die Arbeitgeber, welche ihre vertraglichen Pflichten verletzten, sich Vorteile gegenüber den Arbeitgebern verschaffen, welche die Gehälter vertragsgemäß zahlten. Die einmal entstandene öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Zahlung der gesetzmäßigen Beiträge könne durch eine nachträgliche privatrechtliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht mehr beseitigt oder abgeändert werden. Das gelte auch für einen späteren Gehaltsverzicht.

b) Während des Zweiten Weltkrieges wurde durch § 19 der Zweiten Lohnabzugs-Verordnung vom 24. April 1942 (RGBl I 252) angeordnet, dass ab 1. Juli 1942 die gesetzlichen Lohnabzüge (dh Lohnsteuer und Beiträge) grundsätzlich von der gleichen Bemessungsgrundlage zu berechnen waren. Mit ihrem Gemeinsamen Erlass vom 10. September 1944 (AN 1944 II, 281) bestimmten der Reichsminister der Finanzen und der Reichsarbeitsminister, dass Beiträge zur Sozialversicherung grundsätzlich von dem Betrag zu berechnen waren, der für die Berechnung der Lohnsteuer maßgebend war. Dadurch wurden, was beabsichtigt war, mit der Befreiung bestimmter Entgeltteile von der Lohnsteuer diese zugleich beitragsfrei, soweit der Gemeinsame Erlass dies nicht ausdrücklich ausschloss.

c) Unter Anwendung des Gemeinsamen Erlasses hat der damals zuständige 3. Senat des BSG mit Urteil vom 25. November 1964 (BSGE 22, 106 = SozR Nr 12 zu § 160 RVO) entschieden, dass bei untertariflicher Entlohnung Beiträge vom tatsächlich gezahlten und nicht vom geschuldeten Lohn zu berechnen waren. Er hat in der Zweiten Lohnabzugs-Verordnung den "Untergang des eigenständigen Entgeltbegriffs der Sozialversicherung" gesehen und das lohnsteuerrechtliche Zuflussprinzip auch im Beitragsrecht angewandt. Diese Verordnung und der Gemeinsame Erlass sind jedoch durch Art II § 21 Abs 1 Satz 2 Nr 3, 4 SGB IV vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 3845) mit Wirkung vom 1. Juli 1977 aufgehoben worden.

d) Der später und weiterhin zuständige erkennende 12. Senat des BSG hat sich anschließend vom Zuflussprinzip gelöst und dem so genannten Entstehungsprinzip zugewandt. Danach entstehen Versicherungs- und Beitragspflicht, sobald eine versicherungs- und beitragsrechtliche Beschäftigung ausgeübt wird.

Die Beschäftigungsversicherung begann früher mit dem Tag des Eintritts in die entgeltliche Beschäftigung und beginnt seit 1998 mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis (vgl § 186 Abs 1 SGB V aF und nF, § 24 Abs 2 SGB III). Hierfür haben früher der 3. und später der 12. Senat regelmäßig die tatsächliche Aufnahme der Arbeit als erforderlich angesehen, die Versicherung jedoch in Ausnahmefällen selbst dann beginnen lassen, wenn es zu einer tatsächlichen Arbeitsleistung nicht gekommen war (vgl Urteil vom 28. Februar 1967 in BSGE 26, 124 = SozR Nr 3 zu § 306 RVO zum Unfall des Arbeitnehmers auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme; Urteil vom 18. September 1973 in BSGE 36, 161, 164 = SozR Nr 73 zu § 165 RVO zur fristgerechten Kündigung durch den Arbeitgeber vor Dienstantritt und Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Wirksamwerden der Kündigung). Die Rechtsprechung ist demnach schon unter der Geltung des früheren Rechts davon ausgegangen, dass es einer Zahlung des Arbeitsentgelts nicht bedurfte, um das Beschäftigungsverhältnis als ein entgeltliches anzusehen und eine Versicherung zu begründen. Damit ist dem Umstand Rechnung getragen, dass Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt häufig erst nach erbrachter Arbeitsleistung erhalten (vgl § 614 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)), der Beginn ihres Versicherungsschutzes bis dahin jedoch nicht in der Schwebe bleiben kann. Auch den Fortbestand eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ohne tatsächliche Entgeltzahlung hat der Senat anerkannt, etwa wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne Entgeltzahlung im Konkurs freistellt (Urteil vom 26. November 1985 in BSGE 59, 183, 189 = SozR 4100 § 168 Nr 19) oder der Arbeitgeber während eines Kündigungsschutzprozesses die angebotene Arbeit nicht annimmt und dementsprechend auch nicht entlohnt (Urteil vom 25. September 1981 in BSGE 52, 152, 157 = SozR 2100 § 25 Nr 3; Urteil vom 5. Mai 1988 in BSG SozR 2400 § 2 Nr 25 S 42).

Im Beitragsrecht hat der Senat in seinem Urteil vom 18. November 1980 (SozR 2100 § 14 Nr 7), das die beitragsrechtlichen Folgen der Aufgabe eines Arbeitsentgeltanspruchs in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich betraf, zwar zunächst noch das Zuflussprinzip vertreten. Im Ergebnis wurde damals aber dennoch die Beitragsforderung auf den Lohn bejaht, weil in dem Vergleich der Lohnanspruch im Hinblick auf Gegenforderungen des Arbeitgebers aufgegeben und damit lediglich in anderer Weise erfüllt worden war. In dem weiteren Urteil vom 26. Oktober 1982 (BSGE 54, 136 = SozR 2200 § 393 Nr 9), in dem ein Arbeitgeber wegen drohender Zahlungsunfähigkeit kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt hatte, hat der Senat dann das Zuflussprinzip ausdrücklich aufgegeben und entschieden, dass Beiträge auch auf geschuldetes, aber nicht gezahltes Arbeitsentgelt zu entrichten waren. Nach dem Urteil vom 30. August 1994 (BSGE 75, 61 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5) kann die Einzugsstelle vom Arbeitgeber Beiträge auch auf Arbeitsentgelt fordern, das der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber wegen einer tariflichen Ausschlussklausel nicht mehr verlangen kann. Der Senat hat in dieser Entscheidung eingehend begründet, dass die Entstehung und der Fortbestand einer Beitragsforderung grundsätzlich nur von der Ausübung der Beschäftigung und nicht vom Zufluss des Arbeitsentgelts abhängen. Schließlich hat er mit Urteil vom 21. Mai 1996 entschieden (BSGE 78, 224 = SozR 3-2500 § 226 Nr 2), dass die Einzugsstelle Beiträge auch auf Arbeitsentgelt fordern kann, welches der Arbeitnehmer wegen einer nach Entstehen der Beitragsforderung verwirkten Vertragsstrafe vom Arbeitgeber nicht verlangen kann.

e) Der Bundesgerichtshof (BGH) ist der Rechtsprechung des Senats gefolgt. In einem auf § 823 Abs 2 BGB iVm § 266a des Strafgesetzbuchs (StGB) gestützten Schadenersatzprozess einer Allgemeinen Ortskrankenkasse gegen einen Geschäftsführer hat der BGH mit Urteil vom 16. Mai 2000 (BGHZ 144, 311) entschieden, dass Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung iS des § 266a Abs 1 StGB vorenthalten sein können, wenn kein Lohn an den Arbeitnehmer ausgezahlt worden ist. Nach dem Urteil vom 28. Mai 2002 (BGHSt 47, 318) setzt die Straftat des Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen nach § 266a Abs 1 StGB nicht voraus, dass tatsächlich Lohn an die Arbeitnehmer abgeführt wurde. In beiden Entscheidungen geht der BGH davon aus, dass der Beitragsanspruch nach dem erwähnten Urteil des Senats vom 30. August 1994 (BSGE 75, 61 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5) allein durch die versicherungspflichtige Beschäftigung entsteht und unabhängig von der tatsächlichen Zahlung des Arbeitsentgelts fällig wird (BGHZ 144, 311, 314/315; BGHSt 47, 318, 319).

3. Bei untertariflicher Bezahlung ist die Versicherungspflicht ebenfalls nach dem tariflich zustehenden, nicht lediglich nach dem zugeflossenen Arbeitsentgelt zu beurteilen.

a) Für den Beginn der Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und der Versicherungsverhältnisse kommt es nach dem Schutzzweck der Sozialversicherung nicht darauf an, ob und wann der Arbeitgeber das mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Arbeitsentgelt tatsächlich zahlt und dieses dem Arbeitnehmer zufließt (vgl BSGE 75, 61, 65 = SozR 2200 § 385 Nr 5: tarifliche Ausschlussklausel). Anderenfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, durch verzögerte oder verkürzte Zahlung des Arbeitsentgelts über den Versicherungsschutz des Arbeitsnehmers zu verfügen. Ob ein bestimmter Arbeitnehmer in seiner Beschäftigung der Versicherungspflicht unterliegt, muss bereits bei Aufnahme der Beschäftigung und auch danach zu jeder Zeit mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden können. Diese zum Schutz der Beschäftigten erforderliche Rechtssicherheit ist nur gewährleistet, wenn bei der Frage, ob das Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt oder die Versicherungspflichtgrenze (Jahresarbeitsentgeltgrenze) in der Krankenversicherung (§ 6 Abs 1 Nr 1 SGB V) überschritten wird, auf das tariflich zustehende Arbeitsentgelt abgestellt wird. Sind die Arbeitsentgelte - anders als vorliegend - tariflich oder einzelvertraglich nicht bestimmt, bedarf es einer Schätzung und vorausschauenden Betrachtung (BSGE - GS - 23, 129, 131 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO; BSGE 24, 262 = SozR Nr 50 zu § 165 RVO; SozR Nr 59 zu § 165 RVO; SozR 2200 § 165 Nr 15, jeweils zur Überschreitung der damaligen Versicherungspflichtgrenze; BSGE 13, 98 = SozR Nr 1 zu § 75a AVAVG aF; BSG SozR 2100 § 8 Nr 4 und BSG SozR 2200 § 172 Nr 19 zur Geringfügigkeitsgrenze und Kurzzeitigkeitsgrenze; BSG SozR 2200 § 205 Nr 41 zum regelmäßigen monatlichen Gesamteinkommen iS des § 205 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO)).

b) Aus § 14 Abs 1 SGB IV ist nichts anderes zu entnehmen. Danach sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 SGB IV sind in erster Linie die tariflich geregelten, ansonsten die einzelvertraglich vereinbarten Entgeltbestandteile. Wenn Versicherungspflicht bereits bei einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht und nicht von dessen Zahlung abhängt, kann das in § 14 Abs 1 SGB IV legaldefinierte Arbeitsentgelt nicht iS des Zuflussprinzips verstanden werden. Außerdem regelt § 14 SGB IV weder die Versicherungspflicht noch das Entstehen oder die Fälligkeit von Beitragsforderungen. Vielmehr ist das Arbeitsentgelt an dieser Stelle nur als Einkunftsart geregelt, die neben dem Arbeitseinkommen des § 15 SGB IV und dem Gesamteinkommen des § 16 SGB IV an vielen Stellen des Sozialversicherungsrechts von Bedeutung ist. Demnach kann die Verwendung der Wörter "Einnahmen", "geleistet" und "erzielt" im vorliegenden Zusammenhang nicht als Bestätigung für eine allgemeine Geltung des Zuflussprinzips angesehen werden. Auf den Zufluss kommt es vielmehr nur an, soweit dem Arbeitnehmer mehr geleistet wird, als ihm tariflich oder einzelvertraglich zusteht, soweit ihm also über das geschuldete Arbeitsentgelt hinaus überobligatorische Zahlungen zugewendet oder geleistet werden (vgl BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 24 S 64). Soweit der Senat in dem erwähnten Urteil vom 18. November 1980 (SozR 2100 § 14 Nr 7) den Wortlaut des § 14 Abs 1 SGB IV als Bestätigung für das Zuflussprinzip angesehen hatte, ist er dem schon in der erwähnten späteren Rechtsprechung (oben 2.d, letzter Absatz) nicht mehr gefolgt.

4. Die Höhe des zustehenden Arbeitsentgelts ergibt sich hier aus den zwischen dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes eV, dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie eV und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt geschlossenen Tarifverträgen zur Regelung eines Mindestlohnes im Baugewerbe (TV Mindestlohn), die der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung für allgemeinverbindlich erklärt hatte. Danach galt gemäß § 5 Abs 1 und 4 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) in den alten Bundesländern vom 1. Januar bis 31. August 1997 ein Mindestlohn von 17 DM (TV Mindestlohn vom 2. September 1996, Allgemeinverbindlicherklärung vom 12. November 1996 zum 1. Januar 1997; Bekanntgabe vom 12. November 1996 im BAnz vom 16. November 1996, Nr 215 S 12102) und vom 1. September 1997 bis 31. August 1999 ein Mindestlohn von 16 DM (TV Mindestlohn vom 17. Juli 1997, Allgemeinverbindlicherklärung vom 14. August 1997 zum 1. September 1997; Bekanntgabe vom 14. August 1997 im BAnz vom 23. August 1997, Nr 157 S 10909). Daraus folgte für den beigeladenen Beschäftigten bei einer durch das LSG festgestellten Arbeitszeit von mindestens 42 Stunden im Monat ein Lohnanspruch von monatlich 672 DM bei einem Mindest-Stundenlohn von 16 DM und von monatlich 714 DM bei einem Mindest-Stundenlohn von 17 DM. Diese Beträge lagen über den jeweils geltenden Geringfügigkeitsgrenzen von einem Siebtel der Bezugsgröße (610 DM ab 1. Januar 1997, 620 DM ab 1. Januar 1998 und 630 DM ab 1. Januar 1999).

Der persönliche Anwendungsbereich der genannten Tarifverträge war dem Wortlaut nach allerdings auf gewerbliche Arbeitnehmer (Arbeiter) beschränkt, die eine nach den Vorschriften des SGB VI "versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben". Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) jedoch entschieden hat, schließen solche Bestimmungen geringfügig Beschäftigte nicht aus dem Geltungsbereich der Tarifverträge des Baugewerbes aus. Der Hinweis auf die Versicherungspflicht nach der RVO oder dem SGB VI bedeutet nur, dass es sich der Art nach um eine von der RVO oder dem SGB VI erfasste Tätigkeit (Beschäftigung) handeln muss (vgl BAGE 59, 346, 348 = AP Nr 99 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAGE 60, 183, 185 ff = AP Nr 100 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, jeweils mwN; zum Verstoß gegen Art 119 EG-Vertrag (jetzt: Art 141 EG-Vertrag), wenn geringfügig Beschäftigte von tarifvertraglich vorgesehenen Leistungen ausgeschlossen werden vgl EuGHE I 1999, 5127).

Schließlich können Außenseiter regelmäßig nicht geltend machen, sie hätten einschlägige Bestimmungen allgemeinverbindlich erklärter Tarifverträge nicht gekannt (vgl BAG Urteil vom 16. August 1983 - 3 AZR 206/82, AP Nr 131 zu § 1 TVG Auslegung, betreffend die Unkenntnis einer tariflichen Ausschlussfrist; BVerfGE 44, 322 = AP Nr 15 zu § 5 TVG zur Zulässigkeit von Allgemeinverbindlicherklärungen). Das für die Allgemeinverbindlicherklärung vorgesehene Veröffentlichungs- und Dokumentationsverfahren hat hier stattgefunden, sodass sich auch Außenseiter über das geltende Tarifrecht informieren konnten (BVerfG - Kammerbeschluss - vom 10. September 1991 - 1 BvR 561/89, AP Nr 27 § 5 zu TVG). Spezifische Schwierigkeiten bei der Beschaffung der hier einschlägigen Tarifverträge sind nicht erkennbar.

5. Bemessungsgrundlage für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d Satz 1 SGB IV), den die Klägerin zu entrichten hatte, ist das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V; § 57 Abs 1 SGB XI; § 162 Nr 1 SGB VI; § 342 SGB III, vorher § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG). Dieses ist hier das während der Beschäftigungszeiten tariflich geschuldete Arbeitsentgelt. Desgleichen ist das Arbeitsentgelt Bemessungsgrundlage der Umlagebeiträge für die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) und dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) in Kleinbetrieben (vgl § 14 MuSchG iVm § 10 Abs 1 Nr 1 und 2 LFZG).

a) Der Senat hat schon in dem erwähnten Urteil vom 30. August 1994 (BSGE 75, 61, 64/65 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5 S 12 f) dargelegt, dass nach § 22 Abs 1 SGB IV in der hier noch anzuwendenden früheren Fassung Beitragsansprüche entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Diese bestünden jedenfalls, wenn die Beschäftigung wie hier tatsächlich aufgenommen worden ist, in der Ausübung der versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigung gegen Entgelt. Hieran hält der Senat fest.

b) Der Senat hat in seinem Urteil vom 30. August 1994 (BSGE 75, 61, 65/66 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5 S 13 f) ferner schon ausgeführt, dass die Fälligkeitsregelung des § 23 SGB IV für das Entstehungsprinzip spricht. Diese Vorschrift unterscheidet nicht danach, ob das Arbeitsentgelt bei Fälligkeit der Beiträge bereits gezahlt worden ist oder nicht. Ferner bestätigen insolvenzrechtliche Regelungen das Entstehungsprinzip. So ergibt sich aus § 208 SGB III (früher § 141n Abs 2 AFG), dass der Beitragsanspruch auf nicht gezahltes Arbeitsentgelt gegen den insolventen Arbeitgeber fortbesteht (vgl zum früheren Recht BSGE 54, 136, 140 = SozR 2200 § 393 Nr 9 S 26; BSGE 59, 183, 189 = SozR 4100 § 168 Nr 19 S 48 f). Eine solche Regelung wäre unverständlich, wenn eine Beitragsforderung von der Zahlung des Arbeitsentgelts abhinge.

c) Die genannten Vorschriften zum Entstehen und zur Fälligkeit von Beitragsforderungen lassen keine Unterscheidung danach zu, ob der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt zahlt und ob der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt verlangt hat oder es noch verlangen könnte. Derartige Bedingungen würden das Entstehen oder den endgültigen Bestand von Beitragsforderungen von zahlreichen Unsicherheiten abhängig machen, wie beispielsweise: dem Geltendmachen des Anspruchs auf nicht gezahltes Arbeitsentgelt durch den Arbeitnehmer, dem Eingreifen tariflicher Ausschlussklauseln, der Verjährung des Anspruchs, der Erhebung der Verjährungseinrede durch den Arbeitgeber oder einem etwaigen Verzicht des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt. Unter derartige Vorbehalte sind Beitragsansprüche in den genannten Vorschriften nicht gestellt. Auswirkungen solcher privatrechtlicher Vorgänge auf einmal entstandene und fällig gewordene öffentlich-rechtliche Beitragsforderungen haben früher schon das RVA (oben 2.a) und der erkennende Senat im Urteil vom 30. August 1994 (BSGE 75, 61, 67 = SozR 2200 § 385 Nr 5 S 14 f) abgelehnt. Hieran ist festzuhalten.

d) Die Anwendung des Entstehungsprinzips beim Gesamtsozialversicherungsbeitrag gewährleistet im Allgemeinen eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Versicherungsverhältnissen sowie den mit ihnen verbundenen Beitragspflichten und Leistungsansprüchen. Wegen der Höhe der Beitragssätze wird der Gesamtsozialversicherungsbeitrag vor allem durch die Beiträge zur Rentenversicherung und zur Krankenversicherung bestimmt. In der Rentenversicherung würden, wenn nicht der Versicherungspflicht auch eine Beitragspflicht entspräche, Leistungsansprüche in der Regel nicht begründet. In der Krankenversicherung stünden dem, wenn mit dem Eintritt in die Beschäftigung oder das Beschäftigungsverhältnis die Mitgliedschaft beginnt und sofortige Ansprüche zumindest auf Sachleistungen ausgelöst werden, bei Geltung des Zuflussprinzips möglicherweise keine Beiträge gegenüber. Solche Ergebnisse entsprechen nicht dem geltenden Recht, sondern bedürfen, wenn sie gewollt sind, einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Zuflussprinzips (vgl schon BSGE 75, 61, 68 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5 S 16).

e) Dieses Erfordernis wird dadurch bestätigt, dass eine solche Regelung für die beitragsrechtliche Behandlung von Einmalzahlungen seit dem 1. Januar 2003 vorhanden ist. Von diesem Zeitpunkt an ist § 22 Abs 1 SGB IV durch Art 2 Nr 6 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 4621) neugefasst worden. Darin ist bestimmt, dass der Beitragsanspruch bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt entsteht, sobald dieses ausgezahlt worden ist (zur Begründung der Gesetzentwurf BT-Drucks 15/26 S 24 zu Nr 6 - § 22). Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass für hier zu zahlendes laufendes Arbeitsentgelt das Zuflussprinzip nach wie vor nicht gilt (vgl die Antwort der Bundesregierung auf die Fragen 15 und 16 (BT-Drucks 14/8318) in der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 27. Februar 2002, Stenographischer Bericht S 21837 ff). Ferner folgt aus dem In-Kraft-Treten der Neufassung des § 22 Abs 1 SGB IV erst am 1. Januar 2003, dass selbst für Einmalzahlungen bis Ende 2002 das Entstehungsprinzip gilt (Urteil vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 7/04 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 bestimmt).

f) Die Anwendung des Zuflussprinzips beim Arbeitsentgelt ist kein allgemeiner abgabenrechtlicher Grundsatz, der für Steuern und Beiträge gleichermaßen gelten müsste und aus dem Einkommensteuerrecht auf das Beitragsrecht der Sozialversicherung übertragen werden könnte. Im Steuerrecht ist das Zuflussprinzip ausdrücklich geregelt. Nach § 36 Abs 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entsteht die Einkommensteuer vorbehaltlich abweichender Regelungen mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Eine solche Ausnahmeregelung ist in § 38 Abs 1 Satz 1 EStG enthalten, wonach die Lohnsteuer (nur) erhoben wird, soweit der Arbeitslohn ausgezahlt wird. Zudem bestimmt § 38 Abs 2 Satz 2 EStG, dass die Lohnsteuer abweichend von der Regel des § 36 Abs 1 EStG bereits zu dem Zeitpunkt entsteht, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Vergleichbare Regelungen enthält das Beitragsrecht der Sozialversicherung nicht (Ausnahme ab 2003 oben e). Zwischen beiden Bereichen bestehen auch strukturelle Unterschiede. Im Steuerrecht werden Abgaben zur Erfüllung staatlicher Aufgaben grundsätzlich zweckfrei nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben, die sich im Zufluss ausdrückt und erschöpft. Im Sozialversicherungsrecht werden demgegenüber durch entgeltliche Beschäftigungen Versicherungsverhältnisse begründet, die in ihrem Bestand und in ihrer beitragsrechtlichen Ausgestaltung grundsätzlich nicht vom Zufluss des Arbeitsentgelts abhängen (oben c).

6. Der Senat folgt für versicherungs- und beitragsrechtliche Streitigkeiten bei untertariflicher Bezahlung auch im Übrigen nicht der Kritik, die vor allem nach dem Urteil des Senats vom 30. August 1994 (BSGE 75, 61 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5) zur Unerheblichkeit tariflicher Ausschlussklauseln für eine Beitragsforderung am Entstehungsprinzip geübt worden ist (Arens, BB 2001, 94; Berndt, DStR 2000, 1520 ff; Breidenbach, BB 2002, 1910; Gagel, BB 2000, 718 f; Gagel, Festschrift für Hanau, 1999, S 649 ff; Peters-Lange, NZA 1995, 657 ff. - Für das Entstehungsprinzip demgegenüber Klose, NZS 1996, 9 f; Marx, NZS 2002, 126 ff).

a) Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den Einmalzahlungen (BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 und BVerfGE 102, 127 = SozR 3-2400 § 23a Nr 1) wird geltend gemacht, auch hier entspreche der Beitragsfestsetzung gegenüber dem Arbeitgeber teilweise keine Gegenleistung der Beschäftigten, weil der Bemessung einzelner Leistungen der Sozialversicherung wie etwa des Krankengeldes nach § 47 Abs 1 Satz 1 SGB V oder des Arbeitslosengeldes nach Maßgabe des § 136 Abs 1 SGB III nur das gezahlte (zugeflossene) Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt werde. Damit werden jedoch wesentliche Unterschiede zu dem vorliegenden Verfahren einer untertariflichen Bezahlung nicht hinreichend beachtet. Den Entscheidungen des BVerfG lagen Sachverhalte zu Grunde, in denen Einmalzahlungen vom Arbeitgeber geschuldet und unter Abzug der Arbeitnehmeranteile (§ 28g SGB IV) an den Beschäftigten geleistet wurden, entsprechende Leistungen aber nach gesetzlichen Vorschriften nicht oder nicht in angemessenem Umfang zu erbringen waren. Demgegenüber wurde hier zu der Zeit, als die Beitragsforderung entstand und fällig wurde, auch ein Anspruch auf das tarifliche Arbeitsentgelt erworben. Ihn konnte der Arbeitnehmer geltend machen und sich so die genannten Lohnersatzleistungen sichern. Unter diesen Umständen können Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei einer einverständlichen untertariflichen Bezahlung nicht mit Erfolg geltend machen, der Beitragsforderung habe kein ausreichendes leistungsrechtliches Äquivalent gegenüber gestanden. Anderenfalls würde die untertarifliche Bezahlung zum Maßstab für eine angemessene gesetzliche Regelung erhoben sowie versicherungs- und beitragsrechtlich belohnt. Dem sind das RVA (oben 2.a) und der erkennende Senat (oben 2.d) schon früher entgegengetreten.

b) Jedenfalls für Sachverhalte einer einverständlichen untertariflichen Bezahlung überzeugt den Senat auch nicht, dass die Einheit der Rechtsordnung die Anwendung des Zuflussprinzips erfordere. Allerdings führt die Anwendung des Entstehungsprinzips zu einer Inkongruenz zwischen Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht, wenn der Arbeitnehmer arbeitsrechtlich eine tarifliche Entlohnung jedenfalls nach einer gewissen Zeit wegen tariflicher Ausschlussklauseln, Verjährung oder Verzicht nicht mehr durchsetzen kann, gleichwohl aber selbst dann noch Beiträge gegenüber dem Arbeitgeber festgesetzt werden dürfen. Andererseits dient es jedoch der Einheit der Rechtsordnung, wenn Versicherungsverhältnisse auf der Grundlage bestehender Tarifverträge durchgeführt werden müssen und durch eine untertarifliche Bezahlung weder der Versicherungsschutz der Arbeitnehmer beeinträchtigt werden darf noch sich Arbeitgeber Vorteile gegenüber tariflich zahlenden Arbeitgebern verschaffen können.

c) Soweit geltend gemacht wird, einzelne Arbeitgeber oder sogar ganze Wirtschaftszweige gerieten in Schwierigkeiten, wenn sie auf tariflich geltende, aber einverständlich nicht gezahlte Arbeitsentgelte Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssten, vermag dieses nach dem hier anzuwendenden Recht das Zuflussprinzip und damit eine Begünstigung der untertariflichen Bezahlung im Versicherungs- und Beitragsrecht nicht zu rechtfertigen. Vielmehr ist es Angelegenheit der Tarifvertragsparteien und des Verfahrens der Allgemeinverbindlicherklärung (§ 5 TVG), die wirtschaftlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen, damit die so geregelten Arbeitsentgelte und die hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge tragbar sind. Im Einzelfall können die Sozialversicherungsträger wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach Maßgabe des § 76 Abs 2 SGB IV durch Stundung, Niederschlagung oder Erlass von Beiträgen Rechnung tragen.

7. Die Beitragsforderung für die Jahre 1997 bis 1999 war bei ihrer Feststellung im September 2000 nicht verjährt (vgl § 25 Abs 1 SGB IV). Sie war auch nicht verwirkt.

a) Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt (BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 mwN; BSG Urteil vom 23. Mai 1989 - 12 RK 23/88, USK 8964). Eine Verwirkung scheitert hier daran, dass ein Verwirkungsverhalten der Versicherungsträger, das zum Zeitablauf hinzutreten muss, vom LSG nicht festgestellt werden konnte. Ein Vertrauenstatbestand, auf den sich die Klägerin für das Nichtbestehen von Versicherungs- und Beitragspflichten berufen könnte, ergibt sich weder auf Grund des Verhaltens eines zuständigen Versicherungsträgers gegenüber der Klägerin noch aus einer von allen Einzugsstellen und Rentenversicherungsträgern einheitlich vertretenen Auffassung.

b) Die Prüfbehörden sind bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen (BSGE 47, 194, 198 = SozR 2200 § 1399 Nr 11). Auch den Prüfberichten kommt keine andere Bedeutung zu. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben jedoch das Recht, in Zweifelsfällen nach § 28h Abs 2 Satz 1 SGB IV rechtzeitig eine Entscheidung der Einzugsstelle durch Verwaltungsakt herbeizuführen, an den die Versicherungsträger gebunden sind (so zuletzt BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 16 bis 20 mwN). Im vorliegenden Verfahren ist nicht festgestellt, dass gegenüber der Klägerin bei früheren Betriebsprüfungen durch Einzugsstellen oder Rentenversicherungsträger ein erklärtermaßen auf das Zuflussprinzip abstellender Bescheid ergangen ist oder dass die Beitragserhebung nach dem Zuflussprinzip sonst Gegenstand einer Betriebsprüfung bei der Klägerin gewesen ist und sie dabei trotz einer Problematisierung der hier umstrittenen Fragen über die Geltung des Entstehungsprinzips im Unklaren gelassen worden ist.

c) Eine grundlegende Änderung der Rechtsprechung hat hinsichtlich des Entstehungsprinzips seit etwa 1982 nicht mehr stattgefunden. Allenfalls wurde nach der Entscheidung zur Aufgabe des Zuflussprinzips vom 26. Oktober 1982 (BSGE 54, 136 = SozR 2200 § 393 Nr 9) für weitere Fallgruppen klargestellt, dass auch für sie das Entstehungsprinzip gilt. Die Prüfbehörden hatten seit dieser Zeit stets die Aufgabe, auf die Einhaltung vollständiger Beitragserhebung nach dem Entstehungsprinzip zu achten. Wenn das nicht immer geschehen ist, so rechtfertigt dieses keine "Übergangsregelung" zu Gunsten von Arbeitgebern, welche die Gesamtsozialversicherungsbeiträge bei untertariflicher Bezahlung nach dem Zuflussprinzip berechnet haben.

d) Schließlich ist vom LSG auch nicht festgestellt worden, dass Mitte bis Ende der neunziger Jahre alle Prüfbehörden bei ihren Betriebsprüfungen ausdrücklich das Zuflussprinzip vertreten haben. Soweit das für Einzelne von ihnen zutreffen sollte, könnte sich ein Vertrauensschutz allenfalls bei den von diesen geprüften Arbeitgebern gebildet haben, und dies auch nur dann, wenn diese Fragen im Rahmen einer konkreten Betriebsprüfung Gegenstand der Erörterung gewesen sind.

8. Der Senat konnte gleichwohl nicht abschließend entscheiden. Nach der hier anzuwendenden und bis März 1999 geltenden Fassung des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV (oben 1.b), lag Versicherungsfreiheit nicht nur bei einem Arbeitsentgelt bis zu einem Siebtel der Bezugsgröße, sondern bei höherem Arbeitsentgelt bis zu einem Sechstel des Gesamteinkommens vor. Dieses ist im Verfahren bisher nicht beachtet worden. Dass der beigeladene Beschäftigte diese Alternative der Versicherungsfreiheit erfüllte, mag fern liegen, kann aber nicht völlig ausgeschlossen werden. Deswegen war das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die abschließenden Feststellungen noch getroffen werden. Sollte sich nicht mehr klären lassen, ob das Arbeitsentgelt des Beschäftigten die Gesamteinkommensgrenze nicht überstiegen und aus diesen Gründen Versicherungsfreiheit vorgelegen hat, geht das zu Lasten der Klägerin, die sich auf den Ausnahmetatbestand von der grundsätzlichen Versicherungspflicht einer entgeltlichen Beschäftigung beruft.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung vorbehalten, die das Verfahren abschließt.
Rechtskraft
Aus
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