S 11 R 198/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 11 R 198/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
„Ghetto“ im Sinne des § 1 ZRBG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der maßgeblich durch die hierzu ergangene Rechtsprechung ausgelegt wurde. Danach ist ein „Ghetto“ durch die drei Elemente der Absonderung, Konzentration und Internierung bestimmter Bevölkerungsgruppen gekennzeichnet. Es kommt nicht darauf an, was historisch unter einem Ghetto zu verstehen ist oder von der Besatzungsmacht als solches bezeichnet wurde.
Die Lebensverhältnisse der Angehörigen der Bevölkerungsgruppe der Roma zu Zeiten der nationalsozialistischen Besatzung des heutigen Serbien und Mazedonien erfüllen nicht nachweislich die Voraussetzungen für das Leben in einem Ghetto. Die Quellenlage hierzu stellt sich nach dem durch das Gericht eingeholten historischen Sachverständigengutachten als unergiebig dar. Die seinerzeit geltende und auch praktisch angewandte Verordnungslage in Verbindung mit den aufgrund eines andauernden Partisanenkriegs chaotischen Besatzungsstrukturen sprechen gegen eine Zusammenfassung der Bevölkerungsgruppe der Roma in Ghettos.
Bereits früher auf dem Balkan vorhandene typische Armutsviertel der Roma werden allein durch die deutsche Besatzung oder durch nationalsozialistischen Einfluss nicht zwangsläufig zu einem Ghetto im Sinne des ZRBG.
Allein die über 70 Jahre nach den in Streit stehenden Ereignissen gemachten Angaben der Betroffenen zu ihrem Verfolgungsschicksal können für sich genommen die Existenz von Ghettos nicht belegen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die der Kammer vorliegenden persönlichen Erklärungen der Betroffenen weder in Einklang stehen mit den historischen Fakten noch eine persönliche und individuelle Wiedergabe erkennen lassen. Sie erwecken vielmehr den Anschein, vorformuliert worden zu sein.
Überdies steht einem Anspruch der Klägerin auf die begehrte Altersrente entgegen, dass sie mangels Hinzutreten von Ersatzzeiten – insbesondere Verfolgungsersatzzeiten - die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren nicht erfüllt hätte. Durch eine etwaige als maßgeblich zu berücksichtigende verfolgungsbedingte Flucht hat sie keine rentenrechtlichen Nachteile durch nicht zurückgelegte (weitere) Beitragszeiten erlitten.
Die von der Klägerin vorgelegte Lebendbescheinigung stammt von einer Einrichtung zur Interessenvertretung der Roma in Mazedonien und damit nicht von einer Stelle, die berechtigt ist, Lebendbescheinigungen zu erstellen. Die Beklagte hat daher die vorgelegte Bescheinigung zutreffend nicht als Nachweis der Zahlungsvoraussetzungen gemäß § 119 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI akzeptiert.
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Vorgreiflich ist die Frage, ob auf dem Gebiet des heutigen Serbien und Mazedonien überhaupt Ghettos im Sinne des ZRBG bestanden.

Die 1934 im serbischen B. geborene Klägerin gehört zur Bevölkerungsgruppe der Roma, ist heute serbische Staatsangehörige und lebt in Serbien.

Mit am 16. Juli 2015 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben stellte sie über ihren Bevollmächtigten einen Antrag auf Gewährung einer Altersrente für ehemalige Ghettobeschäftigte mit Wohnsitz im Ausland. Sie gab an, sich zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft von April 1941 bis September 1944 zwangsweise in der in Serbien liegenden Ortschaft Smederevska Palanka aufgehalten zu haben. Das deutsche Militär habe sie mit ihrer Familie gegen ihren Willen dorthin verbracht. Sie hätten in improvisierten Holzbaracken geschlafen. Die gesamte Umgebung sei militärisch überwacht worden. Dies habe einen Kontakt mit der übrigen Bevölkerung verhindert. Während ihrer Unterbringung habe sie Hunger und Not gelitten. Eine Versorgung mit Lebensmitteln sei nicht gewährleistet gewesen. Daher habe sie, obwohl sie noch ein Kind gewesen sei, Feldarbeiten verrichten und das Vieh in der Landwirtschaft versorgen müssen. Als Lohn habe sie Lebensmittel wie Mehl, Mais oder Kartoffeln erhalten. Als das deutsche Militär im September 1944 die Region verlassen habe, habe sie wieder in ihren Heimatort Badljevica-Smederevo zurückkehren können.

Mit an die Klägerin in Serbien adressiertem Bescheid vom 16. September 2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten ab. Ihre Prüfung habe ergeben, dass auch nach der neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Anerkennung von Beitragszeiten aus Beschäftigungen in einem Ghetto eine Anerkennung nicht möglich sei. Die Arbeitszeit von April 1941 bis September 1944 sei nicht während eines zwangsweisen Aufenthaltes in einem Ghetto ausgeübt worden. Damit sei eine Anerkennung nach dem ZRBG weiterhin nicht möglich. Es lägen keine Erkenntnisse vor, wonach in Serbien ein Ghetto für den Personenkreis der Sinti und Roma bestanden habe.

Hiergegen legte die Klägerin über ihren Bevollmächtigten mit am 24. Oktober 2016 bei der Beklagten per Telefax eingegangenem Schreiben Widerspruch ein. Die ablehnende Entscheidung beschränke sich auf eine Behauptung. Es sei nicht ersichtlich, welche historischen Recherchen vorgenommen worden seien.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2016 zurück. Nach den vorliegenden Erkenntnissen hätten in Serbien keine Ghettos im Sinne des ZRBG existiert. Insoweit werde auf den geführten Schriftwechsel mit der Grundsatzabteilung, insbesondere auf die Schreiben vom 31. Mai 2016 und vom 8. August 2016, Bezug genommen.

Am 17. Januar 2017 hat die Klägerin über ihren Bevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Im Folgenden hat sie noch einmal ihr Verfolgungsschicksal geschildert, das sie in den Jahren 1941 bis 1944 unter nationalsozialistischer Herrschaft auf dem Gebiet des heutigen Serbien erlitten haben will. Der von ihr dargestellte Sachverhalt sei entschädigungspflichtig nach den Bestimmungen des ZRBG. Diese Annahme werde auch gestützt durch die Studien des Professors für Volkskunde, Geschichte und Ethnologie Dr. Trajko Petrovski in Zusammenarbeit mit Dr. Milan Boskovski, Institut für Geschichte, Skopje über die "Soziale und wirtschaftliche Lage der Roma in Mazedonien während des Zweiten Weltkriegs (1941 bis 1945)". Es werde beantragt, ein historisches Sachverständigengutachten zur Frage des Bestehens von Ghettos für die Bevölkerungsgruppe der Roma auf dem Gebiet des heutigen Serbien einzuholen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Tätigkeit von April 1941 bis September 1944 als Beitragszeit nach § 1 ZRBG anzuerkennen und ihr (der Klägerin) ab dem 1. Juli 1997 eine Regelaltersrente nach Maßgabe der Bestimmungen des ZRBG und der weiteren gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise, weitere Ermittlungen in Serbien und Mazedonien durchzuführen gemäß der gerichtlichen Beweisanordnung.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Bescheid für zutreffend. Es seien sämtliche zur Verfügung stehenden Quellen ausgewertet worden. Im Ergebnis dieser Auswertungen hätten auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien keine Ghettos im Sinne des ZRBG bestanden. Ergänzend habe auch das United States Holocaust Memorial Museum mitgeteilt, dass auf dem Gebiet des heutigen Serbien und Mazedonien nach derzeitigem Kenntnisstand keine Ghettos existierten. Weitergehende Erkenntnisse ergäben sich auch nicht aus dem inzwischen vorliegenden 3. Band der Encyclopedia of Camps and Ghettos des United States Holocaust Memorial Museum, der in Auszügen zu den Akten gereicht worden ist.

Bestätigt werde diese Einschätzung durch eine im Zusammenhang mit einer Kleinen Anfrage (Bundestagsdrucksache 18/6493) erfolgten Prüfung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zum Thema "Ghettos in Mazedonien während des Zweiten Weltkrieges". In diesem Zusammenhang seien Nachfragen beim Deutschen Historischen Museum in Berlin erfolgt sowie bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Parlamentes der Republik Mazedonien habe keine Belege oder Dokumente über die Existenz von Ghettos in Mazedonien während des Zweiten Weltkrieges gefunden.

Darüber hinaus habe die Klägerin bisher weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass sie zum Personenkreis der Verfolgten im Sinne des § 1 Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG) gehöre noch dass sie eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt während eines zwangsweisen Aufenthaltes in einem Ghetto ausgeübt habe.

Die Kammer hat zur Person der Klägerin eine Lebendbescheinigung erfordert. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 26. Juni 2017 eine auf den 23. Mai 2017 datierte Bescheinigung des sogenannten Roma Geschäftsinformationszentrums in Skopje eingereicht. Die Beklagte hat die Gültigkeit dieser Bescheinigung als Lebendbescheinigung in Abrede gestellt.

Weiterhin hat sich die Kammer am 17. Oktober 2017 per Email mit einem die Klägerin betreffenden Auskunftsersuchen an das Bundesarchiv in Berlin gewandt. Noch am gleichen Tag hat das Bundesarchiv, Referat B1, per Email mitgeteilt, dass dort keine Unterlagen zur Person der Klägerin vorliegen.

Schließlich hat die Kammer gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben, indem sie den Historiker Dr. S., Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin sowie den in Mönchengladbach ansässigen Historiker Dr. D. mit der Erstellung eines historischen Sachverständigengutachtens beauftragt hat. Gegenstand dieses Gutachtens sind weiterhin die von der Kammer beigezogenen und Parallelverfahren betreffenden Beiakten zu den Ortschaften Smederevska Palanka (S 1 R 574/17), Staro Sajmiste (S 7 R 85/17 und S 23 R 3476/16), Potok (S 21 R 1917/16, S 1 R 2509/16 und S 23 R 2518/16), Topaana (S 21 R 2231/16, S 12 R 2428/16 und S 1 R 871/17), Bair in Bitola (S 9 R 1924/16, S 141 R 485/17, S 31 R 408/17, S 85 R 418/17 und S 12 R 1998/16), Cerge (S 4 R 2309/16), Sabac (S 7 R 2917/16), Rab (S 12 R 2846/16), Bajnici (S 21 R 703/17), Kosovska Mitrovica Trepca (S 21 R 422/17), Sredorek (S 97 R 2857/16), Sombor (S 23 R 2852/16), Nis (S 4 R 575/17), Veles (S 23 R 423/17) und Kochani (S 85 R 565/17) gewesen.

Die beiden Sachverständigen Dr. S. und Dr. D. haben ihr Gutachten am 8. Februar 2019 verfasst und am 1. März 2019 ergänzt. Im Ergebnis des Gutachtens hätten sich anhand der zugänglichen Literatur und Schriftgutüberlieferung separate Wohnbezirke für die Ethnie der Roma zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges auf dem Gebiet des heutigen Serbien und Mazedonien nicht nachweisen lassen. Bei den Orten Sabac, Crveni Krst und Sajmiste habe es sich nicht um Ghettos im Sinne des ZRBG gehandelt, sondern um reine Konzentrations- bzw. Internierungslager.

In einer ergänzenden schriftlichen Stellungnahme vom 4. Mai 2019 haben die beiden Sachverständigen Dr. S. und Dr. D. ihr Gutachten weiter erläutert und die von ihnen gefundenen Ergebnisse nochmals bestätigt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2019 hat die Kammer beide Sachverständige ergänzend befragt bzw. von den Prozessbeteiligten befragen lassen. Die Feststellungen des Gutachtens sind dabei von den Sachverständigen Dr. S. und Dr. D. erneut bestätigt worden. Wegen weiterer Einzelheiten zu ihrer Befragung wird auf das in den Gerichtsakten befindliche Sitzungsprotokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten samt Beistücke und Beiakten und denjenigen der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Akten lagen in der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist mit dem Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 16. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Anerkennung der Tätigkeit von April 1941 bis September 1944 in der Ortschaft Smederevska Palanka als Beitragszeit nach § 1 ZRBG sowie auf Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung unter Berücksichtigung dieser Tätigkeit.

Nach § 35 S. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) haben Versicherte Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Die allgemeine Wartezeit beträgt nach § 50 Abs. 1 S. 1 vor Nr. 1 SGB VI fünf Jahre. Auf die allgemeine Wartezeit werden gemäß § 51 Abs. 1 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet. Beitragszeiten sind gemäß § 55 Abs. 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Nach § 55 Abs. 1 S. 2 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten.

Als eine solche Vorschrift erweist sich § 2 Abs. 1 ZRBG. Hiernach gelten für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt, und zwar

1. für die Berechnung der Rente als Beiträge nach den Reichsversicherungsgesetzen für eine Beschäftigung außerhalb des Bundesgebiets sowie

2. für die Erbringung von Leistungen ins Ausland als Beiträge für eine Beschäftigung im Bundesgebiet

(Ghetto-Beitragszeiten).

Die Klägerin kann jedoch vorliegend keine Ghettobeitragszeiten im Sinne dieser Vorschrift geltend machen.

Nach der Vorschrift des den Anwendungsbereich des ZRBG bestimmenden § 1 ZRBG gilt dieses Gesetz nur für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist und gegen Entgelt ausgeübt wurde (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a) und b) ZRBG). Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZRBG muss das Ghetto in einem Gebiet des nationalsozialistischen Einflussbereichs gelegen haben. "Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto" im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 ZRBG erfasst jegliche Beschäftigung innerhalb und außerhalb des räumlichen Bereichs eines Ghettos, die von Verfolgten ausgeübt wurde, während sie sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben (BSG, Urteil vom 2. Juni 2009 - B 13 R 81/08 R -, Juris). Beschäftigung in diesem Sinne meint - wie der Beschäftigungsbegriff im übrigen Sozialversicherungsrecht auch - jede nicht selbständige Arbeit. Anhaltspunkte für das Bestehen einer solchen Arbeit sind eine von Weisungen eines anderen hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer, Inhalt oder Gestaltung abhängige Tätigkeit sowie eine gewisse funktionale Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Unternehmens oder Weisungsgebers, wobei die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls und das sich daraus ergebende Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit maßgeblich sind (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Dezember 2007 - L 8 R 187/07 -, Juris). Eine Beschäftigung wurde "gegen Entgelt" im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b) ZRBG ausgeübt, wenn für die geleistete Arbeit irgendeine Art der Entlohnung erhalten wurde, ob in Geld, Naturalien oder in Gutscheinen, unabhängig von Quantität, Qualität und Transferweg (BSG, Urteil vom 2. Juni 2009 - B 13 R 139/08 R -, Juris).

Die Beschäftigung ist "aus eigenem Willensentschluss" im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a) ZRBG - im Unterschied zur Zwangsarbeit - zustande gekommen, wenn der Ghettobewohner hinsichtlich des Zustandekommens oder der Durchführung der Arbeit noch eine Dispositionsbefugnis zumindest dergestalt hatte, dass er die Annahme oder Ausführung der Arbeit auch ohne Gefahr für Leib, Leben oder seine Restfreiheit ablehnen konnte. Auch die Annahme einer von einem Judenrat angebotenen Arbeit ist eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung (BSG, Urteil vom 2. Juni 2009 - B 13 R 81/08 R -, Juris).

Zur Feststellung der für die Anwendung von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a) und b) ZRBG erforderlichen Tatsachen genügt es nach § 1 Abs. 2 ZRBG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung vom 22.12.1970 in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung (WGSVG), wenn sie glaubhaft gemacht sind. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 1 Abs. 2 ZRBG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 S. 2 WGSVG). Glaubhaftmachung bedeutet danach mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es genügt die "gute Möglichkeit", dass der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie behauptet wird. Es muss mehr für als gegen den behaupteten Sachverhalt sprechen. Als Mittel der Glaubhaftmachung kommen neben der eidesstattlichen Versicherung alle Mittel in Betracht, die geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit der Tatsache in ausreichendem Maße darzutun. Dabei sind ausgesprochen naheliegende, der Lebenserfahrung entsprechende Umstände zu berücksichtigen. Bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten muss das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten sein, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Tatsache spricht (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. September 2006 - L 4 R 145/05 -, Juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erfüllen die Lebensverhältnisse der Klägerin in Smederevska Palanka im Zeitraum April 1941 bis September 1944 nicht die Voraussetzungen für das Leben in einem Ghetto.

Der Begriff des Ghettos ist im ZRBG oder in der Gesetzesbegründung hierzu (vgl. Bundestagsdrucksache 14/8583, S. 1 ff.) nicht definiert. Es ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Auslegung sich maßgeblich an dem Sinn und dem Zweck des ZRBG zu orientieren hat. Es kommt deshalb nicht entscheidend darauf an, was historisch unter einem Ghetto zu verstehen ist oder von der Besatzungsmacht als solches bezeichnet wurde. Das ZRBG soll Verfolgten für deren Beschäftigung während ihres Zwangsaufenthalts in einem vom Deutschen Reich zu verantwortenden Ghetto eine Rente aus der Deutschen Rentenversicherung ermöglichen (BSG, Urteil vom 2. Juni 2009 – B 13 R 81/08 R -, Rn. 26, zitiert nach Juris; vgl. auch Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE vom 8. Juni 2006, Bundestagsdrucksache 16/1955, S. 1). Zwar ist das ZRBG als Reaktion auf die Ghetto-Rechtsprechung des BSG und in deren Akzeptanz verabschiedet worden (vergleiche Bundestagsdrucksache 14/8583, S. 5; 14/8823, Seite 4; 15/1475, S. 9; Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Juni 2007, Bundestagsdrucksache 16/5720, S. 5). Es erweitert jedoch in mehrfacher Hinsicht die Reichweite dieser Rechtsprechung, indem es eine unterschiedslose Regelung unabhängig von lokal anwendbarem Recht, Größe und Struktur der Ghettos schafft (BSG, Urteil vom 2. Juni 2009 – B 13 R 81/08 R - und vom 3. Juni 2009 – B 5 R 26/08 R –, Rn. 28 zitiert nach Juris).

Umgangssprachlich und unter historischem Bezug wurde unter einem Ghetto ein abgesondertes Wohnviertel verstanden, das ab dem Spätmittelalter vor allem der Separierung der jüdischen Bevölkerung diente (vgl. hierzu Eintrag "Ghetto" in der Online-Enzyklopädie Wikipedia). Es konnte sich um einen Stadtteil oder eine Straße handeln, in der ausschließlich Juden wohnten, wobei es sich um einen eingegrenzten und von den anderen Teilen der Stadt abgetrennten Bezirk handelte. Während Ghettos aus historischer Sicht reguläre Wohnbezirke der jüdischen Bevölkerung waren, dienten die Ghettos in den von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten anderen Zwecken; sie waren nicht als getrennte Wohngebiete für Juden geplant, sondern stellten ein Übergangsstadium im Verlauf der "Endlösung der Judenfrage" dar. Es gab verschiedene Formen von Ghettos, geschlossene oder offene (Amsterdam) oder einzelne bestimmte Häuser wie in Budapest (Gutman u.a., Enzyklopädie des Holocaust, S. 535). Die Rechtsprechung zum ZRBG hat unter dem Blickwinkel der Zielrichtung des Gesetzes einen weiten Ghetto-Begriff vertreten und es ausreichen lassen, dass der Aufenthalt der Juden rechtlich und tatsächlich auf ein bestimmtes Wohngebiet beschränkt wurde und diese Beschränkung durch die Androhung schwerster Strafen bis hin zur Todesstrafe durchgesetzt wurde. Die Aufenthaltsbeschränkung hatte eine Abtrennung der jüdischen von der übrigen Bevölkerung zum Zweck (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 29/06 R -, Rn. 84 zitiert nach Juris, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Januar 2010 – L 11 R 2534/09, Rn. 44 zitiert nach Juris).

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat drei Elemente herausgearbeitet, die für ein Ghetto kennzeichnend sind. Danach zeichnet sich dieses durch die Absonderung, Konzentration und Internierung der jüdischen Bevölkerung aus. Die Absonderung wird durch die Kennzeichnung mit dem Davidstern erzielt, die Konzentration erfolgt durch die Zusammenfassung der jüdischen Bevölkerung der Stadt oder der weiteren Umgebung in einem Wohnbezirk, die Internierung durch die Zuweisung bestimmter zwingender Wohnbezirke (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Dezember 2006 – L 13 RJ 112/04 -, Rn. 32 ff. zitiert nach Juris, Urteil vom 13. Februar 2008 – L 8 R 153/06 –, Rn. 35 zitiert nach Juris). Das zwingende Merkmal der Konzentration in einem begrenzten Wohnbezirk hatte der 4. Senat des BSG aus § 43 Abs. 2 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) abgeleitet (BSG vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 29/06 R -, Juris).

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat jedoch bereits darauf hingewiesen (Urteil vom 1. September 2006 - L 14 R 41/05 – Rn. 27, zitiert nach Juris), dass die NS-Machthaber eine vollständige und hermetische Abriegelung der jüdischen Bevölkerung aus verschiedenen Gründen nicht realisieren konnten. Daraus folgte die große Zahl verschiedener offener Ghettos (vgl. zu den verschiedenen äußeren Verhältnissen in den Ghettos: Röhl, Vom historischen zum rechtlichen Ghettobegriff, NZS 2018, S. 514). Gemeinsam war allen Ghettos jedoch die fehlende Freizügigkeit der jüdischen Menschen. Das LSG Nordrhein-Westfalen hielt es für maßgeblich, dass die Tätigkeit in einem Zeitraum ausgeübt wurde, in dem bereits eine aufgezwungene und kontrollierte Separierung der jüdischen Bevölkerung in bestimmten Wohnbezirken faktisch realisiert und als Ausdruck behördlicher Beschränkungen der Bewegungsfreiheit im Zusammenhang mit zunehmenden Verdrängungsmaßnahmen und in dem Zustrom weiterer Juden aufgrund von Vertreibungsaktionen umgesetzt worden war (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. September 2006 – L 14 R 41/05 -, Urteil vom 15. Dezember 2006 – L 13 RJ 112/04 -, beide zitiert nach Juris).

Reine Zwangsarbeitslager oder Konzentrationslager fallen indes nicht in den Anwendungsbereich des ZRBG. Zweck des ZRBG soll es sein, im Rentenrecht den Rest an (Vertrags-)Freiheit der jüdischen Bevölkerung – oder auch anderer Bevölkerungsgruppen, wie derjenigen der Roma - bei der Ausübung von Tätigkeiten zu berücksichtigen, der diese einerseits von Zwangsarbeiten in Zwangsarbeitslagern und Konzentrationslagern abgrenzt und andererseits nicht die erforderlichen Merkmale der freien Willensbetätigung und des Entgelts für eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) aufweist (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 1997 – 5 RJ 66/95 -, Rn. 17 -; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 29/06 R -, Rn. 104, zitiert nach Juris; BSG, Urteil vom 3. Juni 2009 - B 5 R 26/08 R -, Rn. 20 bis 22, zitiert nach Juris). Maßgeblicher Hintergrund für die Gesetzesregelung ist die Ausübung einer Beschäftigung jenseits einer Zwangsarbeit unter weitgehender Einschränkung der Freizügigkeit im Übrigen.

Dieser Herleitung des Ghetto-Begriffs des ZRBG, die sich eng anlehnt an die Ausführungen des LSG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 4. September 2018 (L 7 R 152/16, Juris), schließt sich die Kammer an. Danach ist die Existenz eines Ghettos in Smederevska Palanka zu Zeiten der nationalsozialistischen Herrschaft von 1941 bis 1944 – wie auch auf dem Gebiet des gesamten heutigen Serbien und Mazedonien – nicht belegt.

Die Kammer stützt sich hierbei auf das wissenschaftlichen Maßstäben gerecht werdende, hinreichend präzise argumentierende und in sich schlüssige historische Sachverständigengutachten von Dr. S., Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, und Dr. D., vom 8. Februar 2019 in Verbindung mit den Ergänzungen vom 1. März 2019, der ergänzenden Stellungnahme vom 4. Mai 2019, der mündlichen Befragung der Sachverständigen im Termin am 15. Mai 2019 sowie auf das weitere Ermittlungsergebnis.

Die Sachverständigen haben die einschlägige deutsch- und englischsprachige sowie jugoslawische bzw. serbische und mazedonische Literatur recherchiert, ausgewertet und auf relevante Quellenhinweise durchgesehen, insbesondere die auch in Deutschland zugänglichen Bestände des serbischen Militärarchivs in Belgrad, weiterhin Bestände des Bundesarchivs in Berlin, des Militärarchivs in Freiburg, des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes sowie des Staatsarchivs in Nürnberg. Im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes wurden Bestände zur allgemeinen Geschichte der Besatzung Serbiens durch die deutsche Wehrmacht 1941-1944 gesichtet, darunter Korrespondenzen des Sicherheitsdienstes mit dem Auswärtigen Amt zur allgemeinen Situation in Jugoslawien bzw. im besetzten Serbien 1939-1944 sowie Gesandtschaftsberichte. Im Bundesarchiv Berlin wurden Quellenmaterialen zur wirtschaftlichen Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung, zur Ahndung von strafbewehrten Vergehen gegen das Besatzungsrecht sowie zur Ausbeutung serbischer Bergwerksbetriebe für Zwecke der deutschen Kriegswirtschaft ausgewertet, daneben einzelne Betreffe zu Geiselerschießungen als Vergeltungsmaßnahmen für Partisanenangriffe. Im Militärarchiv in Freiburg erfolgten Recherchen im Hinblick auf die Zuständigkeit der Wehrmacht für Verfolgungsmaßnahmen in den deutsch besetzten Gebieten in Jugoslawien. So enthält der dort lagernde Bestand RW 29, Wehrwirtschaftsdienststellen in Südosteuropa (125 Archiveinheiten) Berichte und Vorgänge zu Wirtschaftsunternehmen, dem Abtransport von Produktionsgütern und Rohstoffen sowie zur Arbeitseinsatzlage und der Rekrutierung von Arbeitskräften für die deutsche Wirtschaft.

Bemühungen der beiden Sachverständigen, Roma-Organisationen mit dem Ziel zu kontaktieren, Hinweise auf Schriftgutüberlieferung zur Verfolgung dieser Minderheit zur Zeit des Nationalsozialismus auf dem Gebiet des heutigen Serbien und Mazedonien zu erlangen, blieben ergebnislos. Die beiden Sachverständigten legten hierzu in der mündlichen Verhandlung acht Rückläufer zu Briefen vor, die sie an im Internet veröffentlichte Adressen von Roma-Organisationen in Serbien gerichtet hatten. Zudem legten sie dar, dass sie von einer weiteren Roma-Organisation, der Vereinigung von Hochschulabsolventen der Roma-Minderheit, zwar eine Antwort erhalten hatten, diese sie aber an ein anderes Institut verwies, dass bereits fruchtlos angeschrieben worden war.

Ohne Ergebnis blieben auch Bemühungen der Sachverständigen, historische Archive in verschiedenen Orten im heutigen Serbien, Mazedonien und Kosovo anzuschreiben. In der mündlichen Verhandlung legten die Sachverständigen hierzu 13 Anfragen vor. Allein das serbische Staatsarchiv in Belgrad habe eine Anfrage der Sachverständigen dahingehend beantwortet, dass es für weitere Recherchen auf – nicht näher lokalisierbare - Bestände eines Flüchtlingskommissariats außerhalb Serbiens verwies. In der mündlichen Verhandlung legten die Sachverständigen nachvollziehbar dar, dass es sich bei diesen Beständen in erster Linie um Dokumente zu serbischen Rückwanderern aus dem unabhängigen Staat Kroatien handele, also um Informationen, die für die im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits zu beantwortenden Fragen als unergiebig angesehen werden müssen.

Die Sachverständigen erläuterten in der mündlichen Verhandlung weiter, dass hinsichtlich der Verwaltungsstruktur in Serbien und Mazedonien in den Jahren 1941-1944 nur ein Teil der Primärquellen überliefert sei. Eine gute Überlieferung bestehe für den Bereich der Wehrmacht und deren Einsatz sowie hinsichtlich des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft in Serbien, also für die im Bundesarchiv in Berlin lagernden Bestände. Sehr lückenhaft bzw. komplett fehlend seien indes Dokumente zu Ansätzen der Zivilverwaltung der Deutschen in Serbien und zu den Kommandanturen der Polizei, die analog zur Wehrmacht lokale Polizeistrukturen aufgebaut hatten. Weitestgehend inexistent seien auch Quellen zu den Kollaborationskräften.

Im Ergebnis dieser zunächst an den Primärquellen bzw. Archivalien ausgerichteten Recherchen der beiden Sachverständigen ließen sich Hinweise auf eine Unterbringung von Roma in Ghettos in Serbien und Mazedonien von April 1941 bis November 1944 – verstanden als familienweise zugewiesene Wohngebiete mit Beschränkungen der Freizügigkeit – nicht nachweisen.

Auch unter Berücksichtigung der einschlägigen Sekundärquellen ließ sich ein entsprechender Nachweis nicht führen.

Die beiden Sachverständigen erwähnten in diesem Zusammenhang insbesondere das im Jahr 2014 in Belgrad erschienene Werk des Historikers Milovan Pissari, "The Suffering of the Roma in Serbia during the Holocaust", aus dem sie in der mündlichen Verhandlung vortrugen. Pissari erwähne dort Hinweise auf 800 Berichte von Roma, die im jugoslawischen Staatsarchiv in Belgrad lagerten. Diese seien nach 1945 für die Kommission zur Aufklärung der Verbrechen der Besatzer und ihrer Kollaborateure abgegeben worden. Dabei handele es sich zuvörderst um Berichte zu Kapitalverbrechen zu Lasten der Roma, insbesondere zu Geiselerschießungen der männlichen Roma und Deportationen der weiblichen Roma in Konzentrationslager, namentlich noch Staro Sajmiste. Ein Anruf bei dem jugoslawischen Staatsarchiv habe ergeben, dass dort keine Bestände für die Jahre 1941.1944 vorlägen, sondern nur solche ab dem Jahr 1945.

Die durch den Bevollmächtigten der Klägerin in den Verfahrensakten vorgetragenen Argumente für die Existenz von Ghettos für Angehörige der Minderheit der Roma im heutigen Serbien und Mazedonien - die weitgehend auf einer Wiedergabe von Sekundärliteratur beruhen - werteten die beiden Sachverständigen als im Ergebnis nicht stichhaltig. Sie wiesen auf eine – anhand mehrerer Beispiele untermauerte - fragwürdige Quellennutzung und Quelleninterpretation des Historikers Professor Dr. Petrovski hin, auf den der Bevollmächtigte der Klägerin seine Annahme von Ghettos auf dem Gebiet des heutigen Serbien und Mazedonien unter anderem stützt. In den Studien des Professors für Volkskunde, Geschichte und Ethnologie Dr. Trajko Petrovski in Zusammenarbeit mit Dr. Milan Boskovski, Institut für Geschichte, Skopje über die "Soziale und wirtschaftliche Lage der Roma in Mazedonien während des Zweiten Weltkriegs (1941 bis 1945)" wird etwa die Ortschaft Topaana beschrieben als "eine Art halboffenes bzw. geschlossenes Ghetto". Erwähnt werden als weitere "Ghettos" auch die Ortschaften Skopje (bzw. Teile dieser Stadt), Kumanovo und Prilep sowie die Stadt Tetovo mit den Ghettos Potok und Gostivar, verbunden mit dem Hinweis, dass es erlaubt gewesen sei, die Ghettos zu verlassen, um einer Arbeit nachgehen zu können. Der überwiegende Teil der Roma-Bevölkerung habe als Tagelöhner und Erntehelfer und im Ackerbau sowie in der Viehzucht auf den umliegenden Feldern und Bauernhöfen eine Arbeit verrichtet. Weitere Ghettobildungen beschrieb Dr. Petrovski unter anderem in Veles auf dem Gebiet der alten Kaserne sowie in Kocani und Kumanovo.

Abgesehen davon, dass die hier in Rede stehende Ortschaft Smederevska Palanka in den Arbeiten von Dr. Petrovski bereits keine Erwähnung findet, belegen seine Ausführungen nach Auffassung der Kammer auch für die übrigen in den Beiakten und zahlreichen Parallelverfahren genannten Ortschaften nicht die drei Elemente der Absonderung, Konzentration und Internierung, wie sie nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen für den Begriff des Ghettos im Sinne des ZRBG konstitutiv sind. Die zur Absonderung bzw. Internierung führenden Umstände ergeben sich in der Regel aus den jeweiligen Wohn- und Lebensumständen. Für eine Internierung kann insbesondere sprechen, dass der internierten Bevölkerungsgruppe deutlich geringerer Wohnraum zugebilligt wurde als zuvor. Nicht notwendig ist hingegen, dass das Ghetto vollständig abgeschlossen war oder dass in ihm eine ethnisch oder konfessionell ausschließlich homogene Bevölkerung gelebt hat. Insoweit gilt für den Personenkreis der Roma nichts anderes als für denjenigen der jüdischen Bevölkerung.

Die durch den Bevollmächtigten der Klägerin in Bezug genommenen Ausführungen von Dr. Petrovski enthalten jedoch nur recht allgemein gehaltene Aussagen über wirtschaftliche Einschränkungen sowie Limitierungen in der Bewegungsfreiheit der Roma, nicht aber konkrete und substantiierte sowie quellengestützte Darlegungen zur strukturellen Organisationsform der genannten Ortschaften. Die allgemein gehaltenen Aussagen von Dr. Petrovski sind für den Nachweis von Ghettos im Sinne des ZRBG keineswegs ausreichend. Wenn Dr. Petrovski in seinen Studien den Begriff des Ghettos verwendet, so geschieht dies ohne jede Anbindung an diejenigen Kriterien, die gemäß den obigen Ausführungen für eine Definition des Ghettos im Sinne des ZRBG konstitutiv sind. Von einem zwangsweisen Aufenthalt in einem Ghetto kann insbesondere dann nicht ausgegangen werden, wenn Verfolgte schon von anderen Bevölkerungsgruppen abgesondert gelebt haben, bevor sie in den nationalsozialistischen Einflussbereich gerieten. Zudem lassen die von Dr. Petrovski getätigten Aussagen zu Deportationen der Roma in bestimmte Städte offen, ob es sich hierbei nicht um Deportationen in Zwangsarbeitslager oder Konzentrationslager gehandelt hat, die gemäß den obigen Ausführungen nicht in den Anwendungsbereich des ZRBG fallen.

Zu keiner abweichenden Würdigung des historischen Sachverhalts kommt die Kammer auch unter Berücksichtigung der von dem Bevollmächtigten der Klägerin zu den Akten gereichten Publikation von Elena Marushiakova und Vesselin Popov, "Die bulgarischen Roma während des Zweiten Weltkriegs". Zum einen bezieht sich diese Publikation bereits nur auf die Situation der Roma auf dem Gebiet des heutigen Bulgarien bzw. im bulgarisch besetzten Teil Mazedoniens, nicht aber auf das Gebiet des heutigen Serbien, in dem die hier in Streit stehende Ortschaft Smederevska Palanka liegt. Zum anderen ergibt sich aus ihr aber auch kein Nachweis dafür, dass es zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft über das Gebiet des heutigen Mazedonien dort zur Ghettobildung im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung gekommen ist. Das von Marushiakova und Popov in Bezug genommene und im Jahr 1940 erlassene "Gesetz zum Schutz der Nation", auf dessen Grundlage ein Aufenthalt in bestimmten Regionen zugewiesen werden konnte, bezieht sich ausdrücklich nur auf die Bevölkerungsgruppe der Juden, nicht aber auch auf diejenige der Roma. Die zu diesem Gesetz am 29. August 1942 erlassene Verordnung Nr. 4567 des Ministerrats enthielt die Empfehlung, "alle Maßnahmen zu treffen, welche die Judenfrage und die mit ihr verbundenen Fragen regeln" und führte zu folgender Änderung des Artikels 21 des Gesetzes:

"Juden ist es verboten, ( ) eheliche oder sexuelle Beziehungen mit Personen bulgarischer oder ähnlicher Abstammung zu haben; Ehen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossen werden, sind ungültig. Anmerkung: Dieses Verbot betrifft auch Ehen zwischen tsigani und Personen bulgarischer oder ähnlicher Abstammung."

Marushiakova und Popov räumen ein, dass es keine Informationen darüber gebe, wie dieser Teil des Gesetzes im Hinblick auf die Roma eingehalten und ob er überhaupt zur Anwendung gekommen sei. Er lasse aber deutliche Schlüsse auf die Einstellung der Behörden Bulgariens (das ab März 1941 von deutschen Truppen besetzt worden sei) bzw. des bulgarisch besetzten Mazedonien gegenüber den Roma zu. So sei auch das Leben der Roma von den Behörden stark eingeschränkt worden und man habe besonderes Augenmerk darauf gelegt, sie von der übrigen Bevölkerung abzusondern und sie am Umherziehen zu hindern, um sie als Zwangsarbeiter einzusetzen oder in Internierungs- und Konzentrationslager einweisen zu können. Im Mai 1942 sei eine Verfügung erlassen worden, die die Roma vor allem zu öffentlichen Arbeiten zwangsverpflichtet habe. Diese sei aber anscheinend nicht mit der nötigen Strenge in die Praxis umgesetzt worden. Im Folgenden seien Roma aus der Stadt Sofia entfernt und dem Arbeitseinsatz bei der Ernte, im Straßenbau, bei der Eisenbahn und anderen öffentlichen Einrichtungen zugeführt worden. Am 25. August 1943 habe das bulgarische Innenministerium die örtlichen Behörden angewiesen, in zwölf Regionen die Bewegungsfreiheit der dort lebenden Roma einzuschränken. Überall im Land seien provisorische Lager eingerichtet worden, in denen Roma untergebracht worden seien, und in manchen habe man Roma aus der Region eine Zeit lang festgehalten. Über gleichzeitig stattfindende Deportationen von Roma gebe es allerdings keine schriftlichen Quellen.

Die Ausführungen von Marushiakova und Popov geben zwar deutliche Hinweise sowohl auf freiheitsbeschränkende Maßnahmen zu Lasten der Roma als auch auf einen Einsatz von Zwangsarbeit in Bulgarien bzw. im bulgarisch besetzten Mazedonien. Es lässt sich auf seiner Grundlage aber nicht nachweisen, dass durch die Bevölkerungsgruppe der Roma Tätigkeiten in einem Zeitraum ausgeübt worden wären, in dem bereits eine aufgezwungene und kontrollierte Separierung in bestimmten Wohnbezirken faktisch realisiert und als Ausdruck behördlicher Beschränkungen der Bewegungsfreiheit im Zusammenhang mit zunehmenden Verdrängungsmaßnahmen umgesetzt worden wäre. Die erforderliche Gleichzeitigkeit zwischen einer Ghettoisierung im oben genannten Sinne der Rechtsprechung und der Ableistung von Arbeitseinsätzen, denen ein Rest an Willensfreiheit zugrunde lag, bleibt auch auf der Grundlage der Ausführungen von Marushiakova und Popov unbelegt.

Schließlich kann auch der von dem Bevollmächtigten der Klägerin zu den Akten gereichten Veröffentlichung von Fings, Glocksin und Jonuz, "Im Teufelskreis von Diskriminierung, Verelendung und Vertreibung – Roma aus Makedonien", kein Nachweis einer Ghettobildung zu Lasten der Roma zu Zeiten der nationalsozialistischen Besatzung Bulgariens bzw. Mazedoniens entnommen werden. Soweit die Existenz von Ghettos im Bereich der mazedonischen Hauptstadt Skopje, insbesondere des Ghettos Topana bzw. Topaana, behauptet wird, liegt der Begrifflichkeit nicht die Definition eines Ghettos im Sinne der oben genannten Rechtsprechung zum ZRBG zugrunde. Vielmehr verwenden die Autoren den Begriff des Ghettos lediglich zur Umschreibung eines abgegrenzten Wohnbezirks mit homogener Bevölkerung und prekären Wohnverhältnissen.

Die beiden Sachverständigen Dr. S. und Dr. D. weisen in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 4. Mai 2019 überdies darauf hin, dass die Autoren des vorgenannten Werks, das überdies eine Zusammenstellung von Reisereportagen darstelle, überprüfbare Belege für die von ihnen behauptete Existenz von Ghettos schuldig blieben. So werde der erst in den 1960er Jahren nach einem Erdbeben in der Stadt Skopje entstandene slumartige Stadtteil Sutka missverständlich als Ghetto bezeichnet. Zudem werde in wissenschaftlich nicht haltbarer Weise von einer angeblichen Anordnung zum Ausheben eines Grabens in Topana bzw. Topaana zur Anlage eines Massengrabes nach vorbereiteter Massenerschießung auf die Existenz eines Ghettos geschlossen.

Können neben den ausgewerteten Primärquellen auch die herangezogenen Sekundärquellen keinen objektivierbaren Nachweis für die Existenz von Ghettos der Roma im Bereich des heutigen Serbien und Mazedonien in den Jahren 1941-1944 liefern, so deuten die im fraglichen Zeitraum in Serbien geltenden und auch in Mazedonien angewandten Verordnungen und Erlasse darauf hin, dass Ghettos im vorgenannten Sinne nicht bestanden haben.

Die Sachverständigen Dr. S. und Dr. D. wiesen darauf hin, dass nach der "Verordnung der Militärbefehlshaber in Serbien betreffend der Juden und Zigeuner vom 30. Mai 1941" auch der Personenkreis der Roma verschiedenen Einschränkungen unterlag. Diese Verordnung habe Roma und Juden verfolgungsmäßig zunächst gleichgestellt, ein zwangsweiser Aufenthalt in Ghettos sei aber keineswegs angeordnet worden. Der Erlass vom 11. Juli 1941 habe sodann sesshafte Roma "mit geachtetem Beruf" von diesem Ausgrenzungserlass ausgenommen. Sie seien von den Besatzern fortan wie "normale" Serben behandelt worden, wenn auch sesshafte männliche Roma aufgrund rassistischer Projektionen weiterhin verstärkt in den Fokus von Geiselerschießungen geraten seien. Die Regelungen des Erlasses vom 11. Juli 1941 seien nichtsdestotrotz für einen beachtlichen Teil der Roma in Serbien mit der Möglichkeit verbunden gewesen, unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Besatzung zu überleben. Im Familienverband reisende, also nicht sesshafte Roma seien auch nach dem Erlass vom 11. Juli 1941 weiterhin von Verfolgung bedroht gewesen, insbesondere von Geiselerschießungen und Deportationen in Vernichtungslager. Für einen von Partisanen getöteten Deutschen seien 100 Geiseln erschossen worden.

Dessen ungeachtet sei für die Angehörigen der Minderheit der Roma die Situation in Serbien und Mazedonien während des Zweiten Weltkriegs vergleichsweise günstiger gewesen als in anderen deutsch besetzten Gebieten. Zum einen sei der Anteil der – nach der Verordnungslage vom 11. Juli 1941 unvermindert verfolgten - nicht sesshaften Roma im Bereich des heutigen Serbien und Mazedonien im Vergleich zu Mitteleuropa erheblich geringer gewesen. Die meisten Roma hätten in festen Häusern gewohnt.

Zum anderen lasse sich dieser Umstand aus der militärisch unkontrollierbaren Situation erklären, die für die deutsche Wehrmacht, die Besatzungsbehörden und einheimischen Kollaborationsorgane dort von Anfang bis Ende der Besatzung ununterbrochen bestand und die auf den andauernden Partisanenkrieg sowie die Gemengelage widerstreitender Interessen der Verbündeten zurückzuführen gewesen sei. Diese chaotischen Besatzungsstrukturen hätten eine ghettomäßige Zusammenfassung der Roma kaum zugelassen. Überdies sei für die Besatzungsbehörden oft kaum erkennbar gewesen, wer aus ihrer Sicht der Bevölkerungsgruppe der Roma zuzuordnen sei und wer nicht.

Beide Erlasse vom 30. Mai 1941 und vom 11. Juli 1941 hätten sich de facto auch auf den bulgarisch besetzten Teil Mazedoniens erstreckt. Dies legten jedenfalls Zeitzeugenberichte im Hinblick auf die Kennzeichnungspflicht nahe. Man habe sich im bulgarisch besetzten Teil Mazedoniens an den Vorgaben der Wehrmacht orientiert. Roma und Juden seien ausgeliefert, zur Zwangsarbeit verpflichtet und in Konzentrationslager verbracht worden. Zu Geiselerschießungen sei es im bulgarisch besetzten Teil Mazedoniens nicht gekommen, anders als im deutsch besetzten Serbien und im gleichfalls deutsch besetzten Griechenland. Für Ghettoisierungsmaßnahmen im bulgarisch besetzten Mazedonien ergebe sich ebenso wenig ein Nachweis wie für das deutsch besetzte Serbien. Die Behauptung, dass Gebiete des ehemaligen Jugoslawien durch die deutschen Besatzer zusätzlich durch Separierungsmaßnahmen und militärische Überwachung in Ghettos verwandelt worden seien, sei nicht belegt. Es seien keine Verordnungen oder Erlasse zur Konzentrierung und Ghettoisierung der Roma bekannt, die regelmäßig durch Enteignungen, Umsiedlungen und Einweisungen einen zwangsweisen Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet bzw. Stadtviertel begründet hätten.

Bereits früher vorhandene historische Judenviertel oder auch typische Armutsviertel der Roma (die es seit dem 14. Jahrhundert auf dem Balkan gab und die zum Teil bis heute existieren) werden allein durch die deutsche Besetzung oder durch nationalsozialistischen Einfluss nicht zwangsläufig zu einem Ghetto im Sinne des ZRBG. Neben der Konzentration, Absonderung und internierungsähnlichen Unterbringung der Verfolgten ist nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 S. 1 ZRBG zudem unabdingbare Voraussetzung, dass sich die Verfolgten in diesen Vierteln "zwangsweise" aufhalten mussten. Anhaltspunkte hierfür, beispielsweise durch eine entsprechende Verordnungslage, liegen für die geltend gemachten Gebiete nach den Ausführungen der Sachverständigen nicht vor.

Darüber hinaus besteht auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. S. und Dr. D. Veranlassung zur Annahme, dass 1941 jedenfalls in den Ortschaften Sabac und Sajmiste bzw. Staro Sajmiste – zu denen durch den Bevollmächtigten der Klägerin Parallelverfahren geführt werden - Konzentrationslager eingerichtet wurden, in denen als "Sühnemaßnahmen" wegen Partisanenangriffen festgenommene Roma interniert wurden. Als Konzentrationslager fallen sie gemäß den obigen Ausführungen nicht unter den hier maßgeblichen rentenrechtlichen Ghettobegriff, wie es auch durch den Bevollmächtigten der Klägerin schriftsätzlich anerkannt wurde.

Weiterhin sei angemerkt, dass der von dem Bevollmächtigten der Klägerin zum Nachweis der Existenz weiterer Ghettos in Bezug genommene Ort Dupnitsa sich – anders als die hier betroffenen Ortschaften – im Kerngebiet Bulgariens, dem sogenannten Alt-Bulgarien befindet und nicht im bulgarisch besetzten Teil Mazedoniens. Dr. S. und Dr. D. haben darauf hingewiesen, dass die Verfolgungssituation der Juden und Roma in Alt-Bulgarien deutlich unterschiedlich gehandhabt wurde als im bulgarisch annektierten Mazedonien.

Bestehen nach den auch insoweit schlüssigen und überzeugenden Ausführungen von Dr. S. und von Dr. D. keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Annahme separater Wohnbezirke für die Ethnie der Roma im Zeitraum 1941-1944 auf dem Gebiet Serbiens und Mazedoniens, so erübrigten sich zusätzliche Ausführungen der beiden Sachverständigen zu den weiteren Beweisfragen des Gerichts, etwa zu den Fragen, durch wen die betreffenden separaten Wohnbezirke eingerichtet und durch wen sie aufgelöst wurden, wie viele Menschen in den separaten Wohnbezirken lebten und wie sich die dortige Bevölkerungsstruktur zusammensetzte, ob der Aufenthalt der Bewohner der separaten Wohnbezirke durch Androhung von Sanktionen oder Gewaltmaßnahmen beschränkt war und – gegebenenfalls - welcher Art die angedrohten Sanktionen und Gewaltmaßnahmen waren und durch wen sie ausgeübt wurden, ob es zwangsweise Maßnahmen der Separierung und/oder der militärischen Überwachung gab, ob es in den separaten Wohnbezirken zur Einrichtung einer speziellen Verwaltung und/oder eines Ordnungsdienstes der Roma kam, ob innerhalb der separaten Wohnbezirke Reste einer urbanen Struktur bestanden, ob die Unterbringung der Roma überwiegend im Familienverband erfolgte, wie die Arbeitswelt in diesen separaten Wohnbezirken organisiert war, wie Beschäftigungsverhältnisse zustande kamen, welche Möglichkeiten die Bewohner hatten, den konkreten Arbeitsplatz zu bestimmen oder mitzubestimmen, ob für diese Beschäftigungen ein Entgelt oder Sachleistungen wie Lebensmittel gewährt wurden, woher die finanziellen Mittel für die Entgeltzahlung stammten und in welchen wirtschaftlichen Höhen sich diese - gemessen am damals üblichen Standard – bewegte.

Auf der Grundlage des Gutachtens der beiden Sachverständigen Dr. S. und Dr. D. in Verbindung mit den beiden ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen sowie der Anhörung in der mündlichen Verhandlung lässt sich die streitentscheidende Frage, ob auf dem Gebiet des heutigen Serbien und Mazedonien für die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft von 1941 bis 1944 die Existenz von Ghettos im Sinne des ZRBG nachgewiesen ist, hinreichend beantworten. Der teils summarische Charakter der Ausführungen der beiden Sachverständigen zu den präzise gestellten Beweisfragen des Gerichts mag sich durch die oben wiedergegebene dürftige Quellenlage erklären. Es bestehen nach der Anhörung in der mündlichen Verhandlung und der dort vorgelegten Korrespondenz keine Zweifel der Kammer, dass die beiden Sachverständigen alle verfügbaren Quellen ausgewertet haben. Wenn Dr. S. und Dr. D. Quellenrecherchen auch nicht auf das Gebiet des heutigen Serbien und Mazedonien erstreckt haben, so haben sie dennoch im Vorfeld abgeklärt, ob dort überhaupt ergiebige Quellen zur Verfügung stehen. Haben sie dies aufgrund ihrer Einschätzung, gegen die die Kammer keine Bedenken erhebt, verneint, so bestand auch keine Veranlassung, vor Ort "ins Blaue hinein" Rechercheversuche zu unternehmen. Dem Hilfsantrag des Bevollmächtigten der Klägerin, gerichtlich beauftragte Ermittlungen vor Ort in Serbien und Mazedonien durchführen zu lassen, war daher nicht nachzukommen.

Bestätigt wird das Ergebnis des Gutachtens der beiden Sachverständigen Dr. S. und Dr. D. durch die von der Beklagten übersandte Mitteilung des United States Holocaust Memorial Museum vom 16. Dezember 2015, wonach es gemäß den dort durchgeführten Recherchen im Bereich des Balkans nicht zur Ghettobildung zu Lasten der Bevölkerungsgruppe der Roma gekommen sei, wenn diese auch Einschränkungen in ihrer Bewegungsfreiheit und erhebliche wirtschaftliche Beschränkungen habe erleiden müssen.

Weitergehende Erkenntnisse ergeben sich auch nicht aus dem inzwischen vorliegenden 3. Band der Encyclopedia of Camps and Ghettos des United States Holocaust Memorial Museum. In diesem dritten Band hat das United States Holocaust Memorial Museum die in einem aktuellen Forschungsprojekt gewonnenen Erkenntnisse bezüglich der damaligen Lager und Ghettos auch auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien – einschließlich der Verfolgung des Personenkreises der Roma – veröffentlicht. Auch hiernach existierten auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien keine Ghettos zu Lasten der Roma.

Die gutachterliche Beurteilung von Dr. S. und Dr. D. wird weiterhin gestützt durch eine im Zusammenhang mit einer Kleinen Anfrage (Bundestags-Drucksache 18/6493) erfolgten Prüfung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zum Thema "Ghettos in Mazedonien während des Zweiten Weltkrieges". Es wurde diesbezüglich bei der Bibliothek des Deutschen Bundestages eine Literaturrecherche in Auftrag gegeben und es erfolgten Nachfragen beim Deutschen Historischen Museum in Berlin sowie bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin, die auch den Auftrag hat, zur Erinnerung an alle Opfer des Nationalsozialismus beizutragen und ihre Würdigung in geeigneter Form sicherzustellen. In keiner der von den angefragten Institutionen genannten Quellen oder weiteren Publikationen gab es Hinweise auf Ghettos im Sinne der oben genannten Definition in Mazedonien. Laut Aussage der Historikerin und stellevertretenden Direktorin des Kölner NS-Dokumentationszentrum Dr. Karola Fings wurden im besetzten Mazedonien die Juden an die Gestapo und SS ausgeliefert und in Vernichtungslager deportiert. Die Roma seien von Mazedonien aus vor allem zur Zwangsarbeit nach Bulgarien sowie in andere Regionen, zum Beispiel nach Serbien, verschleppt worden (vgl. Karola Fings, " einziges Land, in dem Judenfrage und Zigeunerfrage gelöst: Die Verfolgung der Roma im faschistisch besetzten Jugoslawien 1941-1945", Köln 1992, S. 44 – 47). Eine Bildung von Roma-Ghettos im Sinne des ZRBG auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien bzw. insbesondere in Mazedonien ist auch nach den Ausführungen in dem zuletzt genannten Werk historisch nicht belegt.

Überdies ergab auch eine Anfrage der Beklagten an den Wissenschaftlichen Dienst des Parlamentes der Republik Mazedonien, der seinerseits Nachforschungen beim Staatsarchiv der Republik Mazedonien, beim Mazedonischen Institut für Nationalgeschichte, beim Fachbereich für Geschichte an der Saints Cyril and Methodius University in Skopje (der ältesten und größten Universität Mazedoniens), dem Holocaust Museum in Skopje sowie bei Professor Marjan Dimitrievski (mit dem Spezialgebiet mazedonische Geschichte während des Zweiten Weltkrieges) durchgeführt hat, keine Belege oder Dokumente über die Existenz von Ghettos in Mazedonien während des Zweiten Weltkrieges.

Allein die über 70 Jahre nach den hier in Streit stehenden Ereignissen gemachten Angaben der Klägerin zu ihrem Verfolgungsschicksal können – für sich genommen – die Existenz von Ghettos bzw. eines Ghettos in der Ortschaft Smederevska Palanka unter nationalsozialistischer Herrschaft nicht belegen. Objektive Quellen, die diese Angaben untermauern könnten, stehen nach den obigen Ausführungen nicht zur Verfügung. Auch ein Auskunftsersuchen der Kammer an das Bundesarchiv in Berlin betreffend die Person der Klägerin hat keine weiteren Unterlagen zu ihrer Person zutage fördern können. Von Bedeutung ist auch der Umstand, dass die durch den Klägerbevollmächtigten eingereichten Erklärungen zum Verfolgungsschicksal der Klägerinnen und Kläger aus den Beiakten ganz überwiegend nahezu identisch formuliert sind und kein individuelles, persönliches Gepräge aufweisen, auf das sich eine volle Überzeugung von der Richtigkeit der Angaben stützen ließe.

Können die rechtserheblichen Tatbestände nicht durch entsprechende Beweismittel festgestellt werden, muss nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige die Folgen tragen, der hieraus Rechte herleiten will (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957, 10 RV 945/55, Juris). Danach gilt, dass es für das Gebiet des heutigen Serbien und Mazedonien keine Hinweise gibt auf die Existenz etwaiger Ghettos im Sinne des ZRBG zu Zeiten der nationalsozialistischen Herrschaft über dieses Gebiet. Losgelöst von der Feststellung, ob im ehemaligen Jugoslawien Ghettos im Sinne des ZRBG existierten, hat die Klägerin bisher weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass sie zum Personenkreis der Verfolgten im Sinne des BEG gehört, noch dass sie eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt während eines zwangsweisen Aufenthaltes in einem Ghetto ausgeübt hat. In dem vorliegenden Verfahren ist - wie auch in den Verfahren der Beiakten - die persönliche Erklärung der Klägerin das einzige Beweismittel in Bezug auf sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung nach dem ZRBG. Für die Kammer ist daher von zentraler Bedeutung, dass die in der persönlichen Erklärung der Klägerin geschilderten Tatsachen den wirklichen Geschehensablauf individuell und in Einklang mit den historischen Fakten wiedergeben.

Dies muss indes verneint werden. Für die Kammer liegt es im Bereich des Denkbaren, dass sowohl zur Person der Klägerin im vorliegenden Verfahren als auch zur Person der Klägerinnen und Kläger in den zahlreichen Parallelverfahren Erklärungen eingereicht worden sind, die nicht dem individuellen Verfolgungsschicksal entsprechen, sondern dass den jeweiligen Antragstellerinnen und Antragstellern vorgefertigte Erklärungen ohne Bezug zum individuellen Verfolgungsschicksal zur Unterschrift vorgelegt wurden. So sind beispielsweise die Erklärungen zu den Verfahren S 11 R 3122/17, S 131 R 708/17, S 19 R 3553/17, S 10 R 3163/16, S 176 R 3351/16, S 9 R 2845/16, S 21 R 206/17, S 30 R 3152/16, S 97 R 3398/17 und S 19 R 2850/16 nahezu identisch formuliert, auch wenn sie unterschiedliche Ortschaften (Staro Sajmiste, Sabac und Nis bzw. Crveni Krst) betreffen. Die in dem vorliegenden Verfahren von der Klägerin zur Ortschaft Smederevska Palanka abgegebene Erklärung wurde in Aufbau, Satzstellung und Inhalt ähnlich von anderen Antragstellern zu den dieselbe Ortschaft betreffenden Verfahren S 23 R 704/17 und S 23 R 207/17 formuliert. Hinzu kommt, dass die in dem vorliegenden Streitverfahren abgegebene Unterschrift der Klägerin auf der eingereichten Erklärung offenbar nicht mit dem Namen der Klägerin identisch ist.

Darüber hinaus steht die hier abgegebene Erklärung der Klägerin - wie auch Erklärungen der Kläger und Klägerinnen in den zahlreichen Parallelverfahren bzw. den Verfahren der Beiakten - nicht in Einklang mit den historischen Fakten. Die stets gleichen Erklärungen, der Aufenthalt in einem Ghetto habe sich von April/Mai 1941 bis September/Oktober 1944 erstreckt, berücksichtigt nicht die auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens sowohl zeitlich als auch qualitativ völlig unterschiedliche Besatzungssituation, die sich grob zusammengefasst wie folgt darstellte: Jugoslawien wurde nach der bedingungslosen Kapitulation der jugoslawischen Streitkräfte in zehn Teile mit unterschiedlichem staatsrechtlichen Status aufgeteilt. Kroatien hatte sich bereits am 15. April zum Unabhängigen Staat Kroatien erklärt. Das Deutsche Reich erkannte diesen neuen Vasallenstaat, zu dem auch Slawonien und fast ganz Dalmatien, Bosnien und Herzegowina gehörten, diplomatisch an. Anders war die Situation in Serbien: Ihm blieben nur noch sein Territorium in den Grenzen von 1912 (ohne Mazedonien und das Westbanat). Sein Gebiet umfasste mehr als ein Viertel der Gesamtfläche des ehemaligen Jugoslawien. Von den Gebieten, die vor 1941 noch zu Serbien zählten, besetzte Ungarn die Südbaranja und die Batschka, Bulgarien den Großteil von Mazedonien. Zwar erhielt es eine eigene Landesregierung, doch war diese von den Deutschen abhängig. Das Land wurde zur ausschließlich deutschen Einflusszone erklärt und unter deutsche Militärverwaltung gestellt (vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen Eintrag "Balkanfeldzug (1941)" in der Online-Enzyklopädie Wikipedia).

Die historische Situation stellte sich also zu Zeiten der nationalsozialistischen Herrschaft im unter bulgarischer Besatzung stehenden größten Teil Mazedoniens anders dar als im deutsch besetzten Serbien und wiederum deutlich anders als in weiteren Teilen des Balkans. Nicht deckungsgleich waren die jeweiligen Zeitpunkte der wirtschaftlichen Beschränkungen und der Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit sowie das Ausmaß der Deportationen in Konzentrationslager und Geiselerschießungen. Eine weitgehende Deckungsgleichheit legen indes die großenteils wörtlich übereinstimmenden Erklärungen der Klägerinnen und Kläger in den Parallelverfahren nahe, was in Widerspruch zu den historischen Fakten steht.

Dieser Widerspruch zu den historischen Tatsachen zeigt sich überdies darin, dass mit den Schilderungen aus anderen Ortschaften übereinstimmende Erklärungen auch für die Orte Sabac und Sajmiste bzw. Staro Sajmiste abgegeben wurden, bei denen es sich indes erwiesenermaßen um Konzentrationslager bzw. Internierungslager ohne jeglichen Rest freier Willensbetätigung handelte. Nicht in Einklang mit den historischen Gegebenheiten steht weiterhin der Umstand, dass nahezu alle Klägerinnen und Kläger der Parallelverfahren, wie auch die Klägerin des vorliegenden Verfahrens, nach ihren eigenen Angaben ihre Häuser verlassen mussten – also sesshaft waren -, bevor sie zum Aufenthalt in einem Ghetto gezwungen wurden. Die oben erwähnte und theoretisch wie praktisch geltende Verordnung vom 11. Juli 1941 ermöglichte den sesshaften Roma in Serbien – und faktisch auch denjenigen in Mazedonien – ein Leben, das sich von demjenigen der übrigen angestammten Bevölkerung nicht wesentlich unterschied.

Die nahezu identischen Erklärungen zahlreicher Klägerinnen und Kläger in den Parallelverfahren spiegeln diese historischen Gegebenheiten in zeitlicher und qualitativer Hinsicht nicht wider. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass die Erklärungen so abgefasst wurden, dass die geltend gemachten Rentenansprüche die maximal denkbare Höhe erreichen. Es überwiegen Zweifel an der Darstellung des Erlebten, so dass der geschilderte Geschehensablauf nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Im vorliegenden Verfahren rühren diese Zweifel überdies daher, dass es nicht nachvollziehbar erscheint, wie es der Klägerin und ihrer Familie trotz isoliertem Leben unter militärischer Bewachung gelungen sein soll, sich in der Umgebung Arbeit in der Landwirtschaft zu suchen und das vermeintliche Ghetto zur Arbeitsaufnahme täglich zu verlassen. Eine eidesstattliche Erklärung, die unter Umständen zur weiteren Aufklärung des individuellen Verfolgungsschicksals hätte beitragen können, hat die Klägerin nicht abgegeben.

Weitere Ermittlungen der Kammer zum Verfolgungsschicksal der Klägerin in Gestalt eines an das Bundesarchiv in Berlin gerichteten Auskunftsersuchens blieben ohne Ergebnis. Das Bundesarchiv hatte am 17. Oktober 2017 mitgeteilt, dass dort keine Unterlagen zur Person der Klägerin vorliegen.

Bei dieser Sachlage kann eine Glaubhaftmachung der weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a und b ZRBG nicht erfolgen.

Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass die Klägerin, die bereits am 17. Juni 1999 das 65. Lebensjahr vollendet hatte (vgl. § 35 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), die nach § 35 Satz 1 Nr. 2 SGB VI für einen Anspruch auf Altersrente vorausgesetzte allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz SGB VI) nicht erfüllt hat. Nach § 51 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit Kalendermonate mit Beitragszeiten sowie mit Ersatzzeiten angerechnet.

Selbst wenn die Klägerin von April 1941 bis September 1944 Beitragszeiten nach § 1 ZRBG zurückgelegt hätte, so hätte sie doch keine weiteren Ersatzzeiten zurückgelegt, die auf die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren angerechnet werden könnten. Nach dem hier allein in Betracht kommenden § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sind Ersatzzeiten Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr in ihrer Freiheit eingeschränkt gewesen oder ihnen die Freiheit entzogen worden ist (§§ 43, 47 BEG) oder im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen sind, oder infolge Verfolgungsmaßnahmen

a) arbeitslos gewesen sind, auch wenn sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden haben, längstens aber die Zeit bis zum 31. Dezember 1946, oder

b) bis zum 30. Juni 1945 ihren Aufenthalt in Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze oder danach Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nach dem Stand vom 30. Juni 1945 genommen oder einen solchen beibehalten haben, längstens aber die Zeit bis zum 31. Dezember 1949,

wenn sie zum Personenkreis des § 1 BEG gehören (Verfolgungszeit).

Die Klägerin gehört jedoch nicht zum Personenkreis des § 1 BEG. Die Anerkennung der Verfolgteneigenschaft nach dem BEG scheitert zwar nicht daran, dass eine formelle Anerkennung durch die zuständigen Entschädigungsbehörden nicht vorliegt. Die Feststellung der Verfolgteneigenschaft ist im Rahmen des § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI vom Rentenversicherungsträger bzw. den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in eigener Zuständigkeit zu treffen (BSG. Urteil vom 14. August 2003 - B 13 RJ 27/02 R -, Rn. 22 f., zitiert nach Juris, m. w. N.). Nach § 1 Abs. 1 BEG ist Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist, und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (Verfolgter).

Zwar ist die Klägerin Verfolgte aus Gründen der Rasse, weil sie Roma ist. Sie hat jedoch keinen in der Rentenversicherung maßgeblichen Schaden durch die nationalsozialistische Verfolgung erlitten. Bei der Anerkennung einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ist allein der Ausgleich rentenrechtlicher Nachteile für infolge der verfolgungsbedingten Flucht nicht zurückgelegte Beitragszeiten maßgeblich (BSG, Urteil vom 14. August 2003 - B 13 RJ 27/02 R -, Rn. 24, zitiert nach Juris, m. w. N.). Die Klägerin hat durch eine etwaige als maßgeblich zu berücksichtigende verfolgungsbedingte Flucht keine rentenrechtlichen Nachteile durch nicht zurückgelegte (weitere) Beitragszeiten erlitten. Alle Gebiete, in denen sich die Klägerin vor April 1941, von April 1941 bis September 1944 und nach September 1944 aufgehalten hat bzw. aufgehalten haben will (Badljevica-Smederovo und Smederevska Palanka) gehörten auch nach den damaligen Gebietsständen nicht zum Deutschen Reich, sondern zu Serbien. Unter Zugrundelegung ihres Vortrags war die Klägerin daher im staatsrechtlichen Sinne innerhalb desselben Staates geflohen und hat das Inland nicht wegen drohender Verfolgungsmaßnahmen verlassen, unabhängig vom Ort ihres Aufenthalts galt das gleiche Renten- bzw. Sozialversicherungsrecht.

Schließlich bestehen – ohne dass es hier in Anbetracht der obigen Ausführungen noch darauf ankäme – erhebliche Zweifel an der von der Klägerin vorgelegten Lebendbescheinigung.

Der Regelung des § 119 SGB VI lässt sich entnehmen, dass dem Rentenversicherungsträger auch die Überwachung der Zahlungsvoraussetzungen für die Leistung obliegt. Hiernach erfolgt die Erbringung laufender Geldleistungen regelmäßig durch die Deutsche Post AG, § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Nach Absatz 3 dieser Vorschrift umfasst die Auszahlung durch die Deutsche Post AG auch die Wahrnehmung der damit in Zusammenhang stehenden Aufgaben der Träger der Rentenversicherung, insbesondere die Überwachung der Zahlungsvoraussetzungen, unter anderem durch die Einholung von Lebensbescheinigungen im Rahmen des § 60 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und des § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I, § 119 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI. Damit wird nicht nur deutlich, dass der Träger oder in seinem Auftrag die Deutsche Post AG - einerseits - zur Überwachung der Zahlungsvoraussetzungen bei Auslandsrenten Lebensbescheinigungen anfordern kann, vielmehr - andererseits - auch, dass er diese Pflicht im Rahmen der §§ 60 ff. SGB I durchzusetzen hat (vgl. BSG, Urteil vom 5. April 2000 - B 5 RJ 38/99 R -, Rn. 19 zitiert nach Juris).

Die von der Klägerin bzw. ihrem Bevollmächtigten vorgelegte Bescheinigung des Roma-Geschäftsinformationszentrums in Skopje vom 23. Mai 2017 wird aus Sicht der Kammer von der Beklagten zutreffend nicht als Lebendbescheinigung akzeptiert. Bei dem die Bescheinigung ausstellenden Roma-Geschäftsinformationszentrum in Skopje handelt es sich nicht um eine Stelle, die berechtigt ist, Lebendbescheinigungen zu erstellen. Sie wird nicht in der Renten Service-Verordnung, Teil 2, Abschnitt 9.3.3 benannt. Bei der vorgenannten Einrichtung dürfte es sich vielmehr um eine Einrichtung zur Interessenvertretung handeln, die für die Belange der Roma in Mazedonien eintritt. Für die Erstellung von Lebendbescheinigungen steht aber der serbische Rentenversicherungsträger zur Verfügung. Dieser verfügt über zahlreiche Niederlassungen im ganzen Land (www.pio.rs).

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
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