L 3 AS 85/16

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 16 AS 1141/13 (SG Lübeck)
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 85/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Einkommensteuererstattung ist auch dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn der aus der Einkommensteuererstattung generierte Erstattungsbetrag ganz oder teilweise aus der steuerrechtlichen Berücksichtigung des Pflegepauschbetrags nach § 33b Abs. 6 EStG, des übertragenen Behindertenpauschbetrags aus § 33b Abs. 3 und 5 EStG sowie aufgrund von Ausgaben nach § 33 Abs. 1 - 3 EStG resultiert.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 7. Oktober 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand: Die Beteiligten streiten um die Anrechnung einer Einkommensteuererstattung für das Jahr 2012 auf die der Klägerin zustehenden Leistungen im Leistungszeitraum Oktober 2013 bis März 2014 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die geschiedene alleinerziehende Klägerin ist Mutter von vier Kindern (S H [geb. am 1982], C H [geb. am 1990] und J -M H [geb. am 1999] und K H [geb. 2001]). Sie lebte mit ihren Kindern im streitgegenständlichen Zeitraum in einem Haushalt in dem Eigenheim T Weg in L zusammen. S H ist mit einem Grad der Behinderung von 100 schwerbehindert. Ihm sind die Merkzeichen B, G, aG, H und RF zuerkannt. Die Klägerin hatte von August 2012 bis März 2013 eine befristete 20h Teilzeitstelle als tarifangestellte Lehrerin nach Entgeltgruppe E9 Stufe 1 beim Land S -H. Die Klägerin beantragte am 11. September 2013 die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über den Monat September 2013 hinaus und legte dabei ihren Einkommensteuerbescheid des Finanzamts L für das Jahr 2012 vor. Nach diesem hatte die Klägerin Einkommensteuer in Höhe von 1.457,00 EUR und Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,39 EUR zu viel entrichtet. Sie erhielt im September 2013 eine Steuererstattung in Höhe von 1.462,39 EUR ausgezahlt. Der Beklagte berücksichtigte im Rahmen seines Bewilligungsbescheides vom 16. September 2013 eine Einkommensteuererstattung in Höhe von 1.457,00 EUR als Einkommen der Klägerin und verteilte dieses Einkommen auf die sechs Monate des Bewilligungszeitraumes (durch Berücksichtigung von jeweils 242,84 EUR in den Monaten Oktober 2013 bis Februar 2014 und von 242,80 EUR im März 2014). Hiergegen erhob die Klägerin am 20. September 2013 und 25. September 2013 Widerspruch, mit dem sie ausführte, der Behindertenfreibetrag für ihren Sohn S H habe berücksichtigt werden müssen und die Erstattung nicht als reguläres Einkommen angerechnet werden dürfen, da sie Mehraufwendungen für S H habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Einkommensteuererstattung sei ungeachtet des steuerrechtlichen Freibetrags als einmalige Einnahme zu berücksichtigen und nach § 11 Abs. 3 SGB II in monatlichen Teilbeträgen als Einkommen anzurechnen, was rechtmäßigerweise erfolgt sei. Mit Änderungsbescheid vom 14. November 2013 änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 16. September 2013 ab 1. Dezember 2013 bis 31. März 2014 ab und berücksichtigte ab dem 1. Dezember 2013 erfolgende Wohngeldzahlungen. Gegen die Anrechnung der Steuererstattung in den Bescheiden hat die Klägerin am 6. November 2013 Klage zum Sozialgericht Lübeck erhoben, mit der sie ihr Anliegen aus dem Verwaltungsverfahren weiterverfolgt hat. Sie hat ergänzend vorgetragen, die steuerrechtliche Rückerstattung, die voll berücksichtigt worden sei, resultiere aus dem erhöhten Steuerfreibetrag für die Pflege des behinderten Sohnes. Der Steuerfreibetrag wirke zumindest saldierend auf die Einnahmen der Pflegeperson. Die Einnahme werde gerade für die Pflege des schwerstbehinderten Sohnes gewährt und sei nicht zu berücksichtigen. Diese Wertung sei auch unter dem Gesichtspunkt des § 11b SGB II möglich; es liege eine Zweckbestimmung im Sinne von § 1 Nr. 4 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG II-V) vor. Die Steuerfreibeträge seien der spiegelbildliche Ausgleich für den Mehrbedarf, der auch im SGB II zu berücksichtigen sei. Hilfsweise werde die Klage darauf gestützt, dass ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II bestehe. Die Klägerin hat beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 16. September 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den auf die Steuererstattung entfallenden Anteil des Schwerbehindertenpauschbetrags nicht als Einkommen anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Auffassung, § 11a SGB II regele abschließend, welche Einnahmen nicht als Einkommen nach dem SGB II zu berücksichtigen seien. § 11b SGB II räume keine Möglichkeit ein, den Pauschbetrag nach § 33b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einkommensmindernd zu berücksichtigen. Eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung der Vorschriften scheide aus. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ALG II-V sei nicht anwendbar, denn es handele sich nicht um einen auf die Einnahmen einer Pflegeperson zu gewährenden Freibetrag. Mit Urteil vom 7. Oktober 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 6. April 2016 zum Landessozialgericht Schleswig-Holstein erhobene Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, über 5 Monate nach Verkündung der Entscheidung liege kein Urteil vor, die Entscheidungsgründe seien nicht bekannt gegeben. Das Urteil gelte als nicht vorhanden und sei aufzuheben. Das sozialgerichtliche Urteil, mit dem sich das Sozialgericht nach § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Wesentlichen der im Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung des Beklagten angeschlossen hat, ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 25. April 2016 zugestellt worden. Das Sozialgericht hat weiter ausgeführt, eine gesetzliche Grundlage für die Nichtanrechnung der Steuererstattung aufgrund der Schwerbehinderung des Sohnes der Klägerin gebe es nicht. Die Klägerin begründet die Berufung ergänzend und unter weitgehender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie führt aus, es handele sich bei dem einkommensteuerrechtlichen Pflege-Pauschbetrag um eine zweckbestimmte Einnahme, die deshalb grundsicherungsrechtlich nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfe. Eine Berücksichtigung des Freibetrages als Einkommen widerspreche dem Benachteiligungsverbot nach Art. 3 Grundgesetz (GG). Wenigstens im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes müsse der Pauschbetrag nach § 11a Abs. 3 SGB II oder aber nach § 1 Abs. 1 ALG II-V berücksichtigungsfrei bleiben. Letztgenannte Vorschrift belege im Übrigen, dass der Katalog der nicht zu berücksichtigenden Einkommensarten in § 11a SGB II nicht abschließend sei. Schließlich sei zu beachten, dass der Pflege-Pauschbetrag im Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) einkommensmindernd berücksichtigt werde. Der Pflege-Pauschbetrag solle nach dem Willen des Gesetzgebers beim Berechtigen verbleiben. Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass Einkommen aus Pflege ebenfalls nicht als Einkommen im Sinne des SGB II zu berücksichtigen sei. Es bestehe anderenfalls eine Ungleichbehandlung zwischen Personen mit Vermögen und den dortigen Anrechnungsvorschriften und den Einkommensanrechnungsvorschriften. Die Nichtberücksichtigung des Einkommens sei zumindest in Extension der Verordnung oder im Wege der Analogie geboten. Die Ungleichbehandlung bestehe auch darin, dass einem BAföG-Empfänger ein Anspruch zustehen solle, pflegenden Angehörigen nach dem SGB II jedoch offenbar nicht. Zwar möge die Steuererstattung selbst nicht als zweckgerichtete Leistung der Finanzbehörde dienen, Aufwendungen zu kompensieren, dies gelte aber nicht für den Freibetrag. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 7. Oktober 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2013 sowie des Bescheids vom 14. November 2013 zu verpflichten, der Klägerin im Zeitraum 1. Oktober 2013 bis 31. März 2014 Leistungen nach dem SGB II bei nur anteiliger Anrechnung eines monatlichen Einkommens aus Steuererstattung wegen Abzugs eines Betrages von 924 Euro sowie 3.700 und 745 Euro zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er bezieht sich auf seine streitgegenständlichen Bescheide und sein erstinstanzliches Vorbringen. Die Verwaltungsakte ist beigezogen worden. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze in der Gerichtsakte Bezug genommen.

Gründe:

Die Berufung ist zulässig aber unbegründet. Die Berufung ist nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Die Anrechnung der Steuererstattung in Höhe von 1.457,00 EUR übersteigt den Betrag von 750 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Das Vorbringen, die Steuererstattung beruhe insgesamt auf den Behindertenpauschbeträgen, ist mit dem vorgelegten Steuerbescheid allerdings nicht ansatzweise in Einklang zu bringen. Die Auffassung, es gehe um den rechnerischen Anteil des § 33b Abs. 6 EStG an der Steuererstattung, der mit 924 EUR zu beziffern sei, ist auf den ersten Blick in den Steuerbescheid und bereits nach laienhafter Berechnung als fehlerhaft zu qualifizieren. Der zugrunde gelegte Pauschbetrag des § 33b Abs. 6 EStG ist mit 924 EUR bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens als Abzugsposten von den Einkünften zu berücksichtigen, kann damit aber nicht zugleich der Steuererstattungsanteil sein. In der dann beantragten Fassung des vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin formulierten Berufungsantrags, die wohl den Anteil aus § 33b Abs. 3 und 5 EStG sowie den Anteil des § 33 Abs. 1-3 EStG an der Erstattung hinzuzuziehen möchte, ergibt sich kein der Klägerin zugeflossener Erstattungsbetrag. Ein Antrag, der offensichtlich einer rechtlichen Grundlage entbehrt und darauf schließen lässt, er werde willkürlich überhöht gestellt, um die Berufungsfähigkeit herzustellen, wird bei der Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstands nicht berücksichtigt (Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – L 7 AS 709/15 –, Rn. 40, juris). Diese Rechtsprechung, die auch der des erkennenden Senats entspricht, hat der Senat nicht zur Anwendung gebracht. Es gab zwar Anhaltspunkte für eine willkürliche Erhöhung des Beschwerdewerts. So ist die Forderung, anteilige Beträge in eine Erstattung einzubeziehen, ohne erläutern zu können, worauf dies rechtlich beruhen oder welche tatsächliche Feststellungen dem zugrunde liegen sollen, insbesondere im Hinblick auf die weder bezeichnungsfähigen noch belegbaren Positionen, die nach § 33 Abs. 1-3 EStG beansprucht werden wollen, zur Überzeugung des Senats im Grenzbereich zu einer willkürlichen Beschwerdewerterhöhung. Nach dem persönlichen Eindruck des Senats aus der mündlichen Verhandlung handelt es sich bei wohlwollender Betrachtung allerdings noch nicht um eine willkürliche Überhöhung der Beschwer, sondern um grob unverständige inkonsistente Argumentation, die nicht dazu führt, dass die Berufungsbeschwer nicht erreicht ist.

Die Berufung ist fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Zwar ist die Berufung innerhalb eine Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich zu erheben. Die Berufung kann aber zulässigerweise nach Verkündung und vor Beginn der Berufungsfrist erhoben werden, ausgeschlossen ist die zulässige Berufungseinlegung nur vor Verkündung eines Urteils (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 11. Februar 1981 – 2 RU 37/80 –, Rn. 30 (juris); Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG 12. Auflage 2017, § 151 Rn. 9).

Die Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 7. Oktober 2015 war zwar formell rechtswidrig, konnte aber durch das Senatsurteil insoweit geheilt werden. Die streitgegenständlichen Bescheide waren der Höhe nach zu Gunsten der Klägerin rechtswidrig. Die Klägerin ist hierdurch aber nicht in ihren Rechten verletzt.

Das sozialgerichtliche Urteil war rechtwidrig, weil es als nicht mit Gründen versehen gilt. Das Urteil hat nach § 136 Abs. 1 Nr. 6 in Verbindung mit § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG die Entscheidungsgründe zu enthalten, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Den Anforderungen des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG ist nur genügt, wenn die Zeitspanne zwischen Verkündung und Begründung nicht zu lang ist. Die sozialgerichtlich abgefassten Entscheidungsgründe sind nicht innerhalb der von der Rechtsprechung in Anlehnung an § 548 der Zivilprozessordnung herausgebildeten Fünfmonatsfrist (GemS NJW 1993, 2603, BSG, Urteil vom 29. August 2012, B 10 EG 20/11 R, Rn. 18 [juris]) abgefasst gewesen. Es gilt im Rechtssinne als nicht mit Gründen im Sinne des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG versehen. Dieser Mangel ist gerügt worden, war allerdings durch das LSG-Urteil heilbar (vgl. allg. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG 12. Auflage 2017 § 135 Rn. 7h). Eine Aufhebung und Zurückverweisung – wie zunächst von Klägerseite erstrebt - kam nicht in Betracht, weil es streitentscheidend um die Beantwortung einer reinen Rechtsfrage geht, die keine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme erfordert (§ 159 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG).

Die Bescheide lassen keine formellen Fehler erkennen, sind aber materiell zugunsten der Klägerin rechtswidrig, ohne dass die Klägerin hierdurch in ihren Rechten verletzt ist. Rechtsgrundlage für die Anrechnung einer Einkommensteuererstattung als Einkommen ist § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Dass es sich bei einer Erstattung von Einkommensteuer um grundsicherungsrechtlich zu berücksichtigendes Einkommen handelt, welches von dem Leistungsträger zwingend anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist (insoweit besteht mithin keinerlei Ermessen des Leistungsträgers), entspricht ständiger höchst- und instanzgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 8. November 2011, 1 BvR 2007/11, NZS 2012, 176; BSG, Urteil vom 29. November 2012, B 14 AS 33/12 R, BSGE 112, 229 ff.; BSG, Urteil vom 11. Februar 2015, B 4 AS 29/14 R, Rn. 17 [juris]; LSG Hamburg, Urteil vom 20. Oktober 2011, L 5 AS 112/09, [juris]; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. Februar 2012, L 5 AS 421/11 NZB, [juris]; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. August 2016, L 18 AS 2232/15, [juris], und Beschluss vom 27. April 2017, L 28 AS 30/15 [juris], LSG Thüringen, Urteil vom 30. Januar 2019, L 4 AS 30/16 [juris]). Eine Einkommensteuererstattung ist auch dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn der aus der Einkommensteuererstattung generierte Erstattungsbetrag ganz oder teilweise aus der steuerrechtlichen Berücksichtigung des Pflegepauschbetrags nach § 33b Abs. 6 EStG, des übertragenen Behindertenpauschbetrags aus § 33b Abs. 3 und 5 sowie aufgrund von Ausgaben nach § 33 Abs. 1-3 EStG resultiert. Nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen. Eine Zweckbindung im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II liegt vor, wenn mit der Gewährung der Leistung den Leistungsempfängern ein bestimmter Leistungszweck auferlegt wird (vgl. Hengelhaupt, in Hauck/Noftz, SGB II 07/17, § 11a Rn 177a). Die Steuererstattung ähnelt in diesem Sinne aber nicht der Gewährung einer Leistung, sondern eher ihrer umgekehrten Wirkung (Schmieszek in: Gosch/Hoyer, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 145. Lieferung, § 37, Rn. 40) und damit einer besonderen Ausprägung der zivilrechtlichen Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB. Es handelt sich um die Rückzahlung einer ohne rechtlichen Grund einbehaltenen Leistung.

Rechtsgrundlage für eine Steuererstattung ist § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). Nach dieser Vorschrift ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung, die ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist an denjenigen, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, zu erstatten. Es handelt sich um eine Umkehrung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur (Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 155. Lieferung 02.2019, § 37 AO Rn. 17f. juris)). Ihre Zwecksetzung liegt im Ausgleich ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen, die mit dem materiellen Steuerrecht nicht übereinstimmen. Voraussetzung für ihr Entstehen ist die vorherige Erfüllung der Steuerzahlung (Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 155. Lieferung 02.2019, § 37 AO Rn. 16f. juris). Die Bestimmung der zu zahlenden Steuer erfolgt durch die Finanzbehörde durch einen Steuerbescheid (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO). Steuerliche Zwecksetzung der Steuererstattung nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung ist demnach allein der Ausgleich der in Folge einer Steuerfestsetzung ohne rechtlichen Grund gezahlten Steuer. Die Steuererstattung wäre in diesem Sinne zwar eine Leistung, die aber nur dem ausdrücklich genannten Zweck dient, eine Überzahlung rückabzuwickeln.

Die Formulierung "ausdrücklich genannter Zweck" in § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II ist über die Leistung hinaus nicht auch auf die Zusammensetzung der Leistung erweiternd anzuwenden. Die Zusammensetzung der Steuererstattung mit dem daraus resultierenden Erstattungsanteil ist kein Gegenstand einer zweckgebenden regelnden Zwischenentscheidung. Dazu kommt, dass bei einem Zusammentreten mehrerer steuerlich begünstigender Tatbestände aufgrund der Tariftabelle und der Grundfreibeträge nicht mit Gewissheit feststellbar ist, welcher Erstattungsanteil auf dem steuerlich begünstigenden Tatbestand beruht. Die Einkommensteuererstattung ist weder analog § 11a Abs. 3 SGB II als zweckbestimmte Leistung noch in teleologischer Extension der in § 1 Abs. 1 Alg II-VO genannten Fallgruppen grundsicherungsrechtlich als Einkommen zu berücksichtigen. Es fehlt an einer grundsicherungsrechtlichen Regelungslücke, aber auch an einer vergleichbaren Wertung, nach der die steuerrechtliche Wertung in die grundsicherungsrechtliche Wertung zu übertragen ist. Für die angemessene Höhe des Grundfreibetrags haben die Regelsätze der Sozialhilfe Indizwirkung (Pfirrmann in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl. 2019, § 32a EStG, Rn. 8). Soweit das Steuerrecht gleichfalls existenzsichernde Belange im Rahmen der Besteuerung zu berücksichtigen hat, beruht dies zum Teil auf vergleichbaren verfassungsrechtlichen Vorgaben, die auch im Rahmen der Grundsicherung zu beachten sind (Existenzsicherung). Die Verfassung verbietet in Höhe des existenznotwendigen Bedarfs den staatlichen Zugriff (Pfirrmann in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl. 2019, § 32a EStG, Rn. 8). Die steuerrechtlichen Begrifflichkeiten und die grundsicherungsrechtlichen Begrifflichkeiten sind jedoch nicht identisch und folgen nur in Teilen gleichen Zielsetzungen. So schließt von Verfassungs wegen die Umsetzung eines folgerichtig gestalteten Steuertarifs die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Sinne des Art. 3 GG berücksichtigen Tarifverlaufs ein (Pfirrmann in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl. 2019, § 32a EStG, Rn. 3). Dem entspricht im Grundsicherungsrecht die gedeckelte Gestaltung der Freibeträge nach § 11b Abs. 2 und 3 SGB II. Insbesondere aus der Deckelung des Freibetrags aus der Bemessung bis 1.200 EUR bzw. 1.500 EUR beim Leben mit einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft (§ 11b Abs. 3 Satz 3 SGB II) ist zu erkennen, dass das einkommensteuerrechtliche System und das Grundsicherungssystem bei der Erzielung von Einkünften trotz Parallelen in der Bewertung nicht identisch sind. Relevanz hat dies, wenn etwa trotz materiellen Anspruchs nach dem SGB II oder SGB XII Grundsicherungsleistungen nicht beantragt werden. Eine Übertragung des Pauschbetrags nach § 33b Abs. 5 EStG - wie im vorliegenden Fall steuerrechtlich erfolgt - kennt das Grundsicherungsrecht nicht unmittelbar. Nach dieser Vorschrift wird der Behinderten-Pauschbetrag eines Kindes, für das der Steuerpflichtige Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 EStG oder auf Kindergeld hat, auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn das Kind nicht in Anspruch nimmt. Hintergrund dieser nicht erweiterungsfähigen Vorschrift ist die Annahme, dass bei Kindern die Aufwendungen, die infolge der Behinderung erwachsen vielfach von unterstützenden Angehörigen getragen werden, die Pauschbeträge aber dem Kind zustehen (vgl. Mellinghoff in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl. 2019, § 33b EStG Rn. 11). Grundsicherungsrechtlich werden dagegen individuelle Ansprüche ermittelt (Karl, in juris-PK SGB II 4. Auflage 2019, § 9 Rn. 15). Der Gedanke einer übergreifenden Unterstützung findet zwar entsprechend § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB II und § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 4 SGB II in Gestalt einer Zurechnung von Unterstützung bei Hilfebedürftigkeit Eingang. Hierbei handelt es sich jedoch um eine gesondert erfasste Konstellation bei der Bestimmung der Hilfebedürftigkeit, die von § 7 Abs. 1 SGB II und § 9 Abs. 1 SGB II in normierender Bewertung abweicht. Wenn allerdings - wie hier - die unterstützte behinderte Person nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist, fehlt es an einer Zurechnungsnorm. Hierbei handelt es sich nicht um eine versehentlich Regelungslücke, sondern eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Dies belegt § 11a Abs. 5 SGB II. Nach dieser Vorschrift werden Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung zu haben, nicht als Einkommen berücksichtigt, wenn ihre Berücksichtigung für den Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen kann, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt werden. Die in § 11a Abs. 5 SGB II beschriebene Konstellation stellt auf Seiten des Empfängers die Zuflusskonstellation dar, dessen Geberin die Klägerin im Verhältnis zu ihrem behinderten Sohn ist. Obwohl dem Gesetzgeber diese Konstellation bewusst gewesen ist - wie diese Vorschrift belegt - fehlt es in § 11b SGB II an einem entsprechenden Absetzbetrag. Dies ist eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gewesen, wie die Aufnahme der Ausnahmekonstellation in § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II (Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen bis zu tituliertem Titel) belegt. Ein Unterstützungsbeitrag der Klägerin für ihren Sohn ist nicht nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II als Aufwendung zur Erfüllung einer Unterhaltspflicht bis zur Höhe des festgelegten Betrags in Abzug zu bringen. In einer Situation der eigenen Hilfebedürftigkeit ist es dem Hilfebedürftigen grundsätzlich nicht ermöglicht, durch eine Modifikation des eigenen Ausgabeverhaltens den Umfang der Hilfebedürftigkeit zulasten des Leistungsträgers zu beeinflussen. Eine Gerechtigkeitslücke oder Ungleichbehandlung tritt daraus nicht ein. Die oben genannte steuerrechtliche Berücksichtigungsfähigkeit tritt ebenfalls nur insoweit ein, als Steuern gezahlt werden und damit eine gewisse wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vorliegt oder zumindest vorlag. Aufgrund der individuellen Natur des sozialrechtlichen Grundsicherungsanspruchs ist jedem Leistungsberechtigten möglich, die ihm zustehenden Grundsicherungsbedarfe vom für ihn zuständigen Leistungsträger zu verlangen. Grundsicherungsrechtlich ist der Bedarf der Klägerin nach Maßgabe der Bedarfsberechnung für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt worden. Ihr Einkommen ist durch den Bescheid des Leistungsträgers mit den die existenzsichernden Leistungen auf das Grundsicherungsniveau gehoben werden. Ein Anspruch auf Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II wegen Pflegeaufwendungen oder behinderungsbedingter Aufwendungen für ihren nicht der Bedarfsgemeinschaft angehörenden Sohn besteht nicht, weil dieser nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist. Die von der Pflegekasse für S H erbrachten Pflegegeldzahlungen sind vom Beklagten zu Recht nicht als berücksichtigungsfähiges Einkommen berücksichtigt worden. Soweit weitere ungedeckte Bedarfe von S H bestehen, ist über deren Bedarfsdeckung durch den zuständigen Leistungsträger zu entscheiden. Es ist der selbst hilfebedürftigen Klägerin nicht möglich und zumutbar, bestehende Bedarfe Dritter aus ihren Mitteln zu bestreiten. Soweit die Klägerin geltend macht, es liege eine "Grundrechtsverletzung, insbesondere in Bezug auf Artikel 3 GG" vor, fehlt es an jedem Vortrag dazu, welcher Vergleichsgruppe die Klägerin sich zugehörig fühlt und im Vergleich zu welcher anderen Gruppe von Rechtsunterworfenen sie sich wodurch in sachlich nicht gerechtfertigter Weise benachteiligt fühlt (vgl. zu den Prüfungsanforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG: Burghart, in Leibholz/Rinck, GG, Werksstand 10/2017, Art. 3 Rn. 21). Einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen Behinderung nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG durch die Rechtslage nach §§ 11 – 11b SGB II sowie nach der Alg II-VO vermag der Senat nicht auszumachen. Anderes resultiert nicht daraus, dass im BAföG eine Berücksichtigung der Entlastung erfolgt. Soweit die Klägerin eine Ungleichbehandlung sieht, dass BAföG-Empfängern ein Anspruch zustehen solle, nach der ein entsprechender Freibetrag nicht als Einkommen gewertet werde, ist keine Norm genannt, aus der sich dieses Resultat ableiten ließe. § 25 BAföG - die wohl klägerseits gemeinte Norm- normiert Freibeträge vom Einkommen der Eltern und des Ehegatten des BAföG-Antragstellers, bei deren Einsatzbestimmung nach dieser Vorschrift zur Vermeidung unbilliger Härten auf besonderen Antrag außergewöhnliche Belastungen nach § 33b EStG absatzfähig sind. Die Berücksichtigungsfähigkeit tritt dabei aber nicht beim Antragsteller selbst ein, sondern bei dem nicht hilfebedürftigen Einkommensbezieher. Eine Ungleichbehandlung ist daraus nicht abzuleiten. Entgegen der Meinung der Klägerin sieht § 23 Abs. 5 BAföG für BAföG- Empfänger keine entsprechende Berücksichtigung der Entlastung zur Vermeidung unbilliger Härten parallel zu § 25 BAföG vor.

Der Höhe nach ist die Anrechnung rechtswidrig begünstigend für die Klägerin. Bei der im September 2013 erfolgten Gutschrift in Höhe von 1.462,30 EUR handelt es sich um eine Steuererstattung, von der rechtswidrig nur 1.457 EUR berücksichtigt worden sind. Der unterschiedliche Betrag beruht darauf, dass der ebenfalls erstattete Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,39 EUR übersehen worden ist. In der Verteilung des Zuflusses hätte danach eine geringfügig höhere Summe berücksichtigt werden müssen. Davon abgesehen begegnet die die monatliche Aufteilung der Steuererstattungssumme auf den mit Bescheid vom 16. September 2013 geregelten sechsmonatigen Bewilligungszeitraum – in Höhe von jeweils 242,84 EUR in den Monaten Oktober 2013 bis Februar 2014 sowie in Höhe von 242,80 EUR im März 2014 – keinen rechtlichen Bedenken. Sie entspricht vielmehr der Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II in der vom 1. April 2011 bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung, mit der die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach der Leistungsanspruch nach dem SGB II durch die konkret vorgenommene Aufteilung möglichst nicht vollständig in Wegfall geraten solle, so dass der gesetzlichen Krankenversicherungsschutz aufrecht erhalten bleibt (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 29/07 R, NJW 2009, 165 ff.), kodifiziert wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

Gründe für die Zulassung der Revision § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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