S 11 AS 504/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 AS 504/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Kosten des Probewohnens sind Kosten des Maßregelvollzugs (Art. 18 Abs. 1 S. 3 BayMRVG).
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 30.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2017 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 06.05.2017 bis 31.10.2017.

Der 1958 geborene Kläger wurde 2007 wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem wurde seine Unterbringung in ein psychiatrisches Krankenhaus angeordnet. Aufgrund der Verurteilung war der Kläger sodann seit 2007 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Ab dem 17.05.2010 fand ein Gefängnisaufenthalt statt. Ab dem 05.10.2011 wurde der Kläger im Bezirkskrankenhaus R. zur weiteren Vollstreckung der Unterbringung aufgenommen. Seit dem 26.09.2016 ging der Kläger einer Erwerbstätigkeit als Hilfskraft im Metallbau bei einer Firma in R. nach. Ab dem 06.05.2017 befand sich der Kläger im Rahmen des sogenannten Probewohnens, das im Rahmen einer Maßnahme des ambulant betreuten Wohnens in S. durchgeführt wurde. In das Bezirksklinikum R. musste der Kläger lediglich einmal die Woche zu therapeutischen Gesprächen für ca. eine Stunde kommen.

Am 31.05.2017 beantragte der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beim Beklagten. Trotz seiner Erwerbstätigkeit und des Lohnes von ca. 1.000 EUR mtl. sei der Kläger hilfebedürftig, weil monatliche Fahrtkosten zur Arbeitsstelle iHv ca. 230 EUR aufzubringen seien.

Mit Bescheid des Beklagten vom 30.06.2017 wurde der Antrag des Klägers für den Zeitraum 01.05.2017 bis 30.04.2018 abgelehnt. Der Kläger habe keinen Anspruch, weil er in einer stationären Einrichtung untergebracht sei.

Mit Schreiben vom 19.07.2017 legte er Kläger Widerspruch ein. Eine Ablehnung sei nicht gerechtfertigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2017 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Menschen, die zum Vollzug einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung untergebracht seien, könnten mit Menschen in stationären Einrichtungen gleichgestellt werden. Mit Wirkung vom 01.08.2016 habe der Gesetzgeber die Bezugnahme in § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II auf stationäre Einrichtungen dahingehend präzisiert, dass nur solche nach Abs. 4 Satz 1 erfasst sein sollen. Die Regelung sei auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales in § 7 SGB II aufgenommen worden. Ausgeschlossen sei damit der Leistungsbezug durch Personen, die sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten. Sie seien den Gesetzgebungsmaterialien zufolge auch dann nicht leistungsberechtigt, wenn sie als Freigänger einer Beschäftigung nachgingen. Seit August 2017 erhielt der Kläger aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers keinen Lohn mehr. Im Zeitraum Mai bis Oktober 2017 erhielt der Kläger Darlehen des Bezirksklinikums R. iHv mtl. ca. 800 EUR. Im November 2017 erhielt der Kläger Insolvenzgeld iHv ca. 3.000 EUR.

Mit seiner Klage vom 19.09.2017 hat sich der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, an das Sozialgericht Landshut gewandt. Außerhalb der Forensik wohnende, erwerbsfähige Antragsteller seien nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Das gelte erst recht, wenn sie einer regelmäßigen und regulären abhängigen Beschäftigung nachgingen. Der Kläger habe sich schon nicht mehr in einer Einrichtung zum Vollzug einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung aufgehalten.

Der Kläger beantragt zuletzt, den Bescheid des Beklagten vom 30.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum 06.05.2017 bis 31.10.2017 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Beklagte auf den Inhalt der beigezogenen Akte des Beklagten sowie auf die bisherigen Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Mit Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 29.11.2017 wurde die Fortdauer der Unterbringung angeordnet, nachdem der Kläger sich seit mindestens dem 14.11.2017 wegen eines Rückfalls wieder im Bezirkskrankenhaus R. aufhalte. Laut Beschluss vom 29.11.2017 sei beim Kläger Mitte August 2017 eine unangekündigte Urinkontrolle durchgeführt worden, die auf Alkoholkonsum des Klägers hingewiesen habe. Daraufhin seien die gewährten Lockerungen für einen Zeitraum von vier Wochen zurückgenommen worden. Nach dem Ablauf der vier Wochen sei Mitte September das Probewohnen fortgeführt worden. Anfang Oktober 2017 habe der Kläger sodann ganz bewusst Alkohol getrunken. Wegen der angespannten Situation sei das Probewohnen seit 01.11.2017 beendet worden. Seit dem 27.11.2017 wohnt der Kläger in einer forensischen Wohngemeinschaft in R ...

Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakte des Gerichts sowie die beigezogene Akte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 7 ff., 19 ff. SGB II.

Das Gericht hat von einer Beiladung des Sozialhilfeträgers abgesehen, nachdem nach Ansicht der Kammer keine ernsthafte Möglichkeit der Leistungsverpflichtung des Sozialhilfeträgers (zu den Voraussetzungen der Beiladung Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 14/06 R -) bestand.

Gegenstand der statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der Ablehnungsbescheid vom 30.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2017. Der Kläger begehrt für den Zeitraum 06.05.2017 bis 31.10.2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

1. Der Kläger war in der strittigen Zeit nicht hilfebedürftig. Hilfebedürftig ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II nicht, wer die erforderliche Hilfe von anderen erhält.

Die Regelungen des Bayerischen Maßregelvollzugsgesetzes (BayMRVG) vom 17.07.2015 stellen für den Maßregelvollzug ein eigenständiges umfassendes vorrangiges Leistungssystem für alle Bedarfe dar (Anschluss an SG München, Urteil vom 19. April 2018 - S 46 AS 2799/16 -).

Das Sozialgericht München (a. a. O.) hat dazu ausgeführt: "Das BayMRVG ist eine umfassende Regelung für die Gestaltung aller Lebensbereiche im Maßregelvollzug. Es gibt einen Behandlungs- und Vollzugsplan (Art. 5) sowie Regelungen zur räumlichen Unterbringung (Art. 8), zum Tragen von Kleidung und Wäsche (Art. 9), zur Krankenbehandlung (Art. 6 und 7), zu Arbeitspflichten (Art. 10), zur Freizeitgestaltung (Art. 11), für Besuch (Art. 12) und Außenkontakte (Art 13). Daneben gibt es genaue Regelungen zu den Finanzen des Betroffenen: Für die Leistungen in der Arbeitstherapie gibt es ein Motivationsgeld (Art. 29 Abs. 1). Bei Mittellosigkeit gibt es einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung, auf den das Motivationsgeld angerechnet werden kann (Art. 29 Abs. 3). Auch Arbeitsentgelt, das ein Betroffener durch begleitete oder unbegleitete Außenbeschäftigung, das sind Vollzugslockerungen nach Art. 16 Abs. 2 Nr. 2 BayMRVG, verdient, wird durch die Maßregelvollzugsbehörden bewirtschaftet, d.h. es kann verwahrt werden (Art. 31) oder dem Überbrückungsgeld für die Zeit nach der Entlassung zugeführt werden (Art. 30 Abs. 1). Zuständige Behörden sind die Bayerischen Bezirke (Art. 45 Abs. 1 BayMRVG, Bayerische Bezirksordnung). Kostenträger ist der Freistaat Bayern (Art. 52 Abs. 1 BayMRVG). Die Regelungen des Maßregelvollzugs sorgen auch für eine Deckung aller Bedarfe der Existenzsicherung, insbesondere Wohnen, Regelbedarfe und Krankenbehandlung. Das gilt auch für die Kosten des Probewohnens, die nach Art. 18 Abs. 1 S. 3 BayMRVG Kosten des Maßregelvollzugs sind. Dabei sind diese Kosten nicht auf die Kosten der Unterkunft im Sinn von § 22 SGB II begrenzt, sondern umfassen die Kosten des Wohnens, der ergänzenden Betreuung und des laufenden Regelbedarfs ...

Ein weiterer gewichtiger Grund, von einer umfassenden Bedarfsdeckung durch das BayMRVG auszugehen, liegt darin, dass neben dem System des Maßregelvollzugs eine Bedarfsberechnung und Leistungsgewährung über das SGB II oder das SGB XII nicht funktionieren kann. Einkommen, das aus Sicht der Sozialleistungsträger nach entsprechender Bereinigung (vgl. §§ 11 ff SGB II und § 82 Abs. 3 SGB XII) dem Leistungsempfänger zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen müsste, unterliegt wegen Art. 30 Abs. 1, Art. 31 BayMRVG dem Zugriff der Behörden des Maßregelvollzugs. Auch auf Arbeitslosengeld II oder Leistungen der Sozialhilfe zum Lebensunterhalt können die Behörden des Maßregelvollzugs zugreifen und diese nach Art. 30 Abs. 1 BayMRVG dem Überbrückungsgeld zuführen oder nach Art. 30 BayMRVG verwahren. Auch diese Regelungen zeigen, dass das BayMRVG ein abgeschlossenes System ist, das eine Kombination oder Ersetzung durch ein anderes System der Grundsicherung nicht gestattet. Nach Art. 52 Abs. 1 BayMRVG trägt der Freistaat Bayern die Kosten des Maßregelvollzugs, soweit nicht ein Träger von Sozialleistungen oder ein Dritter zur Gewährung von gleichartigen Leistungen verpflichtet ist. Dieser Kostenvorbehalt führt nicht zu einer Verpflichtung des Beklagten. Dieser ist nicht zu gleichartigen Leistungen verpflichtet, weil der Kläger, wie dargelegt, nicht hilfebedürftig nach § 9 Abs. 1 SGB II ist. Außerdem ist der Kläger auch beim Probewohnen gemäß § 7 Abs. 4 SGB II von Leistungen nach SGB II ausgeschlossen (siehe 2.). Der Kostenvorbehalt ist dahingehend zu verstehen, dass andere Sozialleistungen als Grundsicherungsleistungen, etwa Rentenzahlungen wie hier die Waisenrente, vorrangig wären. Eine darlehensweise Gewährung der Leistungen im Maßregelvollzug kann dies nicht ändern." Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen insgesamt an und macht sie sich zu eigen.

Die Kosten des Probewohnens sind Kosten des Maßregelvollzugs (Art. 18 Abs. 1 S. 3 BayMRVG). Soweit das Bayerische Landessozialgericht (Beschluss vom 21. Januar 2019 - L 7 AS 24/19 B ER -) davon ausgeht, dass Art. 18 Abs. 1 Satz 3 BayMRVG nicht ausschlaggebend sei, bezieht es sich auf die hier nicht einschlägige Rechtslage vom 01.01.2019.

Falls die vom Maßregelvollzugsträger gewährten Leistungen unter den Leistungen der §§ 20 ff. SGB II liegen, ist das eine Frage der Gestaltung des Maßregelvollzugs, keine Frage der Verpflichtung des Beklagten. Auch in anderen Sicherungssystemen, wie im Fall des notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen (vgl. 27b SGB XII) oder bei Auszubildenden, werden vom Gesetzgeber geringere Leistungen vorgesehen. Auch im SGB II ist die Bedarfsdeckung alleine durch Darlehen anerkannt (vgl. etwa zum vorzeitigen Verbrauch einmaliger Einnahmen § 24 Abs. 4 S. 2 SGB II). Der Lebensunterhalt für die Zeit des Maßregelvollzugs ist abschließend im BayMRVG geregelt. Er ist bei der Maßregelvollzugseinrichtung geltend zu machen.

2. Der Kläger ist auch gemäß § 7 Abs. 4 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Danach erhält Leistungen nach dem SGB II unter anderem nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist (Satz 1). Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt (Satz 2). Eine Rückausnahme ist möglich, wenn jemand in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht ist und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (Satz 3 Nr. 2).

Der Maßregelvollzug des Klägers erfolgt gemäß § 63 StGB auf richterliche Anordnung und ist eine Maßnahme der richterlich angeordneten Freiheitsentziehung. Er fällt deshalb unter § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II. Dies gilt auch für die Vollzugslockerung zum Zwecke des Probewohnens nach Art. 18 BayMRVG. Die ausdrückliche und spezielle Regelung bezüglich der Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen im Rahmen des § 7 Abs. 4 SGB II lässt erkennen, dass diese Einrichtungen eine Sonderstellung einnehmen. Nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II ist nach der Definition des Gesetzgebers der Aufenthalt in einer solchen Einrichtung dem Aufenthalt "in einer stationären Einrichtung" gleichgestellt. Es ist also nicht mehr zu prüfen, ob es um eine stationäre Einrichtung handelt. Diese gesetzgeberische Entscheidung wird auch durch die Gesetzesbegründung belegt, wonach es Ziel ist, Personen in diesen Einrichtungen vom Leistungsbezug nach dem SGB II auszuschließen (vgl. BT-Drucks 16/1410, 20). Es kommt folglich bei den Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen nicht mehr darauf an, ob sie nach ihrer Art die Aufnahme einer mindestens dreistündigen täglichen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von vornherein ausschließen. Die Weichenstellung zwischen den Leistungssystemen erfolgt in diesem Fall somit ausnahmsweise nicht anhand der objektiven Struktur der Einrichtung im Einzelfall, sondern generalisiert für alle unter § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II fallenden Einrichtungen, weil sich der Aufenthalt in diesen Einrichtungen wesentlich von dem Aufenthalt in anderen stationären Einrichtungen unterscheidet (BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 - B 14 AS 81/09 R -). Die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bezweckt, den Untergebrachten - soweit möglich - durch gezielte therapeutische Behandlung zu heilen oder seinen psychischen Zustand soweit zu verbessern, dass die krankheitsbedingte Gefahr der Begehung weiterer rechtswidriger Taten auf ein zu verantwortendes Maß herabgesetzt wird. Gleichzeitig soll die Allgemeinheit durch die gesicherte Unterbringung des Täters vor der Gefahr weiterer rechtswidriger Taten solange geschützt werden, bis eine Wiederholung der zur Unterbringung führenden rechtswidrigen Taten nicht mehr zu erwarten ist. Das Probewohnen ist als eine der Maßnahmen der Lockerung des Maßregelvollzugs Teil des Maßregelvollzugs. Es ist Bestandteil des umfassenden Behandlungs- und Vollzugsplans nach Art. 5 BayMRVG. Die untergebrachte Person unterliegt den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 BayMRVG). Der Kläger befand sich auch zum Zeitpunkt des Probewohnens weiterhin in einem besonderen Gewaltverhältnis. Das belegen schon die konkreten Umstände. Der Kläger musste sich Urinkontrollen unterziehen lassen und es wurde ihm der Verzicht auf Alkoholkonsum vorgeschrieben. Bei Zuwiderhandlung wurde er sofort wieder in das Bezirkskrankenhaus zurückgeholt. Es wurden ihm Auflagen bezogen auf sein Privat- und Erwerbsleben gemacht.

Leistungen zur Eingliederung in Arbeit haben Vorrang vor den Leistungen zum Lebensunterhalt (BT-Drs. 15/1516, 44). Der Kläger war während des Probewohnens kein sich in Freiheit befindender Mensch, was Grundvoraussetzung für eine sinnvolle Eingliederung in Arbeit ist. Vor der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bedarf es einer Gestattung durch die Vollzugsanstalt.

Die Tagesstruktur wird auch beim Probewohnen durch den Träger des Maßregelvollzugs vorgegeben. Dabei sind auch beim Probewohnen die Disziplinarmaßnahmen nach Art. 22 BayMRVG möglich. Der Einrichtung zum Probewohnen können Zwangsbefugnisse übertragen werden nach Art. 18 Abs. 3 BayMRVG. Einzelweisungen sind nach Art. 20 Abs. 1 BayMRVG auch bei Vollzugslockerungen möglich. Diese Regelungen zeigen, dass auch beim Probewohnen ein umfassender Zugriff des Maßregelvollzugs besteht. Das Probewohnen stellt sich deshalb als integraler Bestandteil des gesamten Maßregelvollzugs dar und ist nicht nur der formal fortbestehende Maßregelvollzug. Der Kläger war, wie ausgeführt, gerade nicht der Ordnungsgewalt der Vollzugsanstalt entzogen (a. A. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21. Januar 2019 - L 7 AS 24/19 B ER -). Ziel der Unterbringung ist es, die Allgemeinheit vor der Begehung weiterer Straftaten zu schützen (Art. 2 Abs. 1 S. 1 BayMRVG). Der Maßregelvollzug ist zu beenden, wenn von der untergebrachten Person keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit ausgeht. Damit ist auch die Zeit des Probewohnens ein Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II, weil andernfalls eine Entlassung der untergebrachten Person - und kein Probewohnen - erfolgen müsste.

Die Rückausnahme nach § 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II durch tatsächliche Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mindestens 15 Wochenstunden ist nicht möglich. Nach der Gesetzesänderung zum 01.08.2016 mit der Einfügung "nach Satz 1" hinter "in einer stationären Einrichtung" ist klargestellt, dass Personen, die sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten auch dann nicht leistungsberechtigt sind, wenn sie als Freigänger einer Beschäftigung in dem genannten Umfang nachgehen (SG München, Urteil vom 19. April 2018 - S 46 AS 2799/16 -, m. w. N.).

Die tatsächliche Erwerbstätigkeit des Klägers ist auch in der Sache kein Argument für eine Zuordnung zum Leistungssystem des SGB II. Die Beschäftigung war eine Arbeitsmaßnahme nach Art. 10 BayMRVG im Rahmen der Vollzugslockerung Außenbeschäftigung nach Art. 16 Abs. 2 Nr. 2 BayMRVG. Die Maßregelvollzugsbehörde entscheidet darüber, ob eine Maßnahme angezeigt ist und weist zu. Ausführungen dazu, ob der Kläger überhaupt erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB II war, weil hier fraglich ist, ob er als untergebrachte Person überhaupt unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein konnte, sind vorliegend entbehrlich.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG erfolgte mangels konkreter Antragstellung vorsorglich.

-

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 Landshut, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Landshut in elektronischer Form eingelegt wird. Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und - von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder - von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird. Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
Rechtskraft
Aus
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