L 20 AY 15/19 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AY 3/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 15/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1.
Ausländische Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind nicht nach dem AsylbLG leistungsberechtigt (teleologische Reduktion des § 1 Abs. 1 AsylbLG). Dies gilt auch dann, wenn für den Ausländer der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 6 FeizügG/EU festgestellt worden ist und ihm anschließend eine Duldung nach § 60a AufenthG erteilt wurde.
2.
Im Einzelfall können einem solchen Staatsangehörigen Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII auch für einen längeren als einmonatigen Zeitraum in Höhe der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII sowie Hilfe bei Krankheit nach dem SGB XII zustehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalles zum einen den Verweis auf eine Ausreisemöglichkeit nicht zulassen und zum anderen das menschenwürdige Existenzminimum sonst nicht sichergestellt ist.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 21.02.2019 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 05.02.2019 bis zum 30.06.2019 Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII in Höhe der Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII einschließlich Hilfe bei Krankheit nach dem SGB XII zu gewähren. Im Übrigen werden der Antrag des Antragstellers und die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens für beide Rechtszüge.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen eine einstweilige Verpflichtung, dem Antragsteller vorläufig Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren.

Der 1959 geborene Antragsteller ist litauischer Staatsbürger. In der Ausländerakte der Antragsgegnerin ist vermerkt, dass er am 12.10.2015 erstmals nach Deutschland eingereist sei; ein (weiterer) Zuzug ist für den 15.12.2016 verzeichnet. Einzelheiten zu seinem Aufenthalt zwischen diesen Daten sind nicht bekannt. Seit Dezember 2016 lebt der Antragsteller im Haus der Wohnungslosenhilfe (HdW) der C-Stiftung in N, nachdem er am Bahnhof N als hilflose Person aufgefunden und zunächst in der LWL-Klinik in N behandelt worden war.

Nach einem (von seinem rechtlichen Betreuer im September 2018 dem Ausländeramt der Antragsgegnerin vorgelegten) undatierten Bericht des Facharztes für Psychiatrie Dr. M erlitt der Antragsteller im September 2016 sowie im Oktober 2017 Stürze mit Hirnschädigungen. Der Antragsteller sei völlig hilflos und benötige für die Aktivitäten des täglichen Lebens Anleitung und Unterstützung. Er sei körperlich und psychisch schwer krank. Aufgrund der hirnorganischen Einschränkungen sei auf absehbare Zeit nicht mit einer Besserung des Zustandes zu rechnen; es bestehe Vergleichbarkeit mit einer schweren dementiellen Erkrankung. Ein Rückführungsversuch ins Herkunftsland dürfte nicht möglich sein; eine Abschiebung würde nach ärztlicher Einschätzung in eine rasch lebensbedrohliche medizinische und soziale Notlage führen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme des Dr. M Bezug genommen.

Ausweislich eines Berichts zweier Sozialarbeiterinnen der Antragsgegnerin, die den Antragsteller am 02.05.2019 im HdW aufgesucht und dort mit ihm, einem dortigen Sozialarbeiter und einer Krankenschwester unter Beteiligung einer Dolmetscherin gesprochen hatten, ist dieser zu Ort und Zeit nicht sicher orientiert. Sein Situationsverständnis wirke unsicher. Durch eine leichte Halbseitenlähmung bestehe eine Gangunsicherheit. Der Antragsteller benötige bei allen Aktivitäten des täglichen Lebens Anleitung und Unterstützung. Die Mahlzeitenversorgung werde durch das HdW sichergestellt, wobei der Antragsteller an die Einnahme der Mahlzeiten erinnert werde. Seine Körperpflege erfolge unter Anleitung mit teilweiser Übernahme. Es bestehe eine Harn- sowie teilweise Stuhlinkontinenz. Das HdW übernehme die Wäschepflege. Der Antragsteller verlasse das HdW selbständig nur noch für den kurzen Weg zu einem Kiosk. Seinen Alkoholkonsum gebe er mit bis zu einer Flasche Wein täglich an. In den letzten Jahren sei es zu zahlreichen Krankenhausaufenthalten gekommen. Eine aktuelle Medikation sei nicht bekannt; auch erfolge keine Behandlungspflege. Der Antragsteller habe Fragen nicht zielgerichtet beantworten können; es sei deutlich geworden, dass er komplexeren Fragestellungen und Sinnzusammenhängen nicht habe folgen können. Aufgrund seiner Einschränkungen wäre er nicht in der Lage, sich in Litauen selbständig das erforderliche Hilfesystem aufzubauen. Eine selbständige Reise sei durch die kognitiv bedingte deutliche Orientierungslosigkeit und starke Seheinschränkung unmöglich. Es sei davon auszugehen, dass Pflegebedürftigkeit bestehe; bei weiter fortschreitender Verschlechterung des Gesundheitszustandes sei auf Dauer eine vollstationäre Pflegenotwendigkeit absehbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht der Sozialarbeiterinnen vom 02.05.2019 Bezug genommen.

Der Antragsteller ist mittellos; seine Versorgung wird ausschließlich vom HdW auf dessen Kosten sichergestellt. Mit Bescheid vom 24.01.2018 lehnte das Jobcenter der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an den Antragsteller ab. Mit Bescheid vom 09.05.2018 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII an den Antragsteller ebenfalls ab. Beide Bescheide wurden bestandskräftig; auf sie wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Mit bestandskräftig gewordener Ordnungsverfügung vom 28.08.2018 stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller das Recht auf Einreise und Aufenthalt ins bzw. im Bundesgebiet verloren habe. Er werde mit Frist bis zum 09.10.2018 zur Ausreise aufgefordert. Sollte er dieser Aufforderung nicht nachkommen, werde ihm die Abschiebung nach Litauen angedroht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 28.08.2018 Bezug genommen.

Nachdem der Betreuer ärztliche Unterlagen zum Gesundheitszustand des Antragstellers übersandt hatte, erteilte ihm die Antragsgegnerin am 15.10.2018 eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG, die in der Folgezeit (derzeit bis 30.08.2019) verlängert wurde.

Mit Bescheid vom 07.01.2019 lehnte die Antragsgegnerin einen Antrag des Antragstellers vom 26.10.2018 auf Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG ab. Das AsylbLG sei auf Ausländer aus der Europäischen Union (EU-Ausländer) nicht anwendbar; der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AsylbLG sei insoweit entgegen seinem Wortlaut teleologisch zu reduzieren. Hinsichtlich des SGB II und SGB XII werde auf die Bescheide vom 24.01. und 09.05.2018 verwiesen. Sollte sich der Antragsteller ernsthaft zur Ausreise bereit erklären, könne er erneut Überbrückungsleistungen nach dem SGB XII beantragen. Über den hiergegen vom Antragsteller eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden.

Mit Antrag vom 05.02.2019 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Münster um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Die ihm erteilte Duldung habe im Rahmen des AsylbLG Tatbestandswirkung und führe zu seiner Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG. Ein Ausschluss der Anwendbarkeit des AsylbLG für EU-Ausländer greife nur, solange diese über ein (ggf. vermutetes) Recht zum Aufenthalt nach dem FreizügG/EU verfügten. Nach der bestandskräftigen Verlustfeststellung über dieses Recht sei das AsylbLG hingegen anwendbar. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 14.11.2018 - L 19 AS 1434/18 B ER). Unbeschadet dessen sei ein Leistungsausschluss für in Deutschland aufhältige EU-Ausländer nicht mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar; insoweit bestehe ein Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Ein Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass sein Lebensunterhalt allein durch Sachleistungen einer karitativen Einrichtung sichergestellt werde.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen nach § 2 AsylbLG nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Das AsylbLG sei nach Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen nicht auf EU-Ausländer anwendbar. Der Antragsteller unterfalle deshalb nicht dem leistungsberechtigten Personenkreis. Ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 SGB XII bestehe nicht, weil der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht habe, zur Ausreise bereit zu sein. Da der Antragsteller seit langem im HdW lebe und offensichtlich seinen Lebensunterhalt bestreiten könne, sei auch ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich.

Mit Beschluss vom 21.02.2019 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für den Zeitraum vom 05.02.2019 bis zum 05.08.2019, jedoch längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen nach § 2 AsylbLG nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Leistungsberechtigung des Antragstellers ergebe sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG; denn der Antragsteller werde nach § 60a AufenthG geduldet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.

Hiergegen hat die Antragsgegnerin am 27.02.2019 Beschwerde eingelegt. Das SGB II und das SGB XII sähen Leistungsausschlüsse für EU-Ausländer vor (§ 23 Abs. 3 SGB XII und § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II). Wende man, wie das Sozialgericht, jetzt das AsylbLG an, konterkariere dies die gesetzgeberisch gewollten Ausschlusstatbestände. Das führe dazu, dass EU-Ausländer, bei denen der Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt worden sei, dennoch Deutschland nicht verließen und zugleich bessergestellt würden als freizügigkeitsberechtigte EU-Ausländer. Der Anwendungsbereich des AsylbLG sei deshalb teleologisch zu reduzieren. Der Antragsteller habe 2018 ein gesundheitliches zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis geltend gemacht; hierüber könne das Ausländeramt der Antragsgegnerin nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entscheiden. Das BAMF sei unter dem 26.09.2018 um Stellungnahme gebeten worden; diese liege jedoch noch nicht vor. Angesichts eines möglichen krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses werde vor Prüfung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zunächst die Stellungnahme des BAMF abgewartet. Es gebe kein Recht darauf, dass sich EU-Ausländer unter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel in Deutschland aufhielten. Freizügigkeit könne vielmehr genießen, wer seinen Lebensunterhalt selbst finanzieren könne. Eine Behörde könne nicht zur Abschiebung verpflichtet sein; EU-Ausländer hätten im Übrigen regelmäßig die Möglichkeit, ggf. mit Rückkehrhilfen des Sozialamtes leicht in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Zu einer vom Gericht vorgeschlagenen vergleichsweisen Regelung (einstweilige Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII) sehe sie - die Antragsgegnerin - sich nicht in der Lage.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 21.02.2019 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen,
hilfsweise, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB XII zu gewähren.

Er trägt ergänzend u.a. vor, hätte der Gesetzgeber EU-Ausländer von Leistungen nach dem AsylbLG ausschließen wollen, hätte es dazu einer (ausdrücklichen) gesetzlichen Regelung bedurft. Ohnehin sei ein Leistungsausschluss nicht mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar. Angesicht der ihm erteilten Duldung stehe jedenfalls aktuell ein Ausreisehindernis fest; die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr ins Herkunftsland sei unbeachtlich, solange der tatsächliche Aufenthalt in Deutschland von den zuständigen Behörden geduldet werde. Es sei verfassungsrechtlich unzulässig, ihn für die Zeit seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland ohne jede existenzsichernden Leistungen zu lassen.

Mit Schreiben vom 05.04.2019 hat der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Überprüfung der Leistungsablehnung nach dem SGB XII (Bescheid vom 09.05.2018) gemäß § 44 SGB X sowie eine laufende Leistungsgewährung nach dem SGB XII beantragt. Hierüber ist noch nicht entschieden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin einschließlich der Ausländerakte Bezug genommen. Der Inhalt liegt der vorliegenden Entscheidung zugrunde.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist hinsichtlich der rechtlichen Verortung der dem Antragsteller zu erbringenden Leistungen begründet. Hinsichtlich des im Ergebnis von der Antragstellerin gleichwohl sicherzustellenden Existenzminimums des Antragstellers ist sie indes ohne Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs (d.h. des gerichtlich verfolgten materiell-rechtlichen Anspruchs) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. eines Eilbedürfnisses für eine gerichtliche Entscheidung, weil ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar erscheint; § 86b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Ein Anordnungsanspruch besteht i.S. einer Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung von Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII. Zugleich ist dem Antragsteller ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten.

1. Die mit dem erstinstanzlichen Antrag (einzig) ausdrücklich geltend gemachten Leistungen nach § 2 AsylbLG kann der Antragsteller nicht beanspruchen.

a) Dem Antragsteller ist zwar zuzugeben, dass allein in Ansehung des Wortlauts des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG ein Ausländer, der (wie der Antragsteller) eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzt, als leistungsberechtigt nach dem AsylbLG erscheint.

b) Gleichwohl ist das AsylbLG auf EU-Ausländer von vornherein nicht anwendbar. "Ausländer" i.S.d. § 1 Abs. 1 AsylbLG kann vielmehr nur ein Drittstaatsangehöriger sein, nicht aber ein Ausländer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union ist.

aa) Der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AsylbLG ist insoweit teleologisch dahin zu reduzieren, dass EU-Ausländer nicht von der Norm erfasst sind (vgl. jurisPK-Frerichs, § 1 AsylbLG Rn. 43; a.A. Cantzler, Asylbewerberleistungsgesetz, 2019, § 1 Rn. 34). EU-Ausländer können deshalb auch von vornherein nicht leistungsberechtigt nach dem AsylbLG sein.

Denn das AsylbLG ist ein restriktives Sondergesetz für Drittstaatsangehörige, die sich auf politische, humanitäre oder völkerrechtliche Aufenthaltsgründe berufen können, und ist insoweit eng mit den ausländerrechtlichen Bestimmungen (AsylG, AufenthG) verknüpft (Frerichs, a.a.O. Rn. 13). Ab seinem Inkrafttreten am 01.11.1993 regelte es einen Mindestunterhalt für Asylbewerber sowie bestimmte andere ausländische Staatsangehörige; es war von Anfang an ein Gesetz, das außerhalb des für Deutsche und diesen gleichgestellte ausländische Staatsangehörige ein eigenes Leistungsregime zur Verfügung stellen sollte (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 und 2/11 Rn. 2). Zwar findet es nach zwischenzeitlichen Gesetzesänderungen als Sonderregelung außerhalb des Sozialhilferechts nicht nur Anwendung auf Asylsuchende, sondern auch auf die weiteren in § 1 Abs. 1 AsylbLG benannten Personenkreise (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 4-7). Gleichwohl wendet es sich ausweislich seiner Entstehungsgeschichte und des Gesamtzusammenhanges der einschlägigen Regelungen von vornherein nicht an Unionsbürger; bei Letzteren sind die rechtlichen Regelungen nicht allein allgemein-ausländerrechtlich, sondern weitgehend europarechtlich geprägt (Frerichs, a.a.O. Rn. 43).

bb) Dies gilt entgegen der Ansicht des Antragstellers auch dann, wenn - wie bei ihm - im Einzelfall der Verlust des Rechts auf Einreise und Freizügigkeit nach § 6 FreizügG/EU festgestellt wurde. Denn diese Verlustfeststellung findet gleichwohl im Rahmen der primär europarechtlich geprägten Rechtsverhältnisse von EU-Ausländern statt, auch wenn anschließend Normen etwa des AufenthG ein weiteres Vorgehen bestimmen mögen. Vor wie nach einer Verlustfeststellung steht der typische Lebenssachverhalt eines EU-Ausländers in keinem Zusammenhang mit den Sachverhalten, die der Gesetzgeber typisierend mit dem AsylbLG regeln wollte.

cc) Dem Ausschluss von EU-Ausländern aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG steht auch keine Auslegungsgrenze entgegen, die sich streng am Gesetzeswortlaut auszurichten hat.

Zwar ist der Antragsteller insoweit der Ansicht, der klare Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG begrenze die Auslegung dahin, dass der Antragsteller als EU-Ausländer und Inhaber einer Duldung nach § 60a AufenthG nach dem AsylbLG leistungsberechtigt sei; anderenfalls hätte der Gesetzgeber einen Leistungsausschluss ausdrücklich in das Gesetz aufnehmen müssen.

Der offenbar dahinterstehenden Auffassung, die richterliche Gesetzesbindung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG werde durch jede Auslegung verletzt, die nicht im Wortlaut des Gesetzes vorgegeben ist, liegt jedoch ein zu enges Verständnis von Rechtsprechung zugrunde. Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet die Gerichte, "nach Gesetz und Recht" zu entscheiden. Eine bestimmte Auslegungsmethode oder gar eine reine Wortinterpretation schreibt die Verfassung indes nicht vor. Insbesondere zieht der Wortlaut des Gesetzes im Regelfall gerade keine starre Auslegungsgrenze. Zu den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung gehört vielmehr auch die teleologische Reduktion einer Norm, wenn sie sich auf den Willen des Gesetzgebers stützt (siehe dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26.09.2011 - 2 BvR 2216/06 und 469/07 Rn. 57, m.N. weiterer Rspr. des BVerfG). Davon zu unterscheiden ist ein Fall unzulässiger verfassungskonformer Auslegung, wenn diese Auslegung mit Wortlaut und Willen des Gesetzgebers nicht im Einklang steht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 31.10.2016 - 1 BvR 871/13 und 1833/13 Rn. 34). Die Eigenart der teleologischen Reduktion aber besteht gerade darin, dass sie die auszulegende Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle für unanwendbar hält, weil ihr Sinn und Zweck, ihre Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG, Beschluss vom 07.04.1997 - 1 BvL 11/96 Rn. 15). Einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs des AsylbLG, welche EU-Ausländer von der Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 AsylbLG ausnimmt, stehen auslegungstechnische verfassungsrechtliche Erwägungen deshalb nicht entgegen.

dd) Rechtsprechung anderer Senate des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, die EU-Ausländern einen Anspruch nach dem AsylbLG zuspricht (Beschluss vom 14.11.2018 - L 19 AS 1434/18 B ER Rn. 26 f.) oder jedenfalls erwägt (Beschluss vom 16.01.2019 - L 7 AS 1085/18 B Rn. 26), folgt der Senat nicht. Die Entscheidungen befassen sich von vornherein nicht mit der Frage einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs des AsylbLG, sondern setzen (zumindest der Beschluss vom 14.11.2018) die Anwendbarkeit unhinterfragt voraus. Soweit der Beschluss vom 16.01.2019 - L 7 AS 1085/18 B auf die verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit eines ggf. fehlenden Existenzsicherungsanspruchs für EU-Ausländer verweist (Rn. 27), stellt sich diese Frage jedenfalls beim Antragsteller nicht, weil ihm existenzsichernde Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren sind (dazu noch bei 4.).

2. Scheiden die vom Antragsteller zunächst einzig ausdrücklich begehrten Leistungen nach dem AsylbLG nach allem von vornherein aus, so hat der Senat gleichwohl zu prüfen, ob Leistungen nach einem anderen das Existenzminimum sichernden Leistungsregime (namentlich dem SGB II oder dem SGB XII) zu gewähren sind.

Denn es ist (sofern nicht im Einzelfall Anhaltspunkte anderes nahelegen) regelmäßig davon auszugehen, dass ein Rechtsuchender alles begehrt, was das Recht für ihn an Leistungen vorsieht (sog. Meistbegünstigungsprinzip). Der Grundsatz, dass im Zweifel von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren ausgegangen werden muss, ist Ausfluss des verfassungsrechtlichen Auftrags der Gerichte zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Die Auslegung von Anträgen richtet sich danach, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen; im Zweifel ist anzunehmen, dass der Kläger bzw. Antragsteller alles zugesprochen haben möchte, was ihm aufgrund des Sachverhalts zusteht (vgl. nur BSG, Beschluss vom 01.03.2018 - B 8 SO 52/17 B Rn. 6 m.w.N. der Rspr. des BSG).

Ohnehin hatte im vorliegenden Fall der Antragsteller bereits mit der Antragsschrift im erstinstanzlichen Verfahren trotz seines auf Leistungen nach dem AsylbLG formulierten Antrags darauf verwiesen, dass ihm in Ansehung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums jedenfalls Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zustünden.

3. Bei summarischer Prüfung scheidet allerdings ein Anspruch des Antragstellers auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II aus. Denn angesichts seiner erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen (keine sichere Orientierung zu Ort und Zeit, quasi-dementielle Erkrankung, leichte Halbseitensymptomatik mit Gangunsicherheit, Hilfebedarf bei den Verrichtungen des täglichen Lebens, Alkoholismus) geht der Senat davon aus, dass er nicht erwerbsfähig i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB II ist. Auf die weitere Frage, ob sich der bestandskräftige Ablehnungsbescheid des Jobcenters der Antragsgegnerin vom 24.01.2018 auf einen (nach § 37 SGB II antragsabhängigen) Leistungsanspruch nach dem SGB II für den hier streitigen Zeitraum auswirken kann, kommt es deshalb nicht an.

4. Der Antragsteller hat jedoch Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII, und zwar in Höhe von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII sowie der Hilfe bei Krankheit nach dem SGB XII.

a) Dem steht nicht etwa von vornherein entgegen, dass Leistungen nach dem SGB XII durch bestandskräftigen Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.05.2018 abgelehnt worden sind.

Zum einen sind Einzelfallleistungen nach 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII - anders als die Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) - nicht antragsabhängig, sondern zu erbringen, sobald der Sozialhilfeträger Kenntnis von der entsprechenden Bedarfslage hat (§ 18 Abs. 1 SGB XII). Der Antragsgegnerin war jedoch die Lebenssituation des Antragstellers auch im Anschluss an die Ablehnung von Leistungen nach dem SGB XII bekannt. Zwar war ihr auch bekannt, dass dieser trotz rechtlicher Betreuung die Leistungsablehnung nach dem SGB XII durch den Bescheid vom 09.05.2018 hat bestandskräftig werden lassen. Ob Letzteres die Kenntnis der Antragsgegnerin vom Bedarf an existenzsichernden Leistungen zunächst entfallen ließ, kann der Senat jedoch offenlassen. Denn zum einen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 05.04.2019 erneut Leistungen nach dem SGB XII beantragt und damit der Antragsgegnerin ausdrücklich (erneut kenntnisverschaffend) mitgeteilt, dass er von einer Bedarfslage nach dem SGB XII ausgeht. Zum anderen hat er bereits mit seinem Antrag vom 26.10.2018 auf Leistungen nach dem AsylbLG gegenüber der Antragsgegnerin deutlich gemacht, dass er Leistungen zur Sicherung seines Existenzminimums begehrt; nach dem Meistbegünstigungsprinzip (s.o. 2.) erfasst dieses Begehren auch Leistungen nach dem SGB XII, sofern entsprechende Leistungen nach dem AsylbLG nicht möglich sind.

b) aa) Der Antragsteller unterfällt allerdings, da er in Deutschland kein Aufenthaltsrecht (mehr) hat, grundsätzlich dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 SGB XII. Die Vorschrift sieht vor, dass solche Ausländer keine Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII (Sozialhilfe für Ausländer) oder nach dem Vierten Kapitel des SGB XII erhalten. Hilfebedürftigen Ausländern, die unter diesen Leistungsausschluss fallen, werden nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII vielmehr bis zur Ausreise, längstens jedoch für den Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte (im Umfang in § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB XII näher umschriebene) Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen). Steht aber für den Antragsteller eine Ausreise nicht an, so entsprechen maximal einmonatige Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII jedenfalls nicht seinem Antragsziel.

bb) Trotz dieses grundsätzlichen Leistungsausschlusses sind jedoch existenzsichernde Sozialhilfeleistungen jedenfalls dann möglich, wenn - wie beim Antragsteller - die besonderen Umstände des Einzelfalles zum einen den Verweis auf eine Ausreisemöglichkeit nicht zulassen und zum anderen das menschenwürdige Existenzminimum nicht sichergestellt ist:

Denn nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII (in der seit dem 29.12.2016 geltenden Fassung) werden Leistungsberechtigten nach § 23 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 SGB XII (d.h. u.a. Ausländern ohne Aufenthaltsrecht) zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen i.S.v. Absatz 1 der Vorschrift (u.a. Sozialhilfe, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist; vgl. Abs. 1 Satz 3) gewährt; ebenso sind Leistungen (abweichend von Abs. 3 Satz 3) über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist.

Beim Antragsteller besteht eine solche besondere Härte, und die Besonderheiten seines Einzelfalles lassen zudem eine Leistungserbringung über einen längeren Zeitraum hinaus geboten erscheinen.

(a) Auslegung und Anwendung des § 23 Abs 3 Satz 6 SGB XII unterliegen dabei verfassungsrechtlichen Vorgaben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvR 10/10 und 2/11) besteht ein Anspruch auf (staatliche) Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und als Menschenrecht, welches dem Grunde nach unverfügbar ist (Urteil vom 18.07.2012 Rn. 62; zur Unverletzlichkeit und Unveräußerlichkeit von Menschenrechten siehe auch Art. 1 Abs. 2 GG). Das Grundrecht gilt für Deutsche wie für sich in Deutschland aufhaltende Ausländer gleichermaßen (Rn. 63). Die Garantie des Existenzminimums bezieht sich einheitlich sowohl auf die physische Existenz (Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit) als auch auf die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (Rn. 64). Zur Wahrung dieses Grundrechts ist ein gesetzlicher Leistungsanspruch einzuräumen (Rn. 65); dabei besitzt der Gesetzgeber sowohl bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse als auch bei der wertenden Einschätzung notwendiger Bedarfe einen Gestaltungsspielraum (Rn. 67, 74), hat aber die Leistungen am jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe auszurichten (Rn. 62). Maßgebend sind die Verhältnisse in Deutschland, nicht diejenigen im Herkunftsland (Rn. 67). Migrationspolitische Erwägungen können eine geringere Bemessung des Existenzminimums für Ausländer nicht rechtfertigen, da die Menschenwürde migrationspolitisch nicht zu relativeren ist (Rn. 95).

(b) Ob einem auf dieses Grundrecht gestützten Leistungsanspruch Selbsthilfemöglichkeiten des Betroffenen entgegengehalten werden können, und ob deshalb im Falle einer Weigerung, vorhandene Selbsthilfemöglichkeiten zu ergreifen, erbrachte Leistungen das Existenzminimum unterschreiten dürfen (in diesem Sinne BSG, Urteil vom 12.05.2017 - B 7 AY 1/16 Rn. 29 ff. zur Leistungseinschränkung nach § 1a Nr. 2 AsylbLG; dagegen anhängig das Verfassungsbeschwerdeverfahren BVerfG 1 BvR 2682/17) oder gar ganz ausbleiben können (hiervon geht ersichtlich die Antragsgegnerin aus, wenn Leistungen nach allen in Frage kommenden Grundsicherungssystemen - SGB II, SGB XII und AsylbLG - abgelehnt wurden), kann der Senat offenlassen.

Denn dem Antragsteller stehen jedenfalls keine zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten zur Verfügung. Insofern käme - mangels eigener wirtschaftlich verwertbarer Ressourcen - einzig eine Ausreise (in sein Herkunftsland Litauen) in Betracht. Hierzu ist der Antragsteller jedoch nicht in der Lage. Denn bei summarischer Prüfung ist er (ausweislich der von seinem Betreuer im September 2018 vorgelegten Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie Dr. M sowie des Berichtes zweier Sozialarbeiterinnen der Antragsgegnerin über den Hausbesuch vom 02.05.2019) im Anschluss an zwei Sturzereignisse bei einem einer dementiellen Entwicklung vergleichbaren Zustand völlig hilflos, zeitlich wie örtlich nicht sicher orientiert, und benötigt für alle Aktivitäten des täglichen Lebens Anleitung und Unterstützung. Eine selbständige Ausreise ist ihm schon durch seine kognitiv bedingte deutliche Orientierungslosigkeit ebenso unmöglich wie der selbständige Aufbau eines adäquaten Hilfesystems im Herkunftsland. Der Senat geht deshalb davon aus, dass der Antragsteller, selbst wenn ihm eine Reisebeihilfe gewährt würde, durch den Versuch einer Ausreise an Leib und Leben gefährdet wäre.

Keine Selbsthilfemöglichkeit ist im Übrigen die Bedarfsdeckung durch Zuwendungen der C-Stiftung im HdW. Denn der Antragsteller selbst hat auf das Erbringen dieser Leistungen schon keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch; der Verweis auf freiwillige und damit naturgemäß ungesicherte mildtätige Unterstützung ist kein hinreichendes Äquivalent zu der verfassungsrechtlich gebotenen jederzeitigen gesetzlichen Gewährleistung.

(c) Zwar ist der Leistungsanspruch nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII gesetzlich sehr restriktiv ausgestaltet (besondere Härte, monatsüberschreitend nur bei besonderen Einzelfallumständen und zeitlich befristete Bedarfslage). Auslegung und Anwendung der Vorschrift im Einzelfall haben jedoch im Lichte des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu erfolgen: Scheiden zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten wie im Falle des Antragstellers aus, so liegt, solange das Existenzminimum nicht anderweitig abgedeckt ist, eine "besondere Härte" vor, welche Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII erfordert. Zugleich bestehen damit "besondere Umstände" des Einzelfalls, die eine die Dauer eines Monats überschreitende Leistungsgewährung geboten erscheinen lassen. Anderenfalls wäre - wie es derzeit nach der Handhabungspraxis der Antragsgegnerin aber der Fall ist - das Existenzminimum in einer die Menschenwürde missachtenden Weise gerade nicht staatlich sichergestellt. Dementsprechend geht auch das Bundessozialgericht davon aus, dass wegen des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums jeglicher vollständige Ausschluss von existenzsichernden Leistungen nicht grundrechtswahrend wäre (Urteil vom 30.08.2017 - B 14 AS 31/16 R zu Rn. 48, ausdrücklich auch für die aktuell seit dem 29.12.2016 geltende Fassung des § 23 SGB XII).

Die zeitliche Befristetheit der Bedarfslage, wie sie § 23 Abs. 3 Satz 6 a.E. SGB XII fordert, folgt im Übrigen daraus, dass es das Ausländeramt der Antragsgegnerin in der Hand hat, eine sichere Ausreise des Antragstellers nach Litauen und seine Übergabe in ein dortiges hinreichendes Hilfesystem zu organisieren, sollte ihm - was der Senat nicht zu entscheiden hat, beim Ausländeramt aber derzeit noch in Prüfung ist - nicht ohnehin ein Aufenthaltstitel (etwa nach § 25 Abs. 5 AufenthG) zu erteilen sein, der auf seine besondere Problemlage Rücksicht nimmt. Denn sowohl nach einer Ausreise und Übergabe als auch bei einem Aufenthaltstitel käme die Leistungserbringung nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII zum Erliegen.

(d) Der Höhe nach sind dem Antragsteller einstweilen Leistungen nach dem Dritten Kapitel sowie Hilfe bei Krankheit nach dem SGB XII zu gewähren. Ein im Vergleich zum gesetzgeberisch als Existenzminimum angesehenen Leistungsumfang (vgl. § 27a SGB XII) geringerer Bedarf ist bei summarischer Prüfung für den Antragsteller nicht zu erkennen. Auch eine angemessene Krankheitsversorgung im Leistungsumfang des SGB XII erscheint schon angesichts der erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen des Antragstellers unverzichtbar.

5. Besteht nach allem ein Anordnungsanspruch, so gilt dies auch für einen Anordnungsgrund. Das Eilbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung folgt schon daraus, dass es um das grundrechtlich geschützte Existenzminimum des Antragstellers geht. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass seine grundlegenden Bedarfe schon seit geraumer Zeit im HdW sichergestellt werden und nicht zu erkennen sei, dass das HdW dem Antragsteller diese Bedarfsdeckung entziehen werde. Denn ist ein menschenwürdiges Existenzminimum jederzeit staatlich sicherzustellen, kann der Antragsteller nicht auf freiwillige, mildtätige Zuwendungen der C-Stiftung verwiesen werden, auf die er keinen rechtlichen Anspruch erheben kann.

6. Der Senat verpflichtet die Antragsgegnerin zur vorläufigen Leistungserbringung ab Antragstellung beim Sozialgericht (05.02.2019) bis Ende Juni 2019 als dem Monat der voraussichtlichen Zustellung des vorliegenden Beschlusses. Wegen des vorläufigen Charakters der Leistungsregelung durch einstweilige Anordnung kommt im Regelfall eine weiter in die Zukunft reichende Verpflichtung im einstweiligen Rechtsschutz nicht in Betracht, da sich die zugrundeliegenden Lebensverhältnisse jederzeit ändern können. Der Senat geht allerdings davon aus, dass die Antragsgegnerin bei unveränderter Sach- und Rechtslage auch darüber hinaus vorläufig Leistungen erbringen wird; anderenfalls stünde es dem Antragsteller frei, erneut einstweiligen Rechtsschutz zu suchen.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Die Kostenentscheidung ist nach Ermessen ohne Rücksicht auf die Anträge der Beteiligten zu treffen (Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Auflage 2017, § 193 Rn. 12). Insoweit entspricht es billigem Ermessen, der Antragsgegnerin die Verfahrenskosten zur Gänze aufzuerlegen, auch wenn der Antragsteller mit seinem Antrag auf Leistungen nach dem AsylbLG nicht durchdringen konnte. Denn stehen ihm statt existenzsichernder Leistungen nach dem AsylbLG solche nach dem SGB XII (in nicht minderer Höhe) zu, so hat er gleichwohl sein Ziel der Sicherung seines Existenzminimums in vollem Umfang erreicht.

8. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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