L 9 AS 368/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 25 AS 8/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 368/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Das Konzept des Landkreises Gießen zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung aus dem Jahr 2012 ist nicht schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

2. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ist prinzipiell nicht anwendbar, wenn der Leistungsberechtigte bereits im Leistungsbezug steht, eine neue Wohnung anmietet, deren Aufwendungen die vom Träger zugrunde gelegten Angemessenheitsgrenzen überschreiten und der Berechtigte Kenntnis von der Unangemessenheit hatte oder dies sich ihm aufdrängen musste.

3. Zur Möglichkeit und Zumutbarkeit eines Umzuges nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum August 2013 bis Januar 2014.

Der im Jahre 1951 geborene Kläger erhält seit 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er bewohnte während des Leistungsbezuges zunächst eine 51,88 qm große Wohnung in der C-Straße in A-Stadt, für die er eine tatsächliche Gesamtmiete von 340,46 Euro monatlich zahlte und für die die Rechtsvorgängerin des Beklagten - die Gesellschaft für Integration und Arbeit Gießen mbH (GIAG) - zuletzt monatlich Aufwendungen von 291,53 Euro als angemessen übernahm (Bescheid vom 11. Januar 2010). Am 19. März 2010 teilte der Kläger der Rechtsvorgängerin des Beklagten mit, dass das Mietverhältnis vom Vermieter gekündigt worden, gleichzeitig aber eine Ersatzwohnung angeboten worden sei, für die er einen neuen Mietvertrag abgeschlossen habe. Er legte einen Mietvertrag für den Zeitraum ab 1. April 2010 für eine 59,77 m² große Wohnung in der A-Straße in A-Stadt vor, für die eine monatliche Einzelmiete i. H. v. 300,00 Euro und monatliche Betriebskosten i. H. v. 60,50 Euro (ohne Wärme und Wasser), insgesamt 360,50 Euro an den Vermieter zu zahlen waren. Nach der Vertragsbestätigung der Stadtwerke A-Stadt vom 22. April 2010 betrugen die monatlichen Heizkostenabschläge 85,00 Euro. Die Rechtsvorgängerin des Beklagten ging von tatsächlichen Wasser-/Abwasserkosten von 25,00 Euro und Heizkosten von 85,00 Euro (einschließlich Warmwassererzeugung) und damit von einer Gesamtmiete in Höhe von 470,50 Euro monatlich aus.

Mit Änderungsbescheid vom 16. Juni 2010 erkannte die Rechtsvorgängerin des Beklagten ab April 2010 lediglich 247,50 Euro Grundmiete, Nebenkosten von 57,07 Euro sowie Kosten der Heizung in Höhe von 58,95 Euro, insgesamt 363,52 Euro monatlich an, weil angesichts des ohne vorherige Zustimmung erfolgten Umzuges nur die angemessenen Kosten übernommen werden könnten. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Rechtsvorgängerin des Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2010 zurück. Die dagegen erhobene Klage (S 25 AS 903/10) begründete der Kläger damit, von seinem Vermieter zum Umzug gezwungen worden zu sein. Er sei der Auffassung, seinen Aufenthalts- bzw. Wohnort frei wählen zu dürfen. Seine Wohnung sei auch nicht zu groß. Aufgrund eines Prozessvergleiches erkannte die Rechtsvorgängerin des Beklagten für den Zeitraum April bis Juli 2010 Unterkunfts- und Heizkosten i. H. v. 425,00 Euro monatlich an.

Mit Bescheid vom 3. November 2010 bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten dem Kläger Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum April bis Juli 2010 in Höhe von 425,00 Euro monatlich. Für den Zeitraum August 2010 bis Januar 2011 (Bescheid vom 6. Juli 2010) und Februar bis Juli 2011 (Bescheid vom 28. Dezember 2010) wurden Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 392,77 Euro monatlich bewilligt. Mit Bescheid vom 1. Juli 2011 erhöhte der Beklagte die Leistungen für Unterkunft und Heizung für Juli 2011 auf 414,58 Euro (Grundmiete 276,75 Euro, Heizkosten 77,00 Euro, Nebenkosten 60,83 Euro). Auch für den Zeitraum Februar bis Juli 2012 (Bescheid vom 4. Januar 2012) sowie August 2012 bis Januar 2013 (Bescheid vom 25. Juni 2012) wurden dem Kläger Leistungen für Unterkunft und Heizung i. H. v. 414,58 Euro monatlich (Grundmiete 276,75 Euro, Heizkosten 77,00 Euro, Nebenkosten 60,83 Euro) bewilligt.

Zum 1. Dezember 2012 setzte der Landkreis Gießen ein Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung ("Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Richtwerte im Landkreis Gießen") in Kraft, dessen Grundlage unter anderem die Bildung von vier Wohnungsmarkttypen (Typ I: Allendorf (Lumda), Biebertal, Buseck, Langgöns, Lollar, Rabenau, Reiskirchen, Staufenberg; Typ II: Fernwald, Heuchelheim, Lich, Linden, Pohlheim, Wettenberg; Typ III: Gießen; Typ IV: Grünberg, Hungen, Laubach) mit jeweils unterschiedlichen Angemessenheitsgrenzen für Kosten der Unterkunft und Heizung in einem Vergleichsraum (Landkreis Gießen) ist.

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass dessen Kosten für die derzeitige Unterkunft i. H. v. 390,50 Euro Grundmiete zzgl. 85,00 Euro Heizkosten unangemessen hoch seien. Angemessen seien nach den Richtlinien des Landkreises Gießen eine Grundmiete von 304,72 Euro sowie Heizkosten von 77,85 Euro, insgesamt damit 382,57 Euro monatlich. Die Übernahme der unangemessenen Unterkunftskosten komme in der Regel für längstens sechs Monate, d. h. bis zum 30. Juni 2013 in Betracht. Zurzeit werde eine "Beihilfe" i. H. v. 414,58 Euro gewährt.

Für den Zeitraum 6. Januar 2013 bis 31. Januar 2014 zahlte der Kläger für Wasser und Abwasser Abschläge von insgesamt 96,00 Euro sowie eine Akontozahlung von 289,00 Euro an die Mittelhessischen Wasserbetriebe (Gebührenbescheid vom 10. Februar 2014). Für den Zeitraum 8. Januar 2013 bis 1. Februar 2014 zahlte er für Wärme insgesamt 605,00 Euro an die Stadtwerke A-Stadt (Verbrauchsabrechnung vom 10. Februar 2014).

Mit Schreiben vom 12. Januar 2013 wandte der Kläger gegen das Schreiben des Beklagten vom 20. Dezember 2012 ein, dass weder seine Wohnungsgröße noch die Heizkosten unangemessen seien.

Mit Schreiben vom 15. Januar 2013 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass nach den neuen Richtlinien des Landkreises Gießen im Fall des Klägers eine Miethöhe i. H. v. 382,57 Euro angemessen sei (Grundmiete/Betriebskosten 304,72 Euro, Heizkosten 77,85 Euro). Mit Bescheid vom 28. Juni 2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum August 2013 bis Januar 2014 weiterhin Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 414,58 Euro monatlich.

Mit Änderungsbescheid vom 29. Oktober 2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger für August 2013 bis Januar 2014 Leistungen für Unterkunft und Heizung i. H. v. 422,58 Euro aufgrund einer Erhöhung der anerkannten Heizkosten auf 85,00 Euro monatlich. Die Bruttokaltmiete des Klägers sei indes aufgrund der neuen Richtlinien des Landkreises Gießen zu hoch.

Zum 1. November 2013 erhöhte sich die Grundmiete für die Wohnung des Klägers von 300,00 Euro auf 328,75 Euro monatlich.

Mit Schreiben vom 14. November 2013 legte der Kläger Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 29. Oktober 2013 ein, den er damit begründete, keine Kenntnis von den Richtlinien des Beklagten zu haben. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2013 zurück.

Am 6. Januar 2014 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben.

Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass für ihn ein Umzug in eine andere Wohnung nicht infrage komme, da er mit seinem Vermieter einen Vertragspartner habe, der eine sehr moderate und sozialverträgliche Preisgestaltung praktiziere. Der derzeitige Mietpreis von 5,50 Euro pro m² liege weit unterhalb der für A-Stadt üblichen Ortsmiete. Er habe ein Recht, seinen Aufenthalts- und Wohnort selbst zu bestimmen. Die soziale Nachbarschaft sei für ihn wichtig. Er habe kein Interesse daran, in einem sozialen Brennpunkt zu wohnen. Auch die Wohnfläche sei nicht zu groß. Ein Umzug sei zudem unwirtschaftlich. Der Kläger hat ergänzend vorgetragen, es sei ihm nicht möglich, eine kostengünstigere Wohnung in A-Stadt zu finden als die von ihm bewohnte. Es obliege dem Beklagten, seine Behauptung zu konkretisieren, wonach auf dem heranzuziehenden Wohnungsmarkt auch hinreichend angemessener Wohnraum verfügbar sei. Der Beklagte hat daraufhin verschiedene Wohnungsangebote für die Stadt A-Stadt vorgelegt. Der Kläger hat dazu vorgetragen, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, innerhalb der gesetzten Frist zur Kostensenkung eine aus Sicht des Beklagten angemessene Wohnung zu finden, weil es Angebote für auch nur eine Wohnung, die den Kostenvorstellungen des Beklagten entspreche, nicht gegeben habe. Die von dem Beklagten im Prozess vorgelegten Wohnungsangebote hielten sich überwiegend nicht in den von ihm selbst vorgenommenen Angemessenheitsgrenzen. Das Sozialgericht hat sodann den Kläger aufgefordert, seine Suchbemühungen konkret darzulegen. Der Kläger hat daraufhin vorgetragen, dass ein Umzug unzumutbar sei, weil er ab 1. März 2015 und damit zwei Jahre nach dem streitgegenständlichen Zeitraum die gesetzliche Altersrente erhalten werde.

Seit dem 1. März 2015 erhält der Kläger Altersrente i. H. v. 817,24 Euro monatlich.

Mit Urteil vom 27. Januar 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Konzept des Beklagten die Vorgaben des Bundessozialgerichts zum schlüssigen Konzept erfülle. Die Kosten für Unterkunft und Heizung seien daher unangemessen. Eine Übernahme der unangemessenen Kosten komme nicht, auch nicht nach § 22 Absatz 1 Satz 3 SGB II, in Betracht. Der Beklagte habe den Kläger ausreichend über die Höhe der angemessenen Kosten informiert. Auch der Altersrentenbezug des Klägers lasse einen Umzug nicht als unzumutbar erscheinen. Denn zum Zeitpunkt der Kostensenkungsaufforderungen im Januar 2013 seien noch über zwei Jahre zur Altersrente zu überbrücken gewesen. Außerdem sei es bei einem Bedarf von 797,18 Euro sehr wahrscheinlich, dass der Kläger auch weiterhin einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen habe.

Am 18. April 2016 hat der Kläger Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Zur Begründung führt er aus, dass es ihm nicht zuzumuten gewesen sei, nach einem bereits im Jahr 2010 erfolgten Umzug drei Jahre später erneut, über 60-jährig, umzuziehen, wegen einer Zeit von lediglich 19 Monaten, in denen er absehbar noch Grundsicherungsleistungen erhalten würde. Schließlich sei das Konzept des Beklagten angesichts der Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 30. Januar 2019 nicht schlüssig.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. Januar 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 28. Juni 2013 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 29. Oktober 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2013 zu verurteilen, dem Kläger weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum August 2013 bis Januar 2014 zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Heizkosten i. H. v. 85,00 Euro bewilligt worden seien, während dieser tatsächlich lediglich Heizkosten i. H. v. 50,00 Euro monatlich an seinen Versorger geleistet habe. Ferner seien dem Kläger 25,00 Euro monatlich für Wasser- und Abwasserkosten gezahlt worden, während dieser lediglich Abschläge i. H. v. 9,00 Euro monatlich zu tragen gehabt habe.

Der Senat hat am 25. November 2016 und am 21. August 2017 jeweils einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen des jeweiligen Inhalts wird auf die Protokolle vom 25. November 2016 und 21. August 2017 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum August 2013 bis Januar 2014 nach §§ 19 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 1 SGB II.

Der Kläger erfüllt im streitgegenständlichen Zeitraum die Grundvoraussetzungen des § 7 SGB II. Er hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II, welcher den Regelbedarf (§ 20 SGB II) und die Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) umfasst. Der Kläger hat seine Klage zulässigerweise auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Er hat aber insoweit keinen Anspruch auf weitergehende Leistungen.

Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II (1.) noch aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II (2.).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitergehende Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit sie angemessen sind.

Der Beklagte hat bereits höhere Aufwendungen als die gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB zu berücksichtigenden bewilligt.

Der Senat geht von tatsächlichen Kosten des Klägers für Unterkunft und Heizung von insgesamt 423,92 Euro monatlich für den Zeitraum August bis Oktober 2013 sowie 452,67 Euro monatlich für den Zeitraum November 2013 bis Januar 2014 aus.

Zu der Grundmiete i. H. v. 300,00 Euro (bis Oktober 2013) bzw. 328,75 Euro (ab November 2013) und den Betriebskosten i. H. v. 65,50 Euro, welche der Kläger an seinen Vermieter zu zahlen hatte, hatte er ferner Abschläge für Wärme sowie Wasser/Abwasser zu zahlen.

Der Senat geht von tatsächlichen Kosten für Wärme i. H. v. 50,42 Euro monatlich aus (§ 287 Zivilprozessordnung - ZPO - analog). Dass der Kläger Heizkostenabschläge nicht i. H. v. 85,00 Euro monatlich gezahlt hat, ergibt sich aus der Rechnung der Stadtwerke A Stadt AG vom 10. Februar 2014, wonach für den Zeitraum 8. Januar 2013 bis 1. Februar 2014 insgesamt 605,00 Euro für Wärme gezahlt wurden. Nicht klar ist, für welche Monate er welche Abschläge gezahlt hat. Der Kläger hat diese Unklarheiten trotz entsprechender Hinweise des Senats nicht ausgeräumt. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen ist nicht möglich. Damit geht der Senat davon aus, dass sich die Gesamtkosten gleichmäßig auf 12 Monate verteilen, sodass Heizkosten i. H. v. 50,42 Euro monatlich berücksichtigt werden.

Abschläge für Kosten für Wasser und Abwasser sind nur in Höhe von 8,00 Euro monatlich nachgewiesen. Aus dem Gebührenbescheid vom 10. Februar 2014 ergeben sich Abschlagszahlungen für den Zeitraum 6. Januar 2013 bis 31. Januar 2014 i. H. v. insgesamt 96,00 Euro, was bei 12 Abschlägen einem Betrag von 8,00 Euro monatlich entspricht. Inwieweit die Akontozahlung von 289,00 Euro dem streitgegenständlichen Zeitraum zuzuordnen ist, ergibt sich aus dem Gebührenbescheid nicht. Der Kläger hat auch insofern keine Stellung genommen, obwohl er vom Senat darum gebeten wurde. Daher kann der Senat auch insoweit den Sachverhalt nicht weiter aufklären. Unzutreffend geht demgegenüber der Beklagte von einer Zahlung von 9,00 Euro monatlich aus, die indes lediglich dem Verbrauch (112,50 Euro) entsprechen. Maßgeblich sind allerdings die Zahlungen, die der Kläger zu erbringen hatte. Dass er zudem im Februar 2014 eine Gutschrift i. H. v. 272,11 Euro erhalten hat, wirkt sich nicht in dem streitgegenständlichen Zeitraum aus.

Der Beklagte hat demgegenüber im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung i. H. v. 422,58 Euro erbracht.

Weitergehende Leistungen kann der Kläger allerdings nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II beanspruchen. Denn seine über den Betrag von 422,58 Euro hinausgehenden tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung sind nicht angemessen.

Zwar ist das Konzept des Beklagten nicht schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, weil es den gesamten Landkreis Gießen als einen Vergleichsraum ansieht und innerhalb dieses Vergleichsraums Städte und Gemeinden in mehrere Wohnungsmarkttypen mit unterschiedlichen Angemessenheitsgrenzen aufteilt. Dies ist nicht zulässig, weil es für eine solche Aufteilung keine rechtliche Begründung gibt; insbesondere können durch die Bildung von Wohnungsmarkttypen die Voraussetzungen für die Bildung und die Rechtsfolgen eines Vergleichsraums nicht geändert werden; zudem mangelt es vorliegend für die einzelnen Wohnungsmarkttypen an einer sie rechtfertigenden sachlichen Herleitung (siehe BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 41/18 R, SGb 2019, 227, 228).

Der Senat musste dem Beklagten nicht die Gelegenheit geben, diese Beanstandungen durch Stellungnahmen und ggf. weitere Ermittlungen auszuräumen. Denn die Unschlüssigkeit des Konzepts ist vorliegend nicht erheblich.

Der höchstmögliche Anspruch des Klägers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II beträgt lediglich 413,42 Euro und damit weniger als der Betrag, den der Beklagte bereits bewilligt hat.

Im Falle des Fehlens eines schlüssigen Konzepts, also eines Erkenntnisausfalls hinsichtlich der angemessenen Referenzmiete, sind nach der Rechtsprechung des BSG die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft zugrunde zu legen, begrenzt durch die Tabellenwerte nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 % (st. Rspr., z. B. Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 45/14 R -, juris, Rn. 25 ff.).

Diese Grenze beträgt im vorliegenden Fall für die Bruttokaltmiete 363,00 Euro. Da die Stadt A-Stadt im Jahre 2013/2014 der Mietenstufe 3 zuzuordnen war (Zehnte Verordnung zur Änderung der Wohngeldverordnung vom 15. Dezember 2008, BGBl. I S. 2486, 2501), ergibt sich nach § 12 WoGG (in der hier anwendbaren, bis zum 31. Dezember 2015 gültigen Fassung vom 9. Dezember 2010, BGBl. I S. 1885) bei einem zu berücksichtigenden Haushaltsmitglied ein Höchstbetrag für Miete und Belastungen von 330,00 Euro, so dass zuzüglich eines Zuschlages von 10 % eine Bruttokaltmiete von 363,00 Euro anzuerkennen ist. Hinzu kommen die tatsächlichen Heizkosten i. H. v. 50,42 Euro, so dass die Grenze für die anzuerkennenden Unterkunfts- und Heizkosten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II 413,42 Euro beträgt.

2. Ein weitergehender Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II.

Danach sind die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf solange anzuerkennen, wie es dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.

a) § 22 Absatz 1 Satz 3 SGB II ist bereits nicht anwendbar. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass der Leistungsberechtigte sofort bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit gezwungen wird, seine bisherige Wohnung aufzugeben; ihm soll eine Übergangszeit (Schonzeit) verbleiben, in der er sich um eine Kostensenkungsmaßnahme bemühen kann (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 19/09 R -, juris, Rn. 16). Diese befristete Bestandsschutzregelung (Berlit, in: Münder (Hrsg.), SGB II, Lehr- und Praxiskommentar, 6. Aufl. 2017, § 22 Rn. 124) gilt insbesondere für Leistungsberechtigte, die bei Leistungsbeginn in einer unangemessen teuren Unterkunft leben (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/6 R - juris), im Falle einer Mieterhöhung (BSG, Urteil vom 23. August 2012 - B 4 AS 32/12 R -, juris), beim Auszug eines Mitbewohners (BSG, Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 28/12 R -, juris) und auch bei Anmietung einer unangemessenen teuren Unterkunft kurz vor Beginn des Leistungsbezuges (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 19/09 -, juris), soweit kein Missbrauch vorliegt (BSG, Urteil vom 30. August 2010 - B 4 AS 10/10 R -, juris). Sie gilt aber prinzipiell nicht, wenn der Leistungsberechtigte bereits im Leistungsbezug steht, eine neue Wohnung anmietet, deren Aufwendungen die vom Träger zugrunde gelegte Angemessenheitsgrenzen überschreiten und der Berechtigte auch Kenntnis von der Unangemessenheit hatte oder dies sich ihm aufdrängen musste (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 19/09 R -, juris, Rn. 9, 20). In dieser Situation trifft den Leistungsberechtigten die Obliegenheit, eine Zusicherung des Trägers für die neue Unterkunft nach § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II einzuholen.

Der Kläger stand jedoch bei Abschluss des neuen Mietvertrages und Durchführung des Umzuges in die in Rede stehende Wohnung bereits im SGB II-Bezug. Er wusste auch davon ausgehen, dass der Beklagte die Kosten für die neue Wohnung nicht als angemessen erachten würde. Denn der Beklagte übernahm bereits die Kosten für die vorher bewohnte Wohnung nur zum Teil. Da auch die vorherige Wohnung im Stadtgebiet von A-Stadt lag, musste dem Kläger klar sein, dass der Beklagte von denselben Angemessenheitsgrenzen ausgehen, jedenfalls die Aufwendungen für die neue Wohnung nicht als angemessen anerkennen würde.

b) Selbst wenn § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II anwendbar wäre, könnte der Kläger zumindest im streitgegenständlichen Zeitraum daraus keinen Anspruch auf weitere Leistungen herleiten.

Eine Kostensenkung durch Umzug war dem Kläger objektiv (aa) und subjektiv (bb) möglich und auch zumutbar (cc).

aa) Eine Kostensenkung durch Umzug war dem Kläger objektiv möglich. Eine objektive Unmöglichkeit einer Unterkunftsalternative wird, wenn man auf hinreichend große Vergleichsräume abstellt, nur in seltenen Ausnahmefällen begründet sein, zumal es in Deutschland derzeit keine allgemeine Wohnungsnot gibt und allenfalls in einzelnen Regionen Mangel an ausreichendem Wohnraum herrscht (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R -, juris, Rn. 36). Der Leistungsberechtigte muss hinreichende Kostensenkungsbemühungen substantiiert, also konkret und schlüssig, dartun, wenn er geltend machen will, dass binnen der zugebilligten Übergangsfrist eine bedarfsgerechte kostenangemessene Unterkunft nicht anzumieten, eine Kostensenkung durch Umzug mithin unmöglich gewesen sei; gelingt ihm dies (ausnahmsweise), ist es an dem Leistungsträger, konkret angemessenen Wohnraum nachzuweisen (Berlit, in: Münder (Hrsg.), SGB II, Lehr- und Praxiskommentar, 6. Aufl. 2017, § 22 Rn. 131). Solche Kostensenkungsbemühungen hat der Kläger indes nicht ansatzweise dargetan. Er hat lediglich pauschal behauptet, keine günstigere Wohnung zu finden. Der Beklagte hat überobligatorisch freie Wohnungen nachgewiesen, welche die hier maßgebliche Angemessenheitsgrenze einhalten.

bb) Eine Kostensenkung war dem Kläger auch subjektiv möglich. Der Beklagte hatte ihm durch Kostensenkungsaufforderungen vom 20. Dezember 2012 und 15. Januar 2013 mitgeteilt, wie hoch die seiner Ansicht nach angemessene Miete ist. Nicht erforderlich ist, dass die Kostensenkungsaufforderung auch die angemessene Miete zutreffend beziffert. Hält der Leistungsberechtigte die vom Jobcenter in der Kostensenkungsaufforderung vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche Kosten der Unterkunft angemessen i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 B 4 AS 30/08 R -, juris).

Die objektiv fehlerhafte Angabe zur Höhe der Referenzmiete kann nur dann ausnahmsweise zur subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung führen, wenn dadurch bewirkt wird, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige seine Suche aufgrund der unzutreffenden Angabe in wesentlichem Umfang beschränkt (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R -, juris, Rn. 40). Der Kläger hatte jedoch zur Überzeugung des Senats nicht die Absicht, seine Kosten durch einen Umzug zu senken. Insbesondere aus seiner Klageschrift geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass er nicht aus der zum 1. April 2010 angemieteten Wohnung auszuziehen wollte. Ausdrücklich hat er darin vorgetragen, dass für ihn ein Umzug in eine andere Wohnung nicht in Frage komme.

Der Umstand, dass der Beklagte höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligt hat, als er in den Kostensenkungsaufforderungen angekündigt hat, führt nicht zur subjektiven Unmöglichkeit einer Kostensenkung. Zwar darf eine Kostensenkungsaufforderung nicht mehr alleinige Grundlage einer Absenkung sein, wenn über eine längere Zeit hinweg gleichwohl Kosten der Unterkunft und Heizung vollständig übernommen worden sind (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R , juris, Rn. 36). Der Beklagte hatte jedoch für die streitgegenständliche Wohnung nie die tatsächlichen Kosten in vollem Umfang anerkannt. Die Zahlung von höheren als der für angemessen erachteten Aufwendungen war nicht kausal für die vom Kläger nicht durchgeführten Kostensenkungsmaßnahmen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 27/09 R -, juris, Rn. 31).

cc) Ein Umzug war dem Kläger auch (subjektiv) zumutbar. Ein Wechsel in Wohnquartiere, die in einer in angemessener Zeit überwindbaren Entfernung gelegen sind, ist regelmäßig nicht unzumutbar; Anfahrtswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wie sie Erwerbstätigen oder Schülern zugemutet werden, sind hinzunehmen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R -, juris). Etwas anderes gilt nur, wenn besondere Gründe, insbesondere grundrechtsrelevante Sachverhalte oder Härtefälle, gegen einen Wohnungswechsel oder ein Verlassen des sozialen Nahbereichs sprechen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R -, juris). Solche Umstände liegen hier allerdings nicht vor.

Zwar ist bei älteren Menschen insbesondere ihr Recht auf Verbleib in ihrem langjährig vertrauten sozialen Umfeld bei der Gewährung von existenzsichernden Leistungen zu berücksichtigen (siehe für die Grundsicherung im Alter BSG, Urteil vom 23. März 2010 B 8 SO 24/08 R -, juris). Der Kläger wohnte allerdings erst drei Jahre in der in Rede stehenden Wohnung, so dass von einem langjährig vertrauten sozialen Umfeld nicht die Rede sein kann.

Sofern der Kläger geltend macht, er sei bereits wenige Jahre vorher umgezogen, kann hierin ebenfalls kein Gesichtspunkt für die Unzumutbarkeit eines weiteren Umzugs gesehen werden. Denn die typischerweise mit einem Umzug verbundenen Belastungen machen diesen gerade nicht unzumutbar (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R -, juris; Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 32/09 R -, juris). Es muss sich vielmehr um eine vom Durchschnitt abweichende besondere Belastungssituation handeln, die den Verbleib in der bisherigen Wohnung erfordert (Berlit, in: Münder (Hrsg.), SGB II, Lehr- und Praxiskommentar, 6. Aufl. 2017, § 22 Rn. 127).

Ob sich die Unzumutbarkeit eines Umzuges daraus ergeben kann, dass der Leistungsberechtigte kurz vor dem Ruhestand steht, kann dahinstehen; in Betracht kommt dies nur dann, wenn nicht mehr ausreichend Zeit für die Um- und Eingewöhnung zur Verfügung steht (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 27/09 R -, juris, Rn. 36). Eine solche Konstellation liegt nicht vor.

c) Gegen die Anwendbarkeit des § 22 Absatz 1 Satz 3 SGB II spricht schließlich, dass diese grundsätzlich auf einen Zeitraum von sechs Monaten befristet ist und nur in besonderen, atypischen Fällen eine Überschreitung dieser Grenze zulässig ist. An die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit sind wegen des Regel-Ausnahme-Prinzips nach Ablauf der 6-Monats-Frist strenge Anforderungen zu stellen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R -, juris). Der streitgegenständliche Zeitraum liegt indes mehr als drei Jahre nach dem Zeitpunkt, ab dem die Regelfrist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II beginnen würde, nämlich dem 1. April 2010.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

III. Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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