L 4 AS 246/19 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 8 AS 154/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 246/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über existenzsichernde Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) und hilfsweise nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches – Sozialhilfe – (SGB XII).

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) sind tschechische Staatsangehörige und halten sich nach eigenen Angaben seit dem 22. August 2018 im Bundesgebiet auf. Sie lebten zunächst bei der Tochter der Antragstellerin zu 1 bzw. Schwester der Antragsteller zu 2-4 in H. und bezogen bis zum 31. Dezember 2018 vom örtlich zuständigen Grundsicherungsträger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. In dieser Zeit ging die Antragstellerin zu 1 einer geringfügigen Beschäftigung bei der Firma K. GmbH nach.

Nachdem die Wohnung gekündigt worden war und die Tochter der Antragstellerin zu 1 mit ihrer Familie (Partner und drei Kinder) in den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners und Beschwerdegegners (im Folgenden: Antragsgegner) nach L. W. umzuziehen beabsichtigte, kündigte die Antragstellerin zu 1 ihr bis zum 21. August 2019 befristetes Arbeitsverhältnis und beantragte die Zusicherung zum Umzug beim Antragsgegner. Diese wurde bestandskräftig abgelehnt. Gleichwohl zogen die Antragsteller nach L. W ... Seither leben die genannten neun Personen in einer Wohnung. Die am ... 1972 geborene Antragstellerin zu 1 beantragte am 15. Januar 2019 für sich und ihre am ... 1995 (Antragteller zu 2), ... 2000 (Antragsteller zu 3) und ... 2002 (Antragsteller zu 4) geborenen Söhne beim Antragsgegner erneut existenzsichernde Leistungen. Die Antragstellerin zu 1 gab an, sie habe ihre Erwerbstätigkeit aufgeben und nach W. umziehen müssen, um nicht wohnungslos zu werden. Gleichwohl stellte die Bundesagentur für Arbeit Dessau-Roßlau-Wittenberg mit Datum vom 31. Januar 2019 unangegriffen fest, dass keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit vorliege.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2019 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen mit der Begründung ab, die Antragsteller seien gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen, weil sie sich lediglich zur Arbeitsuche im Bundesgebiet aufhielten.

Hiergegen erhoben die Antragsteller mit Schreiben vom 8. Februar 2019 Widerspruch. Zur Begründung führten sie aus, der Antragstellerin zu 1 stehe aufgrund ihrer bis Ende 2018 ausgeübten Erwerbstätigkeit ein nachgehender Freizügigkeitsanspruch zu. Zudem sei sie auch unfreiwillig arbeitslos geworden, weil die Antragsteller ohne den Umzug wohnungslos geworden wären.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2019 hielt der Antragsgegner an seiner Auffassung fest, wonach die Antragsteller vom Leistungsbezug ausgeschlossen seien.

Daraufhin haben die Antragsteller am 22. Februar 2019 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und gleichzeitig unter dem Aktenzeichen S 30 AS 167/19 Klage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben. Sie haben vorgetragen: Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verfüge zumindest die Antragstellerin zu 1 über ein fortbestehendes Aufenthaltsrecht, weil sie bis Ende 2018 erwerbstätig gewesen sei. Auch hielten sich die Antragsteller länger als sechs Monate im Bundesgebiet auf, so dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG von einem verfestigten Aufenthaltsrecht auszugehen sei. Es bestehe daher zumindest ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII. Ferner sei beabsichtigt, den Antragsteller zu 4 zum Schulbesuch anzumelden, der - ebenso wie seine Brüder - während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik bislang keine Schule besucht habe. Dies sei wegen fehlender Anmeldung beim Einwohnermeldeamt bisher nicht möglich gewesen. Diese sei gescheitert, weil der Vermieter der Tochter der Antragstellerin zu 1 sich geweigert habe, eine Wohnungsgeberbescheinigung auszustellen. Der Antragsgegner hat demgegenüber weiterhin die Auffassung vertreten, dass die Antragsteller vom Leistungsbezug ausgeschlossen seien. Auch der mit Beschluss vom 8. März 2019 beigeladene Sozialhilfeträger hat die Gewährung von Leistungen abgelehnt, weil die Antragsteller im Anwendungsbereich des SGB XII denselben Leistungsanschlüssen unterlägen wie im SGB II. In Betracht kämen für Rückkehrwillige lediglich sogenannte Überbrückungsleistungen. Diese haben die Antragsteller ausweislich des Schreibens vom 19. März 2019 aber ausdrücklich nicht beantragt.

Mit Beschluss vom 5. April 2019 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragsteller aufgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen seien. Ein Leistungsanspruch ergebe sich auch nicht gegenüber dem Beigeladenen, weil der aufenthaltsrechtliche Status bislang nicht nachgewiesen sei. Zudem besuche der Antragsteller zu 4 keine allgemeinbildende Schule.

Gegen den ihnen am 12. April 2019 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 23. April 2019 Beschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) erhoben und sich zur Begründung auf das bisherige Vorbringen bezogen.

Die Antragsteller beantragen nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

den Beschluss des SG Dessau-Roßlau vom 5. April 2019 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig ab Februar 2019 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens S 30 AS 167/19 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu zahlen, hilfsweise,

den Beigeladenen zu verpflichten, ihnen vorläufig, ab Februar 2019 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens S 30 AS 167/19 Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Der Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, welche dem Senat im Rahmen seiner Entscheidungsfindung vorgelegen haben.

II.

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1, 3 Nr. 1 SGG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt den in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG genannten Wert von 750 EUR. Die begehrte Verpflichtung zur Zahlung von Grundsicherungsleistungen in gesetzlicher Höhe für die Zeit ab Februar 2019 überschreitet bei fehlendem Einkommen offensichtlich den Beschwerdewert.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Anordnungsgrundes (die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) und eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründeten Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung, längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht der Hauptsache nicht bindet. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig u.a., Kommentar zum SGG, 12. Auflage, zu § 86b, Rn. 16b).

Dabei müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S. 1236; BVerfG, NVwZ 2004, S. 95 f.), wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren – wie vorliegend – vollständig die Bedeutung des Hauptsachverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller im Eilverfahren nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinem Begehren verfolgt. Zudem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtschutzes einbeziehen. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG - Beschluss vom 22. November 2002, a.a.O., S. 1237). Dies gilt insbesondere, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistungen, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Nach diesen Grundsätzen war vorliegend zuungunsten der Antragsteller zu entscheiden. Diese erfüllen weder die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II (vgl. hierzu unter 1.) noch auf einen Anspruch nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (vgl. hierzu unter 2.), weil sie von diesen Leistungen ausgeschlossen sind.

Die Antragsteller erfüllen grundsätzlich die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, weil sie in der Zeit von 1972 bis 2002 geboren wurden und in Ermangelung entgegenstehender Anhaltspunkt erwerbsfähig sind, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik haben und auch hilfebedürftig sein dürften.

Allerdings sind sie gemäß § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Danach sind folgende Personen von Leistungen ausgenommen:

1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,

2 a) Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben,

2 b) deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder

2 c) die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten, und ihre Familienangehörigen,

3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II gilt der Leistungsausschluss nach Satz 2 Nr. 1 nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapital 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nr. 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 des FreizügG/EU festgestellt wurde. Darüber hinaus sind im Wege des "Erst-Recht-Schlusses" Unionsbürger oder Ausländer nicht zum Bezug von SGB II-Leistungen berechtigt, die über keine Freizügigkeitsberechtigung oder kein anderes materielles, eine längerfristige Bleibeperspektive vermittelndes Aufenthaltsrecht verfügen (vgl. BSG - Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - Rn. 19 ff.; BSG - Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris).

Nach der Rechtsprechung des BSG erfordert die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in Umsetzung des gesetzgeberischen Willens bei Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert damit die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (vgl. BSG - Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R - Rn. 23; Urteil vom 25. Januar 2012 - B 14 AS 138/11 R - Rn 20 juris).

Nach diesen Grundsätzen besteht kein anderes materielles Freizügigkeitsrecht als das in § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2b SGB II genannte Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1a des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU), so dass die Antragsteller vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen sind. Es liegen die Voraussetzungen für keines der in Betracht kommenden materiellen Aufenthaltsrechte - § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU (hierzu unter a), § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU (hierzu unter b) und Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union [VO (EU) 492/11] (hierzu unter c) vor. Auch aus § 11 Satz 11 FreizügG/EU- i.V.m. § 25 Abs. 4 AufenthG und § 28 AufenthG ergibt sich für keinen der Antragsteller ein materielles Aufenthaltsrecht (hierzu unter d).

a)

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU sind Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen. Ein derartiges materielles Aufenthaltsrecht steht keinem der Antragsteller zu, nachdem die Antragstellerin zu 1 ihr Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2018 gekündigt hat und damit kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft einer Erwerbstätigkeit nachgeht.

b)

Der Antragstellerin zu 1 steht auch kein fortdauerndes Freizügigkeitsrecht gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 und 2 FreizügG/EU aufgrund der von August bis Dezember 2018 ausgeübten Erwerbstätigkeit zu. Danach haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Abs. 1 unter anderem auch Arbeitnehmer bei unfreiwilliger – durch die zuständige Bundesagentur für Arbeit bestätigte – Arbeitslosigkeit, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. Bei einer kürzeren Tätigkeitsdauer bleibt das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Satz 2 dieser Vorschrift für die Dauer von sechs Monaten bestehen. Die Antragstellerin zu 1 war deutlich kürzer als ein Jahr im Bundesgebiet erwerbstätig, so dass aktuell kein Freizügigkeitsrecht nach dieser Vorschrift besteht. Andererseits liegt auch ausweislich der bestandskräftigen Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit Dessau-Roßlau-Wittenberg vom 21. Januar 2019 keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit vor, weil die Kündigung von der Antragstellerin zu 1 ausging. Zweifel an der Richtigkeit dieser Einschätzung bestehen nicht, weil weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass der Wohnungslosigkeit nicht auch unter Beibehaltung der Erwerbstätigkeit – insbesondere durch eine Anmietung einer Wohnung in Husum – begegnet werden konnte.

c)

Die Antragstellerin zu 1) kann kein eigenständiges Aufenthaltsrecht als sorgeberechtigte Mutter des Antragstellers zu 4 aus einem Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union [VO (EU) 492/11] herleiten. Danach können die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen. Hieraus leitet sich ein eigenständiges Aufenthaltsrecht des sorgeberechtigten Elternteils ab, soweit und solange die minderjährigen Kinder eines Arbeitnehmers oder ehemaligen Arbeitnehmers für die Wahrnehmung der Ausbildungsrechte aus Art. 10 VO (EU) 492/11 weiterhin der Anwesenheit und Fürsorge eines Elternteils bedürfen, um ihre Ausbildung fortsetzen und abschließen zu können (vergleiche hierzu unter anderem EuGH - Urteil vom 23. Februar 2010 – C-310/08; C-84/08 – Ibrahim Teixeira – juris). Eine solche Sachlage ist hier nicht gegeben, denn der Antragsteller zu 4 hat – wie seine Brüder – während seines Aufenthalts im Bundesgebiet keine Schule besucht und besucht auch gegenwärtig keine. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob der in § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2c SGB II statuierte und vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung vom 7. November 2016 (BT-Drs. 18/10211, Seite 13) beabsichtigte Leistungsausschluss bei einem abgeleiteten Freizügigkeitsrecht mit Europarecht vereinbar ist (vergleiche hierzu LSG Nordrhein-Westfalen – Vorabentscheidungsersuchen vom 14. Februar 2019 – L 19 AS 1104/18 – juris).

d)

Die Antragstellerin zu 1 kann sich – auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Grundgesetz (GG) – nicht auf ein Aufenthaltsrecht berufen, weil sie die elterliche Sorge hinsichtlich des Antragstellers zu 4 ausübt. Zwar ist gemäß § 11 Satz 11 FreizügG/EU- das Aufenthaltsgesetz anwendbar, soweit dieses eine günstigere Rechtstellung vermittelt als dieses Gesetz. Damit sind grundsätzlich auch § 25 Abs. 4 und § 28 AufenthG anwendbar. Allerdings vermitteln diese der Antragstellerin zu 1 kein materielles Aufenthaltsrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt begründet (BVerfG – 18. Juli 1979 – 1 BvR 650/77; 25. März 2011 – 2 BvR – 1413/10 – juris). Denn eine familiäre Einheit kann auch durch Besuche oder aber durch eine Rückkehr in das Heimatland gewährleistet werden. Damit besteht keine unmittelbare Verpflichtung, für einen aufgrund der Freizügigkeitsregelungen innerhalb der EU möglichen Aufenthalt Sozialleistungen zu gewähren (so auch LSG Sachsen-Anhalt – 22. Februar 2018 – L 2 AS 859/17 B ER – Rn. 92 und 93 mit Verweis auf LSG Nordrhein-Westfalen – 27. Juli 2017 – L 21 AS 782/17 B ER – Rn. 55 ff. – juris).

Der Senat hat auch keine durchgreifenden Bedenken, dass der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II von Unionsbürgern, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Recht zur Arbeitsuche im Bundesgebiet ergibt, mit Europarecht vereinbar ist (vergleiche EuGH – 11. November 2014 – C-333/13 –Dano, EuGH – 15. September 2016 – C-67/14 – Alimanovic und EuGH – 25. Februar 2016 – C-2 299/14 – Garcia-Nieto – Juris). Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Regelungen eines Mitgliedstaats, nach denen Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Zugang zu beitragsunabhängigen Sozialleistungen ausgeschlossen werden, wenn ihnen gar kein Aufenthaltsrecht zusteht (Rechtssache "Dano" - Urteil vom 11. November 2014 - C-333/13) oder wenn ihr Aufenthaltsrecht sich nur aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Rechtssache "Alimanovic" - Urteil vom 15. September 2015 - C-67/14 - juris), mit Unionsrecht vereinbar (vergleiche zur sich anschließenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts: BSG - Urteile vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 43/15 R und B 4 AS 44/15 R – juris).

2.

Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf die von ihnen hilfsweise beantragten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit §§ 27 ff. SGB XII. Einem solchen Anspruch steht jedenfalls entgegen, dass Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII (in der ab dem 29. Dezember 2016 gültigen Fassung) in demselben Umfang ausgeschlossen sind wie die Leistungen nach dem SGB II. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII erhalten Ausländer keine Leistungen nach Abs. 1 des § 23 SGB XII oder nach dem Vierten Kapitel, wenn sie

1. weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbstständige noch auf Grund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,

2. sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,

3. sie ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Nummer 2 aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten [ ...].

Diese Leistungsausschlüsse beziehen sich auf die hier in Betracht kommenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 23 Abs. 1 SGB XII i. V. m. §§ 27 ff. SGB XII). Sie erfassen nach der zum 29. Dezember 2016 erfolgten Klarstellung auch die in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII geregelte Sozialhilfe als Ermessensleistung (zur alten Rechtslage vgl. BSG - Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - SozR 4-4200 - § 7 Nr. 43).

Wie der Senat dargelegt hat, liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für diese Leistungsausschlüsse vor.

Es kann offenbleiben, ob auch diese Leistungsausschlüsse mit europarechtlichen Bestimmungen vereinbar sind. Auch diese Leistungen werden unabhängig von Beiträgen der Empfänger erbracht (so auch Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Januar 2019 – L 23 SO 279/18 B ER – Rn. 33 – juris). Denn jedenfalls steht das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) einem Leistungsausschluss der Antragsteller als tschechische Staatsangehörige nicht entgegen, weil die Tschechische Republik kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens ist.

Im Übrigen sind Leistungsansprüche für diese Personengruppe nach der seit dem

29. Dezember 2016 geltenden Rechtslage nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern lediglich auf solche Hilfen beschränkt, die erforderlich sind, um die Betroffenen in die Lage zu versetzen, existenzsichernde Leistungen ihres Heimatlandes in Anspruch zu nehmen. So räumt § 23 SGB XII nunmehr einen Anspruch auf eingeschränkte Hilfen bis zur Ausreise - Überbrückungsleistungen - ein (Abs. 3 Satz 3) und verpflichtet die Behörde darüber hinaus zur Übernahme der Kosten der Rückreise (Abs. 3a). Durch eine Härtefallregelung (Abs. 3 Satz 6) wird zudem jetzt sichergestellt, dass im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte Leistungen erbracht werden, die nach Art, Umfang und/oder Dauer noch über die "normalen" Überbrückungsleistungen hinausgehen. Der Gesetzgeber bewegt sich mit dieser Regelung innerhalb des Spielraums, welcher ihm bei der Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG eingeräumt ist.

Anders als dem Personenkreis, für den das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) einen Anspruch auf laufende existenzsichernde Leistungen vermittelt, ist es Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Regel ohne weiteres möglich, kurzfristig in ihren Heimatstaat zurück zu reisen, um dort anderweitige Hilfemöglichkeiten zu aktivieren. Daher kann die Gewährleistungsverpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG für Anspruchsberechtigte nach dem AsylbLG, die gerade nicht in jedem Fall zeitnah in ihre Heimat zurückkehren können, um dort ihren Lebensunterhalt zu sichern, auch umfangreichere und länger andauernde Leistungen zur Existenzsicherung erfordern. Bei Unionsbürgern kann sich die Gewährleistungsverpflichtung demgegenüber darin erschöpfen, sie bei den Bemühungen der Selbsthilfe durch eingeschränkte Leistungen (z. B. Überbrückungsleistungen, Übernahme der Kosten der Rückreise) zu unterstützen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2015 - L 20 AS 2161/15 B ER – juris; LSG Baden-Württemberg - Beschluss vom 29. Juni 2015 - L 1 AS 2338/15 ER-B - juris; LSG Rheinland-Pfalz - Beschluss vom 5. November 2015 - L 3 AS 479/15 B ER - juris; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen - Beschluss vom 7. März 2016 - L 12 SO 79/16 B ER - juris; SG Dortmund - Beschluss vom 31. Januar 2017 - S 62 SO 628/16 ER - juris; Ulmer, ZRP 2016, 224).

Auf Grund des Ausschlusses der Antragsteller von den beantragten Leistungen kann dahinstehen, ob diese für die Zeit vor Antragstellung schon deshalb ausgeschlossen sind, weil ein Nachholbedürfnis nicht glaubhaft gemacht wurde, zumal die Antragsteller mietfrei wohnen.

Da die Antragsteller keine Überbrückungsleistungen begehren, war hierüber nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

III.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig (§ 114 Abs. 2 ZPO) erscheint.

Hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Erfolgsprüfung der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Dies ist der Fall, wenn das erkennende Gericht den Rechtsstandpunkt des Prozesskostenhilfe beantragenden Beteiligten für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält (vgl. Meyer-Ladewig u.a., Kommentar zum SGG, 12. Auflage, zu § 73a Rn. 7, 7a und 7d).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil die Rechtsverfolgung – wie unter II. dargelegt – keine Aussicht auf Erfolg hatte.

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe der Antragsteller zu 2-4 waren aber auch aus anderen Gründen abzulehnen.

Ein PKH-Antrag muss vollständig und damit bewilligungsreif i.S.d. § 73a Abs. 1 S 1 SGG i.V.m. § 117 Abs. 1 S 2 ZPO gestellt sein. Dazu gehören die Übermittlung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 ZPO) unter Verwendung des Formulars nach § 117 Abs. 3, 4 ZPO (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 73a Rn. 5b) und die Schilderung des Sachverhalts, wobei der Antragsteller wenigstens im Kern deutlich machen muss, auf welche rechtliche Beanstandung er seine Klage stützt. Diese Anforderungen an einen vollständigen Antrag auf PKH sind in der Rechtsprechung des BVerfG als verfassungsgemäß anerkannt (vgl. BVerfG SozR 1750 § 117 Nr. 5 und 6 und BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 14.4.2010 - 1 BvR 362/10 - Rn. 15 – juris).

Die Antragsteller zu 2-4 haben die erforderlichen Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt (vgl. hierzu auch Beschlüsse des BVerfG vom 27. Oktober 2017 – 1 BvR 1746/16 und vom 8. November – 1 BvR 1020/17 – juris). Der Senat auch war nicht gehalten, die Bewilligungsreife der Anträge abzuwarten bzw. herbeizuführen und mit seiner Entscheidung in der Hauptsache zuzuwarten. Unabhängig davon, dass es sich um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt, war den anwaltlich vertretenen Antragstellern die Bedeutung dieser Unterlagen bewusst.

Die Beschlüsse sind gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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